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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 2 – No. 31 (2. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0065

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Deut ſchland.
Baden. ( Deutſcher Zuſchauer.) Die große Frage des Tages iſt
ob der Staat ſich in die Verhälmiſſe des Hauſes v. Haber und der mit dem-
ſelben zuſammenhängenden Fabriken einmiſchen werde oder nicht? Dieſe Frage
iaͤßt ſich auch ſo faſſen, ob die Behörden des Staates Beſonnenheit genug
bewahren werden, dem Sturme, der auf ſie losbrechenden Leidenſchaften, die
Spitze zu bieten, oder ob ſie demſelben erliegen werden? Die Sache iſt an
und für ſich ſo einfach, daß ſie, bei ruhiger Erwägung, kaum eine Meinungs-
Verſchiedenheit hervorrufen kann. Allein es ſind hei derſelben ſo viele einfluß-
reiche Perſonen betheiligt, Männer von Geiſt und Energie, daß es ſchwer iſt,
die Sache, ohne Raͤckſicht auf die bei derfelben betheiligten Perfonlichkeiten ins
Auge zu faſfen. Eine ruhige Erwägung zwingt uns vor allen Diugen, durch-
aus verſchiedene Gegenſtaͤnde nicht miteinander zu verwechſeln. Es iſt ein Un-
terſchied zwiſchen dem Hauſe v. Haber einerſeits, und anderſeits der Keß“
ler'ſchen Maſchinenfabrik zu Karlsruhe, der Spinneret zu Ettlingen und der
Zuckerfabrik zu Waghäuſel.
kennung eines verdienſtlichen Wükens und der Verpflichtung zur Uebernahme
eiuer Garautie der Zinſen von 6,000,000 ſt. Dagegen findet, wie dieſes
der preußiſche vereinigte Landtag ſehr ſchlagend ausgeführt hat, kein welent-
licher Unterſchied ſtatt zwiſchen Staatsgarantie und Staatsanleihe. Das Ban-
quierhaus v. Haber haͤt ſich, das wird ihm wohl niemand ſtreitig machen,
mannigfaltige Verdienſte um die Induſtrie des ſüdweſtlichen Deutſchlands er-
woͤrben, und hat namentlich bei der Gründung und Fortführung der 3 oben
genanuten Fabriken eine hervorragende Rolle gefpielt. Allein darum ſind denn
doch jene Fabriken und das Banquiethaus v. Haber nicht untrenns
bar verbundel Das Bauquierhaus v. Haber kann fallen und die Fabriken
fünnen doch fortgeführt werden. Allerdings hat jenes Haus, wie wir
vernehmen, nicht wenıger als 3, 000, 000 fl an dieſe Fabriken zu ferdern, Al-
leiu e& ıft ein Unterſchied zwiſchen einem Forderungsrechte und dem Eigen-
thumsrechte. Das Haus o. Haber und Söhne hat-feine Zahlungen eingeſtellt.
Naͤch ſicheren Nachrichten beſitzt daſſelb⸗ mehr Schulden als Vermögen. Der
Natur der Saͤche nach treien alſo deſſen Gläubiger in feine Rechte überhaupt,
und demnach auch in ſeine Forderungsrechte, den genannten 3 Fabriken ge-
genüber ein Die 3 Fabriken machen gute Geſchäfte. Die Actien⸗Geſellſchaf-
ten, weichen die Fabliken von Eitlingen und Waghäufel gehören, und Diefes
nigen Manner, weiche bei dex Keßler'ſchen Fabrik betheiligt ſind, werden dieſe

und Weille verſtandigen, wie ſie benfelben ihr Guthaben nach und nach abtra-
gen tounen. Dieſes wird ihnen um ſo leichter werden, als ſie im Beſitze ei-
nes Capitals von 6,000,000 fl ſind, welche ihnen das Publikum bexeits an-
vertraut bat. Wenn keine außerordentlichen Verhältniſſe ſtörend eingreifen,
werden ohne Zweifel im Laufe von 20 Jahren ſämmtliche Schulden dieſer Fa-
briken gelilgt werden, ohne daß deren Gläubiger an Kapital und Zinſen ir-
zeud einen Verlaſt erlitten haben werden, ohne daß der Staat mit einem Kreu-
zer auszuhelfen braucht.
Anders vethaͤlt ſich freilich die Sache, wenn man das Bankhaus v. Haber
in untrennbare Verbindung bringt mit den mehrgenannten 3 Fabriken. Un-
ter dieſer Vorausſetzung werden nicht weniger als die Zinſen von 6 000, 000
ſl. erfordert, um Banthaus und Fabriken mit einander zu halten. Aus dieſem
Gegenſaͤtze erhellt klar und deutlich, daß die 6, 000, 000° ft., für deren Zinſen
das Bantyaus v. Habrr die Staate-Garantie verlangt, nicht den Fahrtken,
jondern dem Baukyaufe v. Haber u. Söhne zu gute kommen ſollen. Einem
Banthauſe mit den Zinſen von 6,000,000 fl. unter die Arme zu greifen,
dazu hat aber, unſeres Erachteus, der Staat nicht nur keine Vexpflichtung,
ſoudern, um es gerade heraus zu ſagen, durchaus kein Recht! Die Zwecke
des Staͤates ſind nicht identiſch, (gleichbedeutend) mit denjenigen des Bank-
haufes v. Haͤber u. Sohne. Eden deshalb kann der Staat die zu ſeinen
Zweden beſtimmten Gelder nicht verwenden zu denjenigen des Bankhauſes v.
Habee u. Soͤhne. Bon dem Augenblicke an, da der Staat von ſeinem Stand-
punkte herabſteigt und feine Geſchafte in den Eomptoir eines Banquier's macht,
hoͤrt er felbft auf Staat zu ſein und erniedrigt ſich zu der Rolle eines Wechs-
jerg, Es ſiehen hier nicht blos die Zinſen von 6,000,000: fl., ſondexn die
“ Ajırde und der Ernſt des Stagtes auf dem Spiele. Wenn, wir fragen,
welches die Grundurſache der Corruption iſt, die ſich in die franzoͤſiſche Staato-
verwaltung eingeſchlichen hat, ſo iſt die Antwort: die vielen Geſchäfte, welche
die Miniſter und andere bohe Staatsbeamte mit den Geldleuten abgeſchloſſen
haben. Auch in Oeſterreich bilden dieſe Geſchäfte die Haupturſache der dort
beſtehenden Corruption der Staatsverwaltung. Sollten wir in Haden einer
zieichen Corruption die Bahn brechen durch Bewilligung der Zinſen von
6,000,000 fl. zu Gunſten eines Bankhauſes, welches ſeine Zahlungen ein
ftellen mußte? Zu welchen Conſequenzen würde dieſes führen! Welches
Vorrecht Fönnte woßl das Haus v. Haber vor irgend einem anderen Hauſe
voraus haben? Der Umſtand, daß es 6, 000,000 braucht, während man-
chem anderen Haufe mit 600,000, oder 60,000, oder 6000 ft, manchem Gewerho-
manne mit 600 . und moͤnchem Familienvater mit 6 fl ein großer Dienſt geleiſtet
werden koͤnnte, diefer Umftand aͤndert nichts an der eigentlichen Lage der Dinge.
Doch man wendet vielleicht ein: der Staat ſoll ja keinen Kreuzer hergebenz er
ſoll das Bouthaus v. Haͤber nur ermaͤchtigen, für beiläufig 6,000,000 fl.
“ yerzinslihe Obligationen zu ereiren, und nur die pünktliche Zahlung der Zin-
fen derfelden garantiren. Dieſe Garantie kann aber über Nacht zu einer divefs
Eine neue Entdeckung, welche gemacht, ein







Schuld des Staates werden.
neuer Haͤndelsveterag, welcher abgeſchloſſen wird, eine neue Handels kriſis,
Wwelche einiritt, oder gar ein Krieg, welchtr ausbricht, kann auf einmal die
tie in eine unmittelbare Schuld des Staates verwandeln. Der Tod
— eines Fabrikführers, der Unterfchleif eines Kaſſiers, die Ugordnung der Aufs

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ſtchtebchoͤrde! — alles dieſes ſind Ereigniſſe, welche den Garanten Millionen




Wo es ſich um Staatsgelder handelt, nehmen es überdies manche nicht
ſo genau und denken, der Staat kann den Schaden ſchon tragen. Uebrigens
werden die Folgen einer Garantieübernahme, wie ſie hier in Rede ſteht, nicht
Jahre lang auf ſich warten laſſen. Die badiſchen Staatspapiere werden ohne
allen Zweifel an demſelben Tag- fallen, an welchem der Staat die in Rede ſte-
hende Garantie übernehmen ſolte. Bedarf dann der Staat, wie es bei den
manichfaltigen Bauten, welche in Ausſicht ſtehen, bald ſchon der Jal ſein
wird, eines Anlehens, ſo wird er daſſelbe ſicher unter denſelben Bedingungen
nicht machen können, als wenn jene Garantie nicht auf ihm laſtete. Wir has






ben alle Achtung vor dem Bankhauſe v. Haber und Söhne, Wir können dem-
ſelben unſere Theilnahme nicht verſaͤgen. Allein darum laſſen wir uns dennoch
über den eigentlichen Stand der Sache unſern Blick nicht träben. Der
Staat iſt durch den Fall dieſes Bankhauſes nicht gefährdet. Dem Staate koͤn⸗
nen daher mit Recht keine Opfer angeſonnen werden, um den Fall dieſes
Baͤnkhauſes zu verhüten. Allerdings ſind hei demſelden viele einflußreiche Pers
ſonen betheiliget. Allein dieſes darf uns nicht abhalten, rückhaltlos unſere An-
ſicht der Sache auszuprechen. Bei dem Falle des Bankhaufes v. Haber mös
gen wohl 100 Familien in Karlsruhe ſchwer betheiligt ſein. Bei der Ueber-
nabme der Garaͤntie der Zinſen von 6,000,000 fl., welche in Rede fteht, ifß
das ganze badiſche Volk betheiligt. Dabei handelt es ſich übtigens nicht um
Geld und Geldeswerth, fondern um die Ftſthaltung der ewigen Grund-
ſätze, auf welchen der Staat beruht. Es fragt ſich: ſollen wir einen Rechte-
fraat oder einen Schacherſtaat haben? Soll der Staat die Geſchaͤfte des
Volkes oder diejenigen der Geldleute machen? Wohl wird man uns, wie in
ſo manchen anderen Fällen, Beiſpiele aus feemden Staaten entgegenhaͤlten.
Die Preßfreiheit, die Geſchworenengerichte und andere gute Anſtalteu auswärs.
tiger Staaten, die will man uns nicht gewähren. Das Schuldenmachen, die
Garantieübernahmen, mit einem Worte die Corruption derſelben, wodurch
dieſe dem Geldſack und dem Laſter tributpflichtig geworden ſind, weifen wie
mit Unwillen zurück.
Dieſes ſcheint die Regierung zu ahnen. Daber ſie ihre beteeffende Vor-
lage, ſicheru Nachtichten zufolge, der zweiten camımer in geheimer Sitzuͤng
zu machen gedenkt! In geheimec Sitzung wurde allerdings guch die Antwork
auf die Thronrede berathen. Allein 6,000,000 fl. ſino am Euͤde doch noch
wichtiger für das Voik, als alle die feia gedrechſelten Worte einer Ädreſſe.

Sitzuug der Ständeverſammlung reinen Wein einfhenfen. 6,000,000. fl
Staatsgarantis würde hinreichen, die Kinzigthal-Eiſenbahn zur Ausführung zu
bringen. Alleia die Regierung zieht es vor, dieſelbe dem Bankhauſe v. Haber
und Söhne zu geben. Die Frage, welche in R de ſteht, iſt eine Lebensfrage
unſeres Laudtags. Es handelt ſich hier nicht ain rechie und linke Seite, um
dieſe oder jene politiſche Richtung, ſondern um Abhängigkeit oder Unabhängig-
keit des Charafters. Dieſe Frage wird der Probierſtein ſein für unſere Kams
mer. Wer für die Garantie ſtimint, iſt kein Volksabgeordneter, kein Bertres
ter der Intereſſen der Geſammtheit, ſondern ein Vertketer der Intereffen einer
kleinen, aber allerdings in Karlsruhe eiuflußreichen Minderheit. Das Uriheil
des badiſchen, ja des geſammten deutſchen Volkes wird ſtrenge ausfallen, die
Nachwirkungen werden nicht ausbleiben, dieſes ſagen wir voraus.

*8* Karlsruhe, 14. Jan. Der Präſident Mittermaier hat heute mit-
getheilt, daß das Minifterium, des Innern! die Abgeordneten auf Morgen,
Samſtag um 12 Uhr, zu einer heimlichen Sigung berufe. Der Geßen-
ſtand der Vorlage wurde nicht genannt. Allgemein geht das Serücht, daß
die Angelegenheit der fallirenden Bankhauſer verhandelt werde. Wenn
ſich dies beſtätigen ſollte, ſo wäre alſo die Mahnung Welcker's vergeblich ge-
weſen! Wir wollen bis jetzt an die Wahrheit des Gerüchtes nicht glaubẽn.
So ſehr wir von Illuſionen über das Miniſterium entfernt ſind, ſo trauen
wir ibm doch eine gewiſſe Klugheit zu. — Neben obigem Gerücht, laͤuft eine
andere, ziemlich ſichere, Mittheilung her. Es wird naͤmlich, wenn die Regie-
rung D i der Auͤgelegenheit jener Baukhaͤuſer auf der Heimlichkeit behetth
von einer Anzahl radikaler Deputirten fofort der Saal verlaffen wers

en. ; 2

Karlsruhe, 12. Jan. Unterm 10. d. hat das hiefige Banquierhaus
S v. Haber und Söhne folgendes gedruckte Eircular an ſeine Gläubiger
erlaſſen: „Der Zweck des Gegenwärtigen iſt, Sie höflichſt einzuladen, am
23. d. M. perſönlich oder durch gehörig Bevollmächtitge Morgens 9 Uhr im
Lokale der hieſigen Handelskammer zu erſcheinen, und unter Daͤrlegung Ihrer
Fordekung die Vorſchlaͤge entgegenzunehmen, die wir Ihnen Gum Zwede ei-
nes zu treffenden Uebereinkommens) bis dahin zu machen im Stande fein
werden. Da wir den bekannten groͤßen Fabriken unſer ganzes Vermögen und
allen Kredit, den wir in Anſpruch genommen; ſtets gewidmet haben, ſo iſt
unſere Stellung eag verknüpft mit ihrem Schickſal, und gereicht uns zur gro-
ßen Beruhigung, Ihnen mittheilen zu können, daß in Folge einer böchſten
Entſchließung eine, den Umſtänden entſprechende Borlage an die Ständever-
ſaminluns gemacht werden wird. Die zuverſichtliche Vorausſetzung, daß ſchon
in der nächſten Woche der Erfolg dieſer Vorlage bekannt ſein wird, hat uns
bewogen, den obigen Tag zu beſtimmen. Im Jutereſſe unſerer Gefammtgläus
diger und im Bewußtſein unſerer Verpflichtung gegen diefelben , haben wir
einer alsbald berufelen Verſammlung der hieſigen Betheiligten unſere Lage
offen daͤrgeſtellt; dieſelbe hat auf den Vortrag des Prn Aug, Klofe, die
augenſcheiulichen Nachtheile gerichtlicher Einſcbreituns erkennend, einen Ausſchuß
erwaͤhit, welcher hauptſächlich eine, die Erhaltung unſeres dermaligen Ver-
moͤgensſtandes und die Gleichſtellung aller Betheiligten ſichernde Vorkehr be-
reits getroffen hat. Achtungvoll zeichnen S. v. Haber und Söhne.“







projeltirten Verfaſſungs/ Aenderungen bemerkt der /Deutſche Zuſchauer u
ag würde der Kurprinz wohl ſagen, wenn die Kammer ſeinen S Au-





 
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