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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 229
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0933

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933

Thüren, und endlich durch einen langen unterirdischen Gang in den
äußeren Garten, eine herrliche, mitten aus der umliegenden Wüste auf-
tauchendc Oase voll blühender Mandel-, Orangen- und Citronenbäume.
Zur Reise gerüstet, verweilte ich indessen nur' wenige Augenblicke im
Garten; ich eilte zu der Ringmauer, wo ein Araber als Schildwache
stand, und ließ mich an einem Seile hinab. Ein beduinischcr Zwerg,
die einzige Mißgestalt welche ich unter den Arabern gesehen, crössnc'e
den Zug; ich folgte in Begleitung eines alten ehrwürdigen Mönches
und dreier anderer Reisenden. Anfangs ist der Weg sehr bequem, und
an steileren Stellen sogar in Stufen gehauen. Fast überall, bis zum
Gipfel des Gebirgs hinauf, finden sich Stellen, an die sich irgend eine
christliche oder mahomedanische Sage knüpft; die Capellen und Moscheen,
welche zu verschiedenen Zeiten an den Seiten des Berges erbaut wur-
den, sind größtenteils zerstört, die vielen Einsiedeleien sämmtlich un-
bewohnt. Die Scene wurde immer wilder, der Weg führte durch wilde
Felsenschluchten zu einem etwa drei Fuß weiten Engpaß, wo in frü-
heren Zeiten, in der die Wallfahrten noch häufiger waren als jetzt,
eine Wache aufgestcllt war, welche die Wanderer nur gegen Vorzeigung
eines ErlaubnißscheineS vom Superior des Klosters durchließ. Etwas
weiter hinauf befindet sich ein zweiter, mit einer Thür versehener Eng-
paß, in dem zwanzig entschlossene Krieger sich gegen eine ganze Armee
verthcidigcn könnten. Bald darauf erreichten wir ein weites Hochthal;
zur linken erhob sich der Gipfel des Sinai weit über die anderen Berge.
Dieser Theil des Gebirges führt den aus der biblischen Geschichte be-
kannten Namen Horeb. In der Mitte dieses Thales steht, von einer
Mauer umgeben, eine hohe Cppreffe, der einzige Baum auf dem gan-
zen Gebirge, welcher vor mehr als hundert Jahren von Mönchen ge-
pflanzt wurde. In der Nähe dieses Baumes befindet sich eine Quelle,
welche der Prophet eigenhändig gegraben haben soll. Etwas weiter
oben liegt eine alte Kirche mit starken Mauern und eisernen Thüren,
aber seit langer Zeit völlig vernachlässigt. Eine darin befindliche Fel-
sengroite war einst, der Tradition zufolge, die Wohnung des Prophe-
ten Elias, und bietet noch jetzt dem ermüdeten Pilger einen behag-
lichen Ruheplatz. Hier verließ uns der Zwerg und der alte Mönch
schritt auf seinen Stab gestützt, langsam voran. Nach einer kurzen Wan-
derung kamen wir zu einer hervorragenden Felscnplatte, von welcher
herab das ganze tief unten liegende weite Thal übersehen werden konnte.
Wir machtcn Halt, und ich erwarte wieder eine Legende aus dein Munde
des alten Mönches zu vernehmen; aber zu meiner freudigen Ueberra-
schung hörte ich, daß dies der Gipfel des Berges sei, auf welchem einst
Moses während des Kampfes der Israeliten und Amalekiter gesessen.
Von diesem Punkte ist in der That jeder Theil des Schlachtfeldes deut-
lich zu sehen; und Moses muß hier den streitenden Heere» überall
sichtbar gewesen sein. In einiger Entfernung von diesem Felsen blieb
der alte Mönch stehen; er kniete vor einem Steine nieder, und ver-
richtete ein kurzes Gebet. Dann erzähle er mir die Geschichte des
Steins. Als die Bewohner des Klosters zum letztenmale von den Ara-
bern belagert wurden, und der Tod durchs Schwert oder durch Han-
ger ihr unvermeidliches Loos schien, schlug der Superior vor, in Pro-
ceffion auf den Gipfel des Berges zu ziehen und dort zum letztenmale
ihr Tedeum anzustimmen. Dieser Vorschlag wurde ausgcführt, und
auf ihrer Rückkehr wurde ihnen an diesem Steine die Kunde überbracht,
daß alle Gefahr vorüber sei.
Als sie das Kloster wieder erreichten, fanden sie diese Nachricht
vollkommen bestätigt: die Araber waren fort, und vierzig mit Lebens-
mitteln beladene Kameele standen vor der Klostcrpforte. Seit jener
Zeit waren sie nie wieder von den Arabern belästigt worden. — Der
höchste Gipfel des Sinai war envlich erreicht. Dies war die Stelle,
von tvelchir herab einst Moses seinem Volke die Gesetztaftln brachte.
Der Schauplatz mancher in der Bibel erzählten Begebenheiten ist durch-
aus sticht zu ermitteln, oder wenigstens im höchsten Grade ungewiß.
G.'schichiöforschcr und Geographen versetzten das Paradies in verschie-
dene Gegende usiens, und sind eben so wenig einig über die Stelle,
wo einst der babilvnische Thurm gestanden, über dem Berg Ararat,
und manche andere üirercssante Gegenden und Plätze des heiligen Lan-
des ; über dem Sinai jedoch ,st kein Zweifel. Es kann
der That keinen imposanteren Anblick geben, als diese Ge-
dirgseinsamkeit, vom Gipfel des Sinai herab gesehen. Die Aussicht
stom Aetna und vom Vesuv hält mit dem Eindruck, den jene majestä-
tische Einsamkeit auf das Gcmülh macht, keinen Vergleich aus. Kein
Baum, kein Strauch, nicht einmal ein Grashalm, ist zu sehen auf
den kahlen Felsengebirgcn, welche, so weit das Auge reicht, ihre Gip-

fel in die Wolken erheben, und die weit umher zerstreuten unzäh-
ligen Granitblöcke bilden, vereint mit der Fernsicht in die syrische Wüste,
die wildeste und schaudervollste Scene, welche die Fantasie sich vorstel-
len kann. Auf dem Berge sieht mau noch die Ruinen einer Kirche und
eines Klosters, wohin sich Einsiedler und Mönche zurückzuzichen pfleg-
ten, ehe das Kloster am Fuße des Berges erbaut war. In der Nähe
dieser Ruinen stehen die Ueberreste einer mohamedanischen Moschee,
denn der Berg ist auch den Muselmännern heilig. Ich erinnerte mich,
in einem neueren Neisewerke von einer Sage gelesen zu haben, nach
welcher Mahomed auf seinem Kameel den Berg hinan geritten sei,
und von dem Gipfel sich in den siebenten Himmel erhoben habe. Ich
befragte den Araber über diese Sage; er betheuerte die Wahrheit der-
selben, da sie buchstäblich im Koran ausgezeichnet sei, und er behaup-
tete, die Fußstapfcn des Kamecls, welche übrigens nur den Äugender
Gläubigen sichtbar wären, selbst oft gesehen zu haben. — Bei Einbruch
der Nacht erreichten wir daS Kloster wieder. Von der ermüdenden
Vergreise, und der brennenden Sonnenhitze im höchsten Grade er-
schöpft, warf ich mich auf die im Fremdenzimmer ausgebreiteten Mat-
ten. Der Abend verging unter traulichen Gesprächen mit dem Supe-
rior, der zum Lohne für seine aufmerksame Bewirthung den seltenen
Genuß einer Unterhaltung über die Angelegenenheit der Welt hatte, die
ihm auf immer verschlossen waren. Rch.

BunteS.
st Bei einem Zcugenverhör sagte ein englischer Oberrichter, ein jun-
ger Mann, zu einem Zeugen, der einen ungewöhnlich starken Bart
hatte: „Wenn Ihr Gewissen so groß ist, als Ihr Bart, so ist es ge-
wiß sehr weit." „Mylord," versetzte der Zeuge, „wenn Sie daS Ge-
wissen nach dem Barte messen, so haben Sie bald gar keines."
-j- Ein Barbier rannte in großer Eile durch die Straßen. „Heda,"
ruft Jemand aus dem ersten Stock, „haben Sie nicht ein Viertelstünd-
chen Zeit?" — „Ja wohl, mein Herr!" — „So gehen Sie doch ein
wenig langsamer!"
st „Ach, Herr Doctor," sagte ein Patient, „wenn ich an diesen
Theil meines Körpers bintaste, so empfinde ich heftige Schmerzen."
„Langen -sie nicht hin!" erwicderte der Arzt.
st Ein Dorfpfarrer, welcher eines seiner kranken Beichtkinder be-
suchte, sagte unter andern tröstenden Worten zu ihm: „Seid guten
Muihes, mein Freund, denn ich hoffe, daß Jbr in das Paradies fah-
ren wertet." Hieraus erwiedcrte der kranke Mann: „Ihre Worte sind
tröstend für mich, denn wenn der Weg lang ist, würde ich so nicht
dahin gehen können."
st Ein alter Feldwebel wurde Offizier. Ein Bekannter, dem die
Srandesveränderung fremd war, fragte auf der Straße den Bedienten
des Offiziers, was die Jungfern Töchter desselben machten? Trotzig
und aufgeblasen erwiederte er: „Meine gnädigen Fräuleins sind
keine Jungfern mehr!"

st Die Dame denkt wie ein Cavallerieoffizier," sagte ein alter Ma-
jor von einer junge», eiteln, festeingeschnürten Dame, die bei Tische
vergeblich genöthigt wurde zu essen, und auf die Frage weshalb? ant-
wortete der alte Haudegen: „Sie denkt, Putzen ist die halbe Fütte-
rung."

» Aufgabe.
Aus folgenden Angaben zwei Wörter abzuleiten, die vorwärts einen bekannten
Schwur, rückwärts gelesen, ein gefährliches Thier bezeichnen.
Die Differenz einer arithmetischen Reihe, deren Glieder, nachdem sie aulgefunden,
man mit » b c u. s. w. bezeichne, sei ihrem neunten Miede und das letzte Glied
der Summe des eilsten und zwölften Gliedes gleich. Es seien ferner die Gleichun-
gen: 7 - — x--^ 34902 13 und 5 7 -l- x 7 -z- 10 x — 1 1 7399 9 7 ge-
geben. Hat man daraus die unbekannten Größen gefunden, so bilde x den Zähler
und 7 den Nenner eines Bruches, den man in einen Aettenbruch verwandle. Die
Quotienten dieses letztem werden sodann mit denjenigen Gliedern obiger Progres-
sion übereinstimmcn, deren entsprechende Buchstaben die verlangten Wörter bezeich-
nen werden. Welche sind es?
Resultat der Aufgabe in No. 216
12 Prügel bekam der Lügner zum Willkomm und 18 Jahre hat er gelogen.
 
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