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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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f
















— —

1848.





















Im „wunderſchönen Monat Mai“ welch' lebhafter Kreislanf er-
munterter Säfte, welch' Drängen und Treiben nach natürlich ſchöner Entfal-
tung im Leben der Menſchen und Völker! — Nur kleine Seelen lichen fich *
Freude an der Entfeſſelung des großen Entwickelungsgeſetzes durch das **
hagen anarchiſcher Uebergangsſcenen verleiden, die ganze —4 — e
jauchzte dem Anbruche eines neuen Völkerfrühlings entgegen! ,

Und nun im Herbſte, — wo die Erndte? Wir haben die 4 *
Freiheit geſehen, wir haben ihren Duft eingefogen, aber allmälig erhob ft 4
ſcheintodte Geiſt der alten Zeit aus verrätheriſchem Sarge, 4 *
die Fluren, vergiftete die Blüthen, — und, die Thräne der 4
Augẽ, ſteht das Volk und ringt ſich die Hände blutig nach ver
Srücgten! — ;
© g)?frgenbö Erlöſung aus den alten * 6 Gewalt Menſchen
und Völker zu häßlichem Zwitterleben zuſammenkne 2

Ein 2 24 4* Fleiſch der polniſchen Hatton, — —
den deutſchen Verrath den Gräuelthaten des erhitterten — 4
ben, Sizilien wieder befleckt von der Hand eines — — 74 * *
Meſſina ein Schuſthaufen, — das ſchöne Italien 5* 8 * ſ6 8*
Herrſchergelüſte verhaßter Gebieter, — Schlewis;ee ſtein — 5 4
von der verzehrenden Umarmung Lines tödtlichen Feindes, — Deu ſchlan 4
4 Monaten von den Vertretern ohne Wärme und großẽ Gedanken unſtät *
und hergeworfen, vom Vgnerſchöpft, nach kurzem Rauſche erwacht in Feſ-

zweiflung!
a —— 8 * man Dir alles verböte,
Gräme Dich nicht zu ſehr!
Peucker und Schmexling zu Göthe, —
Schlafe, was willſt Du mehr!“ —

Was konnte zu jener Zeit der Erhehung und des Aufſchwungs nicht Alles
geſchehen, als alle deutſchen Pulſe begeiſtert zur freien Einigung des Vatexlan-
des entgegengeflogen und nur der warmen Aufnahme bedurfien, um das Herz
Deutfchklands in Frankfurt zu bilden, von wo hinfort alle Theile Maß und.
Regel empfangen hätten? Was wäre, was vermoͤchte Deutſchland nicht Alles,


antwortlichen Gewalt zu ſchwächen, ſich dem friſchen vollen Begriff der
Volks herrlichkeit, von wo ſie entſprungen, aufrichtig hingegeben; — wenn
ſie, ſtatt die ſtehenden Heere in ihrem volksfeindlichen Weſen zu ver-
mehren, auf eine volksthümliche Landesvertheidigung Bedacht genommen;
— wenn ſte, ſtatt in ſich unfeliger Schwäche den alten Machthabernzu über-
liefern, mit den ſiegreichen Strahlen dex Volksmajeſtät jeden Schlagſchatten,
der ſich froſtig zwiſchen ſie und das Volt zu lagern begann, muthig ver-
ſcheucht; — wenn ſie, ſtatt die Unterdrückung zu erhalten und zu be-
fördern, die Entwickelung geſchützt und den Keim der Humanität in Die
Zeit gelegt; — wenn ſie, ſtatt durch Beſchränkung der Oeffentlichkeit ſich vom
Volke avzuſperren, jederzeit, ihres Urſprungs bewußt, für das Volk ge-
wirkt, und dadurch Zufriedenheit, Freude, Vertrauen, Muth, Stärke und Hin-
gebung zu ſich geſchaffen hätten?

Wahrlich! dann wäre jener unſelige Waffenſtillſtand nicht mit abſichtsvol-
ler Umgehung und erdrückender Gexingſchätzung der deutſchen Nation geſchloſſen
worden; wahrlich! dann hätten wir nicht den ſchmerzlichen Rückſchlag des tief-
verletzten Natlonalgefühls zu beklagen, welcher Deutſche gegen Deutſche in blu-
tigen Bruderkampf trieb; wahrlich! dann hätten wir nicht den ſchneidenden
Hohn zu erdulden, mit welchem, Angeſichts aller dieſer Thatfachen,
die Reden einiger Volksvertreter entſtellt, verfälſcht und als die Quelle alles
Unheils bezeichnet werden!

O Traum der deutſchen Einheit, du warſt ſchön, aber kurz! Iſt das Herz
Deutſchlands in Frankfurt? Gehen von da die Pulsſchläge aus, von welchen
alle Theile Maß, Ziel und Regel empfangen?

Man durchwandere die deutſchen Gauen von den Paläſten der Miniſter in
Wien und Berlin bis zu den Hütten der Handwerker und Bauern im Rhein-
und Moſelgebirge! — Dort vornehmes Achſelzucken über die deutſchen Reichs-
miniſter „in partibus infidelium‘“, über die theoretiſirende Nationalverſamm-
lung ohne Rückhalt und wirkende Kraft, welche ſich mit Verhandlung der Grund-
rechte, wie ein Mädchen mit dem Strickzeuge, von dem Vorwurfe der Unthä-
tigkeit zu retten verſucht, — hier bittere Tauſchung und Verluſt jeder Theil-
nahme! —

Dasſind die Früchte des viermonatlichen Wirkens, derohne
Rückſicht des Standes und Bermögensaus deutſchen Urwahlen
hervorgegangenen erſten deutſchen RNationalverſammlung.

Was will ſie noch ausführen? Worauf will ſie ſich ſtützen?

Die Fürſten mochten ſie von Anfang an nicht; um der ungeſchwächten
Volkoͤkraft vexſichert zu bleiben, dazu bedurfte es anderer Thaten!

Die Nationalverſammlung hat der Reaktion der Fürſten nachgegeben, die
Reaktion der Freiheit wird ihr nicht ausbleiben! Die Volksdekrtreter der
Einzelſtaaten werden es vorziehen, ihre Freiheit ſelbſt zu ordnen, ſie werden
ein Centralpolizeiamt ebenſowenig anerkennen, als die Fürſten ſich einer Ver-


ob fie nicht gar auf den Gedanken kommen werde, die Befreiung des deutſchen

Volkes ſich zur Aufgabe zu ſtellen. ; :
Die Paulskirche iſt der verödete Heerd der deutſchen Einheitsbegeiſterung,

rloſchen, weil man die lebendige Flamme der Freiheit unter Staub und Aſche

erſtickte, von den Fürſten belächelt, vom Volke verwünſcht!

Den Sonderentwicklung Wiens und Berlins wagte man nicht mit dem Ge-











er Einheit entgegenzutreten, die ſüddeutſchen Staaten, deren ſelbſtſtän
— weiter zu führen drobte, liegen gefeffelt in den öden Haͤllen
des deutfhen Einheitsdomes! Das iſt die gerühmte Bleichheit, das iſt die Po-
fitik eines' Syſtems, welches die Entwicklung niemals um ihrer ſelbſt willen,
fondern zu dem einzigen Zwecke gewollt hat, um ihr zu geeigneler Zeit den Kapp-
zaum einer vorgefaßten Meinung liſtig über das Haupt zu werfen, und einen


Während es zweifelhaft iſt, wie lange die Mandeubres in Sübdeutſchland
noch, vorhalten werden, ſind Wien nnd Berfin in raſcher Entwicklung der
deutſchen Nationalverſammlung bereits längſt über den Kopf gewachfen.

Hätte Wien nicht mit den ſchwierigen Vexwicklungen zahlreicher Nationali-
täten zu kämpfen, welche eine treuloſe Kamarilla zum Werkzeuge ihrer finſtern
Pläne mißbraucht, ſo möchte dies der Paulskirche am erſten gefährlich werden.

Wie die Sachen jetzt ſtehen, ſind die Blicke Aller vom deutfchen Redeübungs-
verein ab hauptſaͤchlich nach Berlin gerichtet. .

Was iſt Frankfurt? Es bewegt Nichts, es kann nur bewegt werden. Siegt
in Bexlin die Freiheit, ſo hinken die deutſchen Nationalvertreier entweder nach
wie die vexblüfften Schulknaben, oder ſie werden gezüchtigt wie die eigenſinnigen,
wogegen Süddeutſchland wohl keinen Einſpruch erheben würde. — Siegt in
Berlin die Reaktion, dann wollen und werden die deutſchen Nationalvertreter
dieſelbe wohl nicht aufbalten! - } . }

Wozu ſind dieſelben alſo noch verſammelt? So lange diefelben aber ver-
fammelt bleiben, darf ſelbſt das Schickſal der ſterbenden Einheit der bisherigen
Mehrheit nicht ausſchließlich überliefert werden, ſo lange muß auch die demo-
kratiſche Partei auf ihren Plätzen verharren, um nach dem noch ungewiſſen Laufe
der kommenden Dinge nach Kräften für dasjenige einzutreten, was der Entwick
lung der Freiheit frommt.

Deutſchland-

Ss Mannheim, 3. Okt. Folgende intereſſante Thatſache dürfte alg
Beleg zu den neueſten Oberländer Ereigniſſen wohl eines kleinen Raumes in
Ihrem Blatte werth ſein, um ſo mehr, da man jetzt aller Orte fo vieles Ges
geutheilige über dieſe Begebenheiten ſchreibt und ſpricht.

Vor einigen Tagen kam einem hieſigen Handelshauſe ein mit unbekanntem
Siegel wohl verſchloſſenes Paquet Geld vom badiſchen Oberlande zu, nach deffen
Eröffnung ſich unter der Couverte ein Zettel vorfand mit ungefähr folgenden
Worten:

„Dieſes Paquet wurde im Namen der proviſoriſchen Regierung geöffnet.

Hauptquartier Loͤrrach den 21. September 1848. G. Struve, Blind,

Schriftführer.“

Das Paquet hatte ſich
ſelbſt aber war unverſehrt.

M Frankfurt, 3. Okt. In der heutigen Sitzung zeigte Leue den Ein-
gang des Berichts über den Antrag von Schaffrath, den Belagerungszuſtand
zufzuheben, an; der Antrag des Berichterſtaltels geht auf Tagesordnung. Ein
Antrag von Wichmann, die namentliche Abſtimmung in einzelnen Fällen aufzu-
zuheben ward, nachdem 162 gegen 140 Stimmen ihm das Woͤrt zur Begrün-
dung der Dringlichkeit verſtattet, mit 169 gegen 162 Stimmen nicht für dring-
lich erachtet. Unter Vorſttz des neugewählten Vicepräſidenten wurden ſodann
$. 27. 28. 29. der Grundrechte, die Aufhebung der ſchutzherrlichen Grundlaſien,
Zehnten, Hoheitsrechte, Privilegien, und daher ſtammenden Abgaben und Leiſtun-
gen fo wie der Jagd, betreffend, berahten. Unter den von 15 Sprechern gehalte-
uen Vorträgen iſt nur der von Trüßſſchler der Klarheit der dargelegten Grund-
ſätze wegen, der von Freudentheil, welcher ſich mit edler Wärme gegen das
Drückende, Entwüxdigende der Jagdrechte und Jagdfrohnen, die den Menſchen

etwa 10 Tage verſpätet, der Geldbetrag


letzterer nicht ohne Keckheit und mit ſcharfer Conſequͤenz die Folgeſätze darlegte,
welche aus der Revolution und deren Recht, ſo wie die aus der dem Wolke errungenen
Souveränität in Bezug auf dieſe Laſten zu ziehen ſind. Unterſtützt wurden dieſe
Redyer durch Ziegert Rösler aus Oels und theilweiſe durch Lette bekämpft
durch Vincke, Wichmann, Plathner und Reichenſperger, welche beide letztern
ſich ſogar auf das Gebiet des Kommunismus wagten, aber eben nichts weiter
barlegten, als daß ſie mit dieſem Wort vor der Hand noch keinen Begriff ver-
binden. Freilich aber wo Begriffe fehlen, da ſtellt ein Wort zur rechten Zeit ſich
ein! es bleibt aber eben ein leeres Wort! Nach Anhörung diefer 15 Spre-
cher wird die Diskuſſion geſchloſſen; alſo für dieſen wichtigen Gegenſtand hat
die Mehrheit der Nationaſverſammlung nur Eine Sitzung zur Verfügung! und
die Sitzung ſelbſt aufgehoben.
Folgendes ſind die betreffenden Anträge:

Alle guts- und ſchutzherrlichen Grundlaſten, Zehnten, ländliche Ser-
vituten, ſo weit die letzten der freien Benutzung und Cultur des Bodens
hinderlich ſind, ſind auf Antrag des Belafteten ablögbar,

Ohne Entſchädigung aufgehoͤben ſind:

a) die Gerichtsherrlichteit! die gutsherrliche Polizei, ſowie die übrigen einem
Hrundſtücke zufrändigen Hoheitsrechte und Privilegien; *

b) aus ſolchen Rechten herſtammenden Befugniſſe, Exemtionen und Ab-
gaben;

c) die aus dem guts- und ſchutzherrlichen Verbande entſpringenden perſön-
lichen Abgaben und Leiſtungen.

Mit dieſen Rechten fallen auch die Gegenleiſtungen und Laſten weg,
die dem bisher Bexechtigten dafür oblagen.

Minoritäts-Erachten: „Unter a) mögen die Worte: ſo wie die übrigen einem


 
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