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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 278
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1132

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Das Leichenhemv.
(Schluß.)
Ich batte nie einen Mann gesehen der sich in solcher Lage edler
und würdiger benahm. Der Franzose kämpfte mit seinem bessern Selbst;
aber leider las er auf unfern Gesichtern zu deutlich, daß uns alle des
Polen edle Haltung eingenommen hatte. Der Dämon des Jähzorn-
und Eigensinns trug den Sieg davon und in trunkenem Muihe rief
er, als wollte er die bessere Stimme in sich selbst überschreien:
„„ES sieht Ihnen ähnlich, daß Sie Entschuldigungen machen;
aber ich bin der Mann nicht, der sie erwidert.""
Mit dieser neuen Beleidigung kehrte er dem Polen den Rücken und
verließ das Zimmer.
Der höchst unangenehme Vorfall gab das Zeichen zum allgemeinen
Aufbruche; alle Zcchgenvssen gingen, nur Cyrzinski blieb mit gestütztem
Arm stumm Don Julian gegenüber sitzen.
Am nächsten Morgen wurden die Truppen in Schlachtlinie aufge-
stellt, weil der Anführer einen Angriff erwartete. Aber der Feind
schien noch keine Neigung zum Angriff zu haben, so daß die Christinos
nach zweistündigem vergeblichen Harren in ihre Quartiere entlassen
wurden. Ich lag zufällig im Fenster der Posada, als Eyrzinski und
Don Julian die Straße entlang kamen. Letzterer gewahrte mich und
winkte. Ich eilte hinaus.
„Eine recht fatale Geschichte!" sagte der Spanier verstimmt, indem
er den Mantel zurückschlug und mir ein Pistolenfutteral zeigte. „Vic-
tor hat sich heute früh noch einmal geweigert, sein Unrecht einzugeste-
hen, so daß wir setzt den Handel mit dem besten Willen schwerlich
ohne Zweikampf beilegen können. Sie wissen vielleicht nicht, wie streng
unsere Duellgesetze sind. Der dumme Streich kann uns Allen die Epau-
letteS kosten, um so mehr, da der Fall Angesichts des Feindes vor-
kommt. Haben Sie also die Güte, uns zum Kampfplatz zu begleiten.
Als Fremder können Sie uns den Dienst unbedenklich erzeigen und
Ihr Zeugniß dürfte uns, falls die Sache vor's Kriegsgericht kommt,
von Nutzen sein."
Ich ging mit und bald war der Kampfplatz, ein Maisfcld mitte«
zwischen den beiderseitigen Vorposten, erreicht. Da das Feld eine Ver-
tiefung bildete, die zu beiden Seiten durch eine Mauer und Gebüsch
glückt war, so hätte sich in der ganzen, von Truppen besäeten Ge-
gend kaum ein verborgeneres Plätzchen finden lassen. Auf der den
Carlisten zugekehrten Seite senkte sich das Terrain allmählig und stieg
dann zu der Anhöhe, auf welcher der Feind festen Fuß gefaßt hatte.
Victor traf mit seinem Freunde Don Luis, der ihn auch bei dem
nächtlichen Abenteuer begleitet, fast gleichzeitig mit uns ein. Don Ju-
lian machte den letzten Versuch zu friedlicher Beilegung, doch da nichts
half, so wurden setzt fünfzehn Schritte abgemessen und die Kämpfer
einander gegenüber gestellt.
In dem Momente, wo die Sekundanten den Gegnern die Pistolen
einhändigten, entstand hart in unserer Nähe ein Gewehrseuer. Ich eilte
durchs Gebüsch, um zu sehen, was es gäbe und gewahrte auf den
ersten Blick die grauen Röcke und blauen baökischen Mützen einiger
carlistischen Tiralleurs, die mit den unsrigen zusammengeriethen.
Julian, der das Zeichen geben sollte, zögerte. Ein Zweikampf fast
zwischen dem Gewehrfeuer zweier Heere war in der That etwas Schau-
derhaftes.
„Vorwärts!" rief Victor und stampfte ungeduldig mit dem Fuße,
""in einer Minute sind wir fertig.""
«Uno, «los" ... rief Julian.
Kugel des Franzosen riß dem Polen die Mütze vom Kopfe,
wahrend das Pistol des Polen abblitzte.
Unbegreiflich war es uns daher, als Victor plötzlich taumelte und
zu Boden sank. Die Zeugen und der Pole sprangen zu ihm. Eine
carlistische T,ra»lleurskugel, die von der Mauer, welche das Maisfeld
umgab, abgcprallt sem mußte, war ihm in den Hinterkopf geschlagen.
So wenigstens erklären wir uns den Fall, da die Kugel des Polen
noch im Laufe steckte.
„In einer Minute sind wir fertig!" waren Victor- letzte Worte.
,,„O meine Befürchtung!"" seuzte der Pole, als wir uns eilend-
aus dem Vocpostenfeuer zurückzogen. Am Abend erst konnten wir die
Leiche holen, um ihr in der Nähe der Carlisten ein Grab zu graben.

Dänische Justiz.
(Ein Erlebniß auf dem Meere. Von P. F. Campbell.)
Der Krieg war zwischen England und Frankreich entbrannt. Duo-
naparte hatte den Traktat von Amiens gebrochen. Alle in Indien le-
benden Engländer waren bestürzt, und vorzüglich diejenigen, welche
reiche Schiffsladungen auf dem Meere hatten, oder bald in ihr Vater-
land zurückzukehren gedachten. Ich befand mich unter den Letzteren,
suchte mir ein Schiff aus, das einer neutralen Macht angehörte, und
war glücklich genug, die Ueberfahrt an Bord eines dänischen Schiffes
machen zu können.
In Allem, was Luxus anbetrifft, schien mir dieses Schiff sehr hin-
ter denen der indischen Kompagnie zurückzustehen, aber es war ein bes-
serer Segler; was die Schiffsdisciplin betraf, so war sie so streng wie
auf englischen Kriegsschiffen. Ich hatte nie geglaubt, daß so viel Ord-
nung, Regelmäßigkeit und blinder Gehorsam aus einem Kauffahrteischiffe
angetroffen werden könne.
Der erste Lieutenant war einer der schönsten Männer, welche ich
je gesehen habe. Er war eben zu diesem Rang befördert worden, und
verdankte denselben weniger seiner Eigenschaft als Sohn des Schiffcig-
ners, als seinen ausgezeichneten Fähigkeiten im Dienst. Geliebt von
der Schiffsmannschaft, unter welcher er, nach der in Dänemark übli-
chen Sitte, fünf Jahre gedient, hatte er sich eben so sehr die Liebe der
übrigen Offiziere und der Passagiere, welche nach Europa zurückkehrten,
zu erwerben gewußt.
Der einzige schlechte Mensch, den wir an Bord hatten, war der
Koch, ein Portugiese von Geburt; sonnverbrannt und von unvortheil -
hastem Aeußeren, suchte er stets auf eine oder die andere Art Streit
unter den Matrosen hervorzurufen. Sein böswilliger Charakter hatte
ihm häufig Strafen von Seiten seiner Oberen zugezogcn, und gerade
an dem Abend, mit welchem unsere Erzählung beginnt, waren ihm
eben die Ketten abgenommen worden, mit denen er auf Befehl des
ersten Lieutenants belastet gewesen war, weil er versucht hatte, einen
Matrosen, der ihn beleidigt, zu vergiften; wenigstens hielt man »hu
für schuldig, denn ein bestimmter Beweis gegen ihn war nicht vorhan-
den. Im höchsten Grade erbittert ob dieser so harten Züchtigungen,
beschloß der Portugiese, sich an dem ersten Lieutenant zu rächen.
Der Lieutenant den wir Karl nennen wollen, ging eines Tags auf
dem Berdeck mit seiner Braut, einer jungen und schönen Engländerin,
spazieren; Beide standen einen Augenblick still, um die fliegenden Fiscke
zu beobachten, welche, die Oberfläche des Wassers im Fliegen leicht
berührend, den Verfolgungen des Haifisches, des grausamsten seiner
Gattung zu entgehen suchten; sie unterhielten sich von dem Glück, das
ihre Vereinigung sie hoffen ließ, von ihren Erwartungen und Befürch-
tungen, von der Zustimmung ihrer Eltern, von ihrer glücklichen Zu-
kunft und versprachen sich ein so ruhiges Leben, als der milde Him-
melsstrich unter dem sie dahin fuhren.
Plötzlich stürzt, ehe irgend einer es nur vermuthen konnte, der Koch
auf sie zu und stößt sein Messer in das Herz des unglücklichen jungen
Mannes, der, ohne auch nur einen Schrei hören zn lassen, niedersank,
während der triumphirende Portugiese ein satanisches Lachen vernehmen
ließ.
Das unglückliche junge Mädchen, welches noch nicht die ganze Größe
ihres Unglücks kannte, stürzte über ihren Geliebten hi»; cs war schon
zu spät. Ein Freund, welcher schnell dem Lieutenant zu Hülfe eilte,
zog ihm das Messer aus dem Herzen, und das hervorströmevde Blut
benetzte das weiße Gewand der Braut. Karl machte noch eine An-
strengung, um sich zu ihr zu wenden, es war die letzte» denn sobald
das Eisen außerhalb der Wunde sich befand, trugen Diejenigen, welche
ihn aufhoben, nur eine» Leichnam hinweg.
Indessen war auch der Kapitän auf das Verdeck geeilt, und als
er den unglücklichen Karl sah, fing er wie ein Kind an zu weinen,
denn er hegte für ihn eine väterliche Liebe. Die ganze Mannschaft
war erbittert, une man würde den Mörder augenblicklich getödtet ha-
ben, wenn nicht die Gegenwart des Kapitäns eine so unbedachtsame
Handlungsweise verhindert hätte.
Der Koch, welcher mit seinem Verbrchen sich zu brüsten schien,
ward in Ketten gelegt. Man trug den Leichnam in den Schiffsraum
hinunter, während die junge Braut im Zustande gänzlicher Bewußtlo-
sigkeit in ihre Stube gebracht wurde. Am andern Tage empfing ich
gegen acht Uhr Abends die Einladung, mich auf da- Verdeck ^ hege«
den; ich folgte derselben sogleich und fand daselbst die Offiziere, Passa-
giere und die ganze Mannschaft versammelt und wie zu einem Feste
 
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