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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 209 - No. 234 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0879

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1848.



chlag.











2 —

Deutfolan d

G Karloruhe, 30. Auguſt. Auch hier wurde zu Anfang diefes Mo-
nats ein Bolksverein⸗ gegründet, deffen oberfter politiſcher Grundſatz der iſt:
auf entſchicdene Durchführung des Prinzips der Volksſonveränitat mit allen
feinen Conſequenzen hinzuwirken ; alſo mit einem Wort: ſein politiſcher Charak-
fjer ıft demokratiſch. Dieß läßt ſich nicht verſchweigen, trotz der vielfachen An-
feindungen, welche gerade dieſem Wort und dieſer Ide⸗ in neuſter Zeit wider-
fahren ſind. Die badiſche Regierans hat ſich zwar für befugt gehalten, die
fruͤher beſtehenden demokratiſchen Bereine aufzulöſen, unter dem Borwande: ge-


des demötratiſchen Prinzips aufzulöſen — und zwar aus folgenden
Gründen: Erſtens, weil ſie dadurch gegen die oberſte deutſche Behörde, das
Parlament, — welches die freie Entwicklung des demokratiſchen Prinzips in
feiner Mitte duldet und theilweiſe ſelbſt aus Demokraten beſteht, — vpponiren
würde. Zweitens, weil ſie dadurch ihrem eigenen, deutlich ausgeſprochenen


yuhende Monarchie will, untreu mürde, Drittens, weil ſte dadurch als oͤffener
Feind der geiſtigen Entwicklung ihres Volkes auftreten, und ſich ſomit vor der
gebildeten Fffentlichen Meinung nicht wenig compromittiren würde; denn von
dieſem Geſichtspunkt aus erſcheint die Auflöſungsmaßregel einestheils als ein
Barbarismus, anderntheils alg Ergehniß einer Furcht, hervorgegangen aus
dem Bewußtſein innerer Unzulänglichkeit! Viertens endlich wäre jene Maßre-
gel zwecklos und lächerlich, weil man bei aller Verfolgung der Repräſentauten
den Geiſt der Demokratie, das zux Vernunft erwachte Volksbewußtſein ſelbſt
doch nicht todt ſchlagen kenn. — Was hier von der badiſchen Regierung ge-
ſagt iſt, gilt im Weſentlichen von jeder andern. Somit können wir denn aus
all' den angeführten Gründen, getroſt ſagen: „Die demokratiſchen Ver-
CS Lehe Die Demolraliel n —-

Der hiefige Volksverein hat nun allerdings noch keine directe Angriffe er-
litten. Daß man aber auf indirecte Weife ihm durch verſchiedene Chikanen
und Verdächtigungen entgegenzuwirken ſucht, verſteht ſich leider von ſelbſt. So
hat die Polizei die Genehmigung des dem Publikum ſchon durch die Zeitungen
bekaͤnnten Maueranſchlags C(„DMahnung zur Aufrechthaltung der geſetzlichen Ord-
nung“), wodurch der Verein einen Weg zur Verſtändigung mit dem beſſer ge-
ſinnten Theil der hieſigen Bürgerſchaft Linleiten wollte — zuerſt möglichſt lang


ſentlichen formellen Mangels wieder abreißen laſſen. Bei Gelegenheit der Hin-
ausſchiebung muß hier freilich auch das Benehnien der Karlsruͤher Drucker ge-
rügt werden, indem diejenigen, an welche man ſich in dieſer Sache geweudet
hat, theils aus Intereſſe, theils aus Muthloſtgkeit den Gebrauch ihrer Preffe
verſagten, ſo daß man hier nicht einmal das bischen Preßfreiheit benußen kann,
welches uns das Geſetz von 1831 gewährt. — Ferner hat man hier das ab-
geſchmache Gerücht herumgetragen, die in letzter Zeit hier vorgefailenen, naͤch
unſerer Anſicht lächerlichen und nutzloſen Katzenmuſik-Demonſtrationen, ſeien von
dem Voltsverein ausgegangen; daß an dieſer Behauptung keine Spur von
Wahrheit iſt, brauche ich nicht erſt zu verſichern.

Bei all dem und bei der befannten Unfruchtbarkeit des Karlsruher Bo-
dens iſt der jetzige Beſtand unſerer Mitgliederzal (beinahe 60) immerhin ſchon
erfreulich| und zu Hoffnungen berechtigend, um ſo mehr, als die ſchon vor-
haͤndenen Mitgliedex lebhafte und eifrige Theilnahme an der Sache zeigen. Zur


ganzen Wirkſamkeit des Vereins eine kräftige und charaktervolle Grundlage zu
geben, hat derſelbe eine Einrichtung in's Leben gerufen, welche allerwärts drin-
gend zu empfehlen iſt. Es werden nämlich außer den allwöchentlichen Vereins-
ſitzungen, worin die vereinsgemäßen Maßregeln, politiſche Demonſtrationen,
Geſchäftsordnung u. ſ. w. zur Berathung kommen, — wöchentlich noch zwei
Mal Verſammluͤngen zum ausſchließlichen Zweck der politiſchen, ſozialen und
religiöſen Belehrung und wiſſenſchaftlichen Unterhaltung abgehal-


daß wir mittelſt dieſer Einrichtung uns bald eine achiunggebietende Stellung
in dem Kreiſe politiſcher Vereine erringen werden. — Bis jetzt hat der Verein
Eine öffentliche Sitzung gehalten, welchex zwar aus den oben angegebenen
Gründen kein ſehr großer Zuſpruch zu Theil wurde, — welche aber doch ihren
Zweck alg politiſche Kundgebung gegenüber dem Publikum erreicht hat. Eine
weitere Demonſtration iſt die Veranſtaltung einer Adreſſe an Brentano, welche
außer den Mitgliedern des Volksvereins noch von anderen hieſigen Bürgern


Adreſſe lautet wie folgt:
Bürger Brentano!
Vertreter des deutſchen Volkes!

Ihr Auftreten im deutſchen Parlament bei Frage der Amneſtie und der
Gültigkeit von Heckers Wahl konnte Ihnen zwar von vielen Seiten, aber
nur von ſolchen, auf welche der hell und frei blickende Theil des Volkes ſchon
lange kein Vertrauen mehr ſetzt, Anfeindungen und Verfolgungen zuziehen. Dieſen


politiſche Geſinnung Sie vertreten, auch wir uns veranlaßt, für Ihr edles,
gerechtes, freies und muthiges Auftreten in dieſer Frage, Ihnen unſere vollſte
Zuſtimmung und unſern innigſten Dank auszuſprechen.

Dagegen muß jeder Freund des Volles und Vaterlandes ſich mit Entrü-
ſtung und Verachtung von jenen Menſchen wegwenden, welche im Dienſt eines
hornirten Servilismus mit blinder Brutalität Ihre uns ſo theure und unentz
hehrliche Perſon anzugreifen und zu verſolgen fuͤchen. Namentlich in der Aus-
forderung zum Duell ſehen wir nichts Anderes, als ein von Seiten der Reae-
tionäre abfichtlich angelegtes Manöver, um Männer wie Sie, welche ihrem






falſchen und unpernünftigen Syſtem geſährliche Gegner ſind, auf eine wohl-
feile Weiſe bei Seite zu fchaffen. Gerade der Muth der Wahrheit, den Sie,
Lerehrter Mann! bisher ſo ſiegreich bewährten, hält Sie davon ab, Ihre
Wixkungsfähigkeit preiszugeben einer heimtückiſchen Liſt, welche auf ein barba-
riſches Vorurkheil geſtützt 'iſt. *

Noch immer gibt es Herzen im deutſchen Volke, welche für Vernunft und
Recht; für Wahrheit, und Freiheit fchlagen. Diefe Herzen, Bürger Bren-
tano! ſchlagen auch für Siel ſie ſchidgei voll Muth, für die Freiheit zu wir-


Vertrauen und Zuverſicht auf Sie, der uns alg Führer auf der Kampfbahn
voranſchreitet! —

Käͤrlsruhe, den 25. Auguſt 1848.
; Folgen die Unterfchriften. ...
Solche Stimmen, wie ſie zum Heil der gulen Sache ſchon von vielen


zen und gehen zum Herzen. Sie mögen allen offiziell-volksthümlichen Behör-


ſelbſt urtheilt.

Sonſt weiß ich Ihnen von hier nicht viel Bemerkenoͤwerthes mehr mitzu-
Nur noch ein Paar Neuigkeiten, die freilich nichts weniger als repu-
blikaniſch ſind. Als nämlich unter Anderem auch die durch die bekannten Ver-


Schleswig-Holſtein antrat, konnte ſich ein Theil der ſchwer beleidigten Karls-
ruher Bürgerſchaft noch dazu verſtehen, denſelben ein Paar Stunden weit das
Geleite zu geben! An ſolchen Menſchen iſt freilich Hopfen und Malz verlo-
ren. Noch Etwas: Bei der geſtrigen Feier des großh. Geburtstages wurde
die hieſige Bürgerwehr zur Kirchenparade beordert — und ging, mit
O, vielberufenes XIX. Jahrhundert!

Verlin, 26. Auguſt. Holland hat bekanntlich gegen das auf Limbur
bezügliche Dekret des deutſchen Parlaments proteſtirt. Es berief ſich auf den
Art. 4 des Tractates vom 15. Dez. 1831, welcher dem Könige von Holland
freigeſtellt, das rechte Ufer der Maas als Großherzog von Luxemburg anzu-
nehmen oder mit Holland zu vereinigen. Wilhelm 1 entfchied ſich für das Letz-
tere und notifizixte dieſen Beſchluß dem Bundestage im Juni 1859. Der Bun-
destag, durch Beſchluß vom 5. Sept. 1839, genehmigte dieſen Akt, welchen
die fünf Großmächte durch den Tractat der 24 Artikel voraus garantirt hatten.
So lautet ihrem Sinne nach die Proteſtation Hollands, welche den fuͤnf Maͤch-
ten übergeben ward. Dieſe haben in ihrer Antwoxt anerkannt, daß ein ges
ſetzlich abgeſchloſſener internationaler Contract nicht einfeitig
aufgelöſt werden könne. Auch die preußiſche Note, obgleich vorſichtiger
in der Form, ſchließt ſich dem Urtheile der übrigen Mitunterzeichner des Irac-
tats der 24 Artikel an. Dieſes Reſultat war voͤrherzufehen! Man kann zuͤr—
nen über die damilige Politik des Bundestages, aber die Verträge müſſen ge-
waͤhrt ſein. — So die kölniſche Zeitung. Als ob ein Bertrag, wodurch eine.
Anzahl deutſcher und fremder Dynaſten ein Stück Deutſchland an irgend eine
auswärtige Macht verſchachern, tauſende von freien deutſchen Bürgeln gleich
einer Herde Vieh zu veräußern ſich anmaßen, für die deutſche Nattonal
verſammlung bindend ſein könnte! *
Aber das iſt bei Licht betrachtet der vielgerühmte, phraſendreſchexiſche Na-
tionalitätsſinn derjenigen, die den Nationakgauk nur beſteigen, um die Freiheit
nikderzurriten. Iſt dieß erreicht, nun, dann läßt man den armen Klepper
immerhin verkümmern; er hat ſeinen Dienſt gethan und wird jetzt ausrangirt,
wie das nun ſo das Schickſal derartiger Wefen zu ſein pflegt. *

Berlin, 26. Aug. Von dem demokratiſchen Urwählerverein wurde eine
Adreſſe beſchloſſen an die Frankfurter Verſamnilung, woͤrin die Cbereits ſehr
zahlreichen) Untexzeichner erklären, daß die Ehre des preußiſchen Volkes keines-
wegs beleidigt ſei durch den Vergleich des Abgeordneten Brentano zwiſchen
Hecker und dem Prinzen von Preußen! \ ; ;

Berlin, 26. Auguſt. Man erzählt, der König weigere fih, Dden von
der Nationalverſammlung angenommenen Geſetzentwurf wegen Abſchaffung der
Todesſtrafe zu fanctio niren, und fügt hinzu, er habe unter Anderm als Grund
auf ein vor kurzem in Neuſtadt-Eberswalde voͤrgekommenes Ereigniß hinge-
wieſen, wo die Bauern einen Mörder deßhalb ſogleich tödteten, weil derſelbe
nun ja doch nicht mehr hingerichtet werden könne.? Es würde dies der erfte


machte.
‚ Bom 1, Oet. c. ab wird die Proviſion für den Debit der Zeitungen und
Zeitſchriften durch die Poſtanſtalten allgemein auf 25 pCt. des Einkaufoͤpreiſes
feſtgeſtellt, jedoch mit der Maßgabe, daß dieſelbe niemals höher ſein darf, als
die Summe, welche nach der jährlich zu verſendenden Bogenzahl bei Anwen-
dung der im Geſetze vom 15. December 1821 ſtipulirten Portofäge zu erheben

+ +

Berlin, 29. Auguft, Die Berathung der Centralabtheilung uͤber den
von der Regierung gigen die Volksverſammlungen und Zufammenrottungen, vor-
gelegten Geſetzentwurf, ſchreitet nur langſam vorwärts, ſo daß der Zeitpunkt
der Berichterſtattung noch nicht zu beſtimmen iſt. ; ‘ *

Die verſchiedenen Abtheilungen der Nattonalverfammlung ſind nunmehr .


miſſion überreichten Entwurfs der Berfaſſungsurkunde hinaus, haben alfo fämmt-
lich ihre Berathungen über die Stellung des Staates zur Kirche und der Kirche
zur Schule beendigt. Wie wir pernehmen, iſt von allen Abtheilungen die völ-
lige Trennung von Kirche und Stagt, und von ſechſen auch die völlige Tren-
nung von Kirche und Schule nach heißem Kampfe ausgeſprochen, auch ſogar
der Antrag, hinſichtlich des Religionsunterxichts der Kirche die Oberhand zu



 
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