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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 244
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0992

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Auf hoher See.
^ . (Fortsetzung.)
Es dauerte nicht lange, und der Lieutenant faßte jenen außeror-
dentlich dicken Man», dem der Schweiß der Angst schon früher von
der Stirne floß. Ach, rief er, Herr Lieutenant, lassen Sie mich le-
ben! Bedenken Sie, was die Welt an mir verliert! Nehmen Sie lie-
ber einen andern Mann, der nicht so schwer von der Welt scheitet,
wie ich, vielleicht j.iien dort, mit den eisgrauen Haaren, der schon
genug gelebt hat, oder diesen da, den spindelmageren. Er zeigte auf
mich. Er hat ja ohnehin seinen Freund verloren, und wird ihm gern
folgen.
Er zog einen mit Silber- und Goldstücken gefüllten Beutel hervor,
und rief: Sehen Sie, Herr Lieutenant, ich will nicht undankbar sein,
meine ganze Habe will ich Ihnen schenken, wenn Sic mich leben lassen.
Der Lieutenant verneinte. Ach, setzte der Dicke seine unmännliche,
komische Klage fort, so soll ich denn wirklich sterben, im Meere sterben,
und von den Haien gefressen werden? Nehmet doch einmal auch eine
Dame, und lasset mich leben. Der Mann ist sa die Krone der Schöp-
fung, warum denn also die Männer so verächtlich behandeln? Die
Damen sollen auch kosten, wie das Mecrwasser schmeckt.
Da der Lieutenant noch immer von seinem Oyfer nicht ablassen
wollte, rief der Mann des Jammers: Weh! Soll ich denn nimmer
meine zwei schönen Häuser in Liverpool sehen? Herr Lieutenant, ich
schenke Ihnen eines dieser Häuser, wenn Sie mich leben lassen. Ach,
seien Sie nicht so grausam.
Der Lieutenant erwiderte: Albs, was Sie sagen, nützt nichts,
Sie müssen den Sprung ins Meer machen.
Ich schenke Ihnen meine zwei Häuser und all mein Geld. Seht
nur, sch: nur, keine einzige Dame bittet für mich! Und ich bin doch
ein Christ, und für den Heiden hat sich ein Frauenmund gefunden.
Herr Lieutenant, ich habe auch zwei Weinkeller, darin zwei g'vße Fäs-
ser Rheinwein, zwei große Fässer Burgunder, dreihundert Bouteillen
Champagner. — Alles das biete ich Ihnen für mein Leben. O, ich
sage Ihnen, bester Herr Lieutenant, meine Weine sind köstlich, gar
köstlich! Wir wollen bei unserer Rückkunft trinken.
Das wollen wir nicht, entgegnete trocken der Lieutenant, sondern
wir wollen jetzt einen Schluck Meerwasscr versuchen. Bei diesen Wor-
ten faßte er mit den Matrosen unfern Helden. Dieser aber warf sich
auf den Boden, umfing des Lieutenants Knie, und jammerte. Es war
ein höchst unmännlicher Anblick. Damen! Schöne, edle Damen! rief
er. Bittet für mich! Welche für mich bittet, der werde ich die Ehre
erzeigen und sie zu meiner Frau nehmen. Bedenken Sie, meine Da-
men, welch ein Glück! Ich habe zwei Häuser in Liverpool, viele Ae-
cker, Wiesen, Ochsen und Kühe, und zwei prächtige Weinkeller! Zwei
große Fässer Burgunder! Dreihundert Bouteillen — hier packten ihn
die fluchenden Matrosen, schwangen ihn über die Schaluppe hinaus,
und unter einem gräßlichen Geschrei verschlangen ihn die Fluthen.
Als eine Frau den Lieutenant fragte, ob sie mit ihrer Familie das
nämliche Loos zu erwarten hätte, antwortete er: Nein. Ein Mann,
den die Matrosen erfaßten, wurde freigelassen, weil er eine Gattin
hatte und der Lieutenant sagte, Mann und Frau dürke man nicht tren-
nen. Ein Anderer verlangte fünf Minuten um zu beten. Als er sein
Gcbct verrichtet hatte, machte ihn die Todesangst kraftlos, fast ohn-
mächtig, und er ließ sich ohne den geringsten Wiederstand in die Flu-
then werfen
Jetzt aber kam ein Ausritt, der sehr tragisch war, und einen un-
beschreiblichen Eindruck in meinem Gemüthe zurückließ. Es befanden
sich nämlich in der Schaluppe zwei Liebende. Als noch unser Schiff
durch die Wellen segelte, sah ich die Jungfrau auf dem Verdecke ste-
hen, um das prächtige Schauspiel des Sonnenaufgangs auf dem Meere
zu grrmpen. Da ging die Sonne auf, und übcrflammte mit ihrem
frischen Purpurschcine majestätisch die hoch und schlank gebaute Gestalt,
daß mir war, als sähe ^ über dem wie mit Millionen Noscn über-
streuten Fluthen,piegel die Königin des Meeres stehen! Ihr grüner
Schleier wehte lM Morgenwinde, ihr Kleid glänzte im jungen Mor-
genlichte weiß wie Schnee, die Jungfrau wurde vom reinen lachenden
Meere abgemalt. ^sch hatte noch E xjii schöneres Weib gesehen! Die
Fluth des reichen Haares, schwärzer als die tiefste Nacht des verzwei-
felten Herzens! Der feine, von den blauen Linien der verborgenen
Adern reizend gezeichnete Schwanenhals, per mich an das Bild der
Mara Stuart mahnte! Der malerische, makelfreie, wie von einer
Canovahand aus dem reinsten Marmor gemeißelte Nacken! Die Gür-

tung, wie am Toiletteiische der nachlässigen Grazien vollbracht! Das
Antlitz endlich war solch eines, wie jenen Maler vor den Augen der
Fantasie geschwebt haben mochte, der zuerst die Gestalt einer überirdisch
schönen Venus malte, fertig bis auf das Haupt, herrlich, unaussprech-
lich, und der die Göttin unvollendet ließ, weil er verzweifelte, dieser
Figur eine eben so schöne Miene geben zu können! Neben ihr st^p
damals der Geliebte, ein hoher, schlanker, kräftig gebauter Mann,
und die Liebenden sahen einander in die Augen, als wcllten^sie, über,
gossen vom Lichte des Morgens, den Bund für Leben und ^-od schlie-
ßen !
Als nun der Lieutenant dielen Mann ergreifen wollte, um ihn ins
Meer zu werfen, wurde das Mädchen plötzlich todttnbleich, und um-
schlang den Geliebten, als wellte sie ihn durch keine Mach! des Him-
mels und der Erde ihren Armen entreißen lassen. Der Gefteble sah
auf die Jungfrau, und auch aus seinem Angesichte wich die Rothe.
Er sprach zum Lieutenant: Wenn ich allein stünde, ohne diese Jung,
frau, die plötzlich wie eine Leiche ist, so würde ich nicht um
den bitten, sondern d-m Beispiele des Morgenländcrs folgen: Aber
weil dieses Mädchen wich liebt, so bitte ich Sie, Herr Lieutenant,
verschonen Sie mich, damit nicht zu gleicher Zeit zwei Leben zu Grunde
gehen. Ich habe außerordentlich große, jahrelange Schwierigkeiten be-
siegt, jetzt bin ich bald am Ziele, denn in zwei Monaten wird dieses
Mädchen mit mir vom Priester verbunden. (Schluß folgt.)

Eine Criminalgeschichtc.
Man erzählt sich in Berlin folgende interessante, zu mannigfachen
Betrachtungen Veranlassung gebende Criminalgeschichte: Ein junger
Mann aus einer achtbaren bürgerlichen Familie, der seiner Militär-
pflicht in einem Jägerbataillon Genüge geleistet hatte, erkaufte mit sehr
geringen Mitteln ein kleines Gut an der Spree, dessen Hauptrevenüe
in dem Ertrage einer Glashütte bestand. Aber bald fehlte es an (Iekv,
um das zum Betriebe nöthige Holz herbeizuschaffen; auf Cecvit ^>ar
keinö zu erlangen, und die letzte Klafter bereits verbrannt.
gen gequält, ging der Besitzer eines Morgens am Ufer » Il>S
entlang: da sieht er drei mit Holz beladene Kähne herangesege.t -0M-
mcn. Wie ein Blitz fuhr ihm der Gedanke durch die Seele, sich durch
eine List in den Besitz des Holzes zu setzen. Er rief die Schiffer an,
und fragte sie, ob sie mit dem Holze nach Berlin wollten, und wer
der Eigenthümer desslben wäre. Sie nannten daraus einen bekannten
Berliner Holzhändler, und unser Gutsbesitzer erwiederte in festem To-
ne: „Da ist rs ganz richtig, gerade diesem Holzhändler habe ich die
Ladung abgetanst, Ihr könnt Euch den Weg nach Berlin sparen, hier
ausladen, und die Frachtspesen dafür von mir gegen Quittung in Em-
pfang nehmen." Zwei Schiffer folgten ohne Widerrede der Aufforde-
rung, da sie von einem Gutsbesitzer so getäuscht zu werden nicht für
möglich hielten. Der dritte aber ging vorsichtiger dabei zu Werke. Er
verlangte, daß vorher eine schriftliche Anweisung des betreffenden Holz-
händlers eingeholt würde. Der Gutsbesitzer war es zufrieden. Er
schickte sogleich einen reitenden Boten nach der Stadt ab; aber statt ei-
nes Briefes an den Holzhändler gab er demselben einen anderweitigen
unbedeutenden schriftlichen Auftrag für die Stadt, Unterdessen aber
schrieb er selbst die verlangte Anweisung im Namen des Holzhandlers,
und zeigte sie nach der Rückkehr des Boten den Schiffern vor. Diese
waren nun vollkommen zufrieden gestellt, uns segelten, ihre Spesen in
Empfang nehmend und das Holz zurück lassend, ruhig in ihre Heimath
zurück. Als nun aber der Berliner Hol;hä»dler dre erwarteten Hölzer
nicht ankommen sah, sandte er nach einigen Tagen einen seiner Leute
aus, Erkundigungen einzuziehen, und sehr hold fand man, wo das
Holz geblieben war. Nun erschien der Holzhändler selbst, ein furcht-
bares Halloh machend, auf dem -betreffenden Gute, und es gab einen
sehr stürmischen Austritt. Zum Gluck hatte der Besitzer für abgeliefer-
tes Glas 200 Thaler eingenommen. Mit dieser Summe, unter An-
weisung einiger ausstehender Forderungen in Berlin, ferner mit zw«
Wechseln auf Zahlungen in Raten, ließ sich der Holzhändler, "Erlich
nicht ohne die G'legenheit gehörig zu benützen, vor der Hand abfinden.
Bald darauf machte der junge Mann eine sehr reiche
kleine Gut an der Spree wurde verkauft, dagegen zwei ansehnliche m
der Gegend von C. .. erworben; auch gelangte der neue Gutsbesitzer
zu einer Lieutenantöstelle in der Landwehr. Auf einmal erschien, mit-
ten in seinem Glück, wieder als eine Art Samiel der fatale Hvlzhänd-
ler mit einer neuen Anforderung von 500 Thalern. Wahrscheinlich
fürchtete der Gutsbesitzer, immer von Neuem wieder durch den Mann»
 
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