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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 183
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0747

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743

und die Schritte zu durchkreuzen, welche er zu thun beschlossen hatte.
Dazu kam eine ngeutbümliche Furchtsamkeit, deren er nicht Herr wer-
den konnte. Ein Blick, den er zufällig auf seine zerlumpte Kleidung
warf, brachte ipn um die nöchige Fassung und so kehrte er immer
wieder langsamen Schrittes zu seinem kärglich nährenden Geschäfte
zurück. —
Die Jahre benahmen dem Feuer seiner administrativen begeiste-
rungsvollen Wünsche Nichts; sie stimmten nur seine Ansprüche in Et-
was herab; er war endlich so genügsam geworden, daß er von der
Vorsehung nur die Stelle eines Bureau-Dieners erflehte. Aber nach-
dem er einmal bis zu diesem bescheidensten Verlangen heruntergegan-
gen war, sah er sich auch bis an die äußerste Gränze herabgedrücki;
einen Schritt tiefer konnte er nicht thun, ohne dieses ideale Vaterland,
welches er mit so großer Seligkeit bewohnte, gänzlich zu verlassen. Er
stand auf der letzten Sprosse der weiter. In dieser verzweifluugsvol-
len Lage erwachte plötzlich eine solche Kraft des Entschlusses in ihm,
wie er sich bis jetzt selbst nicht zugetraut hatte: er wagte es endlich,
persönlich seine Bewerbungen vvrzubringen.
Mit einer Art von Erbitterung drängte er sich nun an diejenigen
heran, welche über die Gunst, der er nachstrebte, zu verfügen hatten;
er belagerte sie, ohne zu ermüden; er sprach von den Diensten, welche
er Härte leisten wollen, in einer Weise, wie er hätte sprechen können,
wenn er sie wirklich geleistet gehabt hätte; er war ein lebende Bitt-
schrift mit zwei Füßen, die beständig allen Ministern auf der Ferse war.
Ader, ach! die Minister hörten ihn nicht an, sein Flehen hatte kei-
nen Erfolg.
Fünf Jahre vergingen so; fünf ganze Jahre wurden in diesem so
undankbaren und doch so beharrlichen Streben verbracht!
Er wurde kleinmüthig; er gerieth in Verzweiflung; endlich wurde
er wüthend; die Wuth belebte seine Kräfte wieder und verkettete ihn
zu den verwegensten Schritten. Er hörte nur die Stimme seiner Lei-
denschaft. —
Eines Morgens, nach einer kummervoll durchwachten Nacht, erhob
er sich und umarmte seine Frau und seiue Kinder. Sein Aussehen
war trüb, seine Haltung hatte etwas seltsam Unheilverkündigeudes,
sein Auge glänzte in einem unheimlichen Feuer. Auf seinen Anzug
verwendete er eine außergewöhnliche Sorgfalt. Er bürstete und wusch
an seinem schwarzen Nocke, an seiner schwarzen Weste und seinen
schwarzen Pantalous; bas Wasser gab ihnen einen, wenn auch nur
vorübergehenden Glanz. Sein Hut wurde auf dieselbe Weise herge-
richtet. Mit erfinderischer Geschicklichkeit wußte er die Mängel an sei-
ner Wäsche, an seiner Fußbekleidung und an seinen Handschuhen zu
verbergen. Nichts fehlte an dieser armen aber reinlichen Kleidung.
Seine Frau verstand nicht, was er mit allen diesen Vorbereitungen
bezwecke. Anfangs ahnete sie Schlimmes wegen der Feierlichkeit, mit
welcher er alles betrieb, sie tröstete sich aber, als er sie mit den Wor-
ten: — Du wirst mich erwarten — verließ.
Aus dem Gebäude des Ministeriums des Innern schlug cs neun Uhr,
als der Portier in dem Hotel der Straße Grenelle ein schwarz gekeide-
- tes Individuum in den Hof eintreten sah. Es war unser Mann. Er
ging festen Schrittes einher und begab sich, ohne Zögern, nach dem Bü-
reauS. Der Schweizer ließ sich durch diese sichere Haltung täuschen.
(Fortsetzung folgt.)

BunteS.
fl Die Sonnen finsterniß vom achten Juli soll nach der Wiener
Theaterzettung auch zu einer Posse „die Sonnen sin sterniß vom
achten Juli" verarbeitet worden sein, die auf der Darmstädter
Bühne zur Aufführung gebracht wurde. Die Wiener Theaterzeitung
setzt hinzu: SN der „Biene" wird dieses Stück stark getadelt und be-
merkt, cs sollte die „Ge Hirn finstern iß heißen. Der Verfasser ist
ein Herr Draisecke aus Berlin." Der Mitthciler dieser Neuigkeit in
der wiener Theaterzeitueg scheint auch im Finstern herumgctappt zu ha-
ben. — Die Darmstader Hofbühne ist seit zwei Monaten geschlossen
und niemals eine ähnlich benannte Posse daselbst zur Aufführung ge-
kommen.

nc ^ New-Iorker Blätter enthalten traurige Berichte über die
Erpioston zweier Dampfkessel an Bord der Dampfschiffe „Etna" und
„Shamrock." Das erste dieser Unglücke fand am Morgen des 3. In«
lp an der Mündung des Miffourie statt. Die Zahl der Getödteten und

Verwundeten wird aus 53 angegeben, worunter sich 38 Deutsche aus
Düsseldorf befanden; die anderen Verunglückten waren 12 Ameri-
kaner, 1 Franzose, 1 Mericaner, 1 Engländer und 2 Farbige. Im
Spital waren die Todlenziinmer mü den beklagenswerthcn Opfern an-
gefüllt, mehre Leichen aber so verstümmelt und entstellt, daß sie von
den Verwandten und Freunden fast nicht erkannt werden konnten. Eine
Nachricht im „St. Louis Bulletin" vom L. Juli meldet, daß am 3.
Abends 11 Uhr, bereits 38 Personen gestorben waren. — Die zweite
Explosion auf dem Dampfdome „Shamrock", welche aus dem See ober-
halb Lachine erfolgte, soll 60 — 70 Menschen das Leben gekostet ha-
ben; unter den an Bord befindlichen englischen.Paffagieren werden L3
als todt oder vermißt ansgeführt. Eine Familie von acht und eine an-
dere von sieben Köpfen fanden gemeinsam den Tod.
fl Kürzlich hat ein Zufall in Braunschweig eine Verbindung von
ungeiähr 20 Lehrburschen entdecken lassen, welche eine Auswanderung der
ganzen verbündeten Gesammlheit zum Zwecke hatte. Kurzes Gefängmß nebst
körperlicher Züchtigung wird diese jugendliche Carricatur des Auswande-
rungstriebes wohl vollständig geheilt haben; indessen bleibt das Ereigniß
doch immer ein Zeichen der Zeit, — wie man zu sagen pflegt.

N ä t h s e l f r a g e n.
1) Wie kann man es nennen, wenn zwei Hunde gemeinschaftlich bellen?
2) Mit welchem Bogen wird nie geschossen, obschon er immer beschul ist?
3) Welche Hände können nicht erfrieren?
4) In welchen Zellen wohnen weder Nonnen noch Mönche?
5) Welche Art Feigen gedeiht selbst im kältesten Klima?
6) Welcher Kuß hat Vitt Einnehmendes?
7) Welches Laub fällt nicht, sondcru läuft ab?
8) Welche Tracht kann nie ein Mensch allein haben?
9) Welche Art Affen findet man am häufigsten?
>0) In welchen, Saal bat man nicht Lust zu tanzen? .
11) Wie köttnie man eine Dame nennen, die viele Schuld hat, alle schriftftchen
Mahnungen um Zahlung aber unbeachtet läßt?
12) In weichem Stalle findet man nie Vieh?
13) Wie heißt die Fee, die noch heutigen Tags fast in der ganzen Welt ver-
ehrt wird?
14) Weiche Tressen sind die kostspieligsten?
13) Welches Radies wird in der Bibel beschrieben?
16) Welchen Blumennamen könnte man starken Trinkern geben?
Auflösung des Räthsels in No. 177: Pantoffel. — Des Logoarpphs in No. 178
Glaube, Gau, Gabe re.

O P c r n - B e r i ch t.
(Von »d.H
Mittwoch den 3. August: »Othello, der Mohr von Venedig.« Große Oper
in drei Abteilungen, nach dem Italienischen von Grün bäum.
Musik von Rossini.
Ein Werk das dem Componistcn zur Ehre gereicht. — Es bildet — einige
italienische Floskeln und Mißgriffe abgerechnet — so ziemlich ein Ganzes. Der
dritte Akt ist unstreitig der Beste; echt dramatisch gehalten, bietet er uns von An-
fang bis zum Schluß" nur Schönes unv wahrhaft Ergreifendes dar. Die Rccita-
tive sind mit Fleiß gearbeitet und bringen namentlich im dritten Akt — eine seltene
— aber der Handlung anpaffende — erschütternde Wirkung hervor.
Hr. Rauscher sang den Othello. Es ist dieß gewiß eine seiner besten Par-
thiee». Wenn auch die Stimme ihre jugendliche Frische etwas verloren, so klingt
dieselbe doch immer noch recht angenehm, auch ist noch hinlänglich Kraft vorhan-
den, sogenannte Effekt-Stellen mit Glanz durchzuführcn. Den Beweis davon lie-
ferte der Sänger in dem Duett mit Jago im 2. Akt a >tt,r. Herr Rauscher dem als
gebildeten Sänger so schöne Mittel zu Gebote stehen, führte die Parthie des Othello
mit Energie durch; seine Leistung aber wurde vom Publikum freundlich anerkannt.
Desdemona, Mad. Lehmann. Unsere Sängerin war heute gut bei Stimme;
die allerdings schwierige Parthie wurde mit Lust und Liebe durchgeführt, schöne
Gesangsstellen mit Gefühl vorgctragen und manche halsbrcchende Passage mit Leich-
tigkeit überwunden, nur bei einige» Stellen im 3. Akt schien das Gewitter unsrer
Desdemona etwas verderblich zu werden. Es blitzte einigemal nach dem Donner.
Novrigo, Hr. Kreuzer. Wollte dieser Sänger heute durch seinen heillos
forcirten Gesang Hrn. Rauscher gegenüber imponiren? Wir rathcn Hrn. Kreu-
zer ganz freundschaftlich sich-doch" in Zukunft zu moderircn. Er hat hinlänglich
Mittel vieles anders zu machen. DaS Ueöertreiben unv Anstrengen taugt nun ein-
mal nichts; die Natur läßt sich nicht mit Gewalt zwingen; geschieht dieß aber, so
leiden beide Theile darunter, Sänger und Zuhörer. Hr. Kreuzer möge dieß doch
einmal beherzigen, wir meinen cs ia gut mit ihm.
Jago, Hr! Brassin. Derselbe sang heute mit Kraft und Feuer, was bei ei-
ner so klangvollen Stimme eine angenehme Wirkung bei dem Zuhörer hcrvorbrachte.
Mit seinem Neeitativ-Gesang aber sind wir durchaus nicht einverstanden.
Die Herren Becker und Leser als Doge von Venedig und Brabantio sowie
Mad. Schön als Emilia thaten ihre Schuldigkeit.
Wie wir erfahren wird nächstens Hr. Rauscher als Eleazar in der Jüdin
auftreten. Es ist dieß eine vorzügliche Parthie genannten Sängers, und wir er-
mangeln nicht das kunsiliebende Publikum darauf aufmerksam zu machen.
 
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