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A Die Königlich Preußiſche Centralgewalt.
Nicht wahr, das klingt pudelnärriſch? Und dennoch iſt es eine Wahrheit.
Alle Welt. namentlich aber die deut ſche Welt war bisher der Meinung, wir
jätten ſeit dem 28. Juni und 6. Auguſt ein deutſches Reich; aber die
deutfche Welt befand ſich auch diesmal, wie ſchon gar häufig, in einem groben
Irrihum, den nunmehr Hr. Schmerling mit dem chriſtlichen Spruche aufklärt:
Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt;_es iſt preußiſch!
Das „Reich“ des Hrn. Schmerling iſt aber in der That nicht eigentlich
preußiſch, es iſt brandenburgiſch; dicht der preußiſchen Nafion gelten ſeine
Sympathien, fondern nur dem Hauſe und Miniſterium Brandenburg! Und barü-
ber haͤt das hohe Miniſterium in pleno ein offtzielles Dokument ausgefertigt.
Daͤs Berliner Haͤusminiſterium, unbekümmert um alle parlamentariſche und
kaum anders zu erwarten ſtand, die preußiſche Nationalverſammlung, weil ſie
es ihres Vertrauens nicht für würdig gefunden, ſtets nur als einen „shetl
der preuͤßiſchen Volksvertreter“ bezeichnet, ungeachtet es nicht in Abrede zu ſtel-
len vermochte, daß dieſelbe immer in geſetzlich beſchlußfähiger Anzahl getagt und
beſchloſſen hat. Das iſt nun ſo in der „Ordnung“z was fragt eine Partei,
und zumal eine Partei Brandenburg-Manteuffel, nach den ihren Zwecken ent-
gegenſtehenden Gründen und Geſetzen? Die mögen immerhin von der andern
Seite geltend gemacht werden, wenn man nur noͤch Kanonen und Bajonette zu
ihrer Bekaͤmpfung hat. Geſctz und Kartätſchen! Recht und Gewalt! die Ent-
ſcheivung kann kaͤum zweifelhaͤft ſein. So raiſonnirt ein Brandenburg, indem
er ſich aͤuf einen Wrangel ſtützt.
Aber nun erhebt ſich die über den Parteien ſtehende, im Intereſſe des Ge-
ſammtvaterlandes auftretende Centralgewalt, um den Streit zu vermitteln
und noͤthigenfalls zu eniſcheiden. Die wird ſich nun auf den erhabenen Stand-
punkt des unparieiiſchen „Rechtsbodens? ſtellen und in ihrer Eigenſchaft als
Oberhaupt Deutſchlands mit gleichem Maaße meſſen, mit gleicher Wage wä-
gen. Thuͤt ſie das? begreift fie diefe erhabene Stellung und wahrt ſie ſo die
zohe Wuͤrde des Vermittler- und Richteramts?
* Nein, ſie thut das Gegentheil. In einem amtlichen Plakate läßt die
deutſche Reichsregierung, mit feierlicher Rede „an das deutſche Volk“ gewen-
„Ein Theil der preußiſchen Boksvertreter hat beſchloſſen,
„daß die Eryebung der Steuern einzuſtellen feil!“
Das Reichsminiſterium ſteht hier nicht an der Spitze der Angelegenhei-
ien, ſondern mitten in dem bunten Gewühle der ſtreitenden Theile; es erſcheint
nicht als Vermittler, noch weit weniger alg Richter, ſondern es befindet ſich
als eine unabhängige, ſelbſtſtändige Autorität, ſondern als sinfeitiger Advokat
brandenbur giſch!
Und das ſoll die deutſche Centralgewalt dem In- und Ausland
land!
Da wir denn aber doch nun einmal auf dieſem Boden dem Miniſterium
wahrnehmen, um einige Worte an die quasi-Centralgewalt zu richten und ſie
an die unvermeidlichen Conſequenzennihrer Auffaſſung und Darſtellung zu
erinnern. Wie, wenn das deutſche Volk, an das Sie ſich mit dieſer Sprache
gewendet, oder auch nur, nach Ihrer Ausdrucksweiſe, ein beträchtlicher Theil
deſſelben Ihnen dies Alles auf Ihr Mipiſterwort hin glaubte und nach eben
diefer feinen Diſtinktion zwiſchen der Volksvertretung und einem Theil, wenn
ments aufnähme und betrachtete? Ihr brandenburgiſcher Geſichtspunkt iſt ein
ſo fruchtbarer, folgenreicher — wie, wenn das Volk ihn für weiſe und gerecht
hielie und zu dem ſeinigen machte? Was würden Sie, falls Ihnen das Pul-
ver, das Sie doch nicht gerade ſelbſt erfunden haben, auch nur auf Einen
Tag ausginge, darauf zu antworten haben, wenn das Volk dem Grundſatze
uldigte:
4 Centralgewalt, wie ſie heute biſteht, iſt nur von einem Theil
nem X hei 1 der Nationalverfammlung gewählt worden, während ein an-
laut rekiamirte und ſich auf die unläugbare Thatſache beriefe, daß der berüch-
tigte Vertrag von Malmö, daß die Beſchlüſſe in Betreff Poſeys und Wälſch-
Werk eines Theils der Nationalverſammlung und mithin aus denſelben Rechts-
gründen angreifbar ſeien, auf die Sie der preußiſchen Steuerverweigerung ge-
genüber zu fußen keinen Anſtand genommen? Wie, wenn man der Lenfralge-
walt etwa aus derſelben formellen Urſache die bekannten zehn Millionen
auf vier Monate“ ſireitig machen oͤder gar Lorenthalten wollte, die Sie
ebenſo unbeſonnen als ungeſchickt geitend gemacht, um Freund Brandenburg im
Stande zu erhalten, ſein Jaritſcharenregiment auf die Dauer in Berlin zu er-
halten? Wie wenn das Volk behauptete, die Verſetzuns des Reichsmi-
niſteriums in Anklageſtand ſei am 27. Sept. nur von einem Theil
des Varlamentè ad acta verlegt worden? Das war nicht weiſe von Ihnen,
dieſen gefaͤhrlichen, ultrarevolutionären, dieſen rothen Grundſatz an die
Straßenecken anheften zu laſſen. Wer vermag dafür zu bürgen, daß Sie nicht
dieſe Uebereilung noch eines Tages bitter bercuen, oder gar ſchwer büßen wer-
den? Ein alter orientaliſcher Spruch lautet: Ihr Weiſen, ſe id vorſich-
tig mit euern Worten!“
Rödelheim. Löwenſt ein.
Deutſchland.
(+) Mannheim, 23. November. Wir dürfen doch den Herrn Ni
niſter Betk und unſere zweite Kammer nicht vergeſſen. Der Herr Niniſter macht
uns zuweilen das BVergnügen, uns in die Geheimniſſe ſeiner Staats weisheit
blickeu zu laſſen, waruͤm follten wir ihm nicht dafür unſere Aufmerkſamkeit
und Beachtung zu ertennen geben. Er ift vor einigen Zagen bei Gelegenheit
der Diskuſſion über gegen die Schweiz in Ausſicht ſtehende Maßregeln wieder
einmal ausnehmend offen geweſen; er hat uns geradezu geſagt, wo die Dinge‘
pinaus wollen. Es handelt ſich um eine Gränzſpexre gegen die Schweiz. Die
Schweiz iſt ein republikaniſcher Staat; an ihren Grenzen ift ım Großherzog-
thum Baden ein Aulſtand ausgebrochen. Der kann unmöglich auf, grohher-
zoglichem Boden gewachſen ſein; denn die badiſchen Landeskinder ſind ja alle ſo
überglucklich in ihrer conſtitutionellen Monaxchie, daß unmöglich von ſelbſt ein ſo
frevelhafter republikaniſcher Gedanken in ihren Köpfen eniſtehen kann. Zudem
ſind ja die Haͤupter des Aufſtandes und noch einige andere Theilnehmer aus
der Schweiz gekemmen; die Thatſache iſt alſo fertig, Da gilt kein Einwand mehr;
die Tepublitaͤniſche Schweiz hat das republikaniſche Feuer im Großherzogthum
Baden angeblaͤſen, die Schweiz iſt nebenbei noch ein kleiner unbedeutender
Sıaat, von dem läßt ſich die „große deutſche Nation“ nichts gefallen; die
Schweiz muß durch eine Grenzſperre gezüchtigt werden. Der Herx Miniſter Bekt
ſieyt zwar wohl ein, daß bei ciner ſolchen Grenzſperre das Großherzogthum
am Ende bei weitem ſchlimmer wegkommen könnte, alg die beſtrafte Schweiz;
allein was liegt daran? Wer wird ſich um ſolcher Kleinigkeiten willen Serupel
machen? Im Gegentheil, das iſt für den Herrn Miniſter eine willkommene
Gelegenheit, zwei Mücken auf sinen Schlag zu treffen. Die republikauiſchen
mit einander büßen. „Man muß, meint der Herr Miniſter, — gleich ſo ver-
fahren, daß der Zuſtand bei den Völkern unerträglich wird.“ — Da haben wir
nun noch die Ergänzung zu den berüchtigten „Nacheindrücken“ Herr Bekk,
Herr Bekk, nehmen Sie ſich in Acht, daß Sie nicht in den Verdacht eines
verkappten Republikaners kommen; Sie erwarben ſich außerordentliche Verdienſte
walt das Volk zur Einſicht! daß es in ſeiner gegenwärtigen Regierung eine
waͤhrhafte Landesplage beſitzt. —
1* Karlsruhe, 23. Nopbr. Das hieſige Tageblatt, welches unter der
Redaͤktion des realtionären Hofbuchhändlers und Hofbuͤchdruckers Wilhelm Müller
gen pflegt, nimmt ſich ſeit nrueſter Zeit nanchmal die Mühe, auch in bas
Felo der Politik hinüberzugreifen, wenn es naͤmlich, wie bei der Capitulation
und Einnaͤhme Wiens durch irgend eine dienſtfertize Anzeige ſich einen Blick
hoher Freunde und Gönner erwerben kann. Am letzten Sonntag brachte nun
das Tageblatt wieder einen derartigen Artikel, worin es in Bezug auf die für
* * angeordnete und durch einen Anſchlagzettel verkündete Todtenfeier
alſo heiß:
„In dem genannten Anſchlagzettel iſt aber zu einer Feier
aufgefordert, zu Ehren eines Mannes, deſſen politiſche Wirk-
gewaltſamem Wege, hinaus ging.“
„Die Einwohner Kaͤrlsruhe's haben hinlänglich ausgeſprochen, daß ſie dieſe
poliliſchen Grunkſaͤtze nicht theilen; es kann deßhalb kein Zweifel ſein, daß ſie
ihre Theilnahme eiher Demoͤnſtralion dieſer Art nicht ſchenken werden, welche
wahrlich nicht dazu beitragen kann, das geſtörte Vertrauen wieder herzuſtellen.“
Dieſelbe Sonntags-Nummer enthielt einen weitern Artikel, worin gefagt wird,
„daß es der Wunſch mehrerex hieſigen Bürger und Einwohner ſchon längſtege
weſen ſei, für die auf empörende Art gemordeten Reich stags-Abge-
or dneten Auerswald und LihHnowsty, ſo wie für den grohen General
Latour eine ſolenne Leichenfeier angeordnet zu ſehen zc.“ Trotz dieſer ſalbungs-
vollen Abmahnung bewegte ſich voni Ludwigsplag aus nach dem Friedhofe tin
Trauerzug, wie ihn Karleruhe in ſeinen Mauern noch nie geſehen
at.
Ueber die Trauerfeierlichkeit auf dem Friedhof ſelbſt hat Ihnen ein Cor-
reſpondent in der geſtrigen Nummer dieſes Blattes ſchon berichtet und es bleibt
uns nur noch übrig zu erwähnen daß unſeren Soldaten unter Strafandrohung
verſchiedener Art, (verlängerte Dienſtzeit ꝛc.), jede Theilnahme verboten, den Ara
beitern in der Keßler'ſchen Fabrik mit Dienſtaufkündigung gedroht wurde, wenn
ſie ſich dem Trauerzug anſchlöſſen. Alſo eine Todtenfcier für den durch den
Henker Windiſch-Gräg mit kalter Ueberzeugung gemordeten deutſchen Volkever-
treter Robert Blum iſt in den Augen unferer Hofſchranzen, Speichellecker
und Bedientenſeelen ein Gräuel; während ſie für Latour, Auerswald,
Lichnowsky, die durch ihre volksfeindliche Thätigkeit bei ihren Leb-
zeiten den Haß des Volkes herausgefordert, und im Gewühl der Lei-
denſchaften einer wild aufgeregten Menge den Tod gefunden haben,
ſogar eine ſolenne Leichenfeier veranſtaltet haben wollen. Und in der That
ſoll einex verbürgten Nachricht zufolge künftigen Sonntag hier die projektirte
Leichenfeier für Latour, Auerswald und Lichnowsky, in die man auch
noch den bei Kandern gefallenen Gagern einſchließen will, zur Ausführung
kommen. — Nur zu, ſihr Herren in der Reſidenz! fahrt fort in euern volks-
feindlichen politiſchen Demonſtrationen, die ihr uns ſeit März d. J. ſchon duz⸗—
zendweiſe vor die Augen geführt habt! ſchlagt auch diesmal dex oͤffentlichen
Meinung Deutſchlands ins Geſicht in eurer Abgeſchmacktheit und Feilheit!
S'Frankfurt, 22. Novbr. Wir haben jetzt neben der ſag. „deutſchen
conftituirenden Nationalverſammlung“ eine Frankfurter „conſtituirende Berfamm-
lung“, die heute aus dem engen Kreiſe unſerer Stadt bemerkenswerth heraus
getreten iſt. Sie beſchloß für's Erſte, künftig nicht mehr eine Verſammlung der
Ffreien Stadt“, ſondern die vconſtituirende Verſammlung des Freiſtaats