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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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1848.

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Deutſchland.

T ®arlsrubhe, 17. Nov. Die Amneftiefrage in der badiſchen 2. Kam-
(Sigung vom 8. und 9. Nov.) (Fortſetzung.) 3 Ba
Kuenzer batte ſich in ſeinem Vortrage insbeſondere auch für die vielen
wegen Preßbergehen Augeſchuldigten angenommen und Zweifel dagegen geäuſ-
fert, daß dieſe dem Beſtand der Staatsordnung beſonders gefährlich ſeſen
Hiergegen fucht Bekk die revolutiondre Bedeutung der „ſchlechten“ Preſſe in’s

mer.

würden, das Wort rede, und zieht zum Beweiſe deſfen —7— 4 — der
Schweiz gedruckte Flugſchrift aus der Taſche, worin u. 2 in bombaſtiſchem
Sthle zur Bergiftung der Einquaxtirten durch Arſenit —— und jeder
Soldat, der ſeinen Fahneneid halte, ein Saſokopf genannt iſt Aus dieſem
Machwerk, das ſo lächerlich kliagt, daß, verjchtevene Ubgedrdnete iyın einen
reaftionären. Urſprung zuſchreiben, da wohl nicht leicht em Republitaner mit
ſolchem Zeug ſeiner Sache zu nüßen glauben kann, ſucht nun der Hr. Mini-
ſter Schlüſſe gegen die Wirtſamteit der demokratiſchen Preſſe überhaupt und


von Kuenzer in Schutz genommenen Nachbarlandes zu zieyen.
VLehlbach deutet zunächſt auf den wahrſcheinlichen Urſprung dieſer Flug-




gen des Miniſters und des Commiffionsberichte, Er ftell
litiſche Güter dem Kampf um religiöſe Güter an die Seite; beide gehen nicht

auf Erreichung eines ſelbſtſüchtigen Zwecks, ſondern ſind vielmehr wealer Na-
tur. Ob die Kämpfer von richtigen oder unrichtigen Vorausſetzungen ausge-




*


die zahlreichen Peritionen aus allen Landestheilen, worin dieſelbe ſo dringend
verlangt wird. Endlich ſpricht er in Bezug auf eine Stelle des Commiffions-
berichts, wonach durch Ertheilung einer allgemeinen Amneſtie der Reaktion
neue Waffen in die Hände gegeben würden, feine Berwunderung darüber aus,
daß eine Partei, die bisher durchaus keine Reaktion ſehen woͤllte, nun auf
einmal auf dieſelbe hinweiſe, wo es in ihren Kram taugt.
(Folgt Richters Rede, die wir in Nr. 269ausführlich
aben.
8 anterſtüst Kuenzers Antrag und drückt ſein Befremben aus über
denjenigen auf Beſchräntung der Amneſtie, inſofern derſelbe die Stimme der
Commiſſion für die Petitionen iſt, die in ſo großer Anzahl eine allgemeine
Amneßirung verlangten. Er vertheidigt ſofort namentlich die Perſon Heckers,
indem er die Motive, dieihn zu ſeinem Unternehmen treiben erläutert. Wer die Re-
volutionen mache, das ſei in erſter Rerhe die alte Politik. Wolle man daßer
gerecht ſein, ſo müſſe man vor Allem die Mindfter vor Gericht ſtellen, welche

mitgetheilt


auf Hecker greife, der erſt, nachdem er an jedem andern Mittel zur Rettung
des Batexlandes verzweifelt, den Aufſtand als das Letzte ergriffen habe. Er
erinnext daxan, wir Hecker an der Spitze der Oppoſition bei der Landesver-
ſammlung in Offenburg den Aufſtand niederhielt, und bezeichnet als ein weſent-
liches Mittel zur Herſtellung des Vertrauens und ſomit zur Belebung des Ver-
kehrs die Extheilung Liner allgemeinen und unbedingten Amneftte, — Alg Ge-
genſtück zu der von Bekk mitgetheuten Flugſchrift ließt er eine Stelle aus einem
ihm zugegengenen anonymen Briefe vor, woͤrin ihmunter allerlei Schimpfre-
den eine Vergiftuyg durch Schierling angedroht wird, und bemerkt ſchließlich,
daß wenn auch die Rohheit der Schweizer Flugfchrift in formeller Beziehung
die Rohheit der Metternich'ſchen Sprache übertreffe, ſie doch der Letztern hin-
ſichtlich der Materie bei weitem nachſtehe.
Ehriſt erörtert die Bedeutung der politiſchen Verbrechen und ihre Unter-
ſcheidungsmerkmale den gemeinen Verbrechen gegenüber. „Der gemeine Ver-
brecher wirkt durch ſeine Handlung dem Gefammtwillen entgegen; er tritt mit
Bewußtſein der ſtaatlichen Ordnung als Berbrecher entgegen. Anders der po-
litiſche Verbrecher. Er will nichts {ür ſich gewinnen. Auf einzelne Ausnahmen
des Ehrgeizes und dgl. kommt es nicht an. Er kämpft für die Gefammtheit;
er tritt auf mit der Erklärung, ſelbſt Geſetzgeber ſein, eine neue ſtaatliche Ord-
nung ſchaffen zn wollen. Sein Recht oder Unrecht wird nur nach dem Erfolg
beuxtheilt. In politiſchen Kämpfen ſteht Partei und Paxtei ſich gegenüber auf
gleicher Linie, Gewalt gegen Gewalt. Recht hat, wer ſiegt. Dieß iſt der mo-
raliſche Grund, warum, wie die Geſchichte der politiſchen Kämpfe zeigt, dem
Kampfe das Verzeihen meiſt auf dem Fuße nachfolgte. Faßt man aber die neue
ſten Bewegungen unter einem allgemeinen Geſichtepunkt noch näher ins Auge,
ſo vergiebt ſich ein weiterer Milderungsgrund in ihrer moraliſchen Urſache, mo-
von Doch die Geſetzgebung bei Beurthlilung von Verbrechen del Regel nach aus-
geht. Vo find dieſe molaliſchen Urſachen? Die Hand auf dic Brut — offen
gefagt, Wir ſind es. Die Revolutionäre, das iſt die Zeit, das ſind die Stände-
kammern ‚ Bie Literatur ꝛc. Diefe Kräfte haben die Bewegung hervorgerufen.
Sie iſt die Folge des Widerſpruchs zwiſchen der herrſchenden Staatsforin, wie
ſie beſteht, und den Forderungen des Geiſtes der Zeit. Sie iſt ſeit Langem
vorbereitet, und fußt in unferen innerſten Verhältniſſen. Je weiter mit der ſtei-
genden Cultur die Ideen der Menſchlichkeit ſich verbreiteten, deſto greller mußte
jener Widerſpruch heruortreten. in bekannter Redner (Baſſermann) hat in
Iner herühmten Verfammlung den Satz ausgeſorochen: „Bis zum März ging
das Recht zur Revolution, mit dem April langt das Unrecht der Revolution
Au ZO frage, wo liegt hier das Rechte? Wer hat zu entſcheiden, wo die
ränze zu zieyen iſt, wo man zum Volke, in deſſen unterſte Schichten die Be-
wegung gedrungen, ſagen darf: „bis bierher und nicht weiter u Wer ſo
ſpricht, wer die Bewegung hemmen will, ſobald er erreicht hat, was er wollte,
der tyranniſirt nun von feinem Standpunkte aus das Voͤlk, indem er ſeine










demüthige Unterwexfung nunmehr für ſich in Anſpruch nimmt. — Das Miß-
trauen, die Unzufriedenheit, die durch ganz Europa herrſcht, ſollten dieſe nuͤn
auf Einmal, gehoben, das Volk befriedizt, die Bewegung geſtillt ſein? Keines-
. zu tief. Wie aber helfen? Es giebt nur zwei Mittel,
womit geholfen werden kann. Das Eine beſteht darin, daß man dem Geiſte,
der die Bepegung ſchuf, nicht untreu werde. Wo nicht — fo iſt es un mög-
lich, die Bewegung zu beperrſchen. Das Andere iſt die Zeit. Ich ſtimme
für Kuenzers Antrag.“

Mez. Niemals, unter keiner Bedingung würde ich mit den Waffen ge-
Allein es iſt meine Pflicht, zu ſorgen,
daß die Orbnung der Dinge, wo ſie ſchlecht iſt, eine beffere werde. — Der he-
waffnete Angriff auf dieſelde iſt freilich ein Verbrechen, aber ein Verbrechen un-
gewöynlicher und eigenthümlicher Art. Die Gründe deffelben, die der Sprecher
vor mir entwickelt, ſprechen für große Milde in der Beurtheilung. Aber hätten
die Betheiligten auch eine ſchwer Strafe verdient, ſie hätten ſie größtentheils
bereits erſtanden. (Der Rebner rügt fofort bie lange Dauer der Unterſuchung
und weiet durch Beiſpiele nach, wie man z. B. in Darimſtadt nicht ſo ieicht
rie Unterfuchungshaft über einen Angeſchuldigten verhänge. Algdann fährt er
fort:) Der Commiſſſonebericht will die Anſtifter und Leiter des Aufſtandes von
Meine Herren, weun man auf die urſprüng-
lichen Anſtifter greifen wollte, ſo müßte man ſehr weit zurückgehen. Man kann
ſogar fagen, daß auch unſer Miniſtetium zu dieſen gehört. Warum hat man
vor dem März dem Volk ſo viele ſeiner Rechte vorenihalten? Der Hr. Mini-
ſter hat neulich zugegeben, daß nur mit Majoritäten regiert werden köuͤne. Aber
vor einem Jahr noch wurde von der Regierungsbank das Gegentheil behaup-
tet.Wäre ſener Grundſatz früher veobachtet worden, ſo wäre gar kein Auf-
ar entſtanden. Die jenem Grundſatz entgegengehandelt haben, Dieſe ſind die
Auſtifter. Das volksfeindliche Regierungsfyſtem iſt es auch, was die allgemeine
Derarmung veranlaßte; ſie datirt ſich nicht erſt von den Märztagen.

Die Urquelle aber aller dieſer Erſcheinungen, das iſt die Stunde. Alle,
die ſündigten von Thron bis zum Bettler, find ſchuld an denſelben. Mir kaz
men ſie gar nicht unerwartet. Ich wußte, daß es ſo kocimen mußte. Schon
vor 5 Jahren ſagte ich ſolche Zuſtände voraus, und es wird noch weit anders
ommen, Diefe Exeigniſſe werden nur Mıtıe Vorſpiele zu dem ſein, was bevor-
ſteht. Glauben Sie aber, die große Krankheit heilen zu koͤnnen durch Einker-
kerung einiger Verblendeten? Sch ſehe Einige von Ihnen lächeln; das berührt
mich nicht. Ich habe meine Pflicht gethan, ich habe Ihnen die Quelle des Uebels
begeichnet, damit Sie dieſelbe verſtoͤpfen mögen. Glauben Sie, es ſei Beruhi-
gung möglich, ſo lange auf der einen Seite dieſe Verſchwendung, auf der an-
dern ſolche Armuth, ſolches Elend herrſcht? Ich bin kein Vertheidiger des dum-
men Communismus, — aber früher ſchon prach ich in dieſem Hauſe von einem andern,
einem chriſtlichen Communismus, und dieſer DHriftliche Communismus, der Sinn
für die Noth des Mitbruders, dieſer wird und mu ß fommen, die Welt Fann
ſonſt nicht mehr beſtehen. (Sortf. folgt.) ;

xX Berlin, 9. Nov. Wovon ich Ihnen geſtern ſpoltweiſe ſchrieb, das iſt
heute doch wayr geworden. Der Graf Brandenburg iſt wirklich mit ſeinem
Miniſterium in der Kammer erſchienen. Sie werden daſſelbe bereits aus dem
geſtrigen Stagtsanzeiger kennen. Es beſteht eigentlich nur aus zwei Manu,
außer Hrn. Brandenburg dem Hrn. v. Maͤnteuffel und Strotha, denn die übs
rigen waren nur zur „Waͤhraehmung“ der Miniſterien angeſtellt! Diefe Mini-
ſter haben es gewagt, die Vertagung der Nationalverſammlung und deren Ver-
chung nach Brandenburg zu fordern. Der König muß waͤhnſinnig geweſen
ſein, als er ſeine Einwilligung dazu gab.

Er hat allem Recht damit ins Geſicht geſchlagen und daher auch nicht das
geringſte, Recht mehr für ſich. Jetzt muß Jeder, auch der Unentſchiedenſte mit
ihm brechen. So iſt auch bereits die Stimmung in der Stadt. — Die Scene,
welche ſich heute in der Kammer begab, wird in der Geſchichte Berling eme -
ewige denkwürdige ſein. Die Nationalverſammlung hat ſich ausgezeichnet de-
nommen. Als nach der Verleſung der Ernennung des Miniſteriums und der
königlichen Botſchaft, welche die Verſammlung vertagte, der Graf Brandenburg
ſefort aufſtand und verkündigen wollte, daß die Verſammlung auseinanderzus -
gehen hade, rief man ihm allgemein zu: Sie haben das Wort nicht! und Unruh
donnerte ihm daſſelbe mit der ganzen Kraft ſeiner Stimme zu: „Sie haben das
Wort nicht und werden es nicht eher erhalten, als bis ich es Ihnen ertheile ln
Der Herr Graf mußte ſich ſtill wieder hinſetzen. Als ihi nach einigen Minu-
ten das Wort extheilt wurde, erklärte er alle weiteren Berathungen für unge-
ſetzlich, ergriff aber dann ſofort die Flucht, ſo daß es ausfah, als fürchte er
verhaftet zu werden. Man ließ ihn indeſſen ruhig ziehn, weil an ihm und fete
nen Genoſſen doch nichts gewonnen wäre.

Die Verſammlung beſchloß nun mit 252 gegen 30 Stimmen, ihre Bera-
Sie hat alſo der Krone den Fehdehandſchuh hinge-
worfen. Bornemann ſtellte den Antrag, die Zurücknahme des Inhaltes der
köngl. Botſchaft zu verlangen. Dies genügte aber nicht mehr. Der Antrag
wurde verworfen, und ein zweiter, dervon der Linken und dem Centrum ge-
weinſchaftlich, gusging, angenommen, nach dem die National-Verſammlung
Folgendes beſchließt:

1) „Daß ſie für jetzt keine Veranlaſſung habe, den Sitz ihrer Berathungen
zu ändern, ſondern dieſe in Berlin fortfegen werde. 2) Daß ſie der Krone-
nicht das Recht zugeſtehen könne, die Verſammlung wider ihren Willen zu ver-
tagen, 3u verlegen und aufzulöſen und 3) daß ſie diejenigen verantwort-
lichen Beamten, welche der Krone zur Erlaſſung der Botfchaft geraͤthen ha-
ben, nicht für fähig erachtet, der Regierung des Landes vorzuſtehen, vielmehr


gen das Land und gegen die Verſammlung ſich ſchuldig gemacht,“

Dieſen Antrag motivirte der ehemalige Miniſter Giekke und er wurde faſt
einſtimmig angenommen. Selbſt die Mehrzahl der Mitglieder der Rechten wa-
ren empört über das Verfahren des Miniſters und ſchlugen ſich auf die Seiie


 
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