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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 61 - No. 90 (1. März - 31. März)
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1848.



** Die Volksverfamumlung zu @ö—ppiagéu.

Geſtern als an einem Sonntage Volksverſammlung zu Goͤppingen. Ue-
brigens weniger Leute, als man nach vorher allgemein gusgeſchriebener Ein.
ladung hätte erwarten ſollen. Höchſtens dreitauſendt Von dem Balkon des
Nathhaufes, vor welchem drei Senfenmaͤnner mit dem deutſchen Reichsbanner
ſtanden, wurden alle Nesen gehalten. Die Landleute erſchienen aber erſt drei
uyr Nachmittags — wahrſcheinlich wollten ſie die Fruͤhkirche nicht verſaͤumen
— €8 giebt viele Putiſien in Württemberg. Man ſprach über Volkobewaff-


die ſich im Auge entzündet.
ausgeſogen und das Gewonnene wurde wieder zu Küblpflaſtern benutzt. Ein
Bauer rief aus dır Menge: „bäite man uns vor dreihig Jahren die Waffen


Berlin und Wien deſt nmte Wdreffe für die Befreiung Polens wird verleſen.
Bravo! — Allyemane Erbitterung gegen den König von Preußen, der von


auf dem Balkon und verließt eine Adreſſe an die Berliner. „Ei, iſt das vicht
der“ — rief ein Mann in der Nähe. „Jawohl, erwiderte ein Anderer, das
iſt der, welcher vor einigen Jahren in einem Buche Deutſchlond zerſtückeln
wollie, um einen Theil davon Frankreich unter — Louis Philipp anzubieten.“
„Nun, es iſt doch gut, daß er ſich jetzt für Deutſchlands Einheit erkläͤrt“
„Dho, erwiderte der andere, auf bequem ongebahntem Weg iſt es für Viele


Ich halte diejenigen deutſchen für achtungswerther, welche, nach der Julire-
voiution aus Deutſchlands Gefaͤngniſſen fliehend, mit friſchen Wunden und
blutendem Herzen in Paris erklaͤrten, daß ſie an der Zukunft ihres Baterlan-


— Im Gaſthofe ſpraͤch Pfarrer Scholl ſchlagende Worte: „meine Herrn,


einınal die ganze Kammer auf höhern Befehl auseinandergeben mußte. Wir
baben den Samen geſtreut, die Fürſten haben den Miſt darüber geworftn,
‚jegr ſpricht er empor. Das Auge offen, die Senſe in der Hand — und wir
werden die Früchte Arnten.« Und wie darum: die Jeſuiten ſind aus Rom


Profeſſor Zimmermann aus Tübıngen ſagte: „wir haben Bieles, aber nicht


einem warmen Herzen! Trau, ſchaue wem?⸗ V 3

Herr Banquier Federer (Abgeordneter von Stuttgart) erklaͤrte ſich in den
ſchaͤrffien Ausdrücken gegen die in der Gaildorfer Volksverſammlung vorgele-
fene; ven Herrn Rau entworfene und daſelbſt genehmigte Ertlatung, in
welcher folgende Stelle vorkommt: „in Anſehung des erſien Grundpfeilers der
Exiſienz unſeres Bolfs, des Ackerbaus, (ganz rechi!) yalten wir es für ein
Gebot der Wahrheit, der Ehre und dır Religion, auszuſprechen: alle Grund-
und Feudallaſten/ alle Zehnten und Gefälle, ſie moͤgen Namen haben, welche


Fehliahr, und der Jammer von Irland, Flundern, Schleſien und Galizien
Fricht unaufhalibar auch über uns yerein mit all ſeiner haarfiräubenden Gräß-
Nichleit u u. f w. Gerr Federer, an feine vieljährige Oppofition appellirend,
fagt: „Das Miniferium Römer, Duvernoy hat fim für die Ablöfungsentfhd-
digung ausgeſprochen (die Kapitaliſirung der Zebnten und Guͤlten in 16fachen,
‚Des Sterbefalle, Handiohnes, Blutzehnien im 12fachen Betrage) / mit dieſem
Miniſterium wollen wir ſiegen oder fallen. Maͤrner! wie der Aegtordnete
hert Rau — ich haͤtte mich bald verſprochen — fa wohl, Herr Rau hofft in
Folge ſeiner Manifeſtation Abgtordneter zu werden — ich ſage, ſolche Man.
zuer find in gegenwaͤrtigen Berhaͤltniſſen unſere groͤßten Feinde Es handelt
ſich hier jedoch weniger um Perjonen, als am das Princıp des Rechtes. Dieh


„Anrede mii Acelamation und nicht vielmehr mit Mißbilligung aufgenommen?


er Ertlarung zu offen und grad, als daß er mit dem Aug nach — dem
äpgeordneten ſchielen Fönnte, War bieſe Anſpielung auf den Ab geord-
Aeten bei Herrn Federer nicht vielleicht eine Reminigcenz an eigne frühere




nlin jap? Beruft ſich Herr Federer aber auf das Princip des Recis, ſo
Arlen wir ein anderes Princip dagegen: jeder Deutſche war urſprünglich frei,
hewalfnet, ſtimmberechtigt. Der Ritter hat ihm, um die Kriege zu führen,
die Waffe abgenommen und ſich für dieſe Müheleiſtung von dem freien Acker-
Bautreibenden Dieuſie maucherlei Art auserbeten.

5 Die Waffe beyielt er nachher und benutzte ſie dazu, un jene Dienfte ge-
weSlehätig‘ zu erweitern. Jegt, da das freie Voll die Waffe zurüdnimmt,
qlmmt e6 auch die Dienfte zurüg, mit denen es früber die Waffen des Rit-
fevs belohnen moßte. Wıll Herr Federer etwa ein Unrecht durch die Ver-
jährung mehrer- Jayrbunderie zu einem He f —
RNecht, welches eine Minyte jung iſt, gij mehr als ein bemooſtes Unrecht.
2 Tederer yalie ſich auf etwas ganz Andres berufen müſſen, unbeſchadet
deg Nehiöprincipes. — Cin Zug on etwa 200 Senfenmännern begleitete die
Scheidenden dis zur Gıfenbahn — ein Herzliher Abſchied unter Geſang und
* 7 Wir fahren durch Eßlingen Da iſt vorgeſtern ein grober Laͤrm
— Die yaar hundert deutfchen Arbeiter, die Über den Rhein kamen,
4 in der Phantafie zu Legionen an. Die Amtmänner ſchickten ſich Sta-
fetten‘ zu, die Sturmgloden wurden gesogen, Selb und Dapier nafın Reißs
aus, d * die Geldmänner, auch viele Hauern, andere mit Dreſchflegein
— zogen dem Geruͤchte erigegen. Letztern ein Bravo! — Unterwegs

53








Baden No. 89.

frei einzuſenden.




ief ich voch einmal den Aufruf, der zu Göppingen veriheiu 5 77
den Vorſchläͤgen find' ich auch „freies ⏑⏑ Eine
geftrifte Schlafmüge durfte früher innerhalb der t‚eufif‚bflf-& *
von einem Ende zum andern wandera, aber Eine — n eit 4
Und wunderbar: je fhwerer der Geldſack war, den 4 afın 2* ſich
fuͤhrte, deſto leichier konnte ſie reifen und yaſſiren. Es 84 — — rtig wie
eine Sage, aber wahr iſt es: ein Jude wurde uulaͤnpſt —— znnever-
ſchen Amtmnann ins Braunſchweigiſche hinüber und von eineht 424
ſchen Amtmann wieder ius Hannoverſche zurückzeprügeli. * die Ka— *
Amerifa ſcholl, wo unſere deuiſchen Bruͤder ihrem armen Landsmanue Geid
fchieften, damit er herüberkäme und bei ihnen wohne. Alſe freies Aufenthalis-
recht.
3 2 2
jede freie Perſönlichkeit.
Folge, aug der Jedermann zu

\ er unter den Vorſchlägen die Stimmberechligunz ‚füe
— Doch ergiebt fich dieſe gewiß als eine noihwendige
ſtändigen Bewehrung. Deur bad ich mit dem.
Schwert die Thar in der Haͤnd, ſo darf ich unter diefem Schatz auch wohl
mein Work und meide Stimme handhaben. Alſo: freie Perfönlichfeit, freie
; Bürger, nein fuͤr jeden Deutſchen.

behauptet: ({i:he den Artifel der Monarchie und Republik) —4 —
ein Bürger als eiu Menfch zu fein“. O Himmel! wenn Banguſers, und
Fabrikherrn einen Hügel von Millionen auftbürnten und rings um denſelben
Riederungen bildeten, wenn der Ritter Wald, Wild. Fiſch, Boden ꝛe. in
Beſchlag nahm, wenn der zünftige Bourgeois die Urzuͤnftigkeit des großen ar-
b.itenden. Geiftes proͤtlaͤmirie, da war es allerdings für einen Menſchen bitter-
fewer, ein Bourgeois zu werden, Wes geht (hwerer auf, dae Herz 0der
der SGeldfad? Antwort der Geldſad. Sogleich iſt es einem Bourgeois ſchwe-
rer ein Menfeh, als einem Menfchen, ein Bourgeois zu werden. Da uun
der Geldfack aus einem Theile der Perfönlichkeit, der RNeflexion, hervorgeht,
die ganze Perſoͤnlichkeit aber mehr Werth und zumal geiſtigen Werth hat, ſo
ſoll die ganze, freie Perfönlichfeit reden und ſtimmen nnd nicht der Geldſack.

In Stuttgart 307 die Menge, das deutſche Reihsbanner voran und
unter Gefängen, die Königeſtraß! hınab. Der waͤchhabende Offtzier ſchwentkie

den D:gen. Er worde auf’s freundlichſte begrüßt.

* Die BollZ-Ver(ammlung zu Heidelberq und die
; ' Deuti®e IZeitung. ‚ :
in der deutſchen Zeitung vom 28. Maͤrz über die
Heidelberger Volksverſammlung verräth ſich febr als das hektiſche Produkt einer
gelehrten Parteilunge, es iſt ein ſolch Gewebe von Lüge und Gehaſſigkeit, daß es
eine Widerlegung unndthig. machte, wenn nicht gerade in vieſer Zeit das Kleid
der Wahrheit ſo empfindlich wäre, ſo ſorgſam gegen Befleckung geſchützt werden
müßte.
Der Verfaſſer des Artikels hat ſich die kühne Aufgabe geſtellt, den Rieſen-
geiſt, der in der Heidelberger Verſanimlung zu Tage brach, ohne die Redaͤktoͤren
der deutſchen Zeitung um Erlaubniß gebeten zu haben, als einen durch Partei-
intriguen künſtlich gemachten zu beweiſen. Er mußte natürlich zur Täuſchung ſeine
Zuflucht nehmen, denn Wahrheit kann die Wahrheit nicht uͤberwinden Er be-
hauptet, das Volk ſei betrogen worden Er foͤrdert, man haͤtte das Programm
drucken und es „dem Volk und der Welt“ vorlegen ſollen; „dem Voll und der
Welt” — d. b. den Gelehrten — denn ein Gelehrter hat keinen andern Begriff
vor ſich, als daß er allein beides ſei, Volk und Welt. Ei nun, wenn der bes
ſternte Profeſſer die Meinung hat, der Verſtand des Volles fet ein, durch gelehrte
Syphilis verkümmertes Schulmeiſtergehirn, ſo wag er recht habem danu hatte das
Programm vor 300 Jahren gedruckt werden müſfen, um Beute‘ vielleicht mmer
noch nicht für die Debatte reif zu ſein. Denn wenn wir warten mellten, bis ein

Ein beſternter Artitel


naher ſein, als der Tag der Erfüllung unſerer Wünſche.

Das Voll begreift die Wahrheit und fein Recht etwas rafıker, als ol Bes
lehrter. Sein Verſtand iſt noch urſpruͤnglich unverdorben. Es triutt die Wahra
heit an dem Urquell det Natur und fragt den Henker nach den gelehrten Rezepten,
! \ Es fümmert ſich weder unt
die Hagen ſche Fürſtenkammer, noch un den Robert Mohl'ſchen ewigen und den
Eiſenmann ſchen fünfjährigen Kaiſer. Es verlangt weder nach den Zoͤpff ſchen
Zopfen, noch nach dem hiſtoriſch⸗ſtaatswiſſenſchaftlichen Mehlbrei des Herrn Ger-
vinus und Conſorten. 5

Die Fragen, welche auf der Verſammlung beſprochen werden ſollten, lagen
der natürlichen Einſicht des Volkes ganz nahe, ſie wurden in der letzten Zeit zu
oft debattirt und ſind durch das Offenburger Prograyım offentlich bekannt gemacht.
Außerdem wurden ſie den Deputationen auf dem Heidelberger Rathhauſe zur Be-
gutachtung vorgelegt. Es hatteu alſo die Herren Gelehrten, oder was eben ſo
viel ſagen will, / das Volt und die Welt“ hinreichend Gelegenheit cund ſie haben
ſie auch trefflich benützt) das ewig., nur für ſie neugeborene Kind in dem Waffer
ihrer Kritik zu baden.

Es iſt wahr, es wurde Widerſpruch erhoben, dieſer ging aber von einigen
bezahlten oder düpirten Mitgliedern der Reattion aus. Man will unter ihnen
3 B, ven Redakteur des Mannheimer Jouxnals bemerkt haben und einen gewiffen
Hertiug, noch vor Kurzem Führer der Radikalen. (—) Außerdem machte das
Wort, aber allein das Wort /Föderativ-Républit“ einige Schwie-


eine ſeltene Nachgiebigkeit und Biegſamkeit, um die Meinung der Verſauimlung
ehrlich zu gewinnen. Da faͤllt aber leider dem Herrn Profeſſor ſogar de logiſchẽ
Perücke vom Kopf und er zeigt den ganzen kahlen Fleck ſeiner Perfidie. Er findet
dieſe Biegſamkeit, nachdem er den Terroͤrismus der Redner getadelt, lobenswerth
— er lobt ſie aber nicht, weil — — er ſie ſonſt loben muͤßte. —

Iſt es nun Kurzſichtigkeit, iſt es verletzte Eitelkeit, ſich aus der Debatte der
Zeit gedrängt zu ſehen, iſt es Furcht, durch Selbſtſtaͤndigkeii des Voltes die Müns


 
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