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Dehio, Georg
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Band 5): Nordwestdeutschland — Berlin, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.11108#0528

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Wol

— 515 -

Wol

Treppen-T. Am Torhaus (Inschr. 1545) got. und renss. Schmuck-
formen gemischt.

WOLFENBÖTTEL. Braunschw. [D.]
Haupt-K. (auch Marien-K. genannt mit Bezugnahme auf die vorher
an dieser Stelle gestandene Kap. des 13. Jh.). Neubau 1604—23.
Erster und maßgebender Baumeister Paul Franke, nach dessen
Tode (1615) voll, von Joh. Meyer und Joh. Langentuddeke, Aus-
stattung 1620—25. In der langen Epoche von der Reformation
bis zum westfälischen Frieden, der ärmsten in der Geschichte der
deutschen Kirchenarchitektur, bezeichnet dieser Bau (neben der
Michaels-K. in München) einen künstlerischen Höhepunkt. Während
der katholische Bau sein Muster in Italien sucht, greift der protestan-
tische auf deutsche Tradition der got. Hllk. zurück. Mit der schwäch-
lichen Altertümelei der posthumen Gotik des Zeitalters hat aber
die Wolfenbütteler K. keinerlei Verwandtschaft. Frankes Grund-
gefühl ist modern, ist ausgesprochen bar.; es sind die in der
SpGotik enthaltenen Analogien zum Bar., die ihn anziehen und
die er mit der Renss. zu einer überraschend einheitlichen Wirkung
verschmilzt. — Die Anlage gibt eine Hllk. von 6J. Ganze L. 70,
Br. 36,50, H. 16,50. Das erste Joch ist in seiner Bedeutung für
den Raum durch den einspringenden WTurm abgeschwächt und
das letzte erweitert sich zu einer Art von Qsch., jedoch wiederum
mit einer Beschränkung, insofern die Flügel in ihrem unteren Teil
durch feste Mauern als Sakristei und herzogl. Begräbnis-Kap. aus-
gesondert sind; die Obergeschosse dienen als Emporen. Der Chor
aus 5 Seiten des 8Ecks. Für das eigentliche Lhs. bleiben 4 J. Außer
der bequemen Weite des Raumbildes sind hier bestimmend für den
Eindruck namentlich die originell gebildeten Pfll.; sie haben sehr
hohe Postamente; die 8eck. Schafte sind auf l/3 ihrer Höhe mit
einem kräftig profilierten Ornamentband umgürtet; dem Kapt.
liegt ein von Konsolen getragener, reich skulpierter und bemalter
kubischer Körper zugrunde. Die mäßig gespitzten Scheidbgg.
haben an der Leibung zierliches Beschlägornament. Die Gwbb.
in einfacher Kreuzrippenform. Der Gwb. Scheitel liegt gerade. Das
Raumgefühl ruhevoll majestätisch; wenn mit den Hllk. der Gotik
zu vergleichen, so nur mit dem der FrGotik, etwa dem Dom von
Minden. Am Äußern ist die Stilmischung weniger gelungen, die
Spitzbg.Fenster besonders zeigen sich widerspenstig; im einzelnen
wird man in der Umbildung des Maßwerks ein echtes Talent er-
kennen. Das Motiv der Seitengiebel, an sich echt got., gibt jetzt
willkommene Gelegenheit zu dekorativer Prachtentfaltung; ihre
spezielle Form in der Ausführung übrigens abweichend von dem
Entwurf Frankes, der das Knorpelornament noch nicht anwendete.
Von den Statuen, die an Stelle von Fialen die Strebepfll. krönen

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