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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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1848.










Die weiteren Beſtellungen für das mit dem Iten Oktober begonnenen
Jierteljahr der täglich mit Ausnahme des Montags erfheinenden

Mannheimer Abendzeitung,
und ihres wöchentlich drei Mal erſcheinenden Unterhaltungsblattes, der
„Rheiniſchen Blätter“

bitten wir des vollſtändigen Bezuges wegen möglichſt bald zu machen. Die
Blätter vom 1. Oktober an werden nachgeliefert.

Man abonnirt in Mannheim bei der Expedition Lit. E 6 Nro. 3, aus-
wärts bei allen verehrlichen Poſtanſtalten; für Frankreich bei Hrn. Alexandre
in Straßburg.

Zu amtliden und nichtamtlichen Anzeigen aller Art empfiehlt ſich die
Zeitung ihrer ausgedehnten Verbreitung wegen noch beſonders.



(=) Der Bericht des Clubbs der Linkeu im deutſchen Hof
Der Freund, der dir den Spiegel zeiget,

Sen kleinſten Flecken nicht verſchweiget,
Der iſt dein Freund! —

Das alſo iſt Alles, was eine Anzahl geiſtes- und herzensfriſcher Männer
voll Talentes, Kenntuiß und guten Willens, dem Volk, das ihnen zujauchzte,
wo es ſie erblickte, in einer zweimonatlichen angeſtrengten Thätigkeit verſchaffen
konnte! Wahrlich ein trauriger Anblick! ein bedeutungsvolles Merkzeichen lür
den Stand unſerer politiſchen Verhältniſſe. Das deutſche Volk hat durch die
Anſtrengung dieſer Männer erhalten 1) Abſchaffung dex Todesſtrafe, der Prü-
gelſtrafe, der Brandmarkung und des Prangers; 2) Beſeitigung allex erdenk-
lichen Maßregeln gegen die Freiheit der Preſſe und 3) einige wenige Verbeſſe-
rungen im Kirchen - und Schulweſen — — und das Alles nur auf dem Pa-
Yier, nicht etwa in der Wirklichkeit. Ja das Alles kann bei der zweiten Bera-
thung der Grundrechte wieder in Wegfall gebrvcht werden! Alles andere,
was diefe Männer, die Lieblinge des Bolfes, die waͤhren Vertreter feiner Mei-
nung, erſtrebten, haben ſie nicht erreicht, in allem andern mar ibr Wirken frucht-



Auftreten, wo es galt, Prinzipien zu verfechten, ſehr wohlthätig auf die Virt
ſamkeit dieſer Parlet eingewirkt haben würde. — Als ſie ſich aber gar zu Ver-
mittelungen herabließ, als ſie anfing von ihren Prineipten nachzugeben, zu di-
plomatiſtren, als ſie anfing eine beklagenswerthe Nutzlichkeitstheorie zu befolgen,
un nur etwas durchzufetzen, da untergrub ſie ſich ſelbſt den Boden bres Wir-
kens. Weit größer wäre der moraliſche Eindruck geweſen, wenn ſie wie ein
Mann ſich nur zur Vertheidigung izrer Prinzipitn erbehen und alle Vermitt-
lungsvorſchläge, alle Halbheiten ſtandhaft und mit Ent{hiedenheit von ſich ge-
wiefen hätte. — Doch wir ſtehen davon ab, ein Sündenregiſter der. Linken zu
entwerfen, uns genügt, ihr einen Spiegel vorgehalten zu haͤhen; möge ſie hin-
einſchauen, und das Uebrige ſich ſelbſt ſagen, nicht aber davon hinweggehen
und vergeſſen, wie ſie geſtaltet war. — ; .

Ein flaves Zeugniß aber gibt der Bericht: daß die %'attonawerfamm:
lung, wie ſie jetzt zufammengefeßt iſt, mit ihrem Bierundzwanzig-Tauſend Hul-
den Präſidenten und mit ihrem Zehn-Stimmen-Miniſterium nun und nimmer-
mebr im Stande iſt, die Erwartungen dex Bölfer zu erfüllen, daß fie vielmehr
in kurzem ſich ſelbſt begraben, und das Volk, ſo viel es noch möglich iſt, An







vas iſt das Wenige, was wir auszurichten vermochten, in allem andern ſind
wir unterlegen, iſt zu bewundern; ob es klug war, in gegenwärtigem Augen-
blick, wo mancher flille und laute Vorwurf gehen jene Partei ſich hoͤrbax macht,
damit hervorzutreten, iſt Sache der Partei felbjit ; welche Motive ſie bewogen


ierſucht iaſſen. Eine Frage aber drängt ſich auf: Wer trägt die Schuld daran,
daß in dieſer National-Verſammlung, von der man ſo viel erwartete, ſo wenig
erreicht wurde? Die Mehrzahl der Rechten und ihre ariſtokratiſch-dynaſtiſchen,
volksfeindlichen und reaktionären Beſtrebungen; das iſt bald geſagt, aber wie
kam es, daß in ſo großer Anzahl die Wahlen auf Männer derartiger Beſtre-
bungen fielen? Man hört ſagen, der Keim dazu habe ſchon in den Beſchlüſſen
des Vorparlaments und des Fünfzigerausſchuſſes, ſowie in dem Uebergewicht
gelegen, das ſich der „edle? Fürſtendiener v. Gagern dadurch zu verſchaffen wußte,
daß er ſeine Anhänger ſchockweiſe (allein 84 Darmſtädter!) in das Vorpar-
lament einſchmuggelie; — möglich, daß dem alſo iſt; aber nicht zu verkennen
iſt auch, daß die Zahl derjenigen, welche nicht die Spur von politiſcher Bil-
dung in ſich tragen, (gute Maͤnner vielleicht, aber gewiß ſchlechte Politikex oder
vielmehr gar keine) der Philiſter, deren Geſichiskreis nicht über ihre 4 Pfähle
hinaus geht, der Aengſtlichen, Unentſchiedenen und Schwaͤnkenden, derer ſo ſich
ſehr klug dünken und doch ſehr unklug ſind, in der Paulskirche die weit über-
wiegende iſt; daß hier ſich den Männern des Volkes ein weiter Spielraum
bot, daß wenn es gelungen wäre, die Herzen derſelben zu erwärmen, durch Er-
weckung einer patriotiſchen Begeiſterung ſie fortzureißen, Vieles, vieles jetzt
ganz anders wäre. Und ſo richten wir denn an die Mitglieder der Linken
felbſt die ernſte Frage, auf die einſt die Geſchichte ihre richtende Antwort geben
wird: Tragt ihr nicht ſelbſt einen Theil der Schuld an dieſem geringen Er-
folg? und im Intereſſe des Volkes, im eigenen Intereſſe der Parlei, das wir
vom Intereſſe des Volkes unzertrennbar halten, und an deren redlichem und
ernſtem Willen wir nie gezweifelt haben, fordern wir die Linke auf, dieſe
Frage recht ernlſtich zu erwaͤgen. Wir können nicht verbergen, daß die Linke,
wenn ſie im richtigen Erkenntuiß ihrer Minderzahl von vorn herein mehr An-
hänger ihrer Prinzipien mit ſich zu vereinigen gewußt hätte, von Anfang an
eine impoſantere Stellung hätte einnebmen könnenz und daß ſolche Anhänger
nicht wenige waren, das zeigt ein Blick auf den Württemberger Hof, ein Blick
auf den erſt ſpäter gebildeten Clubb in Weſtend-Hall, ein Blick auf das Cen-
trum. Warum ſind denn Briegleb, Compes, Detmold und Wydenbrugk, die
vor 1848 mehr oder weniger mit Robert Blum in politiſch-thätiger Verbin-
dung ſtanden, warum Welcker, warum Rießer, der ſich der Freundſchaft Itz-
ſteins ſo gern rühmte, abgefallen? warum ſind die Lichtfreunde Schwarz uud
Sch wetſchke zu treuen Bundesgenoſſen der Dunkehnänner worden? Warum
Claußen, Wippermann, Schwaͤrzenberg, Breuſing, Wachsmuth nicht in den
Reihen der entſchiedenen Volksmänner? Wären nicht die beiden Jordans zu
erhalten, Behr, Eiſenmann und Rüder zu gewinnen geweſen ? und ihresgleichen
gibt es noch viele. Wir ſind der Meinung, daß die Männer der Linken, wenn
ſie es nicht verſchmäht hätten, ihre alten Freunde, die vielleicht in einzelnen
Vunkten von ihnen abwichen, feſtzuhalten oder wiederzugewinnen, nicht nur an
Zahl, ſondern auch an Einfluß ſo viel gewonnen hätten, als fie durch deren
Uebertritt auf die andere Seite verloren. Ebenſo glauben wir, daß feſteres Zu-
—— ; und entſchiedeneres Zuſammenſtimmen, daß ein entſchloſſeneres

Und voch hälte das Volk das einzige Mittel

Reorganiſation der Verfammlung. Wir zweifeln kineswegs daran, daß die
Zaͤhl der Mitgliedee groß iſt, die ſich um jeden Preis auf ihrem Plaße. be-
Faupten wollen, die den zahlreichſten, ja den einſtimmigen Mißtrauens Ayrreſ-
fen ihrer Wähler und felbft der direkten Aufforderung einen Auftrag zurückzu-
geben, den ſie nicht im Sinne der Beauftragenden ausführen, mit eherner
Stirne eine unerfchuͤtterliche Apathie entgegenſetzen werden, nichts deſtoweniger
würde über dieſes Mittel doch bei Vielen andern, denen wir dazu noch Red-
lichkeit genug zutrauen zu können hoffen, noch wirkſam ſein. Fünfzig Volks-
feinde durch auͤsdrückliche Zurücknahme des Mandats aus der Paulskirche ge-
rufen, und fünfzig Vorkämbfer der Freiheit dafür hineingeſandt und Die Sache
wird ganz aͤnders ſtehen. Ein neugewähltes Parlament aber, daras iſt wohl
nicht zu zweifeln, würde ſelbſt jetzt noch äußere Macht genug haben, kräftig die
Rebolutioͤn vom März im friẽdlichen Wege auszuführen, wenn es die innere
Kraft dazu beſitzt! Und daß es dieſe beſttze, das liegt wieder einzig in der
Hand der Wähler, die durch den Erfolg der erſten Wahlen hinreichend gewitzigt
ſiad, um ihre Stimmen weder unbedaͤchtſam noch an ſolche zu vergeben, die
nichi feſt euͤtſchloſſen ſind, die Revolution energiſch fortzuführen, oder gar be-
abſichtigen, unter der Maske der Volksvertreter andern Intereſſen als denen
des ſouveränen Volkes verrätheriſch zu dienen. — Warum aber ſchweigt der


iſt, von dem geſunkenen Vertrauen zu der National-Verſammlung, von der




beabſichtigt und von dem, was ſie vom Volk erwartet? Das iſt ein wefentlicher
ein wichtiger Mangel im Bericht, der öhne dieſen Punkt zu einem ziemlich un-
bedeutenden Gewebe vun Phraſen herabſinkt.

Und endlich der Schluß des Berichts! Ueber die Hohlheit dieſer Phraſen,
die von der Partei der Heuler erborgt ſcheinkn, hätten wir die Männer des
deutſchen Hofes hoch erhaben geglaubt. — Die Entſchiedenheit, mit der ſie ſich
rühmen, die ſtürmiſchen Anmuͤthungen, auszutreten, zurückgewieſen zu haben,
klingt doch gar zu hochtrabend, ja faſt mißbilligend ihren ehrenwerthen Kam-
pfes- und Meinungsgenoſſen gegenüber, die ſich für den Austritt entſchloſſen
hatten und an deken edlen und ehrenwerthen Motiven zu dieſem Entſchluß
kein Einziger im deutſchen Volke zweifelt, dem nicht eigenes Reaktions-Gelüſte
oder die reaktionären Wühlereien anderer die Augen verblendeten. Dieſe Freunde
wären doch wohl einer anerkennenden Erwähnung werth geweſen. Auch das
Wort: „Mord“ iſt mit einer Unbedachtſamkeit gebraucht, die um ſo ſchwerer
in die Wagſchaale fällt, alg es ſich durch Privatzeugniſſe ziemlich ſicher feſtge-
ſtellt hat, daß die Tödtung der zwei Abgeordneten,auf deren Geſchichte wir
hier nicht zurücktommen wollen, in der Aufwallung einer theilweis ven ihnen
ſelbſt aufgeſtachelten Leidenſchaft geſchah, und namentlich der Tod des Fürſten
Lichnowsiy von ihm ſelbſt herbeigeführt wuͤrde, indem er, den der überfallende
Haufe als Gefangenen wegzuführen bereits beſchloſſen hatte, einem ſeiner Be-
gleiter ſein Gewehr zu entreißen verſuchte. — Der Sieg der Aufrührer vom
18. hätte zu einem Siege der Principien der Linken geführt C Feineswegs zu
einem Sieg der Anarchie und der rothen Republik wie Eiſenmann und Con-
ſorten behaupten) und hätte ſie freuen müſſen, wenn ſie auch das Mittel, den
Aufſtand ſelbſt nicht billigen konnte; aber ſie ſollte ſtolz und offen genug ſein,
dieß nicht zu läugnen, ſollte aber nicht von Mißbrauch der Freiheit (welche
Freiheit? etwa der Freiheit ſich von einem überlegenen Gegner mit Kartätſchen
todtſchießen zu laſſen?) blinder Leidenſchaft und einem ſchweren Schlag gegen
die Ehre des deutſchen Volkes ſprechen. Dieſen Schluß betrachten wir mit tie-
fem Schmerz als einen Beweis, wie ſelbſt für Männer von Charakter, Muth
und Edelſinn es gefährlich iſt, ſich in Phraſenmacherei einzulaſſen um, über-
haupt elwas zu ſagen. —


der jetzigen ſchweren Zeit die Anſtrengung ihrer Kräfte verdoppeln, die Ver-
gangenheit mit tiefem Bedacht überdenken, ihre bisherige Thätigkeit ernſtlich
prüfen, ihre Fehler erkennen und künftig vermeiden, und mit der größten Ent-
ſchiedenheit auf ihrem — freilich rauhen und dornigen — Weg vorwärts
ſchreiten möge, an deſſen Ziel ihr freilich kein anderer Lohn winkt, alg der
Segen eines dankbaren Volkes.

Deutſchland.

*Mannheim, 9. Oktober. In einem Erlaſſe des Reichsverweſers vom
2. Oktober iſt nur von der Aufſtellung bedeutender militäriſcher Streitkräfte bei:






 
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