Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 244
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0993

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
989

den er auf eine nicht zu entschuldigende Weise zu seinem Gläubiger
gemacht hatte, in Anspruch genommen zu werden, und ließ cs daher
auf ein Klage ankommen, die bei einem Land- und Stadtgericht ge-
führt wurde. Als dieses aber auf den Ursprung der Sache kam, fand
es sich veranlaßt, die Acten der Criminalbehölde rinzusenven. Diese
leitete nun sogleich eine st.enge Untersuchung wegen Betrugs ein, und
die Folge davon war, daß der sunge Gutsbesitzer zum Verlust der
Naticnalcocarde, zur Cassation, zur Festung u. s. w. vcrnrtheilt wurde.
Die Familie seiner Frau verwendete sich nun auf das Lebhafteste für
ihn; die Frau selbst wendete sich an den König, und bat um Gnade.
Allein Se. Majestät ließen derselben antworten, daß alles dem Gange
des Gesetzes nachgehen solle. Wie aber der Holzbändler, der als ech-
ter Spekulant und Wucherer von dieser Sache großen Nutzen gezogen
hatte, dabei weggekommen, davon schweigt die Geschichte.

Eine Anstellung in Paris!
Eine Patrouille der Nationalgarde, kam am 10. Oclober Nachts
um 12 Ubr am Chateau-d'Eau in Paris vorbei, als ein junges Weib
auf die Soldaten losstürzte und in englischer Sprache um Schutz und
Hülse flehte. Ihre Kleider waren in Unordnung und sie war ein Bild
des größten Schreckens und der Verzweiflung. Der Commandant der
Patrouille, der geläufig englisch spricht, fragte sie, aber sie war so au-
ßer sich, daß ihr die Zunge den Dienst versagte und keine zusammen-
hängende Auskunft von ihr zu erlangen war. Sie wurde zur Wache
geführt, wo sie nach und nach wieder zu sich kam und Folgendes er-
zählte:
„Ich bin aus London; mein Vater wurde durch unglückliche Spe-
kulationen bankerott und starb zahlungsunfähig. Die Mutter hatte ich
bereits verloren. Ohne Aussicht und Unterhalt beschloß ich, durch die
Erziehung, welche mir zu Theil geworden, mein Brod zu verdienen
und ich ließ in mehrere Journale einrücken, daß ich zur Uebernahme
der Stelle einer Gesellschaftsdame erbölt'g sei. Am folgenden Tage kam
ein Franzose zu mir und sagte, wenn ich mit ihm nach Paris gehen
wolle, so könne er mir eine Stelle bei einer Dame ersten Ranges zu-
sich.rn. Er bot mir sogar einen Geldvorschuß an, der mir nachher von
meinem Gehalt abgezogen werden sollte und versprach mir zugleich fieie
Reise.
„Mit Freuden nahm ich dieses Anerbieten an; wir reisten und heute
früh trafen wir zu Paris ein. Mein Führer geleitete mich in ein
Haus, wo mir der beste Empfang wurde, so viel ich aus dem zuvor-
kommenden Benehmen schließen darf, denn ich verstehe k.in Wort fran-
zösisch. Da ich von der Nene sehr ermüdet war, so wurde ich auf ein
sehr confortablcü Zimmer geführt, wo ich mich zu Bette legte.
„Ich schlief ruhig, bis ich vor nun wohl einer Stunde von lautem
Gerede, Gelächter, Glas rklirren und Flaschen, die entzwei geworfen
wurden, aufgeschrcckt wurde. Ich rief, erhielt aber keine Antwort.
Entsetzt sprang ich aus dem Bette, kleidete mich im Dunkeln zitternd
an und suchte die Thür, welche ich von Innen verschlossen hatte. Ich
kam in einen Salon, aus dem ich jenes befremdende Gelärm gehört
hatte.-
„Dort sah ich sechs oder sieben Herren mit eben so vielen Mäd-
chen beisammen im Salon, der einzig und allein von der Flamme er-
hellt wurde, die auf einer ungeheuren Bowle Punsch brannte. Ich
kann mich nicht weiter darüber aussprechen; genug ich war in einem
schändlichen Hause. — Zum Gluck waren die Menschen so betrunken,
daß ich die Flucht ergreifen konnte und so bin ich wohl eine halbe
Stunde besinnungslos umhergelaufen. Großer Gott, was soll aus mir
werden!" — — —
Die junge Engländerin wurde zum Polizeikommissär geführt, wo
sie dasselbe aussagte, aber sie ist durchaus nicht im Stande, nähere
Kennzeichen zu geben, damit das Haus, dem sie entkam, sogleich auf-
gefunden werden könnte. Jndcß hat dieses Ereigniß von Neuem die
längst vermuthete Eristenz von Agenten bewiesen, welche in den ersten
Städten Europa's reisen, um Unglückliche auf die schändlichste Art nach
Paris zu bringen und ins Verderben zu stürzen. Die Polizei beschäf-
tigt sich sehr thätig mit dieser Angelegenheit. — Achtung!
Eine Hochzcits - Anekdote.
In New. Orleans bekamen zwei Brautleute zu einem Geistlichen
und ließen sich trauen. Als die Handlung beendet war, sagte der
Bräutigam zum Pfarrer: „Wie viel bekommen Sie, Mister?" „Wie?"
antwortete dieser — „ich fordere nie, ich nehme was man mir gibt,

bald so, bald so viel; das überlasse ich dem Bräutigam." — „Hs
— ober wie viel verlangen Sie?" „Wie gesagt, ich überlass- das ga! z
dem Bräutigam; bin zufrieden mit dem, waS man gibt." „Ves, aber
wie viel verlangen Sie, Mister, frage ich?" — „Nun, die Einen ge-
ben zehn Dollars; die Andern fünf, Einige geben zwei, Andere nur
einen. Einige selbst nur ein viertel Dollar." „Ah, ein viertel Dollar!
— — das ist vernünftig; laß sehen, ob ich so viel klein Geld bei mir
habe." Dabei zog der glückliche Ehemann sein Taschenbuch hervor;
— cs war nichts darin, — er durchsuchte alle Taschen — und fand
kein Geld, nicht sechs Pence. „Verd—" murmelte er bann, „ich dachte,
ich hätte so viel klein Geld; nun besinne ich mich, es steckt in einer
andern Tasche." „Helly, hast Du wohl so viel klein Geld?" „Ich?
sagte die Braut mit einem Gemisch von Scham und Verachtung; ich
bin erstaunt, wie Du so frech sein kannst, hierher zu kommen und Dich
trauen zu lassen, ohne einen Pfennig G-ld in der Tasche zu haben.
Hätte ich das ahnen können, möchtest Du Dich allein haben trauen las-
sen." „Ves," sagte der Neuvermählte — „aber bedenke Hetth, wir
sind nun verheiratet, das kann nun nicht mehr angchen, und wenn
Du kein klein Geld hast,"-„hier, hier!" unterbrach ihn die ent-
rüstete Frau und gab dem Geistlichen das Geld — „und auf ein an-
der Mal spiel mir solchen Streich nicht wieder."
Buntes.
-s Dieser Tage präsentirte bei einem Berliner Bankier ein Mann
einen kleinen, mit holländischer Schrift rvth gedruckten Schein, mit dem
Bemerken, daß cs eine holländische Banknote über 100 Gulden sei,
und daß er dieselbe verkaufen wolle. Der Commis kannte die hollän-
dische Bankpapiere nicht; der Schein aber führte den Stempel der nie-
derländischen Bank, war datirt aus Amsterdam vom 14. Jänner 1841,
lautete über „Hundert Gulden," und trug die Controlnummer 380.
Der Commis zweifelte deshalb auch nicht an der Echtheit des Papiers,
und zahlte, nach dem Course der Amsterdamer Börse, 30 Thalcr Cour,
dafür. Mit Realisation der Banknote wurde nun von dort aus ein
kölnisches Hauö beauftragt. Dasselbe sandte die Note nach Amsterdam,
von wo sie jedoch mit der Nachricht zurückkam, daß das Papier ganz
werthlos, und wahrscheiniich eine Bonbons-Enveloppe sei, da es schon
vorgekommen, daß die Conditoren dergleichen Nachahmungen, des Scher-
zes wegen, en miniature hätten anfertigen lass »; — denn die wirkli-
chen Banknoten seien wohl sechs Mal größer. Wie sich jetzt ergeben,
hat eine Frau jenes Stückchen Papier dort auf der Straße gefunden,
ein Commissionär, dem sie es zeigte, ahnte sogleich die Möglichkeit, sich
darauf Geld zu verschaffen, was ihm denn aber auch über alle Erwar-
tung glücklich gelungen ist.
j- Ein Brüsseler Blatt führt, zum Beweise des allen Vogelgatlun-
gen mehr oder minder eigentümlichen Ortsgedächtniffes, nachstehenden
Fall an: Bei Gelegenheit der Eröffinng der französischen Kammern,
gleich nach dein Tode des Herzogs von Orleans, hatte ein Börse-
Speculant verschiedenen, aus Brüssel nach Par s gebrachten, großen
Tauben eine Abschrift der Thronrede unter den Flügeln befestigt, und
sie bann in Freiheit gelassen. Da die Witterung am 26. Juli sehr
stürmisch war, so kam an jenem Tage keine der Tauben in ihrer Hei-
math an. Eine davon traf am nächstfolgenden, und Andere zwei Tage
später in Brüssel an. Schon glaubte der Eigcmhümcr dieser Thiere,
die Eine aus vem Schwarme, welche er vermißte, sei die Beute ir-
gend eines Raubvogels gewesen, als sie am 23. September, also fast
volle zwei Monate nach ihrem Ausfluge von Parks, wohlbehalten, und
mit der Thronrede an den Seiten in Brüssel anlangte.

s Ein Pair von Frankreich, ein Mann von Witz, machte sein Te-
stament, worin er seine ganze Dienerschaft bedacht hatte, ausgenom-
men seinen Hofmeister. „Ich werde ihm nichts vermachen," sagte er,
„weil er zwanzig Jahre in meinem Dienste gewesen ist."

-j- Ein englischer Landgeistlicher hatte einen Streit mit einem benachbar-
ten Edclmanne, welcher ih, schimpfte und zuletzt sagte: „daß nur sein
Priesterrock ihn schütze," „Er mag mich schützen, aber Sie soll er nicht
schützen," sagte der erstere, zog ihn aus und prügelte den Edelmann tüch-
tich durch.

ss Ein Irländer wurde gefragt, warum er immer ein schwarzes Hals-
tuch trage? „Weil es immer weiß bleibt," war die Antwort.
 
Annotationen