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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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äbonnement in Manndeim bieiteiiäéxii
- Siertel{ährlich 2 . 30 im Auslaud echoͤht
Önferate die

1 848 v

n— —— —— — — — — —






Poſtauſſchlag.
— Driefe und Geldor; frei einzuſenden.



Deutſch Lans.

Manunheim, 27. Dezbr. Von Handwerkern, Gewerbtreibenden, Ar-
beitern und Landwirthen des baviſchen Oberlandes und Schwarzwaldes iſt eine
Eingabe an die Nationalverſammlung abgegangen, welche gegen den von Ab-
geordneten des Handelsſtandes nordyeuiſcher Seeſtädte eingereichten Entwurf zu
einem Zolltarif für das vereinte Deutſchland gerichtet iſt, und deſſen Verwerfung
und die geſetzliche Sichetung des Schutzes deutſcher Arbeit verlangt. Sie be
haupten, daß faſt jede Petition des Entwurfs ein oder mehrern Gewerbe beein-
trächtigt, und führen als Beweiſe an:

A, Abfälle, durch freie Ausfuhr, Leimſteder, Papiermacher ꝛe.







B, Baumwoll⸗Harn, 13 - auf 1 2 gegnz die Spinner.
Teuücher, 50 „ 79 ‚ Dfe Weber. ;

4 — —— 16— die Fabrikationu Landwirthe
D, Druckſachen, Formulare e. 15 „ 1 die Buchdrucker, Lithographen
* Papiermacher.

E. Eiſen/rohes, 'Is „ O die Eiſenwerke, Waldbeſitzerre,
„geſchmiedetes, S Y @' Eiſenhäminer. ‚
„faconnirtes, e 18 „ 2 Schmiede, Schloſſer, Zeug-,

5 Ketten- und Nagelſchmiede,
* Blechner, Maſchinenbauerre.

„Blech und Draht, £ \ 4 „ 1 die Walzwerke u. Drahtzuge.

Nagel, 2 6 u Naglex.

„grober Guß, 3{1 „ * Schmelzhütten.

ü —*— — 6 „ 1 alle Gifenarbeiter,
— feinesu. Stahlwaren s 110 79 ämefi_er; u. Waffenſchmiedere.
4 —*— * 2 * * 44
&. Glas, Fenſter, 5 ashütten.

H, Holz, feine Waare, * M0 „& Drechsler, Kammacher,

3 Nürnbergerwaaren re.

L Leinwand, rohe, 2 4 „ 2 Landleute, Weber.

M, Mühlenwaaren, 2 „ Fruchtprodueenten, Müller.

W, Wein, 8 „3 Weinproducenten.

und ſo kommt die Reihe an die Gewerbe der Schneider, Schuhmacher, Schrei-
ner, Sattler, Gerber, Leinenweber, und Spinner, Zuckerbäcker, Muͤller, Buch-
vinder, Tapetenmacher, Kürſchner, Seifenſieder, Goldarbeiter, Strohflechter,
Hafner, Steingut- Uund Porsanfahrifanten, Lichterzieher, Tabaͤkfabriken, Wol-
lenweber und Spinner, Teppichmacher, Pofjamenttere und Strumpfwirker, Zinn-
gießer, die große Induſtrie der Druckereien von Baumwoll- und andern
Stoffen, die Weinproduzenten und mittelbar die Landwirthſchaft, namentlich
wegen der Handelspflanzen und Produkte für Fabriken.

Mit andern Worten geſagt, heiße das: }

„Der Deutſche ſoll fortan ſein Feld mit engliſchen Ackergeraͤthſchaften
bauen; mit engliſchen und franzöſiſchen Meſſern, Gabeln und Löffeln, und
auf engliſchen oder franzöſiſchen Tellern ſoll er effen ; mit englifchen oder
franzöſiſchen Stoffen ſoll er ſich kleiden; mit Meublen aus dieſen Län-
dern ſoll er ſeine Wohnſtube, ſein Haus ausrüſten; engliſche Wägen,
gezogen von deutſchen Pferden mit engliſchen Geſchirren ſollen unſere
Laͤndſtraßen befahren; die deutſchen Frauen ſollen ſich mit dem Putze des
Auslandes ſchmücken und ihre Kinder an den Spielwaaren des Auslan-
des ſich erfreuen; engliſche und franzöſiſche Uhren ſollen dem Deutſchen
zeigen wieviel Uhr es iſt; die Beſtellungen aller dieſer Waaren ſollen auf
engliſchern oder franzöſiſchem Papier gemacht werden und was der Herr-
lichkeiten mehr ſind!“

Sie wollen in dem Entwurfe nur die eigennützigen Forderungen der Küſten-
bewohner erkennen und erwarten von der Aynahme deffelben nichts, alg die voll-
ſtändige Vernichtung ihres Wohlſtandes. Sie begehren keine Einfuhrverhote fremder
Produete, ſondern nur ſichernde Maßregeln gegen die Uebermacht aller Fremden
zegen die deutſche Gewerbsthätigkeit. \

In einem Punkte nur ſtimmen ſie mit den Wünſchen der Küſtenbewohner
überein, in vem Punkte, daß die ausländiſchen Rohprodukte, welche die inlän-
diſchen Gewerbe verarbeiten, ſteuerfret eingehen, und in dem weitern Begehren


Laterländiſche Boden nicht hervorbringi, die aber wie Kaffee, Reis, Gewürze
ze. zur Leibesnahrung gehören, womöglich frei eingehen oder doch nur mit einem
geringen Zollſatz belaſtet werden.

Drum Schutz der deutſchen, der vaterländiſchen Arbeit, rufen ſie nechmals;

er fei das Mittel nationalen Wohlſtand durch alle Claſſen der Geſellſchaft zu

verbreiten; Schutz der deutſchen Arbeit iſt das einzige Mittel, Deutſchland wohl-
habend und ſtark zu machen. ;
Von dieſer Ueberzeugung durchdrungen, fahren ſie fort, richten

National-Verſammlung die zweifache Bitte:

; 1) Es wolle Diefelbe den Eingangs erwähnten, von Bewohnern der Nord-
und Oſtſeehäfen vorgeſchlagenen Entwurf eines Zolltarifs für das ver-
einte Deutſchtand, feiner, unfer materielles Wohl gänzlich zerſtörenden

Wirkung wegen, verwerfen, und dagegen

2) da unfer bisheriger Erwerb bei der unter uns ſelbſt beſtehenden großen Con-
eurrenz nur auf das nothdürftigſte Maß beſchränkt war, durch Erwei-
terung des Schutzes unſerer Arbeit gegen fremde Mitbewerder und
durch verfaſſungsmäßige Garantie dieſes Schutzes ihren Verdienſt ver-
beſſern und ſichern, und der zunehmenden Bevölkerung dadurch Mittel
zu ihrer Erhaltung und uns Allen gegen unſere ſonſt unausbleibliche
Verarmung gewähren. 2*

ſie an die

Zum Beweis, wie auch in andern Theilen Badens die in obiger Adreſſe
hervorwetende Stimmung Platz greift, fügen wir nachſtebenden eben uns zu-
gekommenen Artitel an:






7 „ Aus dem Unterrheinkreiſe. *

Obſchon wir nicht ſo vermeſſen ſind zu glauben, daß die Beſchlüſſe der
konſtituirenden Nationalverſammlung zum Vollzuge kommen werden, ſo können
wir doch nicht umhin, den derſelben voͤn einigen Kaufleuten der Nord- und Oſt-
ſee einſeitig vorgelegten Zolltarif, welcher zur Berückſichtigung bei dem neu zu
erlaſſenden Zollgeſetze nach dem Wunſche jener Freihändler übergeben wurde
zu beſprechen.

Wer nicht in egyptiſcher Finſterniß wandelt, muß einſehen, daß der Tarif
entweder aus Cobdens Feder gefloſſen oder jene Herren nichts im Auge hatten
alg ihre Heimath, darüber aber das ganze große, übrige Deutſchland total
vergaßen, oder, was noch zur Ehre der Herren dienen könnte, gar nicht kannten,
daß ſie dem Vortheile einiger Städte und eines kleinen Küſtenſtriches,
oder dem Auslande den Wohlſtand des blühenden Rheingaues, der reichen Pfalz
der ſchönſten Gegenden Badens und Würtembergs zum Opfer bringen, unſere
junge, dem Auslande bereits Achtung einflößende Induſtrie zu Grunde richten
möchten.

Wer Deutſchland kennt, wer die hohen Güterpreiſe und Pachtzinſe Mittel-
deutſchlands betraͤchtet, wird einſehen, daß der Landwirth, mit hohen Staats-
und Gemeindeſteuern belaſtet, neben dem Amerikaner, welcher dem Staate nichts
zahlt, dabei niedere Gutspreiſe und obendrein vom Klima begünſtigt, nicht ohne
Schutz Tabak bauen kann. }

Wie kann aber der deutſche Fabrikant mit ſeinen geringen Kräften neben
dem in Schutz, Staatsunterſtützung und ohne Coneurrenz reich gewordenen

Wenn die Herren nun glauben, den Nutzen des niedrigen Zolles zu ziehen,
ſo möchten ſie ſich bitter täuſchen; ſobald unſere Fabriken einmal ruinirt, ſo
wird das Ausland ſich den momentanen Verluſt wieder zu verſchaffen wiſſen
und zwar auf Koſten der deutſchen Börſen.

Was bietet man uns Deutſchen aber zum Erſatze für dieſe unerſetzlichen
Verluſte? Nichts und abexmals nichts. England wird ſeine enoͤrmen Zölle,
Fraͤnkreich ſein Prohibitiv⸗Syſtem vor wie naͤch beibehalten und Amerika wird
ung immerhin unſere beſſern Kräfte, den fleißigen Mittelſtand, abzapfen. Wir
proteſtiren daher gegen einen Tarif, dex den Ruin der deutſchen Induſtrie und
der deutſchen Landwirthſchaft ohne Weiteres herbeiführen würde.“

*+ Mannheim, 27. Dezbr. Soeben erſcheint unter dem Titel vdrei
Anſprachen an meine Wähler“ eine Flugſchrift des preußiſchen Volksabgeord-
neten Jung welche intereſſante Aufſchlüße über die Lage der berliner /konſtitui-
renden Verſammlung“ vor ihrer gewaltſamen „Auflöſung“ enthält und daran
treffende allgemeine Betrachtungen knüpft. Wir entnehmen der „zweiten An-
ſprache“ Folgendes:

„Meine politiſchen Freunde und ich baben von Anfang
an gegen das eigentlich konſtitutionelle, das Vereinbarungs- Syſtem̃
zweier oder gar von drei gleichberechtigten Gewalten im Staate gelämpft. —
Wir behaupfen: Es widerſtrebt der Einfachheit, der Ehrlichkeit des deutſchen
Charakters, es habe ſich ſelpſt gerichtet in Frankreich, es ſei viel zu verſchlep-
pend, entnervend, ja demoraliſirend in einer Zeit, wo die großen Anforderungen
ſocialer Reformen die ganze Energie der Nation erforderten. Wir wollen nur
eine Gewalt im Staate: den Willen des Volkes in einer geſetzgebenden, kon-
trollirenden Verſammlung, die Krone dagegen lediglich auf die Ausführung be-
ſchränkt. Man hat uns nicht gehört, man hielt ſich ſo ſicher im Conſtitutiona-
lismus, oder man heuchelte einen ſo Catoniſchen Rechtsſinn, daß man die un-
ermüdlichen Warner, alg böswillige, ehrgeizige Ruheſtörer dem Lande darſtellte.
— Nun wohl, das Syſtem der Vereinbarung iſt auch bei uns durch eine Re-
volution gerichtet worden, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe nicht wie in
Frankreich vom Volke, ſondern von der Krone ausging. Dennoch will es vie-
len bedünken, daß der Ausgang der nemliche ſein dürfte.« Doch ich
wundere mich nicht über die Negierung, über die Grundbeſitzer und Geldien-
ſchen der Frankfurter Majoritaͤt, ſie verfolgen wenigſtens einen wohlberechneten
Egoismus! ſie wollen die Freiheit für ſich, nicht aber fürs Volt haben. Ich
wuͤndre mich anı meiſten über das Volk ſelbſt, welches nach einem ſolchen An-
lauf wie es im März genommen, jetzt ruhig jede Gewalt über ſich ergehen
läßt.“ —

; „Die Krone verfolgt ihren eontrerevolutionären Weg mit allen Mitteln
der Gewalt und Liſt. Sie bildet gegen das Verſprechen des Koͤnigs im März
und gegen allen conſtitutionellen Brauch ein Miniſterium, gegen welches die
Nationaͤlverſammlung einſtimmig proteſtirte, ſie verlegt, ſie vertagt dieſelbe,
Wrangel rückt den Märzverheißungen zuwider in Berlin ein. Belagerungs-
zuſtand vhne Aufruhr, Auflöſung der pflichtgetreuen Dürgerwehr, Auseinander»
treibung ber Nationalverſammlung, Verlegung der Habeas Corpus, Akte. Jede
Verſanimlung von Abgeordneten wird mit Waffengewalt geſprengt, man ent-
zieht ihnen die Diäten/ ja ſogar das Geld zur Heimreiſe, damit ſie xath- und -
huͤlflos am Ende gezwungen werden, ſich der Gewalt zu fügen. Und was
thut das Volk? Es ſchläft. Was thun insbeſondere die wohlhabenden Bür-
ger? Sie erlaſſen Adreſſen an Jellachich, an Win diſchgrätz⸗ an Bran-
denburg, ſie kochen, ſie ſammeln für die Soldaten, ſie bitten allerunterthä-
nigſt um eine oktropirte Verfaſſung; ſie laſſen die für das Recht der Nation
kämpfenden Abgeordneten ohne Hilfe umherirren, ſie dulden es, daß unbemit-
lelte Deputirte ihre Uhren, ihre Habſeligkeiten zerſetzen müſſen, andere ihr Vec-
mögen einſchießen, um ihre Pflicht, ihre Selbſtſtändigkeit der Gewalt gegenüber
zu dehaupten. SIa nicht genug hiermit, erhoben fie Anklage gegen ung wegen
der Steuerverweigerung, welche die Anarchie ins Land ſchleudre. — Die März-
repolution gab den Bürgern die Waffen in die Hand und ungs die Steuers
verweigerung, um die verfaſſungsmäßige, Freiheit zu ſchützen. Die Bürger ge-
braͤuchken, alg der Fall eintrat, ihre Flinten nicht, ſondern gaben ſie ab, wir
ſind ireue Wächter geweſen, wir haben unſere Waffen gebraucht. —


 
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