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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 268
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1093

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1087

Wir verließen New Orleans am 27. Jan. am Bord des herrlichen
Dampfschiffes „Alabama" auf daswir uns bereits am Lüsten begeben hat-
ten. Ein dicker Nebel, so undurchdringlich, daß man keine zwölf
Schritte weit sehen konnte, hatte sich auf den Mississippi gelagert. Sol-
che Nebel pflegen unter diesen Breitegraden nicht oft einzutreten; nur
im Winter, wo erst scharfe Nordwinde das Wasser des „Vaters der
Flüsse" so abgekühlt haben, daß die in die Fluih getauchten Finger vor
Kälte schmerzen, und wo kurz darauf mit lauen Südwinden eine solche
Hitze eintritt, baß man die abgelegten Sommerkleider schnell wieder
vorsucht, treibt der kalte Strom und der von ihm berührte Golf von
Meriko weiße Nebel auf, die sich nicht höher als einige dreißig Fuß
erheben. Vom Mastkorbe aus gewährt dies einen eigenthümlichen An-
blick. Neben und über dem Beobachter ist die Lust klar, der Himmel
strahlt unbewölkt in tiefer Bläue, eine unübersehbare Reihe von Mast-
spitzen, mit bunten Wimpeln geschmückt, glänzt in der Sonne und scheint
auf Wolken zu schweben, da unten die Nebelbank Strom und Land-
schaft verhüllt. Obgleich das Schiff dicht am Ufer liegt, so getraut
man sich dennoch nicht, ans Land zu gehen; der Nebel könnte sich schnell
zerstreuen, und Dampfschiffe gleichen dem Saturnuö: sie warten auf
Niemanden. Um die Zeit hinzubringen, machten meine Gefährten
Schach- oder Whist Partieen, die Damen spielten „Uigk, lack
snä 6ame," ein Amerikanisches Kartenspiel, das dem Scharfsinne des
E sinders wenig Ehre macht. Die älteren Herren brachten unzählig«
Toaste auf eine glückliche Reise aus, während Andere die Hände in die
Taschen steckten und auf Nebel und Langeweile schimpften.
Endlich, am Morgen des 27sten, zertheilte eine frische Brise den
Nebel; unser „Alabama" sagte dem Hafen ein donnerndes Lebewohl
und nahm dann seinen majestätischen Flug der Mündung zu. — Die
beiden Ufer, welche neunzig (Englische) Meilen hinab, bis zum Golf
hin, erstrecken, sind mit Hunderten von Plantagen bedeckt, die dem
Auge eine ununterbrochene Abwechselung und Unterhaltung gewähren.
Im Vordergründe taucht das in Form einer Villa gebaute Herrenhaus
mit Säulenreihen und Ballonen geschmückt, hinter Magnolien, Oran-
gen, Oleander und Lebensbäumen (Muss ocoiäentalis) hervor, wäh-
rend die niedlichen, aus Holz zusammengefügtcn einstöckigen und mit
weißer Oclfarbe angcstrichenen Negerhäuschen zu beiden Seiten ganze
Straßen bilden, die den Städten nicht unähnlich sind, welche das in-
dustrielle Nürnberg, in Schachteln verpackt, auf die deutschen Weihnachts-
märkte versendet. Da die Schiffe fast immer an dem einen oder dem
andern Ufer dicht vorbei>ahren, so ist man oft im Stande, dem soeben
erwachten Pflanzer, wenn er auf dem Ballone seinen Kaffee schlürft,
der ihm mit der Zeitung von einem der schwarzen dienstbaren Geister
überreicht wird, einen guten Morgen und einige Witzworte zuzurufen.
Der Gemächliche blickt in der Regel kaum auf, während sein Sklave
die dicken Lippen von einem Ohr zum andern aüfnißt und grinsend
seine elfenbeinernen Zähne zeigt.
Näher dem Ausflüsse, ungefähr zwanzig (Englische) Meilen ober-
halb der Mündung, werden die Ufer öde und die Spuren der Kultur
verschwinden; doch hat auch alsdann noch der Mississippi für den Eu-
ropäer etwas ungemein Anziehendes. Er ist das ganze Jahr hindurch
beständig mit Baumstämmen übersäet, die von seinen wilden Wogen
in den über tausend Meilen tiefer im Innern befindlichen Urwäldern,
entwurzelt oder ihm von den hundert Strömen, die sich in ihn ergie-
ßen, unaufhörlich zugeführt werden*). Mit diesen Giganten des Ur-
waldes sind die Ufer bis zum Golf hin bedeckt, um unbenutzt zu ver-
modern und eine untere Schicht zu bilden, auf die sich wieder eine
andere Schaar Ankömmlinge lagert, um gleichfalls zu verwesen und
einer dritten Generation von Auswanderern Platz zu machen. Baum-
stamm liegt so lrcht an Baumstamm geschichtet, daß die Annahme nicht
unwahrscheinlich ist, die ganzen Ufer, fünf geographische Meilen von
der Mündung aufwärts, seien nur Dämme, die der Strom sich ge-
gen das Wasser des Golfs gemacht. In der Regel sind diese Ufer
nicht breiter alö eine Englische Meile und werden auf der andern Seite
von den salzigen Flutben des Meerbusens bespühlt. Durch die ver-
modernden Bäume wird ein künstlicher, höchst fruchtbarer Boden er-
zeugt, auf dem Mutter Natur eine Baumschule angelegt hat, die schwer-
lich noch eimnal auf Erden gefunden wird. Samenkörner von allen
Baum- und ^-traucharten Nordamerikas, mit den Stämmen an das
Ufer gespielt, haben hier Wurzel gefaßt und wuchern lustig im üppi-
*) Der Mississippi beherrscht ein Flußgebiet von mehr als fünftausend geoara-
ph'sche Quadr«tnmlen. °

gen Boden und unter dem milden Himmel fort. Aber auch tropische
Gewächse gucken, wenn auch sparsamer unter den nordischen Fremd-
lingen hervor; namentlich zwei Palmen Arten (^recs oleraeea nnd
Lt>ams6i-op8 kumilis), wildes Zuckerrohr, Baumwollen-Sträucher und
der, wohlriechenden Ambra gebende, Siorar-Baum.
Diese Ufcrgegend dient ganzen Schwärmen von Pelikanen, Möven,
wilden Enten und Flamingo's zum Aufenthalte. Auch Wild muß eS
bier vollauf geben, denn wir sahen an vielen Stellen die Fährte von
Hochwild aus dem undurchdringlichen Dickicht zum Wasser hinabführend.
Im Sommer wird die Scene durch Hunderte von Aligatoren, die am
Ufer in der Sonne schnarchen, malerisch belebt. Jetzt bemerkt man
keines dieser Ungeheuer, die wahrscheinlich, unter Schlamm und Blät-
tern vergraben, ihre Winterschläfchen halten. — Aber auch menschliche
Wohnungen erheben sich zuweilen, denn sogar in diese Einöde, unter
Aligatoren, hat Gewinnsucht den Menschen gelockt. Die Bewohner
dieser ärmlichen Hütten spalten das herangeschwemmte Holz, setzen es
in Klafter auf und verkaufen dasselbe zu hohen Preisen an die vorüber-
fahrendcn Stromdampfbötc.
(Forts, folgt.)

Bunte».
s- Wer sich für Sternschnuppen interessirt, wird daran erinnert,
daß deren in den Nächten vom 11., 12. und 13. Nov. immer am
meisten fallen.
j- Ein zur Leipziger Messe Reisender wnrde gebeten zwei englische
Rasirmeffer mitzubringen. Als er in einem Gewölbe darnach fragte,
gab ihm der Verkäufer scherzend zur Antwort: „Ja, ich führe engli-
sche Rasirmeffer aus einer Berliner Fabrik." „Mögen sie her sein,
wo sie wollen," erwiederte jener, „wenn es nur englische sind."
Ein sehr originelles Schulmeistergenie erklärte seinen Schülern
die Theorie der schriftlichen Aufsätze, und schrieb folgendes Beispiel
eines Empfangscheines an die Tafel:
Empfangschein.
„Ich Endesgefertigter bestätige hiermit, daß ich zwei Klafter Holz
zum Verbrennen der Armenschule erhalten habe."
ck Ein Kreisphpsikus wurde zu einem Kranken im naben Dorfe ge-
rufen. Er nahm die Flinte mit, um unterwegs zu schießen. Ein Be-
kannter, der ihm begegnete, fragte, wohin er gehe? „Zu einem Krau-
len," versetzte der Arzt. „Fürchten Sie," nahm jener mit einem Blicke
auf die Flinte das Wort, „den Kranken mit dem Recepte zu verfehlen?'/

-f- Vor einigen Tagen fand i» einer Restauration zu Paris folgen-
de sonderbare Scene Statt. Zwei Herren speisten recht fröhlich und
ganz cowforiable an einem Tische, als auf einmal eine recht hübsche
junge Dame, die sehr bescheiden gekleidet war, aber etwas blaß und
angegriffen aussah, mit zwei kleinen Kindern an der Hand, eintrat,
und an einem anderen Tische Platz nahm. „Was befehlen Sie zu
speisen?" fragte der Kellner. „Das was von dem Essen dieser beiden
Herren übrig bleibt," antwortete die Frau mit lauter Stimme. Der
eine jener lustigen Sybariten war der Gatte der unglücklichen Frau,
und der Vater der beiden armen Kinder!

-s Ein Bauer brachte in Begleitung seiner Frau der französischen
Nationalversammlung den vierten Theil seines Vermögens, und sagte
mit geheimen Verdruß über den Verlust desselben: „Wie gerne gäb'
ich Ihnen meine Hälfte," indem er aus seine Frau wies.

-s Ludwig XV. fragte bei der Mvrgenaudienz einen Höfling, w'e
viel Kinder er habe: „Vier, Sire," antwortete derselbe. — Der Kö-
nig hatte im Laufe dieses TageS Gelegenheit, diesen Höfling mehrere
Mal zu sprechen und fragte jedesmal wie viel Kinder er habe!? Der
Höfling antwortete wiederum, „Vier, Sire." Endlich am Abend beim
Spiel fragte der König abermals denselben: „Wie viel Kinder haben
Sie? „Sire sechs," antwortete diesmal der Höfling. — „Zum Teu-
fel, haben Sie mir nicht immer geantwortet vier?" — „Ja Sire,
ich fürchtete aber, es würde Sie langweilen, wenn ich das nämliche
so oft wiederholte."
 
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