Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 269
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1091

Nur Duczr'nskis Züge hatten einen andern entgegengesetzten Ausdruck.
Seine weitgeöffneten Augen trafen Cajckan mit einem so stechenden
Blicke, als wolle er aus dessen tiefster Seele die Widerlegung eines
bösen Argwohns fordern, daß seine Aufregung nicht allein dem großen
Schmerze über des Wohlihäters Tod bcizumessen sei. Wie vernichtet
schlug Cajeian das Auge zu Boden, und rang nach völliger Fassung.
Im Hofe begann indeß die Trauermustk; er stellte sich an die Spitze
des Zugs, üd führte ihn die Stiege hinab in das Vorderhaus, wo
NU» die einleitenden geistlichen Ceremo. ien an dem Sarge begannen.
Nach ihrer Beendigung setzte sich der Conduct mit allein Pompe,
den der katholische Cultus gewähren konnte, in Bewegung. In unab-
sehbarer R'ihe schlossen sich die Dorfbewohner an, und kein Gesicht
war unter ihnen zu entdecken, das nicht aus wahrer Theilnahme, nur
aus gedankenloser Gewohnheit dem Zuge gefolgt wäre; denn der Hin-
geschiedene war ja ein Freund, ein Vater der Armen gewesen.
(Forts, folgt.)

Wanderungen eines Deutschen durch Cuba, im
Winter des Jahres 1841.
(Fortsetzung.)
Abends waren wir an der Balize, wie ein von Loviscn bewohn-
tes maler ches Städtchen an d-ir Mündung des Mississippi genannt
wi'd. Zwei Schisse, die alle Segel beigesetzt hatten, in die der Wind
mit vollen Backen blies, bewegten sich dessenungeachtet um keinen Zoll
weit von der Stelle. Ein seltsamer Anblick, der an den Käfer er,
innert, welchen em muthwilliger Knabe am Faden hat! — Die Schisse
saßen nämlich auf einer der Sandbänke, mit denen die Mündung reich-
lich versehen ist, und bcmüheten sich vergebens, von ihr abzukommcn.
Es ist dies sehr häufig der Fall, doch niemals mit Gefahr verbunden;
die Dampfböre, welche die Schiffe den Strom hinauf nach New-Orle-
ans ziehen, spannen sich vor und ziehen, gleich muthigen Rossen, die
Festsiyenden mit Leichtigkeit vom Grunde ab.
Die See ging hoch und machte, daß am nächsten Morgen beinahe
die Hälfte der Passagiere beim Frühstücke fehlte. Die Dienerschaft
hatte alle Hände voll zu thun, um dem seekranken Personale beizu-
springen. Da gab cs bald Gelegenheit, Bekanntschaften aiizuknüpscn,
denn die Damen, die in der Regel beim Antritt einer Seereise sehr
ceremonicll und sehr zurückhaltend sind, sehnen sich in dieser Krankheit,
in diesem physischen und moralischen Katzenjammer, nach Mitgefühl.
Man sollte es kaum glauben, wie schnell ein Sturm oder die See-
krankheit die Herze» zusammenfüh. l! Byron empfiehlt in seinem Don
Juan ein gutes Beafsteak als Mittel gegen ei? Seekrankheit und
hat Nicht unrecht. Erfahrung lehrte mich, daß ftliche Luft, ein gutes
Glas Grog und ein stets voller Magen diesem Uebel am schnellsten
ein Ende mochttn.
Der Meerbusen von Meriko ist ei» tückisches Wasser, wo im Winter
Stürme und im Sommer Orkane herrschen. Wir bekamen eine kleine
P>obe von seiner Unbeständigkeit in einem starken Sturm aus Südost.
Für den, der bereits manchen schweren Sturm erlebt hat, verliert solch
Ereigniß das Tragische; da er ruhiger Beobachter alles dessen ist, was
um ihn vorgeht, so gewinnt er dem ganzen leicht die komische Seite ab.
Und in der Thai, a» Lächerlichkeiten ist kein Mangel! — Ich will es
versuchen, das Leben auf unserem Schiffe, während des Sturmes zü
beschreiben. Wir hatten den Wind so ziemlich von vorn, wodurch die
Wellen sich gegen das Borderlheil des Schiffes hochauftbürmten; dies
machte, daß unser Fahrzeug die Bewegung annahm, welche der See-
mann „stampfen" nennt, bas heißt: es bohrte mit der Spitze in die
vorn ausgethürmten Wogen, um sich seine» Weg zu bahnen, was ohne
großen Widerstand nicht geschehen konnte. So wurde denn das Vor-
dertheil des Schiffes bald emporgehoben, bald schien es in den Grund
bohren zu wolle»; wir saßen nun natürlich auf den prächtigen Pol-
stern in der Kajüte, wie auf wilden Nossen, die sich bald bäumen,
bald hinten ausschlage». — Auf dem Verdecke mußte man jeden Au-
genblick nach einem Gegenstände greifen, um sich fcstzuhaltcn. lieber
uns der graue Himmel, uni uns, so weit das Auge reichte, die wild
empörten Meerrswogen, eine schwarze Gebirgsmasse, wo der Schaum
auf dem Gipfel jeder einzelnen Welle den Alpenschnee ersetzte. Dann
und wann blickte ein Deliguemengcsicht aus der Kajütenthür auf das
Verdeck, um sich zu überzeugen, ob wir noch oben wären. Solchen
Augenblick schienen die schadenfrohen Wellen vorzugsweise wahrzuneh-
men: in einem Nu schlug eine von ihnen gegen die Näder und über-

schwemmte den Neugierigen mit Salzwasser. Dann hörte man cs ei-
ligst die Treppe hinabpoltern und das G lächter der Matrosen mischte
sich in das Donnern des Meeres.
Verfügen wir uns in die Kajüte, so gewahren wir lebende Bil-
der, über deren Anblick Hogarlh außer sich vor Entzücken gewesen
wäre. Wir versuchen zu gehen, verlieren aber durch die tollen Bewe-
gungen des Schiffes das Gleichgewicht und werden nach dem entfern-
testen Winkel der Kajü e geschleudert, und zwar in der posirlichsten,
lächerlichsten Wei.e, tue man sich vur denken kann. Bevor es uns ge-
lungen ist, wieder aus die Beine zu kommen, hat das Schiff der Be-
wegung einer andern Woge nawgcgcben und wir rnttchen, schnell wie
der Blitz, nach der entgegengesetzt, n Seite, wo wir mit den Köpfen
gegen einander fahren und m einem Gewirre von Siüblen, Hüten,
Band und Haubenschachtcln die Beine himmelwä'ts strecken. — Die
Zeit des Mittagessens ist hcrang, naht. Alles, was nicht seekrank ist,
findet sich in der Kajüte ern; der Capitam, der die Honneurs an der
Taftl macht, im schwarzen Anzuge und weitzen Manschetten, führt oder
blancirt vielmehr zwei Damen zu den Ehrenplätzen, neben sich auf
das Sopha. Die übrigen klimmen nach ihren Stühlen; endlich hat
Alles Platz genommen. Auf dem Tische liegt ein Aufsatz, eine Art
Nahmen, mit tiefen Höhlungen, um Teller, Schüsseln. Flaschen und
Gläser hineinzustellcn. Der Steward tritt mit der Suppe herein,
sein dicnstdarer Geist, ein Negerknabe, folgt mit den Kartoffeln, an-
dere Diener folgen mit den übrigen Gerichten. Kaum befinden die
Dinge sich auf der Tafel und die Diener haben sich an unsere Siul-
lehne» angeklammert, so macht das Schiff einen Ungeheuern Satz und
Alles geräih in Unordnung. Die Dienerschaft liegt über einander, wie
die Heringe, in einem Winkel der Kajüte! die Erbsensuppe ruht dem
Eapuain traulich im Schoße, eine der Damen umarmt eine Schinken-
keule, ein Dritter drückt den Braten zärtlich ans Herz, ein Paar Hüb-
ner fl.egen einem Vierten an die Ohren, der Pudding einem Fünften
beinahe in den offenen Mund, die übrigen liegen in der Sauce, und
die Kanoffcln rollen grmüihlich am Boden umher. Der eine sucht sei-
nen Teller zu »clien, ein anderer greift nach Mess r und Gabel, wie-
der Einer, un Fallen begriffen, hält das gefüllte Glas hoch empor,
während er sich mit der enceren Hand an den Stuhl des Nachbars
anklamwert. Alles -st in Verwirrung, es ist, als wenn das alte Chaos
zuiückkchren wollte! — Beim nächsten Rollen des Schiffes fliegen Ste-
ward und Dienerschaft, starr vor Erstaunen, abermals mit ausge-
streckren Atmen in einen anderen Winkel; endlich stehen sie auf ihren
Beinen, wie Statuen, da sie es nicht wagen, sich fortznbewegcn. Tel-
ler, Schüsseln, Messer und Gabeln krachen zusammen in der Unord-
nung des Augenblicks; der Sicwaid und seine Helfershelfer kriechen
auf allen Vielen, um sich der tanzenden Kartoffeln zu bemächtigen, die
in Gesellschaft von fliegenden Hühnern und laufenden Keulen über
ihre Füße Hüpfen. Für einen Augenblick wird cs ruhig, die zerstre»-
tcn Theile des Mahls sind glücklich eilig, sammelt und diejemg n, die
ihren Appetit nicht verloren haben, beginnen zu essen. Einige Vor-
sichiige setzen sich in einen Winkel der Kajüte auf den platten Boden
und nehmen den Teller zwischen die Beine, sich nun vollkommen sicher
wähnend. Doch schnell finden sie sich, zu ihrer Verwunderung, in der
entgegengesetzten Ecke wieder und zwar in den lächerlichsten Stellun-
gen. Einige lachen, andere weinen, wieder welche schimpfen, doch Alle
stimmen darin überein, daß es für einen hungrigen Magen nichts
Trostloseres gebe, als ein Mittagscsscn zur See di stürmischem Wet-
ter. *) (Forts, folgt.)
*) Vielen wird diese Beschreibung übertrieben erscheinen; ich rufe indeß alle,
die einen Seesturm erlebt haben, zu Zeugen auf, und lege ihnen die Zrage
vor, ob ich mich jetzt streng an die Wahrheit gehalten habe?

B n n t c
-j- Ein junges Mädchen aus einer elsäßssche» Ortschaft wohnte kürz-
lich der Messe bei, und horchte sehr aufmerksam auf die Ausrufung
der Verlöbnisse, als sie plötzlich ihre: eigenen Namen n-bst dem eines
Burschen ihres Dorfes aussprcchen hörte. Mit Mühe ihre Röche und
ihre sehr natürliche Verlegenheit verbergend, eckte sie nach Hause, z«
fragen, was daö bedeute, und es stellte sich heraus, daß die Eltern
dieses Mädchen vergessen hatten, idr zu sagen, daß sie ihre Hand dem
bewilligt hatten, der um sie warb, und dieser ließ das Verlöbniß aus-
rufen, ohne seine Braut davon zu benachrichtigen. — So stehts in
der Freiburger Zditung! Wer glaubte?
 
Annotationen