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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 209 - No. 234 (1. September - 30. September)
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No. 215.

— —



















7, Sitzung der konſt. Rationalverſammlung.
Dienſtag, den 5. September 1848.

Zum erſtenmale ſeit der Zeit, daß ich zum Zuhörer der Parlaments-De-
patten verdammt bin, ſchreibe ich Ihnen In eimner freudig aufgeregten Stim-
mung. S© meine faft für Augenblicke, es fet ein Wetterleuchten, der NRevolu-
jon ın die Panlstirche gefahren, ſo friſch, ſo kräftig und mänplich war die
anze heutige Verhandlung, es war ein Kampf und Sies der freien Zeit ge-
en den alten Stabilismus und Doktrinarismus. Die Linfe kannte heute in-
fer ſich keine Fraktion mehr und zeigte ſich darum in ihrem vollen Glaͤnze, die
NRechte fuchte zu vermitteln und zu zögern und gab ſich Adurch ſelbſt den To-

desſtoß. Doch was bedarf es hier der Worte, wo die That ſelbſt. ſo unzwei-
deulig redet? Folgen Sie mir darum In Ddie intereſſanteſte aller Sigungen und
alten Sie mit mir, ehe die Verhandlungen beginnen, eine kleine Rundſchau.
Der ſchleswig holſteiniſche Waffenſtillſtand ſteht! wie d Ihnen ſchon geſtern
meldete, zur Distuſſion auf der Tagesordnung, Die Verſammlung beginnt
um va12 Uhr, nachdem ſte um 92 Uhr auf jene Stunde vertagt worden,
weil die Reichsminiſter heute Morgen noch beim Reichsverweſer Bericht zu er-
ſtatten haben und deshalb erſt von 12 Uhr an der Debatte beiwohnen können.
Den Präſidentenſtuhl nimmt Gagern ein; hat er heute auch verſchmäht, ſeinen
Sancho-Soiron die Kaſtanien aus dem Feuer holen 3zU laſſen, ſo zeichnet ex
ſich nichtsdeſtoweniger wieder durch ſeine harteilichkeit höchſt unvorelhaft aus.
Voͤr ihm ſitzen auf ihren gewöhnlichen Plätzen die fämmtlichen Miniſter und
Uuterſtaatsſekretäre. Aber wahrlich, aus ihren Mienen ſollte man weniger die
erſten Beamten des neugebackenen großen Reiches, als vielmehr arme Süyder,
die ihrer Beurtheilung harren, herausfehen. Sie, feierten — m wehmüthiger
und doch ſo freudiger Anblick! — die Henkersmahlzit ihres Glanzes, um am
Schluß der Sitzung in ihr Nichts zurückzuſinken, Wohl mochten ſie auch beim
Anfang derſelben erwägen, wie ſchön es ſei, mit an der Spiße von 46 Mill.
Deutſchen zu ſtehen; ſie verſuchten noch zu laviren, ja Schmerling war einem
verſtockten Sünder gleich anfangs noch trotzig und barſch; aber ach, das Ver-
hängniß nahte ſich ihnen unerbitterlich und ſchnell, die Keulenſchläge der Lin-
fen raubten ihnen den letzten Halt, bis ſie endlich ſich dem Sieger ergaben.
Und die Parteien ſelbſt, welche Stellung nahmen ſie heute ein? Zum erſten
erſten Maͤle ſeit der Eröffnuns der Naͤtlonalberſammlung war die Linke ſieg-
reich , ein großer Theil der Rechten war in diejer Frage zu ihr übergetreten


ſtatter, daß die Verſammlung beſchließe, die zur, Ausführung des Waffenſtill-
ſtandes ergriffenen militäriſchen und ſonſtigen Maßregeln zu ſiſtiren, indem die
Majorität des Ausſchuſſes von der Anſicht ausgegangen ſei, daß Schleswig-
Hoͤlſtein durch die Ausführung Des Waffenſtillſtandes nicht nur der ſicheren
Knechtſchaft, ſondern auch der Anarchie entgegengehe, (DBravo.) Schubarth
aug Königsberg verlangt dagegen in ſeinem und der Minoxität Namen, näm-
iich: von Würth, W. d. Gagern, p. Lindenau, Flottwel, Zenettt, Grumprecht
und Dunder, die Verſammlung möge nicht eher über die Siſtirung der betref-
fenden Maßregeln beſchließen als dis über die Mißbilligung des Waffenſtill-
ſtandes ſelbſt abgeſtimmt ſei. Nachdem der Miniſter Nevcker berichtet hatte, daß
Wrangel ſich noch in Axenrade beftnde, alſo faſt 20 Meilen von der Elbe, wes-
halb die militäriſchen Maßregeln vor der Zurückziehung der Truppen ganz un-
tergeoronete feien, nachdem ferner Schmerling erklärt hatte, daß die nöthigen
Schritte zur allgemeinen Anerkennung der Erniralgewalt gethan ſeien, und daß
fomit die Einheit Deutſchlands bald hergeſtellt ſein würde, daß ferner das Mi-


des Waffenſtillſtandes antragen wolle, und daß dieſer einer Siſtirung der an-
gegebenen Bedingungen gleichfomme, eröffnete Hr. Simon aus Breslan die De-
batte, Derſelbe trat hHeute zwar zum erſten Male auf, bewies ſich aber trotzdem
alg einen geübten und ſicheren Redner. Gleich zu Anfang durch Lichnowsfy’s
Ungezogenbeiten mehrfach unterbrochen, rief er dieſen, ftatt ſich qus dem Con-
cept bringen zu laffen, würdig und heſtimmt zu; Herr Fürſt Lichnowsky, be-
hälten Sie Ihre Aeußekungen für ſich; ob meine Rede ſchwach iſt oder nicht,
fteht nicht Ihnen zu, ſetzt zu beurtheilen, (Kanges, endlofes Bravo, nament-
lich auf den ©allerten.) Der Waffenſtillſtand, ſo ungefähr ſind Simon's Worte,
wird erft ein gültiger Bertrag purch die Genchmigung dieſex Verſammlung.
Sollen aber die ſiegenden Deulſchen nicht als Beſiegte aus dieſem Kampfe her-
vorgehen, ſo ſind ſofort Maßregeln zur Siſtirung des Waffenſtillſtandes zu er-
grecfen. Zeigen wir uns ſtark, ſo wird uns Niemand entgegenzutreten wagen.
Auͤch Preußen kann uns nicht im Wege ſichen, das Bolk iſt dort durch und
durch deutſch, die einzelnen reaktionären Beſtrebungen können nicht in die Wag-


es ſeinem Verhängniſſe, wenn auch nach blutigem Kampfe, ſo wenig alg unſer
Minifterium eutgehen! Es handelt ſich hier um die deutſche, Ehre. Glauben
wir an ung, ſo wird auch das Volk an uns glauben. Die Stunde iſt da,
das Verſaͤumte nachzuholen mögen auch die Männer nicht fehlen! Alleitiger


tätsgutachten. Zimmermann aus Stuttgart:

Die erheblichſten Punkte des


unfere Pflicht, die von uns- geſchaffene Centralgewalt, damit ſie ſich Achtung
erringe, ſtark zu machen, wir dürfen darum den Waffenſtillſtand nicht geneh-
migen und del Einheit unſere Ehre nicht zum Opfer hringen! Wollen. Sie
aber den Frieden beſchließen, nun dann laſſen ſie die Glocken Rhein auf, Rhein
ab läuten! wie am Tage, alg der Reichsverweſer von der Majorität erwählt
wurde; aber laſſen Sie fie läuten als Grabgeſang der deutſchen Ehre und
Kraft. Eanges lautes Bravo). Baſſermann ermahnt, nicht voreilig zu ſein,
die Sache ſei ſo ſchlimm nicht, als man ſie mache.










kirche nicht diejenige des ganzen Volkes ſei. (Heute allerdings!! Ziſchen auf
der' Linken und auf den Gallerien, Bravs auf der Rechten. ;
Wefendonek: Es gehöre mehr als Tollfühnheit dazu: Die Beftimmungen
des Waffenſtillſtandes zu vertheidigen. Das Einſchüchtern von miniſterieller
Seite ift vergeblich, denn ich weiß, wir werden UNS 3U CMEY großen Tat evs
heben. Der Urſprung dieſes ſchnöden Waffenſtillſtandes lHiegt in dem Miniſte-
Auͤin! welches jetzt noch vor Ihnen fißt, und, nicht, im Eineerſttnſt mit
Ihnen gehändelt hat. Ja, wäre das Geſetz üher die VBerantwortlichfeit der
Minifter ſchon in Kraft, ſo hätten ſie es verdient, UND WArE SS unfere *})fhcbt
geweſen, ſie in Anffageftand zU verſetzen. Jeht will dieſes ſchwache Miniſte-
yum vermitteln, um Durch die Ausſicht auf künftige Thaten unſeren, kräftigen
Entſchluß zu vereiteln. Mag immerhin ein Bruch erfolgen, wir müſſen, han-
defn. Wiechmann ermahnt die Verſammlung, ja den Frieden zu beſchlieben,
denn Schleswig ſei durchaus nicht deutſch geſinnt, und außer ſeinem Wohl-
ſtande ginge auch der des öftlichen Preußens durch den Krieg zu Grunde.
Engel ſpricht, ohne Neues vorzubringen, für den Ausſchußantrag der Na-
jorität vom Standpunkte eines Holſteiners aus, welcher die Republik mit der
Anarchie verwechſelt.
Radowitz haͤt es ſchon ſo weit gebracht, daß er bei ſeinem Auftreten nicht
mehr ausgeziſcht, ſondern mit allgemeiner Aufmerkſamkrit angehört wird Er
ſpielt auch heute, wie immer, Den gütigen Lehrer, will veinige Begriffe her-
ſiellen,“ billigt zwar nicht alle Bedingungen des Waffeyſtillſtandes, will aber
aud) nicht die Fortſetzung des Krieges. Er malt das Schreckensgeſpenſt Ruß-
Jands im Hintergrunde, Preußens ſinkenden Wohlſtand im Vordergrunde, und
beantragt in der Hoffnung, daß die herlangtey Bedingungen die einzig mögli-
Gen und erreichbaren waren, der Centralgewalt anheimzugeben, ſämmtliche auf
den Waffenſtillſtand bezügliche Papiere von Preußen ciizufordern, und ſie einer
Eominifſton von fünf Mitgliedern der Verſammlung zum Bericht an dieſelbe zu
übergeben— ——
Blum: Noch vor Kurzem hieß es, wenn wir unſere Streikraft mit 300,000
Mann erhöhten, ſo könne uns keine Macht der Erde widerſtehen, und jetzt
fürchten ſich dieſelben Männer, die Herren Auerswald, Radowitz, welche dieß
Ferficherten, vor dem Kriege. > *
Dieſer bleibt doch nicht aus, denn ſelbſt, wenn wir den Waffenſtillſtand
genehmigen, wird Schleswig-Holſtein ihn nicht beachten, ſondern bis auf den
letzten Mann dagegen kämpfen. Es muß ſich jetzt entſcheiden, wo der Schwer-
puͤnkt Deutſchlands liegt, ob in Frankfuxt oder Berlin. Haben wir Muth, *
ſo können wir der ganzen Bett trotzen Bekerath warnt mit widerlich füßer .
Yeiene davor, Feine neue Revolution heraufzubeſchwören und ſomit die Revo⸗—
lution nicht für permanent zu erklären; für das Miniſterium habe es nur eine
Art der Verhandlung, die Augſtellung der Vollmacht an Preußen gegeben.
„Ein Miniſterium, welches auf uns folgen wird, falls der Nus-
fchußantrag durchgehen ſollte, würde auch nicht anders han-
deln. Uebrigens werde felbſt für die Schleswiger durch den Waffenſtillſtand
viel errungen! es gehe aber nichts verloren. Simon aus Trier iſt der glänz
zendſte und vernichkendſte der heutigen Redner; wollen Sie den ungeſchwächten
Eindruck ſeiner ſiegreichen Rede gegen das Miniſterium ganz genießen, fo
müſſen Sie dieſelbe aus den ſtenographiſchen Bexichten abdrucken Hier nur die ;
Haupt⸗Schlagwörter: Das Miniſterium iſt Vollziehungsbehörde, weiß es un-
fere Beſchlüffe nicht zu vollziehen, ſo wird es hoffenklich wiſſen, was e$ zu
thun hat. Ein vollgültiger Waffenſtillſtand exiſtirt nicht, denn er hängt als
ein Vertrag von der Zuſtimmung der Nationalverſammlung ab.
In Berlin hat ein Miniſterium die Revolution verleugnet es mußte deß-
halb fallen, jetzt will unſer Miniſterium die Revolution in Schleswig - Holftein
leugnen, ſo mag es denn auch fallen. Simon weiſt darauf die Inkonſequenz
der Majorität aug ihren eigenen Worten nach; er widerlegt ſie Schlag auf
Schlag zum großen Jubel der Gallerien und der Abgeordneten. Statt in Ita-
lien, Jagt er ferner, einen völkermörderiſchen Krieg zu führen, ſollten wir un-
ſere Kraft konzentriren, und unſere Brüder im Norden befehlißen. In Preußen
ſind die Feinde der Einheit auch die Feinde der Freiheit. Wenn die Preuhen
aufhören deutſch zu ſein, dann werden noch mehr Preußen aufhören, preußiſch
zu fein. Unaufhoͤrlicher Juͤbel. Lichnowskh wird oft durch Zwiſchenruf unter-
brochen und unterbricht ſich noch mehr durch häufige Sprachfehler, 3. B, Fein
Geld nicht, ich begebe mich auf dieſem Standpunkte.“ Er ſucht die vorigen
Redner zu widerleßen, wenn auch mit vielem Mißgeſchick und ſchließt ſich der
durch Schubarth vertretenen Minorität an. Schmerling: Das Miniſterium
wird zurücktreten, ſobald das Majoritäts-Gutachten des Ausſchuſſes angenom-
men wird. Wurm ſtatt des Berichterſtatters Dahlmann weiſt nach, daß Preußen
die Centralgewalt ignorirt und die deutſche Sache verrathen habe. Wir haben
jetzt nur zu wählen zwiſchen der Achtung Deutſchlands und dem Kriege mit
dem Auslande. *
Hiermit ward die Verhandlung geſchloſſen, und findet zunächſt die nament-
liche Abſtimmung über den Antrag von Schubarth und Conſorten Statt, 244
Siimmen ſind dagegen, 230 dafür. Es wird ſchon dunkel, das Büreau und
die Miniſtertiſche werden bei der zweiten namentlichen Abſtimmung über den
Ausſchuß-Antrag erleuchtet. 238 Stimmen ergeben ſich für denſelben, 221 Stim-
men dagegen uud ſomit durch die Majorität von 17 Stimmen der Abtritt der Mini-
ſter dekrelirt. Endloſer Jubel, der ſich bis auf die Straßen fortpflanzt. Schluß
der Sitzung um 7 Uhr, nächſte Sitzung am Donnerſtag. (R. D, 30

DeutfHland.

T Mannbeim, 7. Septbr. Immer und immer wieder Gerüchte von
Freiſchaaͤreneinfällen, an welchen kein wahres Wort iſt, welche aber nichtedeſto-
weniger von Blättern von der Kategorie des Frankfurter Oberpoſtamtlichen
Reichscentralorgans begierig aufgegriffen und weiter getragen werden. Waͤnn

*


 
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