Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 269
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1096

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1090

Deutschlands Frage. *)
Sollt nicht dort drüben übcr'm Rhein
Auch noch ein Stück von Deutschland sein?
So könnte man wohl fragen
Wer dürfte sich beklagen?
Daß man im Elsaß deutsch nur spricht
Ist für die Frage von Gewicht,
Und auch in Lotharingen,
Hört ich noch nicht „welsch" singen.
Die Sprache ist ein Völkerbund,
Ein Himmelssicgel für das Land;
Was Gott vereint — zu trennen,
Kann Frevel man nur nennen,
Ist auch die Grenze hart verletzt.
Die Mark verrückt, die Gott gesetzt.
Merkt Euch s, ihr deutschen Bruder,
Wir finden uns wohl wieder;
Der übcrmüth'ge welsche Hahn,
Zieht nun zum Kampf die Sporn an,
Ihm sei hiermit berichtet:
Wir wären schon gerichtet.
Die Gerstenkörner sind von Blei,
Wir tragen sie ihm selbst herbei,
Wenn er bei Siegesfesten
In Deutschland sich will mästen.
Doch wird er sich nicht lange sreu'n!
Wenn wir sie vor dem Schnabel streu'»,
Was stecken bleibt im Backen,
Kann man ja noch zerhacken
Mit scharf geschliffnem deutschen Schwerdt
Geschmiedet auf dem deutschen Heerd
Gestählt mit deutschem Muthe,
Nicht roth vom Bürgerblute.
Schon drermnl hat der Hahn gekräht,
Man weiß, woher der Wind jetzt weht,
Wie zu Sankt Petri Zeiten,
Äann's nur Verrath bedeuten.
Er setzt sich an dem Rheine fest,
Und baut in Mörsern sich ein Nest,
Wills linke Ufer haben
Denkt nur an Becker's Raben.
Wer mehr schon hat als ihm gebührt
Und doch noch solche Sprache führt.
Den muß man ernstlich fragen,
Warum ein solch Betragen?
Wer ohne Recht die Fäuste ballt
Dem darf man auch wohl mit Gewalt
Wie sehr's ihn mag verdreußen
Ein unrecht Gut entreißen.
Wär's für die Brüder nicht eui Gluck?
Sie kehrten gern zn uns zurück;
's möcht deutsch nicht übel klingen:
«Ein Königreich Lothringen;»
Noch schlagen deutsche Herzen dort,
Gern jagten sie die Welschen fort.
Dort beten alle Frommen,
Macht Deutschlands Hülfe kommen.
Man nähme uns mit Jubel auf
Und gäbe gerne in den Kauf
Die deutsche Bruderliebe,
Dem welschen Hahne »Hiebe;«
Selbst Meister Erwins wartet d'raus,
Und ruft aus seiner Gruft herauf:
Man solle sich bestreben,
Ihm »deutsches Grab« zu geben.
Wenn Deutschland soll ganz Deutschland sein,
So laßt die jenseits auch herein,
Vor Sehnsucht nicht vergehen,
Und vor der Thüre stehen.
Entlehnt dem »Allgemeinen deutschen VolkS-Kalender« für das Jahr 1843
von Fidel Freund. Carlsruhe bei F. Gutsch und Rupp.» Dieser
Volks-Kalender, der zum erstenmal erscheint, bespricht Deutschlands Einheit
und die Rechte des Volkes auf leicht faßliche Art auf 47 Seiten; kostet nur
.z. . ""d rst sohin gewiß zu empfehlen. ckb
* ) Erwm von Steinbach aus dem Badischen ist bekanntlich der Erbauer des
Strasburg« Münsters und dort begraben. Er dachte wohl auch nicht, daß
er dastelvc für die Franzosen erbauen würde.

Dzielinski.
«-> >. (Fortsetzung.)
Während der Verdacht, dieser vielgestaltige unheimliche Bohrwurm,
der nach der Schuld lw. Menschenherzen sucht, auch Krukowskis
Mörder zu entdecken strebte, wurden Ec Vorbereitungen zu dessen feier-
lichem Leichenbegängnisse gemacht, und der Adel und die Geistlichkeit
der Umgegend dazu eingeladen. In Trauerkleidern erschien Dzielinski
vor der tiefgebeugten Gattin des Ermordeten, und sagte, ihre Hand

an seine Lippen drückend: Gott tröste Sie, gnädige Frau! Für das
was wir erleben mußten, habe ich selbst keinen Trost. Ich weiß Nichts,
das meine Seelenkräste so hätte lähmen können» als dieses entsetzliche
Unglück, bei dem der Verstand das Herz nur an die Religio/,, auf
die Demuth vor dem unerforschlichcn Nathschluß Gottes im Reiche der
Dinge, vn weisen kann.
Sie haben Recht, versetzte Frau v. Krukowski, — und Ihr Mitge.
fühl meines Schmerzes ist mir lieber, als ein mühsamer trostloser Trost,
an dem der Verstand noch ein Aer^euiiß nimmt, während das Herz
verbln'et. Von Ihnen kann ich eine gerechte Würdigung 'meines Ver-
lustes erwarten. Sie haben den edlen Unglücklichen so nahe gekannt,
wie nur W nige. Er war Ihnen Vater, und Sie waren ihm stets
ein dankbarer Sohn. Vielen theilte er von seinem Vermögen mit,
Ihnen gab er, bei unserer eigenen Kinderlosigkeit, ungelheilt sein Be-
stes, sein Baterherz. Noch an dem Tage, wo er die Sonne zum letz-
ten Mal gesehen hat, sprach er mit Wärme von Ihnen; er betrachtete
Sie als einen Angehörigen unsers Hauses, und war angelegentlich mit
Planen zur freundlichen Sicherstellung Ihrer Zukunft beschäftigt. Ich
werde seine Gesinnungen gegen Sie als ein heiliges Erbtheil betrach-
ten, und mit dem Vermögen, das der Raubmörder mir übrig gelas-
sen, Ihnen stets eine hilfreiche Freundin sein.
O, diese unverdiente Gnade — bricht mir das Herz! stammelte
Cajetan verwirrt, vor der schönen Frau auf ein Knie sich niederlassead
und ihr Kleid küssend.
Stehen Sie auf, mein Freund, sagte die Dame, ihm huldvoll die
Hand reichend. — Bei der traurigen letzten Pflicht, die wir dem Da-
hingeschiedenen in der Leichenbegleitung erweisen, habe ich Ihnen eine
Auszeichnung zugedacht', deren Sic durch die Liebe Krukowskis würdig
sind, und wodurch diese Liebe auch öff ntlich von mir anerkannt wer-
den soll. Hinter dem Sarge mögen Sie sein Herz tragen, das Va-
terherz, das noch lange für Sie schlagen konnte, wenn nicht das arm-
selige Geld, wovon er einen so christlichen Gebrauch machte, das Herz
des Mörders mehr verlockt, als die stillen Tagenden meines Gemahls
es gerührt hätten.
Befangen verneigte sich Cajetan, dann bemerkte er: Mit glühen-
dem Danke erkenne ich die mir zugedachte ehrenvolle Gnade; nur fürchte
ich,fahrend ich sein Herz trage, wird das meinige blechen.
sie sind ein Mann, und müssen mir mit dem Beispiele muthiger
Ergebenheit vorangehcn, entgegnete die Edelfrau. — Es bleibt dabei
es liegt ein wehmüthiger Reiz für mich in dem Gedanken, durch diese
Anordnung im Geiste des Tobten zu bandeln. Kommen Sie jetzt mit
mir zu ihm, und betrachten Sie die Grausamkeit seines Mordes in den
fünf Wunden seines lieben Hauptes.
C jetan folgte stumm der voranschreitenden Herrin zu der bereits
secicten Leiche des Wohlthäters, betrachtete tiefbewegt dessen Wunden,
und sank dann betend an der Bahre nieder.
Er blieb als Gast aus dem Edelhofe, von wo am andern Tage
der Leichenconbuct nach dem eine Halde Stunde entfernten Kirchvorfe,
zu der Familiengruft Krukowsk-s stattfinden sollte. Die Anstalt hierzu
und später die Empfangsscenen der sich einst'Wenden Leichcnbeglellung,
bei denen Heesfeld und Dzielinski die Hausfrau unterstützte«, zwangen
Liese wohlihä'-ig zur raschen Fassung nach dem traurigen Ereignisse, das
so Plötzlich alle Stadien ihres Gewohnheitskrcises durchschnitten, und
verdrängten auch für den Augenblick die Reflcrion über den Verlust selbst.
Aus der Nähe und Ferne waren auf dem schlosse die Nachbarn und
Freunde des Verstorbenen, zunächst der würdige Priester Joseph Buc-
zinski und seine Amtsbrüder aus der Gegend, unter sichtbar aufrichti-
gen Beileidsbezeigungen erschienen, während das Landvolk haufenweise
sich im Edelhofe einsand, und weinend und lautklagend seinen Schmerz
über einen solchen Tod ihres geliebten Herrn ergoß. Frau von Kru-
kowski empfing endlich von Heesfeld die Nachricht, daß alle Vorberei-
tungen getroffen wären, und der feierliche Zug beginnen könne. Sie
nahm nun das in einer silbernen Kapsel verwahrte balsamirte H r; des
Gatten und trat damrt in den Salon der Trauerversammlung, wo sie
dem Günstlinge des Tobten unter einigen wohlwollenden Bemerkungen
das theuere Kleinod übereichte.
In großer Bewegung, mit bebenden Knien und Leichenblässe im
Gesicht, nahm Cajetan die Kapsel, welche der zitternden Hand fast
wieder entfallen wäre. Er wollte sprechen, allein das Wort war wie
auf seinen Lippen festgebannt. Scheu streifte sein Blick durch die Ver-
sammlung, und begegnete auf ihren Gesichtern größtenteils der Theil-
nahme an seinem gerechten Schmerze, der ihn so fassungslos machte
 
Annotationen