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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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No. 298.

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— 2 — —





[2!] Friedrich Wilhelin und die Kevolution.

Die Revolution drohte die Gottesgnapeuherrſchaft zu vernichten. Diefe
Wahruehmung mußte bald den Lönig mit ibren anfänglichen ren
in Confliet bringen. Friedrich Wilhelm hat eine zu hohe Einbildung von der
Bedeutung cines Könige, als daß, er ſich hätte guiwillig unter den Willen des
Wolfes gefangen geben Fönnen, Er wirft mit ſeinen könialichen Neigungen zu-
nächſt bei der Nalionalverſammlung Ankex; es gelingt ihn / au& — conſti-
fuirenden ſte in eine „vere nbarende“ zu verwandeln ; e& iſt 0 wen , ( ne ſchon
daͤdurch dem königlichen Willen ein beſchränkender Einfluß gewromum Er gebt
weiter, er wählt Miniſterien, immer das eine reaktionärer als Las andere und
fucht durch dieſelben, die Nationalverſammlung zu beherrſchen. So bringt er


dieſelbe mit Gewaltthaͤtigkeiten, und führt hierdurch Verwicklungen herbei! die
für ihn ein ſehr perhängnißvolles. Ausſehen gwinnen. . Die Nalionalverſamm,
lang hatte in Berlin eine mißliebige Haltung bewieſen; Friedrich Wilhelm
wolite ſie darum in Brandenburg zur Vernunft bringen. Sie weigert ſich nach


demungeachtet auf ihrex früheren Richtung beſtehen zu wollen.

Trotz der vielen Gewaltthätigkeiten halte alſo der König nı . TG ge-
wonnen, die Nationalverſammlung ſchien urlenkſam. Frichrich x für .
in Verlegenheit, es blieb ihm nichis anderes übrig, als entweder — —
nämliche Richtung einzulenken, die er kurz vorher zurückgewieſen und gen 7 *
bekämpft hatte, oder die Nationalverſammlung vollſtändig über Bord zu —
und durch einen neuen Gewaltſtreich dem köriglichen Willen Bahn zu brechet
Das Erſtere duldete der königliche Stolz nicht; an dem zweiten Wege ſtand
drohend der Unwille des Volkes. Friedrich Wilhelm wußte ſich zu helfen, er
hielt an ſeiner feindſeligen Stellung gegenüber der Nationalverſammlung aus-
drücklich feſt und verband mit einer Gewaltthat gegen die Nationalverſammlung
einen anſcheinend freiſinnigen Act gegen das Volk, er löſte die Nationalverſamm-
lung auf und ockroyirte eine „über alle Erwartung liberale“ Verfaſſung, wie er
ſie wahrſcheinlich auch auf dem Wege der „Vereinbarung“ hätte durchſetzen
können. Sonach erſcheint der Streich Friedrich Wilhelms zunächſt als ein Werk


verſammlung keine Conceſſionen an den Abſolutiemus zu erreichen feten: Gut,
19 will er doch wenigſtens nicht, daß die Nationalverſammlung dem Volke die
Vexfaſſung geben follz er rettet den Abſolutismus dadurch, daß er durch eine
abſolutiſtiſche That, eine Verfafſung in Wirkſamkeit treten 1äßt, die ihrem In-
balte nach gegen den Abſolutismus gerichtet ſein ſollte.

Friedrich Wilhelm haͤtte jetzt den Vortheil gewonnen, vor den Augen des
Volkes wenigſtens mit einigem Schein von Recht die Schuld des ganzen Zer-
würfniſſes der letzten Tage der Nationalverſammlung allein aufbürden zu kön-
nen; er konnte vor das Volk hintreten und ſagen: Seht, mit Eurer National-
verſammlung iſt beim beſten Willen nichts auszurichten; ſie iſt aſolut unfähig
eine Verfaſſung zu Wege zu bringen; ich will Euch nun zeigen, daß ich auch


Die Abſicht liegt Mar zu Tage; ſie konnte keine andere ſein, als dem
Volke die Nationalverſammlung zu verleiden und es wieder an die königliche
Gnade heranzuzähmen. —

Der alte Betrug wird fortgeſpielt; unter der Maske der Freiſinnigkeit ſoll
ein neuer Boden für den Abfoluttemus geſucht werden. Gelingt es, dem Volk


ſtehe, als der König, ſo bat Friedrich Wilhelm die Befriedigung, ſeinen könig-


kann ſich dann wieder alg die Vorſehung des Volkes hinſtellen und erhält für
ſeine zukünftigen Abſichten freien Spielraum. Friedrich Withelm wird nicht
bei dieſer Verfaſſung ſtehen bleiben; ſie dient ihm blos als Uebergangsſtufe
zu einem Standpunkt, der wieder hinter der Revolution liegt. Er wird zeigen,


ſondern vielmehr, um e zu escamotiren. —

Friedrich Wilhelm mag wirklich im Vertrauen auf die unmittelbaren Wir-
kungen, die er von ſeiner Verfaſſung im Volke erwartet, den feſten Glauben ha-
ben, daß ihm dies Experiment gelingen wird. Ein König bringt durch ſeinen
königlichen Willen eine Revolution zum Abſchluß, und hat am Ende doch noch
das Volk hintergangen! — es iſt das gewiß für Friedrich Wilhelm ein ent-
zückender Gedanke, ein Gedanke, wie er vollkommen mit der tollen Romantik


Abenteuer inmitten der Revolution. König und — Revolution, dazwiſchen
Die Revolution kann kämpfen
mit dem Königthum, das iſt natürlich; aber ſie kann ſich nicht dem Gedanlen
eines Königs unterthänig zu Füßen legen, ſie waͤre ſonſt niemals eine Revolu-
tion geweſen. Eine ſolche Wendung iſt ein Unmöglichkeit.

Friedrich Wilhelm hat mit enibloͤßtem Haupit, wie ein Bettler, vor dem
Bolfe geſtanden; das kann er nicht mehr ungeſchehen machen. Die Macht des
Volkee hat in den Märztagen die Könige gedemüthıgt. Das war wahrhaftig
kein Knaͤbenſtreich, der mit einigen Rulhenſchlägen gezüchtigt, das war auch
kein vorübergehender Unmuth, der mit einigen Complimenten und ſüßen Wor-
ten wieder getuſcht iſt, das iſt vielmehr ein Ereigniß, das iſt ein hiſtoriſches
Faktum, dem Rechnung getragen werden muß.

Eine Revolution, gehorcht nicht wie ein bellender Hund, der auf ein ge-
bieteriſches couche-Lore ſeines Herrn den Schwanz einzieht und ſich ſcheu und
ſtumm in ſeinen Stall verkriecht; eine Revolution, die durch eine geſchichtliche
That ſich ihr Recht erobert hat, muß ſich auch geſchichtlich durchſpielſen. Wäre
die Verfaſſung Friedrich Wilhelm's noch ſo vortreſſlich, würde ſie noch ſo






fireng, beobachtet, ſie wäre dennoch nichts nütze, weil ſie eben nicht auf dem
Wege der Revolunon ſelbſt, ſondern nuͤr durch einen Bruch mit der Revolu-
lion zu Standt gekommen iſt; die Revolution kaͤnn weber beendigt werden durch
Enigliche Grauſamkeit, noch durch königliche Milde, noch duͤrch koͤniglichen
Betrug; die Revolution kann nur deendigt werden: duͤrch diejenigen welche fte
Vich gemacht haben, nur durch das Volk. Wir ſagen es noch einmal, die
That Friedrich Wilhelms iſt eine tolle Ausgeburt königlicher Romantik.



— — —

+77* Carlsrube, 12. Dezbr. Wie wir hören, wird das Parlament
zu Frankfurt dieſer Tage Lie wichtige Frage: „Schutzzölle oder Fleihandel“
Die deßfallſigen Verhandlungen dürften ebenſo ſchroffe
Gegenlätze in den Anträgen darbicten, als leivenſchaftliche Kämpfe binſich lich
des Prineips zwiſchen Schutzzöllnern und Freihandelsmännern veranlaſſen. Das
Verhältniß der Anhänger des Zollſchutzes zu jenem des Freihandels beſteht im
Parlamente wie 1 zu 3 und unter dieſen Verhältniſſen liegt die Vermuthung
nahe, daß Beſchlüſſe zu Stande kommen, welche unſerer ſüddeutſchen Induͤſtrie
nachgerade den Lebensfaden abſchneiden: Aber wie traurig and folgenſchwer die-
ſelben immer ausfallen mögen, gleichwohl zeugen ſie Mar und beſtimmt dafür,


land ein unvereinbares Intereſſe beſteht und daß dorten wenig Luſt und Liebe


++% Karlsruhe, 13. Dez. Der neue Plan der padiſchen Regierung
zur Erzielung der ir noͤthig ſcheinenden Staatsmittel geht nunmehr dahin:
Die Ausgabe der creirien 5” , Okligationen wird fuependirt und dagegen einige
Millionen ſ. g. Caſſenſcheine im Betrag von Rthlr. 1, 5, 10, 25, S0. in


Dr peim Puͤblitum Schwierigkeiten finden, inſofern ſolche nicht jederzeit bei
allen Landes-Caſſen gegen baar umgetauſcht werden können, ſcheint die bedrängte


pCEt. von 100 fl. — durch unſere willführige 2. Kammer ſanktioniren laſſen.
Vom badiſchen Oberland, im Dezember. Die Verfolgungen der
Republikaner von Seiten der Behörden nehmen eher zu als ab. Wenn man
ſich nicht an den Männern rächen kann, ſo rächt man ſich, gleichviel ob auch
auf ungeſttzlichem Weg, an den Weibern. So hatte Fr. Neff von Rummingen,
der jetzt Früch tling iſt, einen Keller mit Wein in Oetlingen. Dieſen Keller,
ſowie ſeine anderen Vermögensanſprüche, trat er ſchon im Monat Mai, ehe nur
noch bei ihm an Hochverraͤth zu denken war, vor ſeinem Ortsgericht und dem
dazu btrufenen Notar in einem öffentlichen Erbvergleid an ſeine Mutter
ab. Dieß geſchah theils gegen Baarzahlung, theils gegen Anweiſung von Ca-
pitalien. Dieſer von den öffentlichen Behörden verfertigte Erbverzleich oder
Theilungsvertrag wurde ſogleich der Reviſion überſchickt und dann die Sporteln
für die Genehmigung abgefordert. Jetzt aber, nach mehr alg 6 Monaten, naͤch-
dem Neff am Septemberaufſtand Theil genommen, und dadurch, wie man fagt
Hochverräther geworden, kommt die Regierung und belegt den Keller in Det
lingen, welchen die Mutter des Hochverräthers durch Vertrag und Baarzahlu
zu ihrem alleinigen Eigenthum erworben, mit Beſchlag, als ein Eigenthum
ihres Sohnes. Trotz allem Proteſtiren von Seite dieſer Frau und ihren Ver-
wandten, daß dieſer Keller und Wein ihr Eigenthum fei, nicht das ihres
Sohnes, trotz der Hinweijung auf die von den öffentlichen Behoͤrden gefer«
tigte und von höhern Behörden gutgeheißene Abtheilungsurkunde fahren die
Gerichte fort, die Verſteigerung des Weines durch mehrmaliges Einruͤcken in
oͤffentliche Blätter anzuzeigen. Dieſe Frau hat nun in der Perſon des Herrn
Dr. Schilling einen Rechtsanwalt angenommen. Aber was hilft all’ das, wenn
die Gerichte die Geſetze des Landes umgehen und die geſetzlichen Verträge an-
nulliren! Sind das die vielgeprießenen Errungenſchaften des Volkes auf dem Felde
der Rechtepflege? Selbſt diewüthentſten und wahnſinnigſten Kommuniſten wuͤrden
nie wagen einen ſolchen Eingriff in das Privateigenthum zu machen, wie dieſe
unſere badiſchen Gerichte. Man iſt nicht zufrieden mit der rothen Monarchie,
man will auch noch von Seiten der Behörden den Kommunismus einfuͤhren.
Was kann eine Mutter dafür, wenn ihr Sohn Republikaner iſt? Darf man
ihr darum ihr wohlerworbenes, dem Sohne abgekauftes und ausbezahltes Ei-
genthum wegnehmen, weil dieſer Republikaner iſt? Sind nicht Söhne von
yochgeſtellten Staatsdienern und Miniſtern Republikaner, und warum Fonfiszirt
und verſteigert man nicht dort auch daͤs Beſitztum ihrer Eltern? Wenn es ſo
weit in einem Staate gekommen iſt, dann iſt er wahrlich ſeiner Auflöſung nahe.
Frankfurt, 12. Dezbr. In der heutigen Sitzung der Nationalver-
ſammlung interpellirte Benedey das Reiche⸗Miniſterium des Auswärtigen, ob es dem
Reichs-Geſandten für die italicniſchen Staaten Inſtruktionen ertheilt habe, der
ganz widerrechtlichen Niederſetzung von Kriegsgerichten in der Lom-
bardei ein Ende zu machen, und Schulze aus Weilburg den Reichskriegomi-
ſter, was er gethan habe, um die beſchloſſene Vermehrung des ſtehenden Heeres
bis auf 2 Prozent der Bevölkerung in Ausführung zu bringen. E
Bei der hierauf folgenden Fortſetzung der Berathung über den Reichstag
wurden von Art. V. die SS. 15 mit der im Minoritaͤtserachten beantragten
Veränderung, 16 und 17 unverändert ohne Diskuſſion angenommen! Bei Sı
18 ward die Diskuſſion zugelaſſen, aber nachdem M Mohl, Welker für und


werfung aller Kmendements mit denen eine größere Unabhängigkeit des Volks-
haufes bezweckt wurde, angenommen. Ueber 5.19, welcher für das Fünftige
Oberhaupt ein abſolutes Veto, an Minoritätscrachten ein Suſpenſiv-Veto er-
fordert, entſpann ſich eine längere Debatte. Rödiger aus Stuttgart, welcher
das erſte Mal die Rednerbühne betrat, hielt einen ebenſo glänzenden als gedie-
genen Vortrag über die Lehren, welche die Geſchichte ſeit den Frieden von
Campo Formio dem deutſchen Volk ertheile, über die Hinderniſſe, die ſich der
Fteiheit und Einheit entgegenſtellen, und über die Nothwendigkeit durch die






 
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