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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Zbonnement &r Vlanndenn oferteli Arlg
vierteltährlich 2 fl 30 in Auslaud erhoͤht















No. 301.



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1211 Die

Eine Reihe von, Menaten find verfloffen ſeit den glorreichen Märztagen,
die mit friſchem Frühlingshauch die Völker belebten; der Winter iſt gefommen
und wir blicken hin auf unſere zerronnenen Hoffnungen und fragenuns voll
herbem Schmerze: Wo iſt unſere Freiheit? Wir haben einmal wieder geglaubt,
wir haben vertraut, und wir ſind betrogen worben. Nun, das iſt uns nichts
Neues mehr; veriranuen und betrogen verden, das iſt ſchon längſt der beſtändige
Kreislauf, in welchem ſich unſere poliriſche Entwicklung bewegt. Wir find dies-

Hoffnungen der Neaction.


hält ſich bereits vollſtändig geſichert; der Slreich, welchen vor Kurzem der
Preußenkönig gegen das Volk geführt, hat ihren unftäten Schwankungen ein
Ende hemacht und ihr einen feſten Boden gegeben; die volksfeindlichen Zeitun-
‚gen gebehrden ſich wieder mit foviel jugendlicher Munterkeit, als ſeien ſie plötz-
lich in eine ganz andere Zeit hineingetreten; ſie ſprechen von ber Revolution
wie von einer abgethanen Sache!

Arme Thoren, die Ihr feid, für was haltet Ihr denn die Revolution?
Ihr ſeht immer nur in der Revolution eine Emeule unzufriedener Menſchen,
Ihr glaubt nicht an den gewaltigen Geiſt des Jahrhuͤndelts, der aus ihr her-
vorbricht. Jetzt iſt's fertig, ſagt Ihr Euch in Curer wahnwigigen Verblendung,
wenn der Donner der Kanonen den Nothſchrei der Völker erſtickt hat, wenn
Ihr Feinen Aufſtand mehr vor Euch ſeht und die Gnade der Könige als freiheitsſpen-
dende Macht über den Häuptern der Lölker ſchwebt. Ihr werdet erwachenſaus
Luerm Traum, aus Eurer Täuſchung, und Euer Erwaͤchen wiid ſchrecklich ſein.
Die Nevo-Aution ſteht ſtill/ aber ſie iſt nicht beendigt; die Revolution hat nicht eher
ein Ende, als bis die Demokratie zur That und Wahrheit geworden iſt.

Ihr habt bis jetzt nur das Vorſpiel geſehen. ” Souveränität deg Volkes
hieß das Programm, welches das Volk in den Märztagen geſchrieben hatte;
wir haben nun erfahren, auf welche Weiſe wir nicht zur Volksſouveränität
gelangen fönnen, Das iſt freilich nur ein theoretifcher Gewihn, der bis jetzt


hatz aber wir haben doch immerhin etwas gelernt; wir ſind von einer Menge
ſchädlicher Irrthümer und Vorurtheile geheilt; wir können üher den Weg, auf
dem wir unſere Aufgabe erreichen, nicht mehr im Zweifel ſein; unſere Vorbe-
reitung iſt alſo beendet. Wir haben in den Maärztagen die Gutmüthigkeit ge-
habt zu glauben, daß die Oberherrlichkeit des Veſtes neben den Thronen Ter
Hürften Beftand baben Tönne; wir wollten die Demofkratie - zur Durchbildung
bringen, ohne die Monarchie zu verlegen, Diefer Wahn müßte ſich rächen;
die Reaktion war eine unabweisbar Folge davon. Wir ſehen ihren Triumph
vor uns. Wir machen keinen Hehl daraus, ſie hat uns den Sieg aus den
Händen gewanden, aber ſie hat alg Mitgabe ihres Sieges unſeren Wahn er-
halten. Wir wähnten einſt die Manaxchie ſei unſchädlich gemacht, weil wir
‚großmüthig gegen ſie waren; die Reaktion wähnt fegt, mit einigen dürftigen
Freiheiten,“ bie dem Volke hingeworfen werden, fet die Revolution geſchloſſen.
Unſere Gegner haben uns abgelöst; wir ſind die Befiegten, aber wir ſtehen
fo weit über unſeren Sjegern, daß wir über ihre Thorheiten lachen können.
Die großen Fragen, mit welchen in den Märztagen die Revolution in unſere
Beſchichte hineingetreten, knüpfen ſich nicht an dieſes und jenes zufällige Ver-
langen, das in der äußeren Bewegung des Volkolebens vorzüglich zu Tage
trat. Das waren nur einzelne Erſcheinungen, in denen ſich“ der allgemeine
Druck, der auf unſeren Geſammtverhältniſſen laſtet, einen befonderen Ausweg
ſuchte. Die Revolution war lange vorbereitet in der Geſtaltung unſerer polt-
tiſchen Zuſtänden, wie in dem ganzen Geiſtesleben unſeres Bolles.

Der Ruf nach Freiheit, mit dem ſie ihren Lauf begonnen, iſt darum auch
nicht mehr zu ſtillen durch gewiſſe politiſche Inſtitutionen, mit welchen die alte
Staatsweis heit ihre Fehler wieder gut zu machen ſucht; die Freiheit will Leben
werden in den Geſammtzuſtänden der Geſellſchaft. Daͤhin treibt der Geiſt des
Jahrhunderts. Sein maͤchtiges Wehen wird in den Staub werfen das Trug-
gebäude, in welches die
ker einzuſchließen drohen.
Die Revolution hat kein Ende, als bis ſie ihre Aufgabe erfüllt hat. Die
Hoffnungen der Realtion ſind eitel, ſie werden zerplatzen wie Seifenblaſen in
der Luft. 2

Deunt ſch Lanb-
M Sranffurt, 15. Dezbr. Nach Eröffnung der Sitzung zeig e der Prä-


eine große Anzahl deutſcher Buchhändler ihren Verlag angeboten. So wür-
den denn die Krebſe das Denkmal deuttcher Einheit bilden, das dieſe Natto-
nalverſammlung bei ihrer Auflöſung in Frankfurt zurücklaſſen wird. Ein An-
trag Stettmanus die Wahl der Buͤcher einem bhefondern Ausſchuß zu überwei-
fen, trotzdem, daß Präſident ſich mit der Verſicherung dagegen erklärte, die
' Wahl werde untadelhaft beforgt, — denn Biedermann feite fie, Maifeld gab
darauf dem Zuſtiz Miniſter eine harte Nuß zu Inaden , {indem er von {hım die
Cöfung des Widerſpruchs verlangte, in welchem ein Ausſpruch des dem, Öfterr.
Miniſter Stadion in öffentlicher Sigung des Reichstags zu Kreuſter zur Zrit
der Verurtheilung Blums und Fröbels für das Reichsgeſetz vom 30. Sepibr.


im geſetzlichen Wege den öſterreiſchiſchen Gerlchien maßgebend geweſen, mit den
früher von dem Reichs⸗Juſtizminiſter über die Publication der Reichsgeſetze ab-


auf dieſelbe Erklaͤrung des Miniſter Stabion, welcher noch azu für die gegen-
wärtigen Verhältniſſe jede Verbindlichkeit Oeſterreichs der Lentralgewalt gegens
über abgelehni habe, und im Bezug auf den früheren Beſchluß die Werfamm-




lung, eine der Größe der durch die Tödtung Blums begangenen Reichsverle-
4 entſprechende Sühne zu fordern, dem Juſtizminiſter folgende Fragen vor-
egte: ; *
welche Maßregeln ſind bis jetzt getroffen worden zur Ausführung des
am 16. v. M. gefaßten Beſchluſſes, infonderheit zur Beſtrafung der mittelbar
und unmittelbar an der Ermordung Blums Schuldtragenden? :

2) welche Erfolge haben dieſe Maßregeln bieher gehabt?

3) in wie weit find die von dem oͤſtekreichiſchen Minifter erwähnten That-
ſachen begründet? 2

H welche Schritte beabſichtigt das Reichsminiſterium der vom öſterreichiſchen
Miniſterium ausgeſprochenen Ungehorſamserklärung gegenüber zu thun? Zimmer-
mermann aus Spandow fragte nach den Gründen aus denen das Reichsmini-
ſterium die Ernennung ſeinek Beamten nicht, wie fonſt zu geſchehen pflege,
öffentlich bekannt macht; und endlich ſtellte Werner aus Dberkirch den dringli-
den Antrag die Ausführung der von der badiſchen Regierung ausgeſchriebenen
Aushehung von Militär zu verhindern, und dasſelbe zu veranlaffen, dafür das
erſte Aufgebot der Bürgerwehr zu organiſiren. Dieſer Antrag ward natürlich
nicht als dringlich anerkannt, und an den Wehrausſchuß verwieſen.

Unter Beſelers Vorſitz wurden hierauf Art. 6. 5. 22 — 27, 47 — 20)
in Art. 7 8. 28 und 29 (23 — 24) der revidirten Grundrechte ohne Die-
euſſion in folgende Faſſung angenommen:

Die öffentl. Lehrer haben die Rechte der Staatsdiener.

Der Staat ſtellt unter geſetzlich geordneter Betheiligung der Gemeinden
aus der Zahl der Geprüften die Lehrer der Volksſchule an.

$. 22. Die Wiſſenſchaft und ihre Lehre iſt frei.

S. 23. Das Unterrichts- und Erziehungsweſen ſteht unter der Oberauf-
ſicht des Staats, und iſt, abgeſehen von Religionsunterricht, vel Beaufſichti-
gung der Geiſtlichkeit als ſolcher enthoben.

8. 24. Unterrichts- und Erziehungsanftalten zu gründen, zu leiten, und
an ſolchen Unterricht zu ertheilen, ſteht ſedem Deutfchen frei, wenn er ſeine Be-
fähigung der betreffenden Staatsbehoͤrde nachgewiefen hat. 4

Dır häusliche Unterricht unterliegt keiner Beſchränkung. 4

$. 25. Für die Bildung der deutſchen Jugend ſoll durch öff ntliche Schu-
len ühexall genügend geſorgt werden. 22

Eltern oder deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegebefohlenen
nicht ohne den Unterricht laſſen, welcher für die unteren Volksſchulen vorge-


‚ S. 26. Fuͤr den Unterricht in Volksſchulen und niederen Gewerbeſchulen
wird kein Schulgeld bezablt.. . * ; *

Unbemittelten ſoll auf allen öffentlichen Unterrichtsanſtalten freier Unterricht
gewährt werden.

S, 27, &$ {tcht einem Jeden frei, ſeinen Beruf zu wählen und ſich für
denſelben auszuvilden, wie und wo er will. —

$. 28. Die Deutſchen haben das Recht, ſich friedlich und ohne Waffen
zu verſemmeln; einer befondern Erlaubniß dazu bedarf es nicht. *4

Volteverſammlungen unter freiem Himmck können bei dringender Gefahr
für die öffentliche Orduung und Sicherheit verboten werden. *

S. 29. Die Deutſchen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieſes Recht
ſoll durch keine vorbeugende Vlaßregel beſchränkt werdch. ; 7

So hat denn die Geiſtlichkeit wieder einen Fuß in das, oder vielmehr auf
das Schulweſen geſetzt, und das Verbot der Armenſchulen und das der Zeſui-
ten und ihrexr Affilirten iſt wieder aufgehoben! — Nach F. 29 beantragte Zacha-
ria aus Göttingen die Einſchaltung eines neuen $: Die im S. 28 nnd 29
enthaltenen Beſtimmungen finden auf das Heer und die Kriegsflotte Anwendung
in ſoweit ihm die militaͤriſchen Disciplinar⸗Vorſchriften nichi entgegenſtehen!
Dieſer Antrag, der nichts als 25 unnütze, gar nichts ſagende Worte enthält,
wurde mit 224 gegen 208 Stimmen angenommen.

Nach Schluß der Verhandlung interpellirte Wefendonck abermals den Bie-
dermann'ſchen Ausſchuß, der jetzt Ausſchüß für die Verhältniſſe der Centralge-
walt zu den einzelnen Stgaten genannt wird, wegen der rückſtändigen Berichte
über die preußiſchen Angelegenheiten. Jordan aus Marburg erflärt, ein Nes
ferent ſei noch immer krauk, der andere nicht fertig, werde es auch in den
nächſten Tage noch nicht Die Rechte und das rechte Centrum woͤllen vor La-
chen berſten. Zimmermann aus Spandow weiſt Jordan unter ſortwährendem
Gelächter wegen Vernachläſſigung ſeiner Pflichten als Ausfhuß:Borftand derb
Urecht und beantragt, dem Ausſchuß aufzugeben, für den Kranken einen neuen
Referenten zu wählẽn, was die Verfammlung, trotzdem daß Jordan widerſprach,
annahm. . Nun wird der Berichterſtatter wohl gefund werden! —
8* Frankfurt, 15 Dezember. Geſtern hatten wir einen kleinen Mili-
tär-Cravall. Die rückkehrenden Frankfurter Soldaten kamen in einzelnen Bier«
bäuſern mit den Preußen in Zwiſt, die geſtern ihre Quartiere bei den Bürgern
verlaffen und die Caferne am Graben beziehen mußten. Doch war eine An-
zahl Frankfurter in der Caſerne zum freundſchaftlichen Beſuch, mußten ſich aber
mit dem Zapfenſtreich entfernen. Darauf fingen die Preußen (von 35. Regi-
ment) an, die Caſerne unter dem Anführen , es ſeien die Wände naß und ſie
müßten darin franf werden, zu demoliren, die Thütflügel wurden zerbrochen
ſo wie das Schilderhaus auf die Straße geworfen u. ſ. w. Dabei hörte man
den Ruf Republik! Hecker hoch! Cavaighac hoch! Erſt nach 10 -Ubhr gelang
es, nach vergeblichen Verſuchen der Subaͤlternoffiziere, dem Oberft, die Ruhe
durch freundliches Zureden wieder herzuſtellen.

Berlin, 12. Dez. Der Artifel 57 der neuen ektroyirten Verfaſſung
nimmt auber einer Civiltiſte von 2', Million iährlich auch das fogenannte
Kronfideikomiß als Privateigenthum für den König in Anſpruch. Es wird da-
ber nöthig ſein, rie Entſtehungoͤgeſchichte des ſogenannten Krogfideikommiſſes ge-
nau zu erforſchen, damit vie Wähler, wenn ſich etwa aus Verſehen unter die-
ſen „Krongütern⸗ Staatseigenthum befinden ſollte, es ihren neuen Adgtordne-
ten ſtrenge zur Pflicht machen, dieſes zurückzuforbern. Wir fragen daher hier-


 
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