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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1154

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viertelfährlich 2 fl. 30 {m Yusland erhöht

1848.






























— —

Fraukfurt, I. Nov. (IIC. Sitzung) der eonſt. Verſammlung.

Reichsminiſter Schmerling theilt mit, daß er eine ſehr umfängliche Depeſche
von den Reichscommiſſären aus Olmütz elen habe, welche am 27. Oktober
H in Otmütz aufgegeben cauf die Poſt?!), aber durch ein Verſehen (was
für eines und weſſen?) nicht hefördert warden ſei. (Warum ſchicken ſie keinen
Courier?) Er wird die Depeſchen nebft Beilagen dem Ausſchuß übergeben.

Der Reichskommiſſär Welcker beſteigt die Rednerbühne und gibt ſich zuvör-
derſt das Zeugniß, ſeine Schulpigkeit gethan zu haben. Er bittet, ihm in den
nächſten Tagen das Wort in dieſer Angrlegenhrit zu geben.

Ein Antrag Rehs, von den Reichsfommiffären Austunft über ihre Wirk-
ſamkeit zu verlaͤngen wird durch dieſe Erklärung Welckers für erledigt erachtet,

und nach einigen Bemerkungen zur Tagesordnung übergegangen. — Auf dieſer
ſteht der Antrag Biedermanns:

Die Nationalverfammlung wolle beſchließen:

Duͤrch die Centralgewalt die königlich ſächſiſche Regierung aufzufordern,
ihr Dektet vom 28. Auguſt d. I, das deutſche Verfaffungswerk betreffend,
zurückzunehmen, weil die demſelben zu Grunde liegende Anſicht von einer
Vereinbaruͤng der deutſchen Verfaſſung zwiſchen der Nationalverſammlung
und den geſchgebenden Gewalten der Einzelſtaaten mit dem vom Borparla-
ment ausgefprochenen und von der Nationalverſammlung aͤnertännten
Grundſatz! „Daß die Nationalverſammlung einzig und allein die deutſche
Verfaſſung zu begründen hat,“ im direkten Widerſpruch ſteht.

Hierzu hat Schaffrath folgenden präjudiciellen Verbeſſerungsantrag geſtellt:

In Erwägung des Verfahrens dex Nationalverſammlung in Bezug auf
eine ähnliche Ecklärung des preuß. Miniſters Auerswald uͤnd des Üniſtan-
des, daß das ſächſ. Miniſterium ſich auf die beſtehende Verfaſſung in Sach-
ſen bezoͤge:

1) den Antrag Biedermanns nebſt allen Unterlagen an einen Ausſchuß
zu verweiſen und zwar:

2) an den Ausſchuß für den Raveaux'ſchen Antrag, eventuell

3) an dieſen und den Ausſchuß für Centralgewalt;

Halle andern die Machtvollkommenheit der Nationalverſammlung zur
Errichtung des Verfaſſungswerks anzweifelnden Erklaͤrungen und Hand-
lungen anderex einzelner Regierungen und Verſammlungen, insheſondere

auch die der öſterreichiſchen durch die Miniſter Pillergdorf und Weſſenbers,

an Ybenfdben Ausſchuß zur Begutachtung und Berichterſtattung zu ver-
weiſen.

Der erſte und dritte Theil dieſes Antrags wird zuerſt zur Abſtimmung
gebracht; — das Refultat bleibt zweifelhaft, die Stimmzettel müſſen eingefor-
dert werden; 255 Stimmen erklären ſich gegen 180 für die Annahme.

Wurm beantragt die Wahl eines beſonderen Ausſchuſſes.


ſchüſſe, die beide unvollſtändig ſind, zu einem zu combiniren.

Andere Redner verwenden ſich für einen dieſer Vorſchläge. Endlich kommt
zur Abſtimmung. Schaffraths Antrag mit 2 und 3 Gird abgelehnt, der
Wurms angenommen.

Ferner ſteht noch auf der Tagesorduung der Antrag Jordans:

Die Nationalverſammlung wolle beſchließen:

Obgleich es durch den Beſchluß uͤber den Raveaux-Wernerſchen An-
trag bereits feſtſteht, daß die Beſchlüſſe einzelner Landesverſammlungen
nur in ſo weit ſie mit denen der Reichsverſammlung übereinſtimmen, Gül-
tigkeit haben, ſo findet ſich die Reichsverſammlung! im Hinblick auf meh-
* Vorgänge der jüngſten Zeit veranlaßt, nochmals ausdrücklich zu er-

Tn

daß jeder, ihren Beſchlüſſen enigegenftehende Beſchluß einer Verſamm-

lung eines Einzelſtactes als an und für ſich null und nichtig ange-

ſehen, und erfolderlichen Falles aͤls ungeſetzliche Auflehnung energiſch
zurückgewieſen werden wird
; Löwe aus Calbe beantragt, zuvörderſt diefen Antrag, der ganz auf dem
gleichen Prinzipe, wie der Biedermanns beruhe, ebenfalls an den Auͤsſchuß zu
4— der — Schaffrath'ſchen Amendements für jenen zu wählen iſt.
; rdan widerſpricht { di ring-
liote. 4* dem und beruft ſich auf die geſtern erkannte Dring
€ foll über die Vorfrage abgeſtimmt werden.
‚„ 9. Binde widerfpricht, man Fönne das Princip an einen Ausſchuß ver-
weiſen, die Poſen'ſche Frage abex müſſe diskutitt werden.

Wefendonck zeigt unter vielfachen Unterbrechun
; en des Centrums, daß der
Jordan'ſche Antraͤg von Poſen fkeine Sylbe * *

Präſident die Frage auf den Lbwe-Wefendo
ſequenter Weife abgelehnt. [npen Algn — 22 höcft kon

Die Diskuſſion beginnt, die verſch
Jordan erhält das Wort.

die Partei, die plötzlich die rartikulariſtiſchen Beſtrebungen befördern, zu Lobes-
erhebungen der preußiſchen Negierung, zu 444 * — Ver-
ſammlung ı. dgl. m, Die Befchlüfle der letztern nennt er ſtiefmütterlich und
Teichtfertig, ſchildert die Folgen derfelben als höchſt verderblich für die Provinz
Joſen, und xenommirt mit der Kraft, welche die Nationalverſammlung gegen
DHannover und gegen die Bolfshaufen am 18, September bewiefen (?2). Cin
fdpr'nenbeß‘ @gggn{tucf dazu bringt er freilich ſelbſt durch Erwähnung der vom
Reichskriegsminiſter angebrdneten, von den grüßeren Staaten nicht vollzoge-
nen Huldigung. Er thut dabei alles Mögliche, die Partei, welche ihn ſeit
einigen Mongten von ſich gewieſen, mit kaͤltein ſchneidenden Hohn zu reizen,
indem er zugleich vorgibt, er rede von einer Partei im Voͤlte, nicht von einer




Partei in dieſem Hauſe. Dies gibt dem Präſidenten hinreichenden Grund, ibn
nicht zur Ordnung zu rufen, alg er dieſer Partei den Vorwurf macht, eine
Veutexei am 18. Sept! perfucht zu haben. Ja, er, der einſt ſo beredt die
Volksſouveränetät vertheidigte, indem er jeden Menſchen einen gebornen
Souveſrän zum Gelächter ſeiner jetzigen Parteigenoſſen nannte, fpottet üher
die Volksſouvkränetät und über das aͤrme ſouveräne Volk! Endlich verfährt
er ſich aber doch mit den Worten: Die Berliner Verſammlung zeige ſich mehr
geneigt, die beliebte Frakturſchrift anzunehmen, alg wir hier-

Venedey unterbricht ihn mit dem Antrag auf Ordnungsruf. Lärm.)
Präſident veranlaßt ihn, dieſe Worte zu wiederholen, und findet, nachdem dies
geſchehen, keine Veranlaſſung zum Ordnungsruf. (Mit der beliebten Fraktur-
ſchrift kann nichts anders gemeint ſein, als das Auftreten des Abgeordneten
Zitz der dieſe Worte gebrauchte in dex Volksverſammlung auf der Pfingſtweide;
es liegt alſo ein deutlicher Beweis hierin, daß Jordan nicht blos von Parteien
außer dem Hauſe ſprach, ſondern auf einzelne Abgeordnete perſönlich hinwies;
und doch ruft ihn der Präſident nicht zur Ordnungh

Nun redet Jordan noch lange, oft vom Rufe: „zur Sache“ unterbro-
chen, von der Handlungsweiſe des Berliner Volkes, oder wie er ſich ſelbſt cor-
rigirt, vom Berliner Geſindel, und eritiſirt die Berliner Nationalverſammlung
in Berlin in einer Weiſe, die an Verletzendem weit über die Bemerkung Ei-
ſenmanns über die Oberpoſtamtszeitung hinausgeht, wegen welcher Präſident
dieſen zur Ordnung rief. Dann ſucht er die Verſammlung durch Ausmalung
des von Berlin her drohenden blutigen Meduſenhauptes der Anarchie einzu-
ſchüchtern; gegen welche er ſeinen Antrag als ein ſicherndes und ſchützendes
Vertheidigungsmittel empfiehlt. Die Verſammlung ſei das einzige letzte Boll-
werk der Freiheit nach oben und unten hin. Geifall von der Rechten und dem
Centrum.)

Rögler verlieſt eine Erklärung über den verweigerten Ordnungsruf, worin
er den Ordnungsruf gegen Brentano mit der Verweigerung deſſelben gegen
Jordan zuſammenſtellt, der dem Vertreter des preußiſchen Volks die bitterſten
Schmähungen und den Vorwurf des Verraths gemacht habe.

Mehre preußiſche Abgeordnete verlangen daher den nachträglichen Ord-
nungsruf gegen Jordan. *

Graf Reichenbach: Meine Freunde von der Linken, ich hätte Ihnen mehr
Ruhe gewünſcht, denn Ruhe gibt Macht. — Ich werde mich nicht darauf
einlaſſen, Hrn. Jordan zu widerlegen, der, wie ich höre, zuerſt Herrn v. Itz-
ſtein ſeine Stimme zum Reichsverweſer gab — alſo jetzt ſeine Anſicht geändert
haben muß. — ich geſtehe, ich bin dazu zu ſehr Ariſtokrat. (DBewegung.) Ich
halte den Antrag Jordan's für den Tlusdruck der öſterreichifch-hadsbuͤrhifchen
Politik der Centralgewalt, das iſt der Politik des Abfolntiemus gegenüber der
preußiſchen Politik, das iſt dex Politik der Freiheit. (Beifall. Präſtbent iſt ſo-
fort mit dem Ordnungsruf bei der Hand.) Ich bin hierher gefchickt, fährt der
Redner fort, um meine Meinung auszuſprechen und werde mich daran nicht
bindern laſſen. (Beifall.) Seien Sie überzeugt, daß die Berliner Berfammlung
ihren Beſchluß über Poſen, den ſie ganz frei gefaßt hat, aufrecht erfalten wird.
Entweder das preußiſche Koͤnigshaus ſchließt ſich der Politik der Verſammlung
an, und welche Macht will ihr dann die Centralgewalt entgegenſetzen (tiefer
Eindruck) oder das Haus Hohenzollern verläßt ſeine bisherige Politik und ſchließt
ſich der Centralgewalt an, welches ſind die Folgen? Die Stadt Berlin wird
ihrer Nationalverſammlung beitreien, die große Provinz ebenfalls, der ich an-
gehöxe, und die ſich organiſiren wird: (hört! hört!) Alles was in Deutſchland
für Freiheit iſt, wird ſich anſchließen und Sie werden den Bürgerkrieg haben.

In der Poalitik gibt es keinen größern Fehler, alg einen Fehler zu bege-
hen, und den Weiſen ziert es, einen begangenen Fehler einzugeftehen, darum
glaube ich nicht, daß der Satz richtig iſt, die Verſammlung dürfe von einem
einmal gefaßten Beſchluß nicht zurückgehen. Und was den Satz betrifft, wir
dürften die deutſchen Brüder in Poſen nicht aufgeben, ſo berufe ich mich auf
eine Nationaleigenthümlichkeit der Slaven: die Dankbarkeit. Der Dank der
Polen wird den Deutſchen in Poſen nicht entgehen! (Beifall.)

Plathner wirft der Linken den Meinungswechſel vor, indem ſie früher die
Einheit verlangt habe, die ihnen jetzt geboten, von ſich weiſe, was er ſehr weit-
läufig in einzelnen Beiſpielen aucführt, ohne auf die Sache ſelbſt zu kommen.

Reh: In der Rede Jordans iſt eines wahr, und an ſeiner Perſon ſelbſt,
daß nämlich Aenderungen der politiſchen Anſichten in wunderbarer Weiſe vor-
gekommen ſind. Geifall, Gelächter) Der Jordan'ſche Antrag iſt nur eine
Wiederholung des Raveaux'ſchen Antrags, zu was ſollen wir noch einmal be-
ſchließen, was ſchon früher beſchloſſen iſt? Die Zeit eilt mit Rieſenſchritten
voͤrwärts — und mir dünkt, wir ſind ſchon hinter ihr zurückgeblieben (Beifall)
— ich bitte, vergeuden wir die Zeit nicht. Noch eines erwähne ich, es ſollte
nicht vorkommen, was heute vorgekommen iſt; ſind wir denn bloß hierher ge-


gehört als Angriffe auf die Gegenpartei; nichts von der Sache; das iſt nicht
(Beifall) Unwürdig der Verſammlung wäre es, einen frü-



/

dan'ſchen Antrag zur einfachen Tagesordnung überzugehen.
Man ruft nach Schluß, der jedoch abgelehnt wird.
(Schluß folgt.)

Deut ſchel arnd.

Mannheim, 8. Nov. Von hier iſt heute
zweite Kammer abgegangen: ; , .
„Hohe zweite Kammer! Wir haben uns ſeiner Zeit beſchwerend an eine
hohe Kammer gewendet, um Schutz für unſere Rechte zu finden gegen die maß-
loſe Willkür der Beamten. Es konnte richt unſer einziger Zweck fein, die That-
ſache, welche uns zunächſt zu jenem Schritte bewog, zur Kenntniß hoher Kam-

folgende Adreſſe an die


 
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