11 Die Machinativnen in Potsdam.
Friedrich Wilhelm hat ſich offenbar in dem Gang der Berliner Exeigniſſe
verrechnet. Die Anlage ſeines Planes zielte jedenfalls dahin, für die gewalt-
fame Unterdrückung der vorhandenen Volksfreiheit wenigſtens einen Schein von
Recht auf ſeine Seite zu bekomwen. Es wird der Anfang gemacht mit der
Nationakverfammlung; „die Nationalverfammlung berathet nicht frei?; xyſie
ſteht unter dem terroriſtiſchen Einfluß einer anarchiſchen Volksmenge, die den
Sitzungsſaal umlagert“; „eine Vereinbarung kann auf dieſem Wege nicht zu
Stande kommen.“ Genügende Veranlaſſungen zu einem Gewaltſtreich cergeben ſich
übrig ? Die Nationalverſcinmlung muß auf's Land. Die Werkzenge, um die-
fen Schritt vollführen zu helfen, finden ſich. Jetzt heißt es zur Nationalver-
fammlung: Fort nach Brandenburg. Die Nationalverſammlung weigert ſich.
Das mochte vielleicht im Voxaus ſchon als Möglichleit aagenommen wer-
den; aber ein Conflikt war jetzt jedenfalls gewonnen. Das Recht des Königs
nuf Verlegung der Nationalverſammlung, konnte zur Noth als eine Streitfrage
geltend gemacht und dadurch der Vorwand zu eigem weitern gewaltſamen Schritte
abgeleitel werden. Nahm das Volk für die Nationalverſammlung Partei, ſo
ſtand in nächſter Ausſtcht eine Revolution, mit welcher dann die 50,000 Mann
und 200 Feuerfchlünde um Berlin herum für's erſte wohl ſchon fertig gewor-
den wären.
Friedrich Wilhelm hätte dann über die -Anarchie“ geſiegt und eine contti-
tutionelle Regierung nach centralgewaltlichem Muſtex hingẽſtellt. Gegen alles Ex-
warten ſind die Berechuungen fehlgeſchlagen. Die Truͤppen rücken in Berlin
ein; Berlin bleibt ruhig. Die Nationalverſammlung wird aus dem Schauſpiel-
haus vertrieben; Berlin bleibt ruhig. Die Herren in Potsdam ſutzen; es will
Kanonen iſt aufgerüct und wartet auf die Revolution; die Monarchie hat ſich
entſetzlich blamirt. Wie aus dieſer Verlegenheit, aus dieſer Vexwirrung ſich
herausziehen? Wieder zurück zu gehen, das iſt nicht mehr möglich, und jeder
Schritt vorwärts macht' die Beſchämung ärger; der Mißeredit, zu dem die
Moͤnarchie herabſinkt, iſt zum Verzweifeln. Es iſt kein anderes Mittel mehr
taucht auf einmaͤl die ſeit der letztey Zeit faſt vergeffene Geſtalt des Prinzen
von Preußen wieder hervor. Die räthſelhafteſten Geruͤchte laufen über den Prin-
Prinz von Preußen befindet ſich in Potsdam; er iſt aber entzweit mit dem
Koͤnige, er mißbilligt durchaus die Schritte des Königs.“ So ging es durch
die öffentlichen Bläiter hindurch.
Wer merkt hier nicht die Abſicht, den Prinzen wieder intereſſant zu machen,
die öffentliche Meinung auf ihn hinzulenken, die Gedanken des Volkes mit ihm
König beabſichtigt zu Gunſten des Prinzen v. Preußen die Krone niederzulegen.
Sffenbar iſt ctwas im Werke mit dem Prinzen von Preußen, Wie fann man
im Ernſt daran glauben, daß der Prinz von Preußen die Maßregeln des Kö-
commando in jener verhängnißvollen Mäxznacht, denkt man nicht an die plan-
vollen Intriguen des Junkerthums, das ſeine ganzen Hoffnungen an die Perſon
des Prinzen von Preußen knüpfte, als der König noch zauderte, mitſeinen ahſolu-
tiſiifchrn Geſinnungen wieder hervorzutreten? Und doch ſcheint es faſt, als ſei
ein Theil des Voltes wirklich geneigt, in die Falle zu gehen. Lefen wir ja,
haben, die Hohenzoͤllern würden ihr Herrſcherrecht aufrecht zu erhalten ſuchen,
aufgeführten Geruͤchten und Andeutungen zuſammenhält, indeß iſt der Wider-
im Gauzen fehr allgemein, eythält weder eine Zuſage noch eine Abweiſung und
Db das Gerücht einen wahren Grund hat oder nicht, bleibt einſtweilen dahin
günftige Löſung des Streites iſt ſicher zuuächſt darauf berechnet, eine niederſchla-
gende Wirkung auf die Bewegung der Provinzen auszuüben. Man wird für-
nicht, ſo wird Friedrich Wilhelm im ſchlimmſten Falle ſich ſuchen noch mit hei-
Wilhelm zur Lächerlichkeit gewordene Monarchie, wieder zu gutem Rufe zu brin-
Deutſchland.
Karlsruhe, 19. Novembex. Der Mutige Same, den der Henker
Prags und Wiens, der Mörder Robert Blum's geſät, beginnt allbereits
in den Herzen des deutſchen Volkes hoffnungsvolle Keime zu treiben. Fürwahr,
cg bedurfté einer Schauderthat, wie der an Blum verübte Mord, um das
wohlgeſinnte Michelthum aus ſeinem Vertrauensſchlummer aufzureißen. War
das Mıttel ein fchrecküiches — wohl, um ſo nachhaltiger wird es wirken Das
Volk trauert — aͤber ſeine Feinde werden wahrlich nicht Lange mehr jubeln.
Auch hier trauert das Volk. Auch hier beginnt der Bürger zu erwachen
und fühlt in ſeiner ganzen Schwere das Gewicht der ungeheueren Thatſache:
„cin unverleglider Bertreter der deutſchen Natior ift auf
Deutfchem Boden durch einen deutſchen Heerführer unter dem
Schein des Geſeges gemordet!! In einer großartigen, für Carlsruhe
ſehr bedeutſamen Demonſtration gab beute dieſes Gekühl ſich kund; ein unab-
ſehbarer Zug, an der Spitze die Turner mit ihrer Fahne, zahlreiche Bürger-
wehrmänner in ihren Uniformen daxunter, bewegte ſich in ernſter Haltung durch
ken des erſten deutſchen Volksvertreters zu ehren, der ſeine Treue mit ſeinem
Blute beſtegelt. — Trauergeſänge wechſelten mit kurzen, ergreifenden Worten,
die von cinigen Bürgern zu Ehren des Todten geſhrochen wurden. Den tief-
der Nationalverſammlung, ſeinem gemordzten Freunde hielt.
„Meine Freunde — begann er — die Gräber ſchauen zu uns empor, als
wollten ſie ſagen: kommt herab zu uns und vergeßt Euren Schmexz. Fürwahr-
Monate, feit das deutſche Volk ſeine Feſſeln von ſich ſtreifte, und ſchoͤn ge-
lang es ſeinen Feinden, ihm neue Ketten anzulegen. Zerſchlagen ſind die Ge-
ſetziafeln der deuͤtſchen Reichsverſammlung, und mit frechem Uebermuth wurde
zelireten das Pergament, worauf geſchrieben ſtand: heilig und unverletzlich ſind
die Vertreter des deutſchen Volkes! Und das geſchah in der deutſchen Kaiſer-
ſtadt, es geſchab in Folge eines Martialgeſetzes, das von der öſterreichiſchen
Reichsverfämmlung für nichtig erklärt worden; es geſchah im Angeſicht der
reutfchen Nation, die es geſchehen ließ, weil ſie es leider nicht hindern kannte.
Sind das die Früchte der männlichen Erhebung des deutſchen Volkes? Irägt
es darum mit eiferner Geduld die bitterſten Entbehrungen? Gabees deßhalb
in den Märztagen das Beiſpiel der unerhörteſten Mäßigung, damit
feine ebeljten Sühne gemordet 0 '
Aus jedem meiner Biutstropfen — das waren die letzten Worte des edeln
Robert Blum — wird ein Märtyrer der Freiheit erſtehen! O möchten ſeine
Worte eine Wahrheit werden! — Faſſe dich muthig ob meines Schidfals, ich
ſterbe für die Freiheit — ſo fautete der Scheidebrief, den Robert Blum an
feine Gaͤttin ſchrieb; faſſe dich muthig ob deines Schickſals und lebe und ſtirb
für die Freiheit, das find die Worte, die wir täglich und ſtündlich dem deutſchen
Volke zurufen wollen. Und erhebt ſich einſt am blauen Horizont die goldene
Sonne deutſchen Freiheit und Einheit, dann, meine Freunde, vergeßt nicht des
edlen Mannes, deſſen Blut für uns alle floß!“ —
Die Feier verlief ohne die mindeſte Störung, ſo wenig es auch einige
Nichtswürdige an Verſuchen dazu fehlen ließen. Vor ihrem Beginn wurde
Alles aufgeboten, um fie zu hintertreiben; die Plakate, worin zur Theilnahme
aufgefordert war, wurden von den Straßenecken abgeriſſen, aus den Wirlhe-
häufern entwendet. Im Carksruher Tageblatt, deſſen „Redakteur , ein gewiſ-
Vertrauen nicht hergeſtellt werde. ; ;
Ja man ſcheute ſich ſogar nicht, den gemordeten Blum im Grabe noch zu
verleumden, um zum Zweck zu gelangen; durch die Lüge, derſelbe habe die
Republik mit Gewaltmitteln einführen wollen, ſuchte man im „Tageblatt- die
Bürger einzuſchüchtern, während Blum ſich gerade gegen die gewaltfame Ein-
führung jener Staatsform erklärt hatte. Aber auch noch auf dem Kirchhof,
Weiſe, ſie zu ſtörex. Geſchrei und Pfeifen aus ſichexer Ferne ließ ſich mehr-
fach vernehmen; ein Individaum, das die Zunächſtſtehenden alg einen Hofſe-
kretär Lauer bezeichneten, ergoß ſich in den unwürdigſten Schimpfreden gegen
die Theilnehmer an der Feier. — Alle dieſe Provokalionen aber ſcheiterten an
zu ſehr durcherungen waren, um dexgleichen eine Beachtung zu würdigen.
Der beſſere Geiſt der ſich allmählig, beſonders unter dem jüngeren Theil
geben, daß wir dieſen Tag der Trauer um den edlen Märtyrer deutſcher Frei-
jeit zugleich als einen Tag freudiger Hoffuung bezeichnen dürfen.
‘ TI Barlsruhe, 19. Rov. In den drei letzten Sitzungen der zweiten
Kammer war das Geſetz über Beſoldung und Penſionirung der Staatoͤdiener,
wie es aus den Händen der Commiſſion hervorgegangen war, der Gegenſtand
einer gründlichen Berathung, die geſtern faſt den ganzen Tag einnahm und de-
ren endliches Reſultat darin beſteht, daß vorläufig Alles beim Alten bleibt.
Dem Beamtenthum verbleiben ſeine Beſoldungen und Penſionen ungeſchmälert,
bis es Gott gefällt, daß ein neues Geſetz vorgelegt und nicht verworfen wird
— wenn ſie nicht inzwiſchen eines ſchönen Tages ganz ausbleiben, weil das
Volk ſie nicht mehr zahlen kann. Bis jetzt iſts Goltlob immer noch ſo ziemlich
herausgefloſfen, hat nur ein bischen Drückens gekoſtet.
Dieſen gefürchteten Moment, der freilich ſonſt noch allerlei Unannehmlich-
keiten im Gefolge haben möchte, nach Möglichkeit in die Ferne zu rücken oder
— was freilich ein bischen ſanguiniſch lautet —. ganz abzuwenden, wollte man
dem Volte wenigſtens den guten Willen zeigen, ſeine Laſt um Einiges er-
leichtern. Man wollte, wenn auch vorerſt nicht die Zahl, doch des Maß, be-
ſonders der hohen Beſoldungen und Penſionen hekabſetzen. Aber auch dieſer
Schaͤtten einer Erleichterung, dieſes Palliativmittel konnte nicht durchgeſetzt wer-
den — ein Beweis, wie leicht das Intereſſe des Volkes bei vielen ſeiner Ver-