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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0193

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Deutſchland.


ſie pflege mehr die materiellen als die geiſtigen Jutexeſſen des Voltes — Aber
ſie ift auch mit väterlicher Sorglichkeit um das geiſtige Wohl ihrer Untertha-
nen bekümmert und ängſtlich bemüht, alles zu entfernen, was ihm ſchaden
möchte. Ich freue mich einen Beleg dafür geben zu können. — Die Geſellen
eines hieſigen Schneidermeiſters ſind auf die Mannheimer Abendzeitung abon:
nirt und pſlegen ſie bei ibrer Arbeit vorzuleſen. Mag fein, daß ſie haͤld vor
Erſtaunen einen Stich zu wenig, bald vor Aerger einen zu viel maͤchen, wenn
ſie bören, wie cs in Drutſchland zugeht, — daͤs thut nichts zur Sache. Doch
unferer Polizei hat es ſchon im Rie-


ziemlichen ©rabe der Vlrtuofität gebracht. Eine ſolche Polizei mußte natürlich
von der Veffüre jener Schneidergefellen Kenntniß erhalten, und ihr Chef, Hr.
Stadtdirektor OÖber- Regierungsrath v, Gärtner, entſetzt über ein ſo bedenk-
liches Zeichen der Zeit, ſieß fogleich den Meiſter zu ſich kommen. Er ſprach
feinen Unwillen aus, daß ein Blatt von ſo bodenlofer Tindenz im Haufe des
Schneiders geleſen werde, er erinnerte an die gefährlichen Folgen, an den Maiz
krawall; und verlangte, daß den Geſellen das Leſen diefer Zeitung unterfagt
werde. Vergebens fragte der ehrſame Schneidermeiſter, warum man ein fo
ſchlechtes Blatt nicht im ganzen Lande, ſondern bloß ſeinen Geſellen verbiete,
und ob man etwa die Schneider für beſonders gefährlich und dem Revolu-
tionsfieber zugänglich halte, was allzu ſchmeichelhaft ware; — der Hr. Stadt-
direkior beharrte auf der Unterdruͤckung der Zeitung, und ſoll für den Fall,
daß die Schneidergeſellen partout leſen wonten, die Ulmer Chronik, an welcher
belanntlich die hieſige Polizei mitarbeitet, als paſſendere Lektüre empfohlen haͤ—
ben.
feinen Geſellen die Mannbeimer Abendzeitung nicht verbieten, wolle ſie übri-
zeus voͤn der Anſichten des Herrn Stadtdirekiors in Betreff Derfelben in Kehnt-
nig ſetzen, zweifle aber, eb dies etwas Nüßen werde. — Wir zweifeln auck,

ihres Lebens hälten, ein Paar Hoſen zu maͤchen.

__ $$ Stuttgart, 16 Febr. Der Kampf der reaetionären Partei und
der Dartet des Horijhkiites trut auch bei uns immer entſchiedener hetvor
Waͤhrend nämlich dieſer Tage der Staͤndekamner die Petitionen der Dentſch-
katholiken um politiſche und ſtaatebuͤrgerliche Gleichberechtigung mit den aner-
kannten Coufeffionen, Begleitet von einem ſehr beachtenoͤwerthen Memorandum,
eim Druck erſchienen be Julius Weiſe hier. Preis 12 fr.) übergeben wur-
den, und eine weitere Perition zu gleichem Zweck von Proteſtanten, Römiſch-
kaͤtholiken und Juden bier noch im Umlauf iſt, haben die hieſigen pietieſtiſchen
Geiſtlichen im Geheimen eine Klage gegen den Prediger unferer deutfchkaͤthoͤli-

Den Unmuth dieſer frommen Herren hat ſich Rau durch feine Vorleſungen zu-
gezogen, die freilich auch die vernünftig denkende Bevölkerung Stuttgarts ſo
fehr auſprachen, daß der Saal, in welchem ſie gehalten wurden, faͤſt nicht mehr
die Maſſe der Zuhörer faſſen konnte. Es ſind dies jene Vorleſungen, die un
ier dem Titel -Geſchichte des alten und nezen Bundes, dem deutſchen Volke
gewidmet von Heribert Nau, bei I, Groos in Heidelberg in 2 Bänden
Erſchienen ſind. Dies intolerante Verfahren der geiſtlichen Herrn hat aber
eine um ſo groͤßere Indignation hervorgerufen, als dem Abg! von Stuttgart
unter den Wünſchen der Stuttgarter Bürger auch der nach Glaubensfteiheit
Feltend gemacht worden war, Uebrigeys iſt die Gemeinde und ſind deren
Fprot. Freunde entſchloſſen, für ihren Geiſtlichen einzufiehen, Dder nur ibre Ge-
daͤuken und Glaubensanfichten ausſprach und erläutexte. Als Beweis der Liebe
und Theilnahme ſeiner Freunde fand derfelbe in der letzten Vorleſung den Red.
nerſtuhl mit Blumen geſchmückt, und empfing aus der Hand des Vorſtands
“einen fehr ſchönen Pokal, der auf den Seitenflächen die Titel der Werke tragt,
die er für die deutfchkatholiſche Sache geſchrieben. Wir ſehen nun mit Span-
nuͤng den Schritten entgegen, welche die Regierung in dieſer Sache thun
wird; ſiud indeffen im Voraus überzeugt, daß ſie den $ der Berfaffungs-
urkunde aufrecht erhalten wird, der da heißt? Jeder ohne unterſchied
der Rekigion genteßt im Königreich Würtemberg Gewiſfene-
— — — — —
* Voii Nhein, 14, Febr. Während der hochherzige Frhr. v. And-
law in d&r badiſchen Kammer gegen die Spielböllen eifert, und man glaubt,
die Stiraͤme des Volks würde dieſe Peſtbeulen, die an dem Staatekorper ei-
tern, verfchwinden maͤchen erfahren wir leider, daß das friedliche Badeörtehen
“ Nauheim'in Kurheſſen au von Seiten der Regierung mit einer
folchen iufernalifchen Spielmaſchine beſchenkt werden ſoll. — Sthon ſind
Architekten dorthin gefendet worden, um den Platz einzufehen, wo ein ſolcher
neuer Altar des Moloch's errichtet werden ſoll, der unter dem Namen: „Kur-
faal für das Badepublikum“ zum Vorwaͤnde dient, um den armen
deutſchen Proletarier wieder einmal etwas auszubeuteln. Wenn auch dem
Staale Kurheſſen ſo manches fehlt, was andere Länder längſt haben, ſo
vaͤt er dafür nun vier Spielhöllen? Hofgeismar, Nenndorf, Wil-
helmsbad und nun Nauheim. Die Regierung zieht aus dieſen Spielhöllen


ſo eine Art Badeorfe, Was rechtfertigt aber in Hofgeismar und Wil-
helmsbad dieſe Spielhöllen, wo wegen der paar ärinlichen Thaler Pacht,
die die Regierung zieht, die armen Proletarier von Hanau und Kaffel,
die Fabrikarbeiter der dortigen Gegend ausgeſaugt werden. Der Pacht von
Wilhetimsbad das Verderben aller Hanauer und Offenbacher Fabrikarbei-


ter, der nun bald zu Ende geht, iſt dieſer Tage aufs neue auf zehn Jahre
verlaͤngert worden. Und da zu ſchweigen die kurheffiſchen Staͤnde?t

Frankfurt, 13. Febr. In der geſtkigen Verſammlung der Mitglieder
des phyſikaliſchen Vereins erregte das lebhaͤfteſte Intereſſe eine Mittheilung
des Prof. Böttger, der zufolge ihm vor wenizen Tagen gelungen, neuete
ſowohl wie aͤltere werthvollẽ Oruͤckſachen (beſondels Letterudruck urd Steludruch
recht ſcharf und tief ſchwarz auf Stein überzutrdgen, {0 daf dovon aus
geublicklich wieber eine beliebte Anzahl von, dem Drginale. vollfommen 'gleidhen,
Abdrücken auf einer lithograͤphiſchen Preſſe hergeſtelll werden können! Aus Bea
ſorgung jedoch, daß durch Publikation dieſer höchſt intereſſanten ‘ Crfindung,
Mihbraͤuchen aller Art Thor und Thür geöffuct werden, haͤlt Prof. Boͤttger
eg für angemeſfen, vor der Hand nicht in die näheren Details [eines“ Berfahe
rens einzugehen, legte jedoch eine Anzahl vohigelungener Ueberdrucke auf
Siein ſowohl! wie Abdrücke hiervon der Verfammlung vor, welche ſich eines
ungetheilten Beifalls zu erfreuen hatten. — —
12. Jan.

Unſerer gefetzgebenden Verfammlung liegt gegenwärtig

ein Antrag vor, wonach allen Voͤltoͤſchullehkern nach 12fähriger Dienſtzeit eine
Zulage von 200 fl. zu Theil werden ſoll! Bet der beutigen Vorberathung
ſprach Dr. Kriegk beherzigenswerthe Worte über Organiſation des Schulweſens
ind warnte vor allzuweit getriebener, die Lokalverhaͤltniſſe außer Acht laſſender
Syſtemſucht. Dr. Reinggnum ſetzte einen Antrag an den Senat zu Gunſten
der Bewohner hieſiger Dorfſchaften durch, deren Söhne weder als Pfarrer,
noch ohne Erwerbung des Stadtbürgerrechts als Aerzte oder Sachwaͤlter hier
zugelaffen werden. Der Antrag fand beſoͤndtrs kraͤftige Unterſtützung durch Dr.
Mappes, der bereits fruͤher die Moͤlion auf erweiterie Theilnahme der Abge-
ordneten vom Lande an den Verhaͤndiungen der geſetzgeb! Berfammlung ge-
ſtellt hatte! Unfere Dorfbewohner, fagte er u. A;, ſtud nicht wie ehemals .
unſre Unterthaͤnen, ſind nicht meht Heloten, ſondern Staatobürger Große
Heiterkeit erregte eg., als hierauf Dr, MNeinganum äußerte: er habe einem vom





Juſtanz nicht bloß für Patrizier, ſondern auch für Proletarier, Heloten und
ſelbſt Parias vorhanden ſei! Uebrigens iſt zu bemerken, daß keine Stimme
aus de Verfammlung fich gegen Dr. Reinganum's Antrag erhod, (D Itg.)

‚ .„PD Berlin 12, Febr. Die Begnadigung derjenigen der verurtheilten
Polen, welche um Gnade gebeten haben, ſoll demuaͤchft erfolgen! Mieros-
lawski und einige ſeiner verurtheilten Freunde haben bekaͤnntlich die Anmu-
thung, den König um Gnade zu bitten, mit Stolz zurückgewieſen. Sie glaub-
ten durch ihren Tod der Sache ihres Volkes den letzten und einzigen Dienſt
zu leiſten, der ihnen jetzt zu leiſten übrig bleibt Wird die preußiſche Re-
gierunz ihrem Wunſchẽ willfahren? oder fuͤrchtet ſie die Manen der enthaup-


den die polniſchen Demokraten ſie annehmen? Das ſind hier die Fragen des
Tages. Mit geſpannter Erwartung folgt man dem Ausgang dieſer Tragodie.
Waͤhrend dieſes Drama bald ausgeſpielt hat, iſt ein anderes in vollem Gaͤng.
Der Schauplatz iſt dießmal in Schleſien. Es iſt nur eine neue Auflage der
alten Webergefchichte. Bis zur neuen Ernte werden wohl fünfzehntauſend ver-
hungert ſein! Zuͤm Hunger hat ſich der Typhus geſellt. Jammerude Kinder,
ſterbende Eltern! faulende Leichen quf ein Laͤger mit lebendigen Menſchen ge-
ſtreckt, die letztern zu ſchwach die Leichen zu entfernen; todimatte Kinder, die
den toͤdten Vaͤter nach dem Begraͤbntßplatze ſchleppen, und dort hinſetzen und
heimlich entfliehen, weil ſie nicht Kraft genug haben; ihn einzugraben und kein
Geld für den Todtengräber — das ſind die ſchauervollen Szenen‘, mit denen
unſere Blätter, Ja die offiziellen Blätter gefüllt ſind! „Zu arm, um
auch zu mäßigen Preiſen Nahrungsmittel zu kaufen, zu ſchwach, um arbeiten
zu koͤnnen, ſchwauͤken ſie bettelnd umfer, und aus dem Hunger hat ſich der
Typhus erzeugt. Beide raffen ihre Opfer dahin, und ein vetrachtricher
Theil der Bevölkferung iſt ihnen bereits verfallen! Hunderte ver-
waiſter Kinder ſchreien nach Brod zwiſchen den Leichen ihrer Eltern. So
berichtet die Allgemeine Preußiſche Staatszeitun.
Man ſamnelt jegt ein paar tauſend Thaler für „die ſchleſiſchen Bruͤder.
Allein was will das beißen für 70,000 Menſchen, die in dem rybuiker und
pleffner Kreiſe wohnen? — ein Tropfen aus dem unermeßlichen Meer des

Elends geſchöpft! — Oan
des koͤniglichen Schloſſes.

— —

Vorgeſtern war großer Ball im weißen Saal
Das „Corps diꝑlomatique“, „alle boffähigen Perſonen und die ſaͤmmtlichen
Mitglieder des Vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes? waren geladen Der Koͤ⸗
nig eröffnete die Polonaiſe. „Ihre Majeſtäten unterhielten ſich huldvoll in
der Verſammlung,“ So berichtet die Allgemeine Preußiſche Staatszeitung.

Berlin, 12. Febr. Soeben geht mir durch glaubhafte Maͤnner die Mit-
theilung zu, daß der ſteckbrieflich verfolgte Dr. Freyberg, welcher unterdeſſen
mit dem Staatsanwalt und dem Polizeidirector Dunker in den Zeitungen wegen
ſeiner Haftentziehung correſpondirte, dem Polizeipräſidenten v. Minutoli ſich
zur Haft geſtellt und bereits ein Zimmer im Hausvogteigefaͤngniſſe als vor-
läufige Woͤhnung eingenommen hat. In Betreff des verhafteten Geh Hofraths
Wedecke wird die Vorunterſuchung forkgeſetzt. ¶Fr.O.P.3.)
Köln 12. Febr. Geſtern Nachmittag hatten wir ein eignes Schauſpiel.
Der Geſundheitsapoſtel Ernſt Mahner hatte angezeigt, er werde um 3 Uhr
vom Bayenthurme bis nach Mühlheim ſchwimmen oder auf einer Eisſcholle hin-
unter ſteuern. Man hielt die Anzeige für einen Carnevalsſcherz; es zeigte ſich
jedoch daß es Ernſt war, denn Maͤhner ſchwamm wirklich vom Bayenthurme
ab,/ eine Eisſcholle vor ſich herſtoßend, auf die er ſich bisweilen ſetzte und auf
der er auch, augeſichts der Stadt, eine Flaſche Wein leerte. Er ſchwamm bis
weit unterhalb der Stadt, wo er friſch und geſund aus Land ſtieg. Seint


 
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