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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0779

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Rebellion und Verrath!

4 Laum iſt die deutſche Centralgewalt gegründet, kaum hat der Reichskriegs-
miniſter einen erſten Schritt gethan, und ſchon ſteht die ſchwarzweiſe Reaktion
mit drohenden Gebärden auf. Was iſt denn Das? Die Centralgewalt iſt doch
von einer „wohlmeinenden“ Majorität des Parlamentes gewählt; der ver-
rätheriſche Bundestag ſogar war ſchon vor der Wahl mit Johann zufrie-
den; die Regierungen übertrugen {a mit Vertrauen alle Befugniſſe ihrer
Bevollmächtigten an den öſterreichiſchen Prinzen; Johann nahm die Centralge-
walt ausdrücklich als „von den Regierungen übertragen“ an; der Herr von
Schwerling war Präſident des alten Bundestages und iſt Anhänger Metternich's;
der Reichskriegsminiſter und preußiſche Generalmajor Herr von Peucker war
Vorſitzender der Militärkommiſſion des Bundestages; es wird Nichts verlangt,
alg daß die „Bundestruppen/, dem Erzherzog ein Hoch ausbringen — und
ſiebe da: Preußen „xblickt in dieſer ärmlichen Forderung einen anmaflichen
Uehergriff der Centralgewalt. Der aite Preußengeiſt tritt mit feinen verz
ſchollen geglaubten Beſtrebungen keck auf. Er ſpricht von einem Preußen ge-
genüber dem „deutſchen RNMeiche“; er „empöxt“ ſich darüber, daß kaum ein Unz


deck; er nennt den Gehorſam gegen die Centralgewalt eine „Begebung aller
xaterlaͤndiſchen Ehre.“ Mit haßvollen Worten wird die Maffe gegen den
Seſterreicher aufgeſtachlet; macchiavelliſtiſch wird ihr vorgepredigt, es fei Dahin ge-
Jommen, „daß ſich das VBolk durch ſeinen 18. März zum Diener Defterreichs


fall von Beutſchland, mit einem Krieg der Norddeutſchen gegen die
Süddeutfhen. ‚
; Das iſt Rebellion und Verrath!




*




Angriff gegen die Centralgewalt zu machen. Mag der Neid Und die Eiferfucht

Kitifche Nothwenbdigkeit, Bor biefer *
orert ur en Hintergrund treten.
einen Damm gegen die Revolution zu
damit ſie nicht der Revolution den Bo
einer Scheinniederlage des rebellirende
volksthümlich haͤlten und die Forderun
Mittlerweile wird aber der reaktioſire Sondergeiſt auferzogen. Die deut-
ſchen „Stämme“ werden hintereinander hehetzt, um ſich zum Vortheil des Abſo-
ſitismus zu zerfleiſchen. Die alten Erinkerungen an die Zeit, wo der preußiſche
Soldat am Herzen des Oeſterreichers nagte, werden wieder hervorgerufen, der
Haß wird geſchürt, um die Unmöglichkeit eines einigen Deutſchlands zu zeigen.







rntratgewalt ſett vehatten werbang am
en; ſie ſoll abex nicht geſtärkt werden,
ebne. Mit einem Scheinangriff und
heils will man die Reichsverweſung





Nſtecken. Die treulofen Diplomaten, welche ihre Ergebenheit für den Iunſchwunz

4 Dinge geheuchelt haben, hetzen wieder an der Soldateska, an allen reaf-

7


Die Hreiheitöliebe, welche in den Februartagen im



Vorurtheile der einzelnen Stämme hegt und pflegt. Der Nutzen der einſtwei-
Tigen Erholtung einer Centralgewalt, der Nußen eines Scheinangriffes und der
Nutzen einer Aufſtachelung des ſepaxatiſtiſchen Geiſtes — ſo denten die Diplo-


thieen und der Anfang einer großen ſonderbündleriſchen und militäri-

welche das Volt in den Märztagen bewies! Die alten, verruchten Diplomars
ten arbeiten wieder munter — mögen ſie zuſehen, daß ſie ſich in —

ſuͤngen nicht täuſchen! E ; !

54. Sitzung der konſt. Nationalverſammlung.
Donnerſtag, 3. Auguſt. 1848. *

Die Sitzung begiunt immer wieder erſt A10 Uhr mit Verleſung des Pros
wkolls. Nach deſſen Genehmigung erhält Wernher aus Nierſtein das Wort,
um die Dringlichkeit eines von ihm eingebrachten Antrages zu begründen , daß
bie eingehenden Urlaubsgeſucht, deren Zahl in nNeuefter Zeit in bedenklicher
Weiſe zugenommen, an einen beſondern Ausſchuß überwieſen werden möchten.

Bei der hierüber entſtehenden Debatte geht Sommaruga ſo Weit, eine
Controle über die Anweſenheit der Abgeordneten zu verlangen, wird aber von
Bogt gebührend zurechtgewieſen. Der Antrag Wernhers wird verworfen, da-



kellt der Bericht zuerſt die Frage guf, ob Hecker kechtsgültig gewählt werden

7


den: Waffengewalt, fremde Hülfe, Proelamation der Republik zu einer Zeit,
wo man ſchoͤn darauf bedacht geweſen, die errungene Freiheit (22) geſetzlich
gu ordnen 2ꝛc./ woraus der Ausſchuß vollendeten Hochverrath gegen Baͤden


oftaufſchlag.
— Briefe und Gelder: frei einzuſenden.







— — — — —0-

frachte, und deshalb Hecker für paſſiv wahlunfähig erklärt. Allein Heckers

Unternehmen ſei auch gegen ganz Deutfchland gerichtet gewefen, indem er Re-

publik und Vernichtung der Fürſtengewalt für gaͤnz Deutſchland beabſichtigt

yahe. Jeder Deutſche habe die Pflicht gehabt, ſich der Voltsverſammlung zu
unterwerfen und ihre Beſchlüſſe geduldig abzuwarten, wer dies nicht thue, wie

Hecker, ſei Hochverraͤther an der Souveränität des Volks und deßhalb nicht

fähig als Volfsyertreter in die gegenwärtige Verſammlung einzutrelen. Dem-

nach ſei Heckers Wahl ungültig und eine neue anzuordnen. Die Anſicht der
hadiſchen Regierung, daß der, welcher nach Hecker die meiſten Stimmen erhaͤl—
ten (Buhl) als gewählt zu betrachten, wird verworfen und deshalb die Aus-
ſchreihung einer neuen Wahl beantragt. Die Nationalverſammlung nimmt den

Bericht ſchweigend bin, nur von der Seite, wo Mathy ſitzt, ertoͤnt ein ver-

einzeltes Bravo, welches ein allgemeines Ziſchen hervorruft. n
Die Verſammlung geht zur Fortfeßung der Berathung der Grundrechte

An der Reihe iſt S. 7, er fautet! ; f

Die Freiheit der Perfon iſt unverleglich:

Niemand darf feinem geſetzlichen Richter entzogen werden, Ausnahmge-

richte ſollen nicht ſtatifinden.

Die Verhaftung einer Perfon ſoll — außer dem Fall der Ergreifung auf
friſcher That — nur geſchehen in Kraft eines richterlichen, mit 8
den verſehenen Befehls. / .

Diefer Befehl. muß im Augenblick der Verhaftung oder ſpaͤteſtens 24

_ Stunden nachher dem Verhafteten vorgewiefen werden. .

‚, NMachdem die zu dieſem ‚S eingereichten Amendements verleſen worden,

nimmt v. Künßberg die von ihm geftellten für die erſte Berathung zurüd. _

Leue ſpricht über Wichtigkeit der Unverletzlichkeit der perſönlichen Kreiheie
findet aber die Faſfung des Entwuͤrfes nicht genügend und * daher
ſchriftlich mitgetheilte Fafung, wobei er inté“ſſante Vi-
theilungen über die Gewalt der Polizei aus feinen amtlich-«eFahrungen gibt.
Reichenſperger vertheidigt in fehr langer enn Amendement gegenüber

dem Entwurf des Ausſchuſfes und dazu gehörigen Minoritäts-Erachten.

Mittermaier nimmt eivee Cheil ſeiner Amendements zurück und empfiehlt







über.


mehr Schuldige beſtraft, nixgends ſeien die Proceſſe von kürzerer Dauer, nir-











ſich in Deutſchland an Mancheß, weil man zu fehr in das alte Polizeilyftem


in den Vorſchriften für die Vorunterſuchung, und darum ſei dieſe hier daͤs
Wichttgfte Deshalb beharrt er auf ſeinem Amendement in ſoweit es auf Ver-
nehmung jedes Gefangenen in den erſen 48 Stunden unter Mittheilung ver
Anſchuldigungsgründe geht, und verwähbdet ſich mit ſchlagenden Gründen für
eſchuldigte ſoll gegen Caution ‚entlaffen
pande widerſpricht, als ſei dieſe nur
er Arme finde in Englaud Bürgen,
ſchen die Bürgſchaft zů Gunſten des
Angeklagten herxorrufe, liege ſowohl Sicherheit des Staates gegen eine
Entweichung deſſelben, als der Schutz filhenen feloſt. 744
„ Nauwerf vertheidigt ſeine zwei Anträge, von denen der eine die Unterſu-
Oungsbaft nur ven dringendem Verdacht abhängig machen ſoll, der andere auf
Beſeltigung der Schuldhaft geht, die der Humanität des gegenwärtigen Jahr
hunderts entgegen ſei. Sie nütze dem Gläubiger nichts, befriebige nur feine
Nadhe, dem Schulpner entziehe fie das letzte Mittel, ſich von der Schuld zu he-
habe aber ein ge-





werden), wobei er namentlich dem Ein
ein Schutzmittel für die Reichen Auch

wichtiges Intereffe daran, daß letzteres nicht geſchaͤhe.
Grävell moͤtivirt einen von ihm geſteliten Antrag,

Sr 4 wie gewöhnlih mit lei
ſer Stimme, und in einem Vortrage,

in dem Länge und Langweiligkeit zu weite

Freudentheil verlangı Schuß gegen willtürliche polizeiliche Verhaftung und
will daxum, daß nach dem Beiſpiel Englands der Verhaftete eine richterliche
Entfheidung üher Fortdaucx odet Aufhelung der Haft verlangen Könne, und
ſchließt ſich übrigens dem Reichenſpergeriſchen Antrag an. *
Werner (von Coblenz) will die Frage über die Schuldhaft von der Bexa-
thung über die Grundrechte ausſchlicßen, vornehmlich des nachtheiligen Einfluf:
fe® wegen, den ihre Aufbebung auf den Faufmänntichen Crevit auhern Fönnte,
Eben ſo erflärt er ſich gegen das andere Amendement Nauwerks, welches zu
tief in die Selgſtſtändigkeit des Richterſtandes eingreife. Außerdem beantragt
er, im zweiten Sag des Entwurfes noch das Verbot augerordenılicher Commiſ-


gen und doch ſo weſentlich und nachtheiliz auf die Unterſuchung gewirkt habe.
Auch in Frarkreich habe man ähnliche Erfahrangen gemacht. —
.. Sypag verlangt, daß neben der Unverleglichfeit der perfönlihen Freiheit
auch ihre Unveräußerlichkeit ausgeſprochen werde; ſowie, daͤß die Beftimmung,


*

Adams beantwortet im Allgemeinen den Commiffionsantrag findet aber


— Schneider (aus Wien) trägt auf Schluß der Debatte und Verwerfung der
ſämmtlichen Amendements an; die Verfammlung habe ein Verfaſſungswerk in
ſeinen Grundzügen zu entwerfen und nicht ſich auf Einzelnheiten elnzuͤlaſſen.
— Die Debatte wird hiexauf, mit Ausnahme der Minoritätsanträge auf Ab-
ſchaftung der Todesfirafe, der körperlichen Züchtigung und der Schüldhaft, für,
gn E — * *
ELereue ſpricht ſich gegen das vierte Minoritäts-Erachten aus: „die Todesſtrafe
für die politiſche VBerbrechen iſt abgefchafft,“ —— ——
Scheller empfichlt die Abſchaffung der körperlichea Züchtigung und der Tedes


 
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