ß E S S *
8 5 &N
* {
4
Inſerate die geſpal
* Die verfaſſungsmäßigen Zuſtände Deutſchlands und Badeus
insbeſondere.
Wir haben bereits den Gegenſtand und die Anträge der dreizehn Pe-
titionen vieler Bürger Mannheims an die badiſche zweite Kammer mit-
getheilt; wir laſſen nunmehr, nachdem dieſelben an die 2. Kammer eingeſen-
det ſind, die erſte Petition wörtlich hier folgen; ſie lautet:
Alle diejenigen, welchen die Wohlfahrt des Volkes und ein geſicherter
Lechtszuſtaud als, das höchſte Gut des Bürgers erſcheint, müſſen mit ſchwerer
Sorge in die Zukunft dlicken und ſind aufgefordert, mit aller Macht darnach
zu ſtreben, die drohenden Gefahren von unſerm geliebten Vaterlande abzuwen-
den. Die zunehmende Noth des Volkes tritt übrigens nicht nur in dem außer-
deutſchen Weſt-Europa, fondern auch in Deutſchland und in Baden täglich
entſchiedener hervor.
Sie iſt nicht die Folge vorübergehender Ereiguiſſe, ſie entſpringt vielmehr
land ſteht. Die Völker werden nicht zu ihrem eigenen Wohle, ſondern zu
dem Privat⸗ Bortheile einzelner bevorzugter Klaffen regiert. Die reichen Kraͤfle,
welche im Schooße der Voͤlter ruhen, werden theilweiſe mit aller Macht nie-
dergehalten, theilweiſe lediglich zum Vortheile Einzelner ausgebeutet. Vielleicht
haben wir ın Baden weniger Grund uns über dieſe verderbliche Richtung un-
ſeres Staatslebens zu beflagen, als manche andere Staaten Deutſchlands. Es
mag ſein, daß die Anregung zu dieſer Regierungsweiſe nicht in unferem Staaͤte
ihzen letzten Urſprung haͤt, fondern ihr voͤn außen her zugeht, — nichts deſto-
weniger fühlen auch wir deren Einfluß, und haben daher ein Recht, berſelden
enigegen zu treien, da ſie uns jetzt ſchoͤn drückt und unfere Zukunft mehr und
wehr gefährdet. \ \ ‘
Als vor 32 Jahren die Geſchicke Europa’s zu Wien geordnet wurden,
waͤren die Voͤller unvertreten. Ihrẽ Bedürfniſſe wurden den Wünſchen der
Machthaber untergeordnet. Die deutſche Nation insbefondere hatte allen Grund
der That. Allein ſie tröſtete ſich mit dein Gedanken, daß die deutſche Bundes-
akte wenigſtens einige der Volkecechte unerfannt habe, uuD hoffte, ar deren
Hülfe die Anerkennung der noch fehlenden zu erwirken! Doch dieſe Erwartun-
gen ſind nicht in Erfuͤllung gegangen. Die deutſche Bundesakte hat das land-
wurde, im Wideiſpruch mit demſelben, nach und nach das monarchiſche Prinzip
lands immer greller durchgeführt!
Die deutſche Bundesacte hatte allen chriſtlichen Religionsparteien ohne
eine Verbeſſerung ihrex Rechtszuſtande zugefagt. Ungeachtet diefer Berheigungen
und des alle Gauen Deutſchlands durcydringenden Rufes nach Aufhebung jed-
weden die Gewiſſen beſchwerenden Druͤckes iſt es dem Einfluſſe der Jeſuiten
und Pietiſten gelungen, an die Stelle des Grundſatzes religiöfer Freiheit für
alle Deutſchen — den Grundſatz des religioſen Monopois für einen » Zheil «
und Denjenigen des religiöfen Oruckes für den „andern“ Theil feßzuftellen.
Die deutfhe Bundesacte hat uns Preßfreiheit zugefagt. Das verderbliche
Die deutſche Bundesakte verhieß uns Haͤndels⸗ und Schifffahrts Freiheit
baren Flüſſe mit unerſchwinglichen Abgaben, und ekrichiete
Zollſchranken zwiſchen den verſchiedenen Theilen Deutfchlands.
In Kaxlshad fing das Werk der volksthümlichen Beſtimmungen der Bun-
desakte in ihr Gegentheil an. In Fraukfurt wurde daſſelbe fortgeſetzt, und zu
eine Menge von
dieAufſicht des Bundes geſtellt, und auf eine, der freien Entwicklung der
Jugend hoͤchſt feindliche Weiſe eingerichtet Die Cenſur wurde zur Bundes-
vorgeblichen demagogiſchen Umtrieben nachſpüren und ſie zur Strafe bringen
ſollte. Eine ſtrenge Executions⸗Orduung krönte das Werk der Karlsbaͤder Diplo-
maten. Alle dieſe Beſtimmungen waren jedoch nur proviſoriſch auf fünf Jahre
getroffen worden. Allein jetzt nach 28 Jahren ſind dieſelden noch nicht abges
ſchafft. Im Gegentheile wurden ſie durch die Bundestags Beſchluͤſſe aus den
Beſonders verderblich wirkten aber die Conferenz-Beſchlüſſe von Wien aus
dem Jahre 1834. Aus denſelben geht klar hervor, daß die Diplomaten beab-
ſichtigten, aus den laͤndſtändiſchen Verhandlungen bedeutungsloſe Redeübungen
zu machen, welche in keinem Falle auf Entwickelung unſerer politiſchen Zuſtaͤuͤde
ſollten Einfluß gewinnen dürfen. Den Ständen wurde thatſächlich das Recht
der Steuerbewilligung oder der Steuerverweigerung entzogen. Der Eintritt
von Staatsdienern in die Kammern wurde von der Genehniigung des Landes-
herrn abhängig gemacht. Die Beeidigung des Milltaͤrs auf die Verfaſſung
wurde verboten. Nichisdeſtoweniger wirkten Militärperſonen bei den Wahlen
Auf ſolchen Grundlagen bildete ſich ein durchaus unvolksthümliches, die
Volksfreiheit nicht achtendes Regierungsfyſtem aus, welches die Formen des Rechtes
nicht einmal beachtete, geſchweize denn fein Weſen. Ber deutſche Bürger wurde
rechtlos in ſeinem deutſchen Vaterlande. Außerhalb ſeines Heimathsortes iſt
er der Willkür der Polizeibehörden unbedingt verfallen; und an ſeinem Hei-
mathsorte unterliegt er einem unwürdigen Bevormundungs⸗Syſteme, welches
den gewerbtreibenden Deutſchen ſogar verhindert, ſeine Ausbildung frei im Aus-
lande zu ſuchen.
Wie wenig geſichert Deutfde Verfaſſungen ſind, bewies der Umſturz des
niffe ix Kurheſſen erregen gleichfalls in dieſet Beziehung mannichfaltige Be-
ſorgniſſe. 2*
Die natürliche Folge des gedrückten Zuſtandes, worin ſich die deutſche
‚mangelhafte Vertretung. Mitten im Frieben wurde die Halfte eines ganzen
Bundesſtagtes, des Großherzogthums Luxemburg, an Belgien abgeireten, mitz
dieſelben mit Nachdruck zurückweiſt. ;
Größere Gefahren, welche über Deutſchland ſchwebten, der Verluſt des
ganzen linken Rheinufers, und des rechten Weichſelufers, wuͤrden nicht durch
An der Daugu ſetzten ſich die Ruſſen feſt. Den Eins
gang in die Oſtſee brandſchatzt Dänemark. Während auf der einen Seite
die Unthätigkeit des deutſchen Bundes Deutſchland in Gefaͤhren und Verluſte
ſtürzte, erweckt ſeine Haltung der Einverleibung Krakau's gegenuͤber, gerechte
Mihſtimmung und die ernſteſten Befürchtungen für die Exiſtenz der minder-
mächtigen Staaten. 24
Augenſcheinlich ſind ſich in Deutſchland das unvolksthümliche Syſtem des
Ahſolutismus und das volksthümliche Syſtem der Repräſentativ⸗Verfaſſung
feindlich entgegentreten. So laͤnge die Verfaſſung des deutſchen Bundes ab-
ſolutiſtiſch iſt, kann keine deutſche Landesverfaffung ſich frei entwickeln und feſt-
ſtellen. So lange der Geiſt, welcher die oberfte Bundesbehoͤrde leitet, ein
entwickeln, noch die Achtung des Auslandes erwerben. Unter dem Einfluſſe
einex abſolutiſtiſchen Bundesberfaſfung und einer freiheitsfeindlichen Diploma-
ten-Regierung ſind alle Stützen eines geordueten freien Staatslebeus untergra-
ben worden. — * } ‘
Unfere Geſetzgebung, nach den Einflüſterungen fremder Diplomaten in
ihren Grundriſſen entworfen, wurde theils in weſentlichen Beziehungen nicht
nach den Forderungen der Zeit abgeändert, theils aber, inſofern Abänderun-
gen ſtattfanden, fehlt dieſen der friſche Hauch des Lebens. ——
Unfere Rechtspflege, in den Händen verfetzbarer, penſionirbarer und nach
den immer haͤufiaer werdenden poliiiſchen Prozeſſen, fo wie 6c: allen übrigen
kann mur das Geſchwornen⸗Gericht das untergrabene Anſehen der Rechtspflege
iedexherſtellen. / 2—
Die Staatsverwaltung iſt zu gleicher Zeit ſchleppend, koſtſpielig, willkür-
lich und gewaltthätig. Die Staatgdiener ftehen als.eine abgeſchloſſene Kaſte
dem Bolfs gegenüber, ſtatt daß ſie als deſſen Beamte mitten {n demfelben ſich
bewegen ſollten. 2 * — ꝛ
Unſere Wehrverfaſſung ſichert uns nicht vor fremden Angriffen, und ver-
ſchlingt dennoch unermeßliche Summen. 2 —
Die Koſten des gefammten Staatshaushalts ſtehen in keinem Verhältniſſe
mit den Kräften des Volkes und drücken auf dieſes um ſo ſchwerer, je un
gleichmäßiger dieſelben vertheilt ſind. Nicht die nothwendigen Ausgaben des
Bürgers, ſondern ſeine Einnahmen ſollten beſteuert werden, und auch dieſe
nur in ſo weit ſie nicht zur Deckung der nothwendigſten Lebensbedürfniſſe er
forderlich ſind. Außerdem wird Geſundheit und Leben des Buͤrgers mit
Klaſſen und der Mittelſtand werden bei allen Anordnun-
Während die bevorzugten Klaſſen
Vorrechte aller Art beſihen, fehlt es den arbeitenden Klaſſen nicht ſelten am
Nothwendigſten, und kaͤnn der Mittelſtand unter den ſchweren Laſten, welche
auf ihm ruhen, nicht gedeihen.
Wäre unſere badiſche Verfaſſung,
ins wirkliche Leben getreten, ſo
nicht entwickeln können.
Die arbeitenden
welche nunmehr ſeit 29 Jahren beſteht,
hätten alle dieſe betrübenden Zuͤſtände ſich
Unſer Staatsgrundgeſetz ſichert uus Gleichheit vor
genaue Befolgung der Verfaſſung ($. 7.), gleichmäßige Ver-
theilung der öffentlichen Laſten (5. 8.), Freiheit des Eigenthums und der
Verbindung mit den uns durch die deutſche Bundesakte zugeſagten Rechten
und Freiheiten, und insbeſondere mit unſerer landſtäudiſchen Berfaffung, wür-
den Baden zu einem glücklichen Lande gemacht haben, wenn ſie gewiffenhaft
geachtet und im Geiſte unſerer Zeit entwidelt worden wären. Wäre dieſes
geſchehen, ſo wären längſt die Luͤcken ausgefüllt, welche ſich noch in uuferer
Geſetzgebung finden. Allein, wie kurz nach der Entſtehung der deutſchen Bun-
desakte in den Angelegenheiten des deutſchen Bundes, ſo ſchlich ſich aͤuch kurz
nach der Entſtehung unſerer badiſchen Landesverfaſſung eine finftere Macht
ein, welche nicht nur jeder naturgemäßen Entwickelung, ſondern auch der ge-
nauen Befolgung und richtigen Auslegung jeder volkoͤthümlichen Beſtimmung
feindlich entgegentrat. * *
Die Klagen ſind noch nicht gehoben, welche auf dem vorigen Landtage
mit ſo vielem Nachdrucke gegen die Grundfatzloſigkeil unferer Staatsverwal-
tung, gegen die Willkür unſeres Polizeiweſens und gegen die Schwäche un-
ſerer Minifter fremden Einflüſterungen Gehör zu ſchenken, geführt worden ſind.
Zu den alten Klagen ſind im Gegentheile noch viele neue hinzugetreten. Man
begnuͤgt ſich nicht damit, auf den Glund von bezahlten Polizeidenunciationen
und freinden Einflüſterungen zahlreiche Unterſuchüngen einzuleiten, man ver-
folgt nicht blos Handlungen, ſondern auch Anſichten, nicht blos Thaten, fon« -
dern auch Theorien. \ * *
Obwohl nach unſerem Staatsgrundgeſetze die Staataminiſter und alle uͤb⸗
rigen Staatsdiener für die genaue Vollziehung unſerer Stqateverfaſſung ver-
antwortlich erklaͤrt worden ſind, beſtebt doch in der That weder bei hohen noch
bei niederen Staatsdienern in ihren Verhältniſſen zu dem Buͤrger irgend eine
Verantwortlichkeit. Je ſchroffer der Gegenſatz zwiſchen Bürger und Staaͤto-
diener von Tag zu Tag wird, deſto weniger lann der Erſtere hoffen, Recht
zu befommen, wenn er einen Staatediener bei dem andern verflagt. Die
Eingriffe in die perfönlihe Freiheit, das Eigenthumsrecht, das Vereinoͤrecht