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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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— — — —
Aponnement in Mannhei ierteltä 8
2 —— — im vierteltährlich 1 M. 24 fr., durch die Poſt bezogen in ganz Baden
1848. { äältcfiab{g@ 2 30 im _ Ausland erböpt fich das Abonnement unı den Poſtaufſchlag.
Inſerate die gefpaltene Zelie in Petitfehrift oder veren Raum oier Kreuzer. —— Briefe und Gelder: fret einzufenden.
. —

!] Die Wendung der Wiener Ereigniſſe.

„Der Kaiſex hat das Heft in der Hand.“ Dieſe Worte bezeichnen den
unmittelbaren Eindruck, den die Nachrichten aus den letzten Tagen über den
‚Stand der Wiener Ereigniſſe zuſammengenemmen machen müſſen. Der Reichs-
tag hat gezoͤgert und gezögert, unterhanbelt ‘;“D Wieder unterhandelt, während
die „friedlichen“ Abſichlen des Kaifers und der Camarilla durch die fortwährenden
Truppenanhäufungen unter den Mauern Wiens bereits deutlich, genug erklärt
Far. Die Umfehließung der Stadt riſt nunmehr vollendet; die Ungarn, die
Tange genug ſchlagfertig daſtanden und das Zeichen 3zum Angriff erwarteten,
find erdlich der Sache müde geworden und haben den Rückzug angetreten; die
Unterſtützung des Landſturms, der zu kräftigem Schutze der Stadt aufzuſtehen
hereit waͤr ift durch die rings umhexlagernden Heeresmaffen Freitelt; die Na-
lionalgarden in der ganzen Umgegend Jinb eytwaffnet, das Militär, beherrſcht
alle Wege und Zugaͤnge zur Stadt, und iſt in den Stand geſetzt, jegliche be-
waffnete Zuzüge, die qus den Propinzen herankommen, aufzuheben. Die Pro-
vinzen felbft, die für ſich allein unfähig ſind, in einzelnen zerſtreuten Schaaren
den' Kampf mit der bewaffneten Macht auch nur mit einigem, Erfolg zu verſu-
chen und blos durch Unterſtützung der Hauptſtadt, ein enticheidendes Gewicht
auszuüben vermögen, ſehen ſich, nun von jeder thätigen Theilnahme an der
weileren Entwicklüng der Ereigniſſe ausgefchloffen; die Bewegung hat dadurch
an ihrer Ausdehnung verloren, die Kraft iſt ihr befehnitten ; fie iſt nunmeht


Fehoͤrigen Vorbereitungen ſind beendigt; der Schlag kann jetzt geführt werden.

Ueber die dermalige Geſinnung des Kaiſers geben deſſen letzte Proklama-
tionen, die nichts weniger als eine verſöhnliche Stimmung athmen, genügen-
den Auffchluß. Er ſpricht darin „von dem Tummelplatz der wildeſten ünd ver-
worfenſten Leidenſchaften, von der Schreckeysherrſchaft in Wien, von der hoch-
verrätheriſchen Verbindung mit einer im offenen Aufſtande hegriffenen Nachbar-
provinz;“ er verkündet den Entſchluß, in ſeiner Reſtdenzſtadt und wo ſich ſonſt
der „Auirnhr“ zeigen ſollte, mit Anwendung der Waffengewalt die „Ruhe“ und

her mit zügelloſem Mißbrauche gehandhabten Preffe, des Bereinsrechts und der
Volkswehr“ durchzuführen. Wie können dieſe Worte durch die Verſicherungen,
daß „die gewährten Rechte und Freiheiten in ihrex ganzen Ausdehnung“ unge-
ſchmälert bleiben ſollen, aufgewogen werden? Wer an dieſer Sprache des
Kaiſers noch nicht genug hat, dem muß doch wohl die Ernennung des Für-


Augen öffnen.

Es iſt nur allzuklar, der Kaiſer hat eine Züchtigung, eine fürchterliche

Züchtigung Wiens beſchloſſen. Die gugenblickliche Lage des, Kaiſers iſt der
Irt, daß die Anträge zur friedlichen Löſung des Streites, die der Gemeinde-
rath und die Nationalgarde geſtellt hat, weit eher geneigt ſind, die Er-
bitlerung deſſelben zu nähren, als herabzuſtimmen; ebenſowenig läßt ſich vermu-
then, daß Erzherzog Johann eine Vermittlung zu Gunſten des Volkes erreichen
oder auch nur verſuchen wird; denn die Stimmung in Frankfurt über die Er-
eigniſſe zu Wien iſt, ſo weit ſich dieſelbe zu erkennen gegeben hat, dem Kaiſer
entſchieden vortheilhaft, abgeſehen von den beſonderen Rückſichten, die hier noch
mit in's Spiel kommen. Der Kaiſer hat ſeine Auffaſſung der Verhältniſſe kund
gegeben, er hat durch deren bisherige Entwicklung eniſchieden gewonnen; er
kann ſich daher wohl in dem Stande fühlen, Unterwerfungsbedingungen vorzu-
ſchreiben; annehmen wird er ſolche nicht; er muß den dis dahin betretenen
Weg weiter gehen; ein Nachgeben würde ihn als den ſchwächeren Theil hin-
ſtellen. Der Kaiſer ſpricht von Anwendung der Waffengewalt wie von einer
Strafe; er ſtellt nach Vollzug dieſer Strafe die Beſchräukung der Preſſe, des
Vereinsrechts, der Volkswehr in Ausſicht. Man kann aus dieſen Neußerungen
ungefähr einen Schluß machen auf den Preiß, um welchen die Erlaffung der
Strafe erkauft werden könnte. Die Bedingungen werden hart, ſehr hart lau-
ten; wir kennen ſie noch nicht mit Beſtimmtheit, allein es wird Niemand zu
weit gehen, wenn er den Nachrichten Glauben ſchenkt, nach welchen die Annah-
me Windiſch⸗Grätz's als Kriegsminifter, Purification der Nationalgarde, Puͤ—
rification der academiſchen Legion, Entwaffnung des Noletariats, Aufhebung
aller demokraͤtiſchen Vereine gefordert werden folle, Wir fügen noch als Zu-
gabe bei: Bel gerungszuſtand auf unbeſtimmte Zeit; und ob dies Alles ſein
wird, das bleibt immer noch eine Frage. So viel muß klar ſein, daß den Wie-
nern nach dem jetzigen Stand der Verhältnifſe jede Ausſicht auf einen günſti-
gen Vergleich entzogen iſt; es bleibt hier nur noch die Wahl zwiſchen einer
ſchimpflichen Unterwerfung und einem heldenmüthigen — Daß. es von
Faiferlicher Seite darauf abgefeben iſt, zu der erſtexen die Bürgerſchaft Wiens
zu zwingen, verrathen die bisherigen Operationen des um die Stadt liegenden
Militärs. *

Man ſieht aus denſelben, wie jene Verſicherungen gemeint waren, nach de-
nen ein Bombardement der Stadt, wofern dieſelbe nicht angriffsweiſe vexfahre,
keineswegs geſchehen ſolle. Es wird ihr dafür die Zafuhr abgeſchnitten, fie foll
vuͤrch Hunger zur Uebergabe gezwungen werden. Wud der Kaiſer ſeinen Zweck
erreichen, wird ſich die Stadt den Bedingungen, welche er vorſchreiht, geduldig
unterwerfen? Es läßt ſich darauf noch keine Antwort geben, aber darüber
wird wenigſtens kein Zweitel ſein können, daß eine Unterwerfung, durch welche
ein namhafter Theil der Bevölkerung, das ganze bewaffnete Proletariat, die
Studentenlegion, ein Theil der Nationalgarde leiden müßte, einen neuen Sturm
innerhalb der Mauern der Stadt yervorrufen wird. Vielleicht aber iſt es auch
gerade die Maßloſigkeit der kaiſerlichen Forderungen, welche die geſammte Ve-
Zoͤlkerung zu einem einmüthigen und entſchloſſenen Widerſtande hintreibt. Die
“Lage Wieng hat ſich in den letzten Tagen allerdings verſchlimmert, allein ſie iſt
noch keineswegs verzweiflungsvoll; die militäriſchen Mittel, übex welche die
Staͤdt gebietet, ſetzen dieſelbs immerhin in den Stand, den Kampf mit Erfolg





aufzunehmen; nicht der Ausgang, nur die Größe und Zahl der Opfer rechtfer-
tigt ein Bedenken.

Deutſch land.

*- Mannheim, 27. Oet. Von hier aus wurden wiederholt Nachrich-
ten von Unruhen, Steuerverweigerung, Beamtenverjagung ꝛc. über Alzei und
andere Orte Rheinheſſens ausgebreitet Das „Mannh. Journal“ machte damit
den Anfang; man erklärte ſo die Beſetzung jener Orte durch „Reichstruppen., welche
Beſetzung | allerdings ſchwer erklärlich und nicht zu rechtfertigen iſt. Die
„deutſche (Schand- und Lügen-) Zeitung“ nützte natuͤrlich den Anlaß zu ähnli-
chen Verdächtigungen jener Gegend und das Frankf. Journal will ebenſowenig
damit zurückbleiben; es meldet auf's Neuet „Wie in Alzei, ſo ſind auch in
Worms wegen Steuerverweigerung Unruhen ausgebrochen und Reichstruppen
dahin beordert., Dieſe Unruhen ſpucken aber alle nur in den Koͤpfen unferer
Neichscentralpolizei- Intriganten und die in Worms erſcheinende „Neue
Zeit“ bemerkt darum nun Folgendes:

„Augenſcheinlich iſt dieſe Nachricht aus derſelben Fabrik, welche die Alzeyer, Wörrſtad-
ter und Oberingelheimer Emeutenberichte liefert, denn es iſt doch nicht anzunehmen , daß
man in dem in ſtündlichem Verkehr mit uns lebenden Mannheim ſolchen aus der Luft ge-
griffenen Gerüchten glaubt, und ſie ohne Weiteres nach Frankfurt befördert. Wir vermu-
then hinter dieſen Correſpondenzen etwas ganz Anderes und verſichern unſere Leſer, daß das
—— zur Ermittlung des Verbreiters ſolcher niederträchtigen Lügen einge-
eitet iſt.

LKarlsrube, 25. Okt. Zu Anfang der heutigen Sitzung der IL Kam-
mer legte Generalauditor v. Jagemann den Entwurf eines definitiven Ge
ſetzes über Anwendung des Standrechts vor, welcher ſofort an die Abthei
lungen verwieſen ward.

Unter den eingelaufenen Petitionen befinden ſich 6 der Gemeinden Aglaſter-
hauſen, Breitenbronn ꝛc. angezeigt vom Abg. Junghanns, welche fämmt-
lich die Auflöſung der Kammer und Berufung einer Konſtitu iren-
den verlangen, da die jetzige Staatsgrundverfaſſung den Bedürfniſſen der Zeit





lich aufgehoben wiſſen. Mehrere Petitionen in gleichem Betreff werden
vom Sekretariat angezeigt, deßgleichen zahlreiche Amneſtiepetitionen von
den Abg. Junghanns und Berger und Lom Sekretariat, außerdem vom Letz-
tern eine Eingabe des Gemeinderaths und Bürgerausſchuſſes in Mannheim um

Beſeitigung der drückenden Einquartirungslaſt.
Junghanns interpellirt ſofort den Miniſter des Innern über die ver-


verſammlung gewählten Abg. Werner, und ſiellt die Fraje, was diefer Ab-
ſendung entgegen ſtehe, worauf Staatsrath Bekk erwidert! dieſelbe ſei bereits
erfolgt. Eine weitere Interpellation des Abg. Mez betrifft mehrere im Reichs-
geſetzblatt promulgirte Reichsgeſetze, deren im bad. Regierungsdlatt noch nicht
Erwähnung geſchehen. Der Interpellant iſt der Anſicht, daß die beſondere Pub-
likation jedes einzelnen Reichs-Geſetzes unterbleiben könne, wenn im RegBl.
ein für allemal geſagt werde, daß jede im Reichsgeſetzblatt promulgirte Ver-
fügung in Baden verbindende Kraft habe. R

Bekk entgegnet, daß die Regierung beſchloſſen habe, alle ſolche Geſetze
ſofort im nächſten Reg. Bl. einzeln zu verkünden.

Die Kammer fährt ſodann fort, das Sefeg über die Verwaltungsbehoͤr⸗
den zu berathen. — Der S. 22. der die einzelnen Competenzgegenſtaͤnde der
Bezirksausſchüſſe aufzählt, wird heute endlich zu Ende gebracht und zu dem
Art. 12 dieſes S. wonach die Geſuche und Anträge um Verleihung von Wirth-
ſchaftsrechten und Gewerbsconzeſſionen, ſo weit es ihrer geſetzlich bedarf und
nicht die Entſchließung des Miniſteriums des Innern einzuholen iſt, dem Be-
zirksausſchuß vorgelegt werden, der Zuſatz von Metz angenommen: „Wo die
Entſcheidung des Mißiſteriums einzutreten hat, erfolgt ſie auf den Antrag des
Ausſchuſſes.“

Ueber deu 5. 24 entſpinnt ſich eine längere Diskuſſion, die dadurch merk-
würdig wird, daß ſich im Verlauf derſelben Brentano und Kapp in den
Fall geſetzt ſehen, im Intereſſe der Demokratie gegen mehrere ihrer politiſchen
Freunde mit der Regierungsbank zu ſtimmen. Der Wortlaut des S, iſt folgender:

$. 24. Auf Antrag von mindeſtens einem Viertheile der Gemeindebürger und
mit Zuſtimmung des Bezirksausſchuͤſſes kann die Bezirksſtaatsbehörde beſchließen,
daß in einer Gemeinde fämmtliche Gemeindebehörden (Bürgerweiſter, Gemeinde-
rath und Ausſchüſſe), oder ſämmtliche Offiziere der Bürgerwehr vor Ablauf
der Dienſtzeit neu gewählt werden.

Zur Gültigkeit der Zuſtimmung des Bezirksausſchuſſes iſt erforderlich, daß
ſämmtliche Erfagmänner zur Sigung eingeladen werden, und, den Vorſtand
ungerechnet, wenigſtens ſieben Mitglieder erſchienen ſind.

Die Abgeord. Junghanns, Reichenbach, Lehlbach, Kiefer, Wolff u A.
wollen den ganzen $., in welchem ſie eine bedenkliche Erweiterung der Regie-
rungsgewalt ſehen, gänzlich geſtrichen wiſſen; für den Fall, daß der Strich nicht
erfolgen ſollte, ſtelll Junghaͤnns den eventuellen Antrag, daß mindeſtens die
Hälfte der Gemeindebuͤrger dazu gehören ſoll, um einen ſolchen Beſchluß des
Ausſchuſſes zu veranlaſſen. *

Dennig verlangte zum mindeſten ein Drittel, und Helmreich ſchlug vor, daß
ein ſolcher Antrag von den Majorität der Genieindeverſammlung (weldhe nach
einem ſpäteren Zuſatze Brentanos nach Maßgabe des S. 38 Nr. 6 der Gemeindes
ordnung zu berufen ſein ſollte,) ausgehen müffe. 2

Da jedoch von der Regierungsbank die Auslegung gegeben worden, daß
nicht, wie nach dem Wortlaut des 5. ſcheinen könnte, der Bezirksſtaatsbehörde,
ſondern nur dem Bezirksausſchuß der Beſchluß und die Anordnung der neuen



) des Vorſchlags, welches bisher nur der Regierung zuſtand.


 
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