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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 204
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0833

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629

tenants-Gehalt von 6000 fl. K. M. mit den Nebennutzmeßungen er-
halten. Es verlautet, daß seine Gemahlin die dem Prinzen eigenthüm-
liche Besitzung am Genfer See ale ihren künftigen Aufenthalt beziehen
wolle. .
Paris, 26. August. Es wird versichert, em Adjutant des Komgü
werde nach der Rheingegend abreisen, um den Fürsten von Metternich,
falls derselbe nach Johannisberg kommen sollte, Namens Sr. Mas.
zu begrüßen.
— Noch ist das Regentschaftsgesetz in der Pair-kammer nicht votrrt
und schon sind alle Deputate, bis auf etwa 50, von Paris abgereist.
Man sieht daraus, was es mit der Fiction von den drei Gewalten
auf sich hat.
— Fanny Elsler hat einen Prozeß vor dem königlichen Gerichts-
hof verloren; es handelte sich von der Competenz des Commerztribunals;
der Gerichtshof hat das frühere Unheil, wogegen Berufung eingelegt
war, confirmirt, und Fanny ist nun gehalten, 60,000 Fr. Entschädi-
gung an die Operndirection zu entrichten, weil erwiesen wurde, daß
sie ihren Engagementsverpflichlungen nicht nachgekommen. Bei der Ge-
richtsverhandlung hat man nachgewi'eseii, daß Fanny ElSler in den
Vereinten Staaten 178 mal getanzt und dafür 742,000 Fr. eingenom-
men hat.
London, 24. August. Die Unruhen in den Fabrikbezirken haben
aufgehört. Doch beeilen sich die Arbeiter nicht sehr, zu ihren Beschäf-
tigungen zurückzukehren; es herrscht noch an vielen Orten große Unzu-
friedenheit.
— Die englischen Truppen haben auf dem Cap der guten Hoff-
nung eine Niederlage erlitten; eine Truppenabtheilung war beordert,
einen von holländischen Bauern bewohnten Distrikt zu occupiren; als
sie in denselben einrückten, wurden sie von den holländischen Bauern
geschlagen und zum Rückzug genöthigt.
BrüsM, 24. August. Dem Könige wäre beinahe auf seiner Reise
nach Ardenne ein Unglück zugestoßen. Ein Pistol, das in einer Tasche
steckte, ging von selbst los, die Kugel sprang vom Boden zurück und
fuhr oben heraus, ohne Jemanden zu verletzen.
Madrid, 19. August. Es ist das Gerücht verbreitet, Espartero
beabsichtige, die Minorität der Königin bis zum vollendeten 18. Lebens«
Jahr derselben verlängern zu lassen.
Amsterdam, 24. August. Die Feuersbrünste fangen an, sich auch
in Holland zu zeigen. Außer dem schrecklichen Brande der Buden aus
der Leeuwarder Kirchmeffe, dessen Schaden auf mehr als 100,000 fl.
angeschlagen ist, brannten vorige Woche in einem overysselschen Dorfe
Ham, das nur 2000 Einwohner zählt, 44 Häuser ab.

Der Galeerensklave.
(Fortsetzung.)
Nach einer vierstündigen Sitzung begaben sich die Geschwornen zur
Berathung in ein anstoßendes Zimmer, und ihre lange Abwesenheit
ließ vermuthcn, daß die Meinungen getheilt sein mochten. Endlich
kehrten sie in den Saal zurück und die Stille des Grabes herrschte
wie auf einen Zauberschlag in dem weilen Raume, als der Präsident
seinen Platz einnahm und durch eine Bewegung der Hand Schweigen
gebot. Das Erkenntniß wurde vorgelesen, — die Jury sprach das
„Schuldig" über den Verbrecher und verurtheilte ihn, in Betracht
seines fehlenden Geständnisses nur — zu einer zwanzigjährigen
Galeerenstrafe! —
In dem Augenblicke, als der Mund des Präsidenten das Urtheil
verkündete,^ ertönte in dem dichten Haufen der Zuschauer ein lauter
weiblicher Schrei. Die Umstehenden leisteten einer jungen Dame hülk-
reichen Beistand, die ohnmächtig nicdergesunken war — es war St.
Aubins unglückliche Gattin. Erschüttert blickte er dorthin, und als er
die Bedaucrnswerthe erkannte, wich der ermattete Körper der neuen
gewaltsamen Aufregung seiner Gefühle. Vernichtet sank er auf die
Bank zurück, und erst in den Mauern seines Gefängnisses erwachte er
wieder zu dem Bewußtsein einer qualvollen Gegenwart und Zukunft.
Wer ein Bild menschlichen Elends und menschlicher Verworfenheit,
— ein grausiges schreckenerregendes, aber wahres Bild aller Leiden-
schaften sehen will, welche die rhierische Abstammung des Menschen be.
künden, — der werfe einen Blick in das Innere des Bagno von Tou-
lon , und er wird schaudernd sich abwenden von dem Anblick der furcht-
baren Erniedrigung, zu welcher der sinnliche Mensch sich selbst zu ver-
dammen fähig ist, der jeder edeln und bessern Regung fremd gewor-

den, zügellos dem Hang seiner wilden Begierden sich überließ. Die
scharf markirten Gcsichtszüge der aus dem Verbände der bürgerlichen
Gesellschaft gestoßenen Unglücklichen sind ein treuer Spiegel ihres In-
nern. — Verbrechen belasteten den Feind weltlicher und göttlicher
Gesetze mit dem Fluch des menschlichen Abscheues, neue Verbrechen
brütend, schleppt der Galeerensklave seine Kette und sein elendes
Dasein von einem Tag zum andern, und schlägt endlich die Stunde
der Befreiung, so ist 'mit der langen Haft der Durst nach Rache,
nach heißer unversöhnlicher Rache an dem gesammlen Menschengeschlecht
nur glühender und unbezähmbarer geworden in seinem Innern! —
O! die Galeere ist eine fruchtbare Schule für den Verbrecher! So
Mancher, der durch Verirrung oder Verführung gefallen, hätte sich
Vielleicht bald wieder aufgerichtet an der Hand' des Mitgefühls; —
Manchen hätte aufrichtige Reue in Wort und That wieder ausgesöhnt
mit der Welt, und mit der zunehmenden und wieder erworbenen Ach-
tung seiner Umgebung hätte der Keim des Guten frische Wurzel ge-
schlagen in seinem Herzen, — aber mit offenem frechen Hohn auf der
Stirne tritt der Galeerensklave aus dem Bagno wieder heraus in das
bürgerliche Leben, er ist Verbrecher aus Grundsätzen geworden,
— sein Inneres gleicht dem Krater eines ausgebrannten Vulkans —
er ist moralisch tobt! —
Der Bagno in Toulon ist der größte in Frankreich. Ueber vier-
tausend Sträflinge arbeiten fortwährend in den weiten Werk-
stätten und auf den Schiffswerften der Admiralität, und mit eiserner
Strenge wacht das Auge der Aufseher über die Unglücklichen, die paar-
weis mit einer an den Füßen festgeschmiedeten Kette an einander ge-
fesselt, nur mit großer Anstrengung sich bewegen bei ihrer Beschäftigung.
Es war an einem Morgen im Herbst des vorigen Jahres, als die
langen Reihen der Galeerensclaven auf die gewohnte Weise im Hofe
des Arsenals sich ausstellten, um den verschiedenen Arbeiten abgeführt
zu werden. Mehrere Abtheilungen wurden angewiesen, sich mit ihren
Aufsehern auf die andere Seite des Hafens, dem Arsenal gegenüber,
zu begeben, um dort Schiffsbauholz auszuladen, und ein Haufe nach
dem andern bestieg die Boote, um aus das jenseitige User zu über-
zusetzen. In einem der letzten Fahrzeuge befand sich ein junger Mann,
anscheinend noch im kräftigen Mannesalter, aber matt sanken mehr-
mals seine Arme hernieder, die nur mit großer Anstrengung das schwer«
Ruder handhabten, und ein unterdrückter tiefer Seufzer stieg zuweilen
aus seiner unruhig arbeitenden Brust — es war der unglückliche St.
Aubin. Fünf lange Jahre hatte der gebildete, sorgfältig erzogene Mann
die Qual erduldet, sich gleichgestellt zu sehen mit dem Auswurf der
Gemeinheit, — mit dem Abschaum der Menschheit, — unzählige Mal
hatte er ihre elenden Witze, ihre gemeinen Späße hören und ihren
Hohn fühlen müssen, wenn unwillkürlich eine Aeußerung des Abscheus
die besseren Gefühle verrietst, die in seinem Herzen noch nicht unterge-
gangen waren. Mit heißxn Thränen unnennbarer Sehnsucht hatte er
Nachts auf seiner harten Lagerstatt tausendmal den Tod herbeigerufen,
ihn zu besceien von der Last seines martervollen Daseins — doch jeder
neue Morgen weckte ihn wieder zu neuen Leiden — sein Wunsch nach
der Ruhe des Grabes war vergebens; leben und dulden! so lau-
tete der Spruch seines unerbittlichen Schicksals! —
(Fortsetzung folgt.)

Buntes.
j- Auch keine üble pariser Mode! — Seit einiger Zeit sieht man
eine große Anzahl jugendlicher Inero^adl68 mit verbundenen Köpfen
auf den Boulevards des großen Paris erscheinen. Wenn man solch'
einen Stutzer fragt: Haben Sie ein Malheur gehabt? antwor-
tet er mit gleichgültiger Miene: „Nichts Bedeutendes! Ich bin
nur aus dem Cabriolet gestürzt."— Seit dem unglücklichen
Sturze des Herzogs von Orleans machen sich einige Stutzer dadurch in-
teressant, daß sie vergeben — sie haben auch einen Sturz aus dem
Wagen erlitten! Nächstens hören wir vielleicht von einer pariser Mode
unter jungen Leuten, sich aus dem Wagen auf das Straßenpflaster
schleudern zu lassen — nur um alles mitzumachen! Vielen dieser pa-
riser Elegants dürfte es übrigens auch, vlme daß sie aus dem Wagen
stürzen, geglaubt werden können — daß sie aus den Kopf gefal-
len sind! _
j- Nach amtlicher Ueberzeugung stehen gegenwärtig in Berlin über
2000 Wohnungen leer, von denen die meisten einen Miethsbetrag von
mehr als 100 Thlr. haben.
 
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