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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 174
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Xo. 174.

Dienstag den 26. Juli

1842.

LanVtaqsvcrhanVlungcn.
Carlsruhe, 19. Juli. 23. öffcntO«itzung der 2. Kammer. (Fortsetzung)
Legationsraeh Frhr. v. Marsch all. Das Resultat, welches die hannöver'iche
Sache in der Bundesversammlung gehabt, ist auf bundesgcsctzmäßigcm Wege ge-
funden worden; ich kann daher nur bedauern, daß sich der Herr Abgeordnete in die-
ser Weise über jenen Beschluß aussprechcn mochte.
V. Jtzstein. Wenn hier der Ort dazu wäre, so würde ich beweisen, daß die
Sache nicht entschieden ist, und auch nicht entschieden werden wollte. Trotz der Heim-
lichkeit der Bundesprotokolle kommen sie doch in die Hände anderer Leute. Früher
hat man zwar gesagt, daß dies nur auf dem Wege eines Verbrechens geschehen
könne; ich babe aber diese Protokolle auf ganz ordentlichem Wege zu lesen bekom-
men, und hiernach ist keine Entscheidung erfolgt, wie selbst aus einzelnen Beschlüs-
sen der Negierungen hcrvorgeht..
Legatwnsrath Frhr v. Marsch all. Es ist allerdings ein Beschluß und zwar
dahin erfolgt, daß nach obwaltender Sachlage kein Eirund zu einem bundesgesetz-
niäßigcn Einschreiten vorhanden sei.
^chaaff findet in dem Vortrage des Abg. Welcher den Ausdruck seiner An-
sicht über die Art und Weise, wie der deutsche Bund das Grundgesetz znm Vollzug
bringt, woran er dann »och Wunsche und Hoffnungen knüpfe. Das Recht dazu
könne man ihm nicht bestreiten, er sei aber nicht in der Lage, jetzt ebnen Beschluß
darüber zu fassen; zu diesem Zweck hätte die Sache im Wege der Motion in die
Kammer gebracht werden müssen; da dies nicht geschehen, tragt er darauf an, zur
Tagesordnung zu schreiten, ohne sich damit gegen alles das auszuiprcchen, was der
Vortrag enthalte. Wolle man die Tagesordnung nicht beschließen, so bleibe nichts
übrig, als die beiden Vorträge der Abg. Welcher und v. Jtzstein in die Abtheilun-
gen zu verweisen. Ueberhaupt werde man aber bei solchen Angelegenheiten mehr
durch Schweigen als durch Reden erreichen.
Trcfnrl: Ich theilc im Wesentlichen die Wünsche der Abgeordneten Welcher
gttd v. Jtzstein. Lebhaft theile ich den Wunsch in Beziehung auf die hannoversche
'Abgelegenheiten, die Veröffentlichung der Bunbesprotokolle, die Herstellung der Preß-
freiheit, vor Allem aber den Wunsch, daß in sämmtlichen deutschen Staaten consti-
tutivnelle Verfassungen eingcführt werden. Ich theile diese Wünsche nicht erst seit
heute, sondern habe sic,^besonders die letzten, immer im Herzen getragen und mir
als das Ziel meines Strebcnö im öffentlichen Leben vorgesteckt. Ich habe aber
schon frühe genug und schon zur Zeit, als ich in diesen Saal trat, erkannt, und er-
kenne heute noch, daß es zwei verschiedene, ganz entgegengesetzte Wege gicbt, die-
sem Ziele entgegen zu geheng aber der eine führt dahin sicherer als der andere.
Der eine ist der Weg des guten Beispiels, der Anreizung zum Guten dadurch, daß
man selbst das Gute und Schöne durch die That beweist. Der andere ist diesem
Wege entgegengesetzt. Ich sage nicht, daß die früheren Kammern imincr den er-
sten Weg emgcschlagcn haben; allein das sage ich, daß sie diesem Weg -näher wa-
ren, als die jetzige Kammer in ihrem bisherigen öffentlichen Leben. Machen Sie
sich darnber keine Täuschung. Wenn man andere Regierungen dazu anreizen will,
eine Verfassung als ein wahres Gut für Regierung und Volk anzuerkennen unv
sich anzucigncn, so muß man durch die That das Gute und Schone selbst beweisen.
Ich glaube aber, daß der Geist, wie er sich bei unfern diesjährigen Verhandlungen
kund gegeben hat, nicht gerade ein Lockspeise für diejenigen Regierungen ist, die
noch keine Verfassungen haben, solche sofort einzuführen. Bitten, Wünsche und Em-
pfehlungen wirken nicht gleich von jeder Seite her, sondern cs kömmt darauf an,
welchen Geist und welche Richtung der Bittende und Empfehlende in seinem öffent-
lichen Leben kund gegeben hat. Dies ist mcisie Meinung, und gerade darum, weil
ich nicht glaube, daß eine von der gegenwärtigen Kammer ausgehende Empfehlung
bcsondcrn Eindruck auf diejenigen machen wird, an welche die Empfehlung gerich-
tet ist, bin ich heute nicht für einen Antrag, für den ich früher immer war, ob-
gleich ich die Wünsche, die hier geäußert wurden, ans vollem Herzen theile. Würde
dennoch die Kammer sich für eine nähere Berathung des Gegenstandes cnt-
dct halte ich mich für vollkommen überzeugt, daß dieser Antrag, vermöge
zck, .(^wichtigen Gegenstandes, den er enthält, nicht anders, als im Wege der
- rssmndlüng erledigt werden kann. Wir haben dieses schvn oft gcthan, wenn
wuchtige <ung, kamen.
Die Erklärung des Abg. Trcfurt über den Geist der jetzigen Kam-
mer und die unträge, die von ihr ausgehen, ist eine, im mildesten Ausdruck ge-
sprochen, sehr stgtke Erklärung, deren weitere Interpretation ich Ihnen übcrlaffcn will.
Sander, fchsim zurückdcnkt an die Proklamation von Ka lisch und an
die, von den verschiedenen deutschen Negierungen damals erlassenen Ausrufe an ihr
Volk zur Befreiung Deutschlands von ausländschcr Unterdrückung; wenn man die
Bundcsakte zur Hand nunmt und zugleich die Abstimmungen durchgeht, die bei der
Bundesversammlung bis zum Jahr 1818 gefallen sind, in den Protokollen mitgc-
theilt wurden und wenn man endlich das ansieht, was jetzt besteht und als das
^taatSrecht des deutschen Bundes ausgcgeben wird, so muß man sagen, daß ein
g oster Unterschied zwischen beiden statt findet. Wenn der Herr Rcgierungskommis-
sie» „«'crkte, daß das, was jetzt bestehe, der Zustand sei, wie er den VundcSgcse-
^ Zid den Verheißungen der Bundesgrnndlagen entspreche, so kann ich kaum glau-
't ,ns ^ in vollständiger Vergleichung mit der Bundesakte und den da-
- vorangegangenen und nachgefolgtcn Staatsakten ausge-
sprochen hat. Eg iß hoch wohl ein himmelweiter Unterschied zwischen der in der

Bundesakte verheißenen Preßfreiheit und jenem Zustand, in welchem sich die deut-
sche Presse jetzt befindet. Es ist ein himmclwettcr Unterschied zwischen den Abstim-
mungen, die wegen Erfüllung der Bundesakte in Betreff der Einführung landständ.
Verfassungen bei der deutschen Bundesversammlung erfolgt sind und zwischen der
Entscheidung, welche der Bund in der hannoverschen Sache getroffen hat. Gewiß
läßt sich von Keinem bestreiten, der in dieser Sache Kenntniß besitzt, daß die Aus-
führung der deutschen Bundesakte und viele ergangene Beschlüsse nicht zusammen-
stimincn mit den gegebenen Verheißungen; ja nicht einmal übereinstimmen mit den
klaren Bestimmungen der Bundesakte selbst.
Es ist wohl nicht zu läugnen, daß seit t819 von der deutschen Bundesver-
sammlung Schranken und Verbote mannigfacher Art allsgegangen sind. Ich will
darüber nicht rechten, ob man zu jener Zeit wirklich Gründe und triftige Ursachen
dazu hatte; ich will nicht darüber streiten, ob das, was geschehen, recht oder zweck-
mäßig geschehen sei over nicht. Wenn aber der Herr RegicrungSkommissär sagt,
es sei der Zustand Deutschlands, wie er jetzt besteht, ein Zustand der Gesetzlichkeit
und der Ruhe, so kann ich ihm darin wohl nicht recht geben. Es ist ein Zustand
der Ruhe, und ein Zustand der Gesetzes- und Ordnungsliebe, welche das deutsche
Volk zu allen Zeiten und auch da, wo seine Rechte nicht anerkannt wurden, in sich
bewahrt hat. Es herrscht allerdings ein Zustand der Ruhe, aber nicht ein Zustand
der Anerkennung desjenigen, waS^da ausgegangcn ist, hinsichtlich der staatsbürger-
lichen Rechte der Deutschen; nicht ein Zustand der Billigung desselben. Vielmehr
ist es eine Wahrheit, daß Deutschland seit langen Jahren auf eine andere Nich-
-tung hofft, und daß man sie dringender und mehr und mehr wünscht. Man wird
nicht läugnen können, daß in neuester Zeit durch die Drohungen des Auslandes der
deutsche Nationalgeist wieder erwacht und das Bewußtsein der Höhe des deutschen
Volkes stärker geworren ist, als früher. Ich würde glauben, es sei dem nicht so
und dieses Nationolbcwußtsein sei nicht stärker angefacht worden, weil» damit nicht
auch der Wunsch einer Aelidernng jener aufgestelle» Schranken und Verbote stärker
angefacht und nicht größere Hoffnung vorhanden wäre, daß dieser Wunsch wirklich
zur Erfüllung würde gebracht werden.
Der Wünsch, wie ihn der Abg. Wclcker ausgestellt hat, geht a.. .g-cu- aus
nichts Anderes, als den Zustand, tvie ihn die Bundcsakte verheißt, auf nichts An-
deres, als eine Zurückfuhrung auf die früheren Zustände, die zur Zeit der Entste-
hung der deutschen Bundesakte bestanden, auf die Erfüllung desjenigen, was dir
Bundesakte darin verheißen hat. Das ist aber doch wohl in der jetzigen Zeit kein
Wunsch, der irgend einen Anstand finden könnte oder sollte. Hinsichtlich dieses
Wunsches sind wir in diesem «aale, wie der Abg. Trefurt selbst anerkannt hat,
von jeher einig gewesen, und dieser Wunsch ist auch schon vielfach erklungen. Wenn
man von Wiederholungen spricht, so sage ich, daß wir leider immer noch in der
Lage sind, diesen Wunsch wiederholen zu müssen; allein wir können und dürfen da-
mit nicht Nachlassen. Ein Mißtrauen gegen den deutschen Bund wird hierdurch nicht
vcrrathcn, sondern gerade ein Vertrauen gezeigt und bewiesen, daß diese Kammer,
zu Stande gekommen in einer Zeit, wo das deutsche Nationalbcwnßtsein erwacht
war, auch fühlt, daß sie sich nicht blos um ihre inneren Zustände, sondern auch
um deutsche zu kümmern habe, und zwar darum, weil es Noth thut Deutschland
zu einigen, zu kräftigen für die Stunde der Gefahr, die, wie ein neuestes unglück-
seliges Ercigniß zeigte, vielleicht nicht mehr so fern liegt. Es ist aber auch ei»
Wort der Z-it, daß eine Einigung und Kräftigung von Deutschland nicht blos
darin besteht, daß die Schranken und Verbote, die in Zeiten der Aufregung erlas-
se» worden sind, fortd.niern und daß darin nur die Gemeinschaftlichkeit der Deut-
schen bestehen soll, unter gleichen Schranken und Verboten z» leben. Vielmehr ist
es eine unbestreitbare Wahrheit der Zeit, daß auf Anerkennung der Rechte und
Freiheiten des Volks, so weit sie vernünftig sind, die wahre Kraft des Staates be-
ruht, und nur durch Vereinigung der Völker mit den Fürsten eine Kraft entsteht,
die geeignet ist, Angriffe und Drohungen abzuwehrcn. Gerade darum ist cs aber
auch um so mehr an der Zeit, den Antrag des Abg. Wclcker anzunehmen. Wir
haben nicht noihwendig, ihn in die Abtheilungen zu verweisen, da er nicht etwa
auf eine Interpretation der Bundcsakte, sondern nur darauf ausgeht, tie Verhei-
ßungen der Bundesakte zu verwirklichen und die Ausnahmrinaßregcln, die in einer
Zeit der Aufregung erlassen wurden, zurück zu nehmen, damit auch Deutschland
ein einiges starkes und kräftiges werde und man mit Muth aber auch mit Erfolg
künftigen Gefahren entgegen gehen kann.
Platz wünscht zwar ebenfalls, daß Deutschland zu dem höchst möglichsten
Grade politischer Freiheit gelange, ist aber mit dem Abg. Wclcker nicht einig über
die Mittel und Wege, so wie über die Begriffe von politischer Freiheit. Derselbe
habe den Zustand der Presse und des öffentlichen Lebens zu düster geschildert. In
Beziehung auf die Mittel und Wege zur Entwickelung ver politischen Freiheit un-
terscheidet er den Weg der Reform auf dem Bo"-n historischer Zustände, wie ihn
Dahlmann empfiehlt, von dem Wege der Rcvol Der letztere sei in einem
Nachbarlande versucht worden, allein die Erfolg icht zun Nachahmung ein.
Deutschland habe den Beruf, auf dem. Wege di «en, organischen Ent-
Wicklung ln der politischen Freiheit fortznschreit ' er beste bewährt
habe. Der Redner beruft sich hiefür auf das ' 'n fangeführte
Beispiel von Preußen. Der Erhebung des Ra verdanke
man nicht den in dieser Kammer gestellten A
vercin, der sich jetzt als daS kräftigste Bindnr
 
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