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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0731

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w Mannheim, 24. Juli. Was wir vorhergeſagt, iſt nun eingetrof-
fen: Der Schlag gegen das freie Veteinigungsrecht ift gethan; die Ddemokra-
tiſchen Vereine ſind aufgelöst. Das Miniſtexium Bett Mathy * * üngſt-
bin, der Heivelberger Deputation ausgeſprochene Anſicht über die „Märzevrun-
genſchaften“)) durch nachſtehende „unmittelbaxe — 4
fung ſk. H. des Großherzogs“ einen allgemeinern Ausdruck gegeben Wir
geben ſie wieder, wie ſie das bad. Regierungsblatt vom geſtrigen Tag Nro.

L. enthält.
Leopold „von Sottes Gnaden“ 2C, 2C,

Unter dem Namen „demokratiſche Vereine“, haben ſich an mehreren Orten
des Großherzogthums Verbindungen gebildet, die anfänglich nur die Eyſtrebung
verſchiedener demokratiſchex Einxichtungen ſich zur Aufgabe machten, ſpätex aber
die Beſchlüſſe ſich aneigneten, welche ein vom 14. bis zum 17. v. M in Frank-
furt verſammelt geweſener ſogenannter „Congreß von Abgeordneten demökrati-
ſcher Vereine“ gefaßt und veröffentlicht hat.


Zweck erreicht werden ſoll, geht unter Anderem aus den in jenen Beſchlüffen
ausgedrückten Sympathien für die Aufrührer hervor, ſowie auch daraus, daß
der Centralausſchuß dieſer Vereine in einer Bekanntmachung vom 28. Juͤni d.
J. ſogar der deutſchen Nationalverſammlung die fernere Anerkennung verſagte,
ihre Mehrheit als eine volksfeindliche Macht erklärte, und zur Bewirkung einer
förmlichen Losreißung der Minderheit, behufs der Bildung einer neuen Ver-
ſammlung auf ungeſetzlichem Wege auffordert.
Zugleich wurde in den Beſchlüſſen vom 14. bis 17. v. M, eine vollſtän-
dige Erganiſation dieſer Vexcine durch ganz Deutſchland und ein gegenfeitiger
Verkehr derſelben durch die Vermittelung von Kreisausſchüſſen und eines Cenz





der Republikaniſirung Deutſchlands deſto wirkſamer zu ſein.

Leider haben nun auch in Unſerem Großherzogthume ſolche Vereine die-
ſem Organismus und übexhaupt den Beſchlüffen des Frankfurter Congreſſes
vom 14 bis 17. v. M. ſich angeſchloſſen, namentlich ein ſolcher in Mann-
heim, wo der Kreigsausſchuß fuͤr Baden und die Rheinpfalz gebildet iſt, ſo-
dann ein ſolcher in Carlsruhe, einer in Heidelberg, und einer in Lör-
rach für die Bezirke Lörrach, Schopfheim und Schönau.

Wie hoch Wir die Freiheit jedes Staatsbürgers achten, und ſo ungehin-
dert Wir die politiſchen Bewegungen und die Beſtrebungen nach Verbefferun-
gen auf dem verfaſſungsmäßigen Boden walten laſſen, ſo unzuläſſig
Und verderblich erſcheint es doch, wenn die Grundlage der Verfaſſung
felbft unterwühlt und ſo das ganze Staatsgebäude durch die Kraft der Aſſo-


Sind ſolche Verſuche gegen die verfaſſungsmäßige Staatsordnung in ge-
wöhnlichen Zeiten von geringerer Bedeutung, fo tritt' doch in Zeiten der Et-
regtheit der Gemüther, wie jeßzt, das Gefahrvolle derſelben klar hervor, zumal
in einem Lande, das ſo betrübende Störungen erlebte, und wo in Folge der-
ſelben die Einen geängftigt und die Anvern wegen erlittener Niederlage nur um
ſo leidenſchaftlicher thaͤtig ſind.

Je Iängex die Angriffe auf die Grandlage der Staatsordnung
dauern, deſto länger dauert die aus deur Mangel an Vertrauen auf die Sicher-
beit der öffentlichen Zuſtände entſpringende Noth und Erwerbloſigkeit
der Staatsangehörigen.

In mehrfacher Beziehung ſind alſo die oben erwähnten demokratiſchen
Vexeine, die jene Unſicherheit der öffentlichen Zuſtände nur unterhalten und ver-
mehren, dem Staatswohle nachtheilig, und Wir finden Uns durch die Pflich-
ten, bie Uns für des Landes Wohl obliegen, gedrungen, dieſelben hiermit auf
den Grund des Geſetzes vom 26. Oktober 1833 aufzulöſen, und die fernere
Theilnghme daran unter Androhung der in dieſem Geſetze beſtimmten Strafen
zu verbieten. *

Gegeben zu Carlsruhe in — Staatsminiſterium, 22. Juli 1848.

eopold.
v. Duſch. Belk. EC. Hoffmann. F. Hoffmann. Mathh.
Auf allerhöchſten Befehl Seiner Koͤniglichen Hoheit des Großherzogs:
Büchler. \
*) &$ mag den Herren doch noch nicht foganz wohl ſein bei der Sache. Man
ſieht, ſie haben dex herben Pille der letzten drei Zeilen durch etliche Hun-
dert vorausgeſchickter honigſüßer Worte ihren widrigen Geſchmack nach


ran. Unſerer alten und neuen Reaktionäre palber konnte der breite Ein-

gang füglich wegbleiben; ihretwegen hätte man auch kurzweg dekretiren

können: „die demokratiſchen Vereine ſind aufgelöst.“ Uns aber, Ihr

Herren, uns täuſcht Ihr nicht mit ſolchem hundertmal aufgewärmten

Phraſenkram. Wir veklachen Eure ſtyliſtiſchen Anſtrengungen. Was Ihr

hier wieder verübt — kein Jota ſtreichen Eure gleißneriſchen Worte da-

von; nach Euren Thaten werdet ihr gerichtet.

Bruchſal, im Juli. (Seebl) Man il ſehr im Irrthum, wenn man
glaubt, daß die gegen uns verhängte Unterſuchung eine gerichtliche ſei. Die
Unterſuchungsrichter haben keinesweſs freie Hand, ſondern empfangen jeweils
von dem Juſtizminiſterium ihre Weifungen über unſere Behandlung. Sehr oft
nimmt dieſes Miniſterium ſogar den näheren Weg, indem cs mit Umgehung
der Richter ſelbſtſtändig Anordnungen über unfer' Lobs trifft. Blos deßhald
ſind noch Viele verhaftet, blos deßhalb wird die Unterſuchung ſo maßlos ver-
zögert, Die Linzelnheiten werden ſpaͤter an den Tag Fommen. Daͤß vdabei
nicht auf die That, fondern auf die Geſinnung Rückſicht genommen wird und
daß viele Verhaftungen blos aus politiſchen Gründen gegen ſolche fortdauern,





— —







denen man auf gerichtlichem Wege nichts anhaben kann, verſteht ſich von ſelbſt,
Bei der Gehäſſigkeit und der Geſetzwidrigkeit ſolcher Verfolgungen muß die ım-
verantwortliche Juſtiz zum Deckmaͤntel dienen, und ſie giebt ſich auch willig
dazu her. Wozu hätte man denn ſonſt beinahe durchaus ſolche Unterſuchungs-
richter, welche noch nicht fünf Dienſtjahre zurückgelegt haben, ernannt! Dieſe
fann man ohne Angabe eines Grundes, deſſen man ſich ſchämen müßte, ent-
laſſen und blos zur Verdeutlichung diefer Befugniß hat man ſehr gelegen in
Villingen ein Exempel ſtatuirt. Wie lange werden wir noch den Druck diefes
Glaubensgerichts ertragen müſſen! Das Juſtizminiſterium wird man nicht de-
finitiv beſetzen, ſo lange man der Hülfe eines Junghanns zur Fortſetzung die-
ſes Verfahrens bedarf, welches ein für die jetzige Zeit möglicher Juſtizminiſter
ohne Zweifel ſogleich kinſtelien würde. Dver will man den neuen Miniſter
nicht gleich Anfangs dadurch abnützen? Wer wird am Ende dieſes eben ſo
verwerfliche, als verwegene Spiel verantworten? Sollte Bekk durch die And-
law'ſche Motion ſo eingeſchüchtert ſein, daß ihm der Muth fehlte, ſein Veto
Inzulegen, oder glaubt man vor der gegenwärtigen Volksverſammlung Alles,
Alles verantworten zu können? Schlägt man das Rechtsgefuͤhl des Voͤltes
ſelbſt gar nicht mehr an, ſcheut man im Beſitze der fremden Bajonnette die
zffentliche Meinung gar nicht mehr? Es wird hoffentlich eine Zeit der Neue -
fommen, für Viele von uns zwar zu ſpät, aber zu ſpät auch für unſere Hen-
ker und ihre Henkersknechte.

Achern, 17. Juli. Ein empörender Vorfall hat ſich am 15. d. Nach-
mittags zwiſchen hier und Oberachern ereignet. Ein Theil unferer „ Brüder“
vom 1. bab, MNegiment iſt ſeit einigen Tagen hier einquartiert, wie man fagt,
wegen des erwarteten blinden Ettlinger-Putfches. Von dieſen nun begegneten
ein Einſteher und drei Unteroffiziere, welche angetrunken waren, einem friedlich
dahinziehenden Haudwerksburſchen, welcher ſo verbrecheriſch war, einen weißen
Hut zu tragen. Da hieß e6: „Ha, ein Freiſchärler! dein muß man den Kopf
ſpalten!“ Und die Säbel flogen 'raus, und der keinen Widerſtand leiſtende
Burſche wurde eine Weile, die Spitzen auf ihn gerichtet, vor fich getrieben.
Ein dazu kommender hieſiger Bürger machte Vorſtellungen, wurde aber ſogleich
überfallen, zu Boden geworfen, ihm die Kleider abgeriffen und mehrere Hich-
und Stichwunden beigebracht, von denen eine über 4Zoll tiefin den Rücken ging
und gefährlich iſt. Nur mir Mühe und Gefahr konnten zwei herbeieilende an-
dere Bürger dieſen von dem ſichern Tod erreiten, indem fie dem einen Unter-


zur Beſinnung brachten, die nun auch den Einſteher, der am meiſten betrunken
war, vor weitern Thätlichkeiten abhielten. Die Unterſuchnng wird zeigen, wie
weit jeder der Soldaten einzeln betheiligt iſt. — Wann wird es denn einmal da-
hin kommen, daß der Soldat nur im Dienſte Waffen tragen darf? (Oberrh. 3.)

Frankfurt, 22. Juli. Wenn auch die heutigen Verhandlungen der -
NationalBerſammlung weniger ausgezeichnet waren durch die Beſchlüſſe, welche
ſie erzielten, durch Annahme der im Bericht des völkerrechtlichen Ausſchuſſes
beantragten Punkte; ſo waren ſie doch weſentlich ausgezeichnet durch den ihnen
zu Grunde liegenden Stoff, ausgezeichnet durch das nicht direkt bezweckte Re-
ſultat. Zum erſten Male hatte das deutſche Volk Gelegenheit, durch ſeine Ver-
treter die Grundſätze der Politik, nach welchen es ſeine Stellung zu den andern
Großmächten der Erde einnehmen, feine Verhältniſſe zu denſelben geregelt wiſ-
ſen will, ſelbſt zu berathen und zu beſtimmen, zum erſten Male trat daͤs deut-
ſche Volk als Nation in den Kreis ein, der ſoͤnſt die Geſchicke der Völker in


nie vertreten war; es zeigte, daß es entſchloſſen iſt, fortan als Nation bei den
Verhandlungen über das europäiſche Gleichgewicht ſeine entſcheidende Stimme in
die Wagſchale zu legen. —
Durch die Berathungen über den Bericht des völkerrechtlichen Ausſchuſſes,
die auswärtigen Verhältniſſe mit Rußland, Frankreich und Nordamerika 44
wurde die Verſammlung genöthigt, ein Mal die Maximen der auswärtigen Po-
litik auszuſprechen, welche ſie voͤn jetzt an befolgen wird, in deren Geiſte das
Reichsminiſterium künftig handeln ſoll, und 2tens nach dieſen Maximen den
reſp. Standtpunkt den verſchiedenen Nationen gegenüber feſtzuſtellen. Es lich
ſich nach den Grundſätzen, die ſonſt von der äußerſten Rechten geltend gemacht
werden, erwarten, daß bei dem heutigen Gegenſtand die Partheien ſich ſchrofftt
gegen einander über ſtehen würdẽn als je, da der wundeſte Fleck diefer Netroz -
graden, die alte faule Diplomatie der Höfliage und ihrer Söldner zur Sprache
konnnen und beſchloſſen werden mußte, ob fernerhin die Manier der Despoten,
die die Völker wie Heerden und die Länder wie Aecker verhandelten, ob ferner-
hin das verhaßte Syſtem eines verachteten Louis Philipp, eines mit Fluch be-
ladenen Metternich nebſt Eonſorten das Glück und die Exiſtenz der Völker be-
ſtimmen, oder ob an die Stelle dieſer Blutegel und Vampire die Völker ſelbſt
treten, ob eine neue Art der Diplomatie, auf Humanitäl und Recht geſtützt, die
alte der Fürſtenſchliche, die durch die Revolution ſchon zertrümmert war, auch
in der Praxis erſetzen ſollte. — Die Linke ſprach natürlich entſchieden für eine ſolche
Diplomatie, die weſentlich und allein auf dem Prineip der Volkefouveräͤnität
beruht; das deutſche Volk wird nicht mehr wie ein Ding zum Vortheil ſeines
Herrn verkauft, ſondern die durch die National⸗Verſammlunz berufene Central-
gewalt verfährt bei allen auswärtigen Angelegenheiten nach den von der Na-
tional-Berfammlung ausbedungenen Grundfägen. Es ergibt ſich daraus, daß
das deutſche Volk bei der auswärtigen Politit ſeine Ehre, ſein Recht und ſeine
Freiheit vorzüglich im Auge behält, daß es außerdem keinen fremden Staat in
der Entwickelung feiner inneren Angelegenheiten hindert, daß es in freundſchaftliche
Beziehung wit den Jölkern tritt, die bereits die Freiheit ekrungen haben, Frank-
reich und Nordamerika, endlich, daß es gerüftet und geſchützt nach der Seite
hin ſich finden läßt, gon der Barbarei die Freiheit zu breinträchtigen drobt, -
Nuge ging weiter; er trug auf eigen Bölfercongreß an, um auf kitfem
nöglichen Wege den unmöglichen hewaffneten Frieden mit der unerträglichen
Bürde der ſtehenden Heere zu beſeitigen und eine allgemeine europäiſche Ent-
waffnung vorzunehmen. Dieſer Gedanke mag Vielen neu erſcheinen, er iſt aber


 
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