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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 278
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1133

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1127

geschmückt. Die dkenstthuenden Matrosen standen an beiden Seiten
des Verdeckes, der Kapüän, umgeben von den Offizieren, stand dem
Hinterdeck gegenüber und der Leichnam des unglücklichen Opfers lag
ausgestreckt in der Mitte der Versammlung, bedeckt mit der National,
flagge.
Es herrschte das Schweigen des Todes. Wir näherten uns da-
mals der Linie. Die Sonne, dem Scheiden nahe, warf noch bren-
nende Strahlen auf uns. Die Segel hingen unbeweglich an den Ma-
sten, und das Hauptsegel war in einer Weise aufgehißt, daß man den
Lauf fortsetzen konnte, wenn die kleinste Brise sich bemerkt,ch mache.
Am Morgen hatte ein noch sichereres Kennzeichen mir deutlich gemacht,
daß wir uns in der heißen Zone befänden. Auf der klaren Bläue des
Wassers hatte ich zwei Haifische bemerkt, welche dem Schiffe folgten,
in Begleitung, wie gewöhnlich, des Fisches, welchen man Pilot nennt.
Die Matrosen hatten die Haifische erwartet, denn in ihrer abergläubi-
gen Meinung sind sie überzeugt, daß diese Ungeheuer aus dem tiefen
Meeresgründe sich stets an ein Schiff machen, au; dem sich ein Leich-
nam befindet, indem sie in ihrer Ungeduld des Augenblicks harren,
Wo derselbe ihnen zur Speise dienen wird. Ich für meinen Theil sah in
diesen gewaltigen Fischen nichts als ein Anzeichen unserer Ankunft un-
ter dem Aequator.
Indessen hatte der Anblick, welcher sich unfern Augen darbot, et-
was Erhabenes. Dieses Schiff, verloren in der Unendlichkeit, welche
für uns die ganze Welt war, dieses Element ohne Grenzen, welches
uns umgab, dieser Himmels-Thron, von dem Gott einen Blick auf
uns herabzuwerfen schien, während ein feierliches Gebet unseren Lip-
pen für denjenigen entschlüpfte, der uns lieb gewesen war: dies Alles
ließ in unserer Seele ein Gefühl der Ehrfurcht und der Unterwürfig-
keit gegen den Schöpfer erwachen, das die nicht kennen, welche noch
auf dem Lande sind, dies Alles flößte uns die volle Ueberzeugung von
der Größe Gottes ein, und von der Schwäche des Menschen, welche
nur diejenigen begreifen können, die auf Schiffen wohnen und die
Wunder des Meergrundcs kennen.
Ich stellte mich unter die andern Passagiere. Keiner sprach ein
Wort, denn wir glaubten gerufen worden zu sein, um Zeugen des
Leichenbegängnisses eines Freundes zu sein, und erwarteten daher
schweigend die Entwicklung.
Plötzlich ward ein dumpfes Geräusch von Schritten vernehmbar und
wir sahen die Wachen des Backbords langsam auf das Verdeck sich be-
geben, ihre kurzen Säbel in den Händen hallend: sie bildeten die Es-
korde des Mörders, welchen sie zu dem Opfer hinführten; dann bil-
deten sie den Offizieren gegenüber eine Linie, welche das Viereck vollen-
dete, dessen beide anderen Seiten die Passagiere ausmachten. Wir sa-
hen uns an, ohne ein Wort zu sprechen. Gewiß war der Mörder
nicht hergeführt, um bei der Bestattung zugegen zu sein, — aber wa-
rum war er da? seines Prozesses wegen vielleicht? aber dann hätten
wir wohl ohne Zweifel das Tau erblickt, mit dem er an den höchsten
Mast geknüpft werden konnte: denn es ist bekannt, daß die dänische
Rechtspflege oft sehr schnell von Statten geht, und Prozeß, Verur-
theilung und Hinrichtung sehr nahe auf einander folgen.
Wir blieben nicht lange in dieser Ungewißheit.
Der zweite Lieutenant las das Reglement vor, welches dem Kapi-
tän volle Macht verlieh, ein Kriegsgericht zu bilden und die Aussprü-
che desselben in Ausführung zu bringen. Er fragte den Gefangenen,
ob es ihm recht seie, in dänischer Sprache verhört zu werden. Die-
ser hatte nichts dagegen und der Prozeß nahm seinen Anfang. Zuerst
nahm man die Flagge, welche den Leichnam bedeckte, hinweg, und in
diesem Augenblicke schauderte selbst der, welcher den tödtlichen Stoß
geführt hatte, zusammen, indem er das ruhige und beinahe himmlische
Aussehen des Opfers bemerkte.
Bald ging man auf die einfachste Weise von der Welt zum Ver-
hör über, das Verbrechen war augenfällig und die That hinlänglich
bewiesen.
Ich gestehe, daß mir das Blut in den Adern starrte, als ich daS
Messer erscheinen sah, welches als Mordinstrument gedient, und dann
das treuflische Lachen de« Gefangenen bemerkte, als er es mit dem
Blute des Menschen, an dem er so grausam Rache genommen, befleckt
erblickte.
Nach einer strengen Untersuchung des Hergangs der Sache appellirte
der Kapitän an Alle, welche anwesend waren, und der Gefangene
für schuldig erklärt. Die Offiziere bedeckten nun ihre
Häupter und der Kapitän verlas die Sentenz.

Da ich von de«, was vorgelesen wurde, nichts verstand, war ich
erstaunt, den Schuldigen sich dem Kapitän zu Füßen werfen, und sein
Erbarmen anflehen zu sehen. Bei der Frechheit und tiefen Verstockt-
heit, welche er gezeigt hatte, war es doch offenbar, daß er einerseits
den Tod nicht fürchtete und zweitens keine Reue über das begangene
Verbrechen empfand. Welch' schreckliche Drohungen hatten ihn also so
rühren können? Ich verlor mich in Vermuthungen.
Alsbald traten vier Männer heran und hoben den Leichnam auf,
vier andere bemächtigten sich deö Gefangenen, während außerdem zehn
bis zwölf sich mit dicken Stricken näherten. Augenblicklich verstand ich
Alles, und wunderte mich nicht mehr über die Muthlosigkeit des Ge-
fangenen. Man hatte ihn Rücken an Rücken mit dem Leichnam zu-
sammengebunden. Sein Geschrei ward durch eine Art von Knebel er-
stickt, man legte ihn auf das Oberverdeck und von dort ward er auf
die Schiffsgalleric gebracht. Einige Gebete wurden von dem SchiffS-
kaplan gesprochen, und dann wurden der Tobte und der Lebendige,
der Mörder und sein Opfer, zusammen zum Tode befördert.
Sobald die schreckliche Last in die Wogen geworfen war, erglänzte
ein Plötzlicher Heller Schein unter den durchsichtigen Wellen: ein allge-
meines Schaudern durchrieselte die Versammlung, wir hatten den aus-
gehungerten Haifisch bemerkt, welcher auf seine doppelte Beute losstürzte.
Ich selbst fing einen der Blicke des Unglücklichen auf, in dem Au-
genblicke wo er niederfiel, und er verfolgt mich noch noch jetzt; es la-
gen in den Augen tausendmal ärgere Oualen als die des schrecklichsten
Todeskampfes.
Wir blieben nur einige Augenblicke stehen und glaubten Blutspuren
auf der Oberfläche des Wassers zu entdecken. Jeder wandte sich schau-
dernd ab und suchte die gerechte aber schreckliche Bestrafung des Schul-
digen zu vergessen. Glücklicherweise erhob sich eine leichte Brise und
wir waren bald fern von dem Orte dieser Schreckensscene.

Bunte».
ff Bor etwa dreißig Jahren, kam ein Reisender in ein Hollsteini--
sches Dorf, verweilte dort einige Stunden im WirthShause und fragte
alsdann nach sriner Zeche.
„Die ist leicht berechnet", versetzte die Wirthin freundlich „Sie ha-
ben drei Schnäpse Rum gehabt, recht etwas Gutes, — drei mal drei
ist sieben; vier Schillinge für Butterbrod, vier und sieben sind zehn;
neun Schillinge für Ihr Pferd, macht im Ganzen achtzehn Schillinge,
also ein Mark*) und einen Schilling macht das Ganze."
Lächelnd zog der Reisende die Börse und zahlte das Verlangte mit
den Worten: „Aber Ihr könnt flink rechnen, liebe Frau!"
„Das ist auch ein Glück", versetzte die Wirthin, „denn wir haben
hier eine starke Passage an der Landstraße und mein Mann kann gar
nicht rechnen. Th. v. K.
-j- „Seid Ihr mit dem Jnquisiten N. N. verwandt", fragte kürz-
lich ein Richter einen Zeugen. Dieser versetzte ängstlich: Mit Gewiß-
heit kann ich die Frage nicht beantworten denn ich bin ein Findel-
kind. Th. v. K.
-j- Ein dem Trunk ergebener Arbeiter, der aus Unmuth überfeine
Tanthippe sich oft das Leben durch einen Bitlern versüßte, hatte nach
dem letzten Rausche dies Laster gänzlich vermieden. Als er um die Ur-
sache befragt wurde, rief er mit einer Art Schauder aus: „Ich habe
in meiner letzten Trunkenheit meine Frau doppelt gesehen.

ss Der Wirth eines Gasthauses in F. hatte auf seinen Schilde
einen die Gäste einladenden Marqueur mit der Inschrift malen lassen:
Auch Einer ist mir lieb und werth,
Wenn er soviel als Drei verzehrt.

-s Die Soldaten des Fürstlichen Contingents zu Bückeburg erhielten
bei ihrem Abmarsch zur Reichsarmee vor der Schlacht bei Kunnersdorf
rauhlederne ungewichste Schuhe als Montirungsstücke. — „Warum die
Leute wohl braune Schuhe bekommen?" fragte ein Bürger bei der Aus-
theilung. — „„Nu"" — meinte ein Jude — „„die Wichs werde»
sie schon in Kunnersdorf kriegen!""

*) Ein Marl hält 16 Schillinge.
 
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