Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 269
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1095

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
No. 269

Sonntag den 13.Novernbr,

1842

Algier und das französische Heer.
(Nach der «Mg. Ztg «)
Wieder ist ein Feldzugsjahr abgelaufen und die französiiche Armee in Afrika
hat ihre Winterquartiere bezogen, ohne daß der so oft verspräche Friede endlich er.
kämpft oder auch nur in eine nahe Aussicht gestellt wäre. Wie in diesem so wird
auch im nächsten Jahre eine Armee von 80,000 Mann und ein Budget von 60
70 Millionen auf Afrika verwendet werden, und die endlichen Fruchte aller dieser
Anstrengungen sind in diesem Augenblicke noch eben so zweifelhaft, als je. Die fran-
zösische Herrschaft in Algerien hat während ihrer zwölfjährigen Dauer so wenig
Wurzel geschlagen, daß vernünftigerweise nicht zu erwarte» steht, sie werden bin-
nen ter nächsten zwei oder drei Jahrzehnten weit genug erstarken, um auch nur
den, ersten Stoße eines politischen Sturmes widerstehen zu können, der sich vielleicht
heute oder morgen in Europa erhebt und der Afrika eben so wenig verschonen wird,
als die übrigen Welttheile. Wenn die Verwirklichung der Idee eines afrikanischen
Frankreichs in der That zu einer Art politischen Nothwendigkeit geworden ist, so
haben diejenigen, welche diese Nothwendigkeit herbcigefnhrt haben, eine schwere
Verantwortlichkeit gegen die französische Nation. Ich spreche nicht von den uner-
meßlichen Geld- und Menschenkräften, welche die Verfolgung jener Aufgabe erfor-
dert unv zu deren nicht bloß nützlicher, sondern sogar dringend nothwcndiger Ver«
Wendung Frankreich wahrhaftig innerhalb seines eigenen Gebietes überflüssige Ge-
legenheit hätte finden können; ich will nur auf einige der moralischen Nachtheile
einer Unternehmung, wie die Eroberung Algeriens, durch die Franzosen hindeuten.
Wer kann längncn" daß die Franzosen bei ihrem feindlichen Zusammentreffen mit
den Arabern aus der Rolle einer civilisirten Nation — einer Nation des neun-
zehnten Jahrhunderts — h«rauSgetreten sind, daß sie den afrikanischen Barbaren
wenigstens als Halbbarbaren gegenübenstehen! Jeder amtliche Bericht der in Afrika
kommaiidircnden Generale liefert nur zu sprechende Beweise in dieser demiithigenden
Wahrheit. Die Zerstörung der Dörfer, das Niederbrennen der Ernten, die Ver.
Wüstung der Pflanzungen, der Raub der Heerden und alles beweglichen Eigen-
thutns des Feindes, das Hinwcgführen der gefangenen Weiber und Kinder — das
alles sind nicht die Kriegsgcwohnheite» eines Volkes unserer Zeit und unsres Erd-
theils. Welch eine Schule für die Sitten und den Charakter des französischen Hee-
res! Und wenn dieses Heer aus lauter Bapards bestände, cs müßte inmitten sol-
cher täglich wiederkommenden Sccnen zur Brutalität der rohesten Lanzknechte herab-
sinken. Wie weit aber die Verwilderung der französischen Soldaten in Afrika wirk-
lich schon gediehen, davon zeugen schaudcrcregenve Beispiele, deren Erinnerung wir
nicht auffrischcn wollen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die französische
Armee ihre afrikanischen Krlegssttten, wenn auch etwas gemildert, zu einem euro-
päischen Krieg mit über das mittelländische Meer herüber bringen würbe, so daß
im Fall einer Störung deö diesseitigen Völkcrfricdens die arabische Barbarei ohne
Zweifel einen Einfluß auf die Praxis des Völkerrechts üben würde, dessen sich die
Humanität wahrlich nicht zu erfreuen hätten. Daß auf der andern Seite die Ein-
wirkung der Franzosen auf das arabische Volksleben bisher nur eine hemmende,
eine jeder naturgemäßen Entwicklung schädliche gewesen, bedarf keiner Nachweisung.
Die Franzosen haben den Wohlstand der Araber, die materielle.Bedingung alles
Fortschritts, zu Grunde gerichtet; sie haben ihre festen Niederlassungen großentheils
zerstört uno sie, da wo sie sich aus dem Nomadenleben emporzuarbeiten versuchten,
gewaltsam in dasselbe zurückgeworfe»; wo die Araber zwei Steine aneinander fü-
gen, wo die Türken ein Baudenkmal ihrer Herrschaft zurückgelaffen, da legen die
Franzosen, wie der letzte Bericht des Generals Bugeand zeigt, ihre Pulverminen
an, und um ihr Civilisativnswcrk zu krönen, nehmen sie den Arabern ihr lebendi-
ges intellektuelles Kapital: ihre für sie unersetzlichen Bücher weg, um sie in den
Staub der französischen Bibliotheken zu vergraben. Was aber gar von dem Sy-
stem der Korruption und Demoralisirung sagen, welches die Basis der französischen
Politik in Afrika bildet! Bestechung, Aufhetzung der blutsverwandten Stämme ge-
gen einander, grundsaßmäßige Nährung und Steigerung des alten Haffes feindli-
cher Stämme, Belohnung des Verraths an allem was einem Volke heilig ist —
das sind Künste und Mittel, durch welche die französische Politik in Afrika oft zu
ihren Zwecken gelangen .mag, durch welche aber weder ihre Ehre noch die öffentliche
Moral gewinnt. Welchen Eindruck macht es auf jeden unverdorbenen Sinn, einen
Ui'berläufer wie Mustaphä, den alten Scheich der Duairs und Smelas, zum Lohn
für den Verrath an der Sache seines Landes und seines Volkes, mit dem Offizier-
kreuz der Ehrenlegion und dem Generalstitel geschmückt zu sehen! Nochmals, wer
solche „Nothwendlgkciten" hcrbeigeführi, der hat sie vor seiner Nation und vor
Europa schwer zu verantworten.
Tagsberichr.
Dsfenbach, 9. Nov. Ein erst vor wenigen Wochen ron Mainz
hierher übergczogcner Schneider gab sich in dem benachbarten Oberrad
auf eine Einsetzen erregende Weise den Tod, indem er sich mit einem
gewöhnlichen Tischmeffer die Gurgel halb durchschnitt, alsdann an bei-
den Handgelenken die Sehnen und Adern so sehr verletzte, als es sich
mit dem wahrscheinlich nicht sehr scharfen Messer thun ließ, worauf er
wie die Blutfpnren zeigten und, wohl von den gräßlichsten Schmerzen

getrieben, eine Strecke sortlief und sich kopfunter in ein Wasserfaß
stürzte, in welchem er seinen Tod fand.
Stuttgart, 9. Nov. Se. Mas. der König befindet sich etwas
unwohl.
Braunschtveig, 7. Nov. Eine herzogliche Bekanntmachung vom
L. d. verfügt, baß die Mitglieder unserer Sländevcrsammlung sich Dien-
stag den 29. d. M. in unserer Residenzstadt zum vierten ordentlichen
Landtage einfinden sollen, um in Gemäßheit der Geschäftsordnung das
Legitimationsverfahren zu beginnen. Wegen Eröffnung des Landtags
wird das Weitere noch ungeordnet werden.
Aus Holstein, L. Nov. Von der schleswig'scheii Ständever-
sammlung ist nun dennoch ein Schritt gewagt, der lange vorbereitet,
dann aber wieder aufgegeben zu sein schien. — Der Abg. Beseler hat
in der That den Antrag zum Beitritt des Herzogthums zum
deutschen Bunde gestellt. Mit Recht ist man auf den Ausfall der
dicsfälligcn Verhandlungen sehr gespannt.
Paris, 9. Nov. Gestern war eine große Anzahl von Generalen
bei dem Herzoge von Nemours versammelt. Der Prinz beschäftigt sich
setzt viel mit der Armee und mit Allem, was auf die militärische Stra-
tegie Bezug hat.
— Wie cs heißt, werden die Herzogin von Orleans und ihre bei-
den Kinder im nächsten Frühlinge eine Reise nach dem südlichen Fran-
reich machen. Der Gesundheitszustand der Herzogin von Orleans ist
fortwährend sehr schwach.
— Es sollen neuerdings Schritte geschehen sein, die Freilassung
des Prätendenten Don Carlos zu erlangen; man will wissen, Guizvt
habe abermals eine abschlägige Antwort gegeben.
— Zwölf arabische Pferde, ein Geschenk Mehemed Ali'ö für den
König Ludwig Philipp, sind wohlerhalten zu Paris eingctroffen.
London, 7. Nov. Es sind Berichte aus Lissabon vom 31. Oct.
eingetroffen. Der Prinz von Ioinville befand sich noch zu Lissabon Die
Streitpunkte zwischen der portugiesischen Regierung unh> dem päpstlichen
Hofe sind von einem Arangement noch weit entfernt. Die portugiesi-
sche Negierung zeigt große Festigkeit in ihren Unterhandlungen mit dem
päpstlichen Nuntius.
— In Manchester ist eine Baumwollen-Manufaktur abgebrannt,
wobei einige 20 Menschen umgekommen sind. Acht Leichen hat man
schon aus den Trümmern hervorgezogen.
Brüssel, 8. Nov. Heute gegen 1 Uhr hat der König in Person
die Sitzung der Kammern eröffnet:
— Die „Emancipation" meldet, daß der wegen Complotts gegen
die Sicherheit deö Staates verurtheilte General Banbcrsmiffen mit Hülfe
seiner Gattin, wie ehemals Graf Lavalette zu Paris, aus seinem Ge-
fängnisse entwichen sei.
Madrid, 2. Nov. Fortwährend glaubt man, daß die politischen
Beziehungen Spaniens mit der französischen Regierung demnächst völlig
abgebrochen werden würden, in Folge der Angelegenheit des Generäls
Zurbano mit dem Hrn. Lefebvre. Zwischen dem Tuilcriencabinette und
dem Madrider sollen in letzter Zeit wieder heftige Erplikationen in Be-
treff dieser Streitsache gewechselt worden sein.
Alexandrien, 26. Oct. Es ist diesen Morgen eine französische
Brigg ans Beirut eingelaufen, welche die Nachricht mitbringt, daß die
Drusen und Maronilen sich überall aufgelehnt haben und ganz einver-
standen sind, die Türken aus dem Libanon zu verjagen. Diese letzter»
sollen auch dem Andrange der vereinten libanitischen Bevölkerung kei-
nen Widerstand entgegensetzen und sich zunickziehrn. Das von Beirut
u. s. w. abgeschickte Geschütz kann in Folge dieses nicht ins Gebirg
gebracht werden. Eine Karawane aus dieser Stadt wurde von den
Insurgenten geplündert, das dabei befindliche europäische, syrische und
christliche Gut aber verschont.
 
Annotationen