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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0871

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— — —

** Die Tage des Schreckens touimen.


en emporloderte, Da ſtieg mit andern Republikanern der Bürger Ledrü-Rollit
—— binaufging 45 er zu 44
Begleitern: „Wir ſteigen den Holgatha hinauf um als Märtyrer
für die Republif zu frerben. .

Die Ahnung Ledrü-Rollins ſteht heute nur zu nahe an ihrer Erfüllung.
Fünf Monate nach einer ſozialen Revolution ſitzen die Nöyaliften über Die Re.
publikaner zu Gericht! . . . ; * 2

Die Tage des Schreckens kommen — Aicht jenes Schreckens, —
die verletzte unDd beleidigte Souveränetät des Voltes ſchützen will; fondern des
kontrerevolutionären Schreckens, der in Kerker und Blut einen politi-
ſchen Umſturz rückgängig macht und an den Urhebern deſſelben feine lange zu-
rückgehaltene Rachluſt ſättigt. ; *

Es war den Tag nach der greßen, unglücklichen Junierhebung — die
letzten Donner der Kanonen waren kaum verhällt — in den Straßen lagen
die vielen tauſend Leichen des Proletariats — das Blut rauchte zum Himmel —
der Tod und der wilde Jammer zogen durch die verwüſtete Stadt — angſt-
keuchend erhoben die ſiegenden Beſitzer ihr Haupt. Da wählte die National-





volution zu Gericht ſitzen ſollten. Ihre Wahl fiel auf die Noyalifken! Jene
ränkevolle Partei der geldariſtokratiſchen Republikaner gab den Royaliſten ihre
Stimme, weil ſie von ihnen die ſchärfſte Verfolgung der ſoztaliſtiſchen Demo-
kraten, ihrer beiderſeitigen geſchworenen Feinde, hoffte; zugleich gedachte ſie
vamit den Haß des Volkes von ſich auf Andere abzuladen. Die Rohaliſten
ſelbſt griffen mit gierigen Händen nach der Gelegenheit, Republikanern den
Prozeß machen zu können. Wir haben jetzt das Erzeugniß dieſer reaktio-
nären Gier vor uns, den Bericht der Unterſuchungskommiſſion über die Juni-
ereigniſſe.

** täuſchten ſich jene politiſchen Republikaner, als ſie die Royaliſten
glaubten benutzt zu haben! Wie täuſchten ſie ſich, als ſie die alleinige Ver-
nichtung der ſozialiſtiſchen Demokraten meinten bewirken zu können! Stie ſelb
ſind in den Prozeß verwickelt worden. — Drohend halten die Maͤn—
ner der Monaxchie das rothtriefende Meduſenhaupt des Junidufſtandes empor
und deuten mit erhobenem Finger auf die Erſtürmung der Nationalverfamm-
fung, auf die Kundgebung vom April, auf den 17. März. Sie meinen im
Grunde den Februar! . , Und ſie haben Recht. Im Februar wurde
der Same geſtreut, aus dem die Junifruchi erwuchs. Im Februar machten
die Beſitzloſen ihre ſoziale Revolufion; die März- und Äprillage waren nur
die Mahnung an die Erfüllung derſelben; der fünfzehnte Mai ſoͤllte das Hin-
derniß, die betrügeriſche Nationalverſammlung, ſprengen; im Juni ſchlug die
zugedeckte Flamme an allen Ecken aus. Wer im Februar beim Sturz der
Herrfchaft des Gelvfönigthums mithalf und mitſchürte, der iſt nach royaliftifcher
Logik ein Schuldigerz mag er Marraſt, Ledrü-Röllin, oder Louig Blanc heißen.

Da ſitzen ſie auf der Bank der Angeklagten, die Feinde Ludwig Philipp's.
Höhniſch reiben ſich die Königlichen die Hände, daß ſie an Diplomatenſchlau-
heit die Männer der blauen Republik übertroffen haben. Die Herren vom
„National“ machen eine verblüffte Miene; ſeit ſie in den Regierungsſeſſeln
ſaßen, glaubten ſie auch louis-philippe'ſche Feinheit geerbt zu haben. Sie wiſ-


fpielt, als ihm in Die Hände gegeben wurden. — Die rothe Republik hat
ſich beſſer gefaßt. Mit zerſchmeiternden Worten donnert Ledrü-RNollin ſeine
Gegner nieder; ſtolz geſteht Cauſſidiere Alles, was die Monarchiſten er-
ſtarren macht; Proudhon iſt wie die Majeſtät des Volkes ſelber; nur Louis
Blane ſchreit mit Heftigkeit: „Die Royaliſten wollen uns umbringen.“

Es iſt wahr, das wollen ſie! — Und zwar nicht einmal mit Leidenſchaft;
nein, mit kerroriſtiſcher Kälte. Kalt ſind die Anhänger des geſtürzten König-
thums zu Werke gegangen; ſie wußten mit kluger Berechnung aus der Ener-
gieloſigkeit lamaxtineſſcher Politik ihren Nutzen zu ziehen. Waͤhrend die Revo-
lution noch in Gefahr war, durften legitimiſtifche and bonapartiſtiſche Wühle-
reien ungeſtraft miniren. Wir profezeiten damals, daß aus dieſem Boden die
Monarchie wieder erwachſen werde, wenn auch nicht für die zwei vorgeſchobe-
nen Prätendenten, und wenn auch vorerſt nicht unter dem Namen „Monar-
chie.“ Hrute ſehen wir die revolutionären Klubbs geſchloſſen, die Preſſe ge-
knebelt, Paris in Belagerungszuſtand während zwei Monaten, eine National-
verſammlung gleich den Kammern des Julikönigs, die Partei des eben noch
regierenden „National“ ſchon wieder in der Oppoſition, und Cavaignac als mi


Frankreich Provinzen gibt, wo man ſich nicht als Sozialiſten bekennen darf,
ohne von bezahltem Poͤbel erſchlagen zu werden, und fich nicht ohne Lebens?
gefahr Republikaner nennen kann währenddem zeigen ſchon die Herren Thiers
und Odilon Barrot offen ihre Karten, die auf „Köntg‘ lauten! Vor noch
nicht zwei Monaten wollte der Miniſter Ludwig-philipp's, Hr. Thiers, Ddie
Konſtitutionelle Republit“ gründen. Es widerte uns vor dem fatantz
ſchen Hohn! Heute ſagt Herr Thiers,
„Ddaß er jeßt, wie immer, die Monarchie vertheidige“;
und Herr Odilon-Barrot, der letzte Rettungsanker Ludwig Philipp's:
oͤn müſſe eine konſtitutionelle Monarchie erringen; er ſeiner-
ſeits habe den Kampf dafür noch nicht aufgegeben“
So Uitgefheut wird jetzt der Royalismus in Paris gepredigt..
Die Tage des kontrerevolutionären Schreckens Fommen.
Albert, Barbes, Blangui ſchmachten in den Kerkern zu Bincennes. Die
Junibeſtegten werden über den Oeean transportirt. Ledrü⸗Rollin, Cauſſidiere,
Blane ſißen auf der Bank der Angeklagten. Auch die „gemäßigten“ Republi-
kaner ſind betroͤgen. Die Kanonen, welche die rot he Republik niedergeſchoſ-







Dann wird vielleicht Napo-




+ + +

bricht Eiſen. Eiſen bricht auch Noth. Waffne ſich Jeder mit der durchdach-
ten Ueberzeugung von der Unumgänglichkeit mancher Maßregeln, welche die
Demokratie für die öffentliche Wohlfahrt wird ergreifen nüſſen, Sucht euch,
ihr Volksfreunde, von dem Wahne loszureihen, daß die Freiheit nur über
Roſen ihren Weg nehme. Macht euch mit dem Gedanken vextraut, daß die
Revolution ſich für permanent erklären muß, ſo lange die Kontrerevolution
permanent arbeitet. &. B,
Nachfchrift. Dieſer Artikel war ſchon vor faſt acht Tagen geſchriebenz
er ſollte gerade abgeſchickt werden, als der Verfaſſer deſſelben wegen ſeiner po-
litiſchen Wirtſamkeit in Haft genommen wurde. Beim Anstritt aus dem Ge-
fängniß erfährt er, daß laut der neueſten telegrafiſchen Depeſche von Paris
Tauſſidiere und Louis Blanc in den Kerker geſetzt worden find!
Die Tage des Schreckens fommen. . » . 4 ;

67. Sitʒung der konſtituirenden Nationalverſammlung.
Montag, den 28. Auguſt 1848.

Nach der Verleſung des Protokolls, welches ohne Reckamation genehmigt
wird, übergibt Teichert eine Interpellation des Marine-Ausſchuſſes an daͤs
Miniſterihum des Innern, die in Hamburg ausgerüſteten Schiffe betreffend.
Nachdem Rießer einen Geſetzentwurf über— Unverletzlichkeit der Mitglieder der
Nationalverſammlung verleſen, Murſchel den Bericht des Ausſchuſſes für Ge-
ſchäftsordnung, die Ergänzung des Ausſchuſſes betreffend, angezeigt; Zacha-
riä aus Göttingen im Namen des völkerrechtlichen Ausfchuffe® über mehrere
Eingaben herichtet; beſchließt die Verſammlung auf eine Beſchwerde der preu-
ßiſchen Offiziere in Luxemburg, die Verweigerung der Theilnahme an den
Wahlen zur Nationalverſammlung, ſogleich zu berathen, und nimmt den Aus-


gabe des Landwehrvereins für Schleſien, das Schickfal der in die Parifer Juͤni-
Lreigniſſe verwickelten Deutſchen betreffend; man erklärt die Sache durch die
Aeußerungen des Reichsminiſters vom 25. für erledigt. Weiter berichtel Eu?
cumus für denſelben Ausſchuß über mehrere Petitionen, Entſchädigungen für
Verluſte,, herbeigeführt durch den däniſchen Krieg, betreffend; fie werden, wie
frühere gleichen Inhalts, in Gemäßheit eines Beſchluſſes voin 11, d. M., an
die Centralgewalt verwieſen. Ferner wird ein Bericht deſſelben Ausſchuſſes
mitgetheilt, die bekannte Erklärung des preußiſchen Miniſters v. Auerswald be-
treffend, es wird darin motivirte Tagesordnung beantragt, indem zugleich die
Erwartung ausgeſprochen wird, die Centralgewalt werde den einzelnen Regie-
rungen gegenüber die Einheit Deutſchlands zu wahren wiſſen?). Nach einigen
andern Berichten geht man zur Tagesordnung über, Berathung des Artitels
13 der Grundrechte:

Durch das religiöſe Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und

ſtaatsbürgerlichen Rechte weder bedingt, noch beſchränkt. — Den ſtaats-

bürgerlichen Pflichten darf dasſelbe keinen Abbruch thun.

Es ſind hierzu eine lange Reihe von Anträgen eingegangen, welche Präſi-
dent verliest. Die Diskuſſtoͤn beginnt; Kauzer, welcher für den Entwurf ſpricht/
weil er den ſtaatskirchlichen Privilegien ein Ende machen werde. Doͤch folle der
antichriſtliche Staat nicht eben ſo in die Einrichtungen der Kirche eingreifen,
wie früher dex chriſtliche, ſondern ſie frei ſich felbjt entwickeln Laffen. Alle
Privilegien ſollen aufhören, alle Bekenntniſſe gleichgeſtellt werden. Doch warnt
er Dor. den hohen geiſtlichen Herren, welche die Freiheit der Kirche nur wollen,
um mit unumſchränkter Willkür ihre Tyrannet auszuüben.

Martens bevorwortet ſein Amendement: 2—

„Wegen der Befreiung vom Kriegsdienſte aus Rückſichten des religiö-
ſen Glaubensbelenntniſſes wird daͤs übel die Wehrverfaſſung zu erlaſ-
ſende Geſetz die näheren Beſtimmungen enthalten.“ 4
in Bexückſichtigung der Menoniten und deren wohlerworhenen Rechte, die ihnen
wenigſtens in Preußen Militärfreiheit zu Theil werden ließen.“
Adams, Barth und Mohl ſprechen über einzelne Anträge, von denen der
Mohl'ſche die Verhältniſſe der Iſraeliten durch ein Reichsgeſetz regeln und ihnen
uter übrigens ſehr engherzigen Auffaſſungen doch mindeſtens die active und
paſſive Waͤhlbarkeit gewaͤhren will. Sein Ausſpruch, der Bauer ſei verloren,
in deſſen Haus der Jude einmal einen Fuß gefetzt, fo wie ähnliche andere, er-
wecken ſo lebhafte Zeichen von Mißfallen, daß Präſident einſchreiten muß.

Bereits vor ihm hatte Reichsfinanzminiſter v. Beckerath dem Maͤrtens-
ſchen Antrag als unzeitgemäß widerſprochen; nach ihm ſprach Rießer, um mit
lautem Beifall, mit edlem Feuer Mohl im Namen des Judenthums, dem er
durch die Geburt angehöre, zu widerlegen. Die Erfahrungen, die man in
Würtemberg, Baiern und Preußen gemacht, werden vom Redner zuſammenge-
ſtellt, um die Unhaltharkeit der Mohl'ſchen Behauptungen darzuthun, der mit
Entſchiedenheit Abſchaffung allex Ausnahmsgeſetze und Herſtellung einer voll-
ſtändigen Gleichheit zwiſchen allen Bekenntuiſſen alg eine unerlaͤßliche Forde-
rung der Zeit verlangt. ; —2 ; ;

Auch Ofterrath erflärt ſich in dieſem Sinn für Duldung cguruf: Nicht
Duldung, Freiheit), und geht dann auf den Maxtens'ſchen Antrag über, den
er unterſtützt. Schon früher war mehrfach nach Schluß gerufen worden; der
Ruf wiederholte ſich verſtärkt, als v. Linde die Rednerbühne betrat. Indeſfen



)Warum hat man dem König von Hannover gegenüber ſo ganz andre
Anträge geſtellt und angenommen? weil er kein — Preuße iſt.


 
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