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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0757

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Ertra

Sonutag

















Abendzeitung.

1848,

nnheimer















*













— — —

E Neueſte Nachricht.

eben die Nachricht ein, daß der
Franz Joſeph abge-
(Reichstagsztg.)

Aus Wien geht ſo
Kaiſer zu Gunſten ſeines Neffen
dankt habe.

— —

Verfaſſungs⸗ Urkunde für den preußiſchen Staat







(Schluß)

Art. 90. Die Verhandlungen vor Zem erkennenden Gerichte in Civil- und
Strafſachen ſollen öffentlich ſein. Oie Oeffentlichkeit kann jedoch durch ein öf-
fentlich zu verkündendes Urtheil ausgeſchloſſen werden, wenn ſie der Ordnung
pber den guten Sitten Gefahr droht.

In Eivilſachen kann die Deffentlichfeit auch durch Geſetze beſtimmt werden.

Irt. 91. Bei den mit ſchweren Strafen bedrohten Handlungen (Verbre-
chen), ſowie bei politiſchen und Preßvergehen erfolgt die Entſcheidung über die
Schuld des Angeklagten durch Geſchworne. Die Bildung des Geſchwornenge-
richtg wird durch ein Geſetz geregelt, welches der gegenwärtigen Verfaſſungs-
Urtunde beigefügt iſt.

MArt., Die
durch das Geſetz beſtimpt. Ueber Competenz-Conflicte
und- den Verwaͤltungo-Behörden entſcheidet ein durch
Gerichts hof.

Art. 93.

Competenz der Gerichte und Verwaltungs-Behörden wird
zwiſchen den Gerichten
das Geſetz bezeichneter
Es iſt keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig,
und Militär-Beamte wegen den durch Ueberſchreitung

Tit. VII. Von den Staatsbeawten.

Art. 94. Die beſondern Rechtsverhältniſſe der nicht zum Richterſtande ge-
hörigen Staatsbeamten, einſchließlich der Staatganwälte , ſollen durch ein Ge-
ſetz zeregelt werden, welches ohne die Regierung in der Wahl ihrer ausführen-
den Organe zweckwidrig zu beſchränken, den Stdatsbeamten gegen willkürliche
Entziehung von Amt und Einkommen angemeſſenen Schutz gewaͤhren.

Art. 95. Auf die Anſprüche der vor Verkündung der Verfaſſungsurkunde
etatsmäßig angeſtellten Staatsbeamten foll im Staatsdienergeſetz beſondere Rück-
ſicht genommen werbden,

Tit. VL Von der Finanzverwaltung.

Art. 96. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müſſen für jedes
Jahr im Voraus veranſchlagt und auf den Staatshaus halt⸗Etat gebracht wer-
Den. Leßterer wird jährlich durch ein Geſetz feſtgeſtellt.

MArt. 97. Steuern und Abgaben für die Staatskaffe dürfen nur, ſo weit
ſie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch beſondere Geſetze an-
geordnet ſind, erhoben werden.

Art. 98. In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt
werden.

Die beſtehende Steuergeſetzgebung wird einer Reviſion unterworfen und
dabei jede ſolche Bevorzugung abgeſchafft. ;

Urt. 99. Gebühren können Staats- oder Communal Beamte nur auf
Grund des Geſetzes exheben,

Art. 100. Die Aufnahme von Anleihen für die Staatskaſſe findet nur
auf Grund eines Geſetzes ſtatt. Daſſelbe gilt von der Uebernahme von Ga-
rautien zu Laſten des Staates. *

“Mrt. 101. Zu Etats⸗Ueberſchreitungen iſt die nachträgliche Genehmigung
der Kammern erſorderlich. /

Die Rechnungen über den Staatshaushalt werden von der Oberrechnunge-
fammer geprüft und feftgeftellt. Die allgemeine Rechnung üher den Staatshaushalt
jedes Jaͤhres wird von der Ober⸗Rechnungskammer, zur Entlaſtung der Staats-
regierung, den Kammern vorgelegt. ;

Ein beſonderes Heſetz wird die
Rechnungskammer beftimmen, _

\ Tit, IX. Bon den Gemeinde⸗, Kreis- und Bezirksverbänden.

Art. 102. Das Gebiet des Preußiſchen Staats wird in Bezirke, Kreiſe
und Gemeinden eingetheilt, deren Greuͤzen, Einrichtungen und Verwaltungs-
form durch beſondere Geſetze unter Feſthaltung folgender Grundſätze näher be-
ftimmt werden:

1) neber die innern und beſonderen Angelegenheiten der Bezirke, Kreiſe und

Gemeinden beſchließen aus gewählten Vertretern beſtehende Verſamm-

lungen, deren Beſchlüſſe duͤrch die Vorſteher der Bezirke, Kreiſe und

Gemeinden ausgeführt werden,

Das Geſetz wird die Fälle beſtimmen, in welchen die Beſchlüſſe der
Gemeinden, Kreiſe und Bezirke der Genehmigung einer höhern Vertre-
tung oder der Staatsregierung unterworfen ſind.

Y Die Vorſteher der Bezirke werden von
%7 Der Rreife werden vor den Gemeinden, die der Gemeinden von den Ge.

meindemitgliedern erwählt, 4 /

Die Organiſation der Exekutivgewalt des Staats wird hierdurch nicht
berührt.

3) Den Gemeinden insbeſondere

Bemeinde-Angelegenheiten 3U,

A) Alle ſelbſtſtandigen Mitglieder einer Gemeinde,

derſelben ihren Wohnſitz haben, zu den Laſten der Gemeinde beitragen

und ſich im Vollgenuß der ſtaatoͤbürgexlichen Nechte befinden, ſind in

Angelegenheiten der Gemeinde gleichbecechtigt und iusbeſondere zur Wahl

der Gemeindevertreter berufen.

Einrichtung und die Befugniſſe der Ober-

ſteht die ſelbſtſtändige Verwaltung ihrer
mit Einſchluß der Ortspolizet.

|
|


















5) Die Bezirks⸗, Kreis- und Gemeindeberathungen ſind der Regel nach öf-

fentlich. Die Ausnahmen beſtimmt das Geſetz. Ueber die Einnahmen

und Ausgaben muß mindeſtens jährlich ein Bericht veröffentlicht werden.
Til. X. Ailgemeine Beſtimmungen.

Art. 103. Kein Geſeß und keine Verordnung {f verbindlich, wenn ſie
nicht zuvor in der vom Geſetz vorgeſchriebenen Foxm bekannt gemacht ſind.

Mrt. 104. Ein die Verfaſſung abaͤnderndes Geſetz muß in jeder Kawmer
durch eine Stimmenmehrheit von niindeſtens zwei Drittheilen angenommen ſein.
Die Schlußbeſtimmung des Art, 55. fiuͤdet hierauf keine Anwendung.

Ari. 105. Nach erfolgter Annahme der gegenwärtigen Verfaſſung wird der
König in Gegenwart der zu Vereinbarung der Verfaſſung berufenen Verſamm-
lung den im Art. 39. aufgenommenen Eid leiſten.

Art. 106. Die Mitglieder dex beiden Kammern, alle Staatsbeamte und
die bewaffnete Macht haben dem Könige und der Verfaſſung Treue und Ge-
horſam zu ſchwören.

Mrt. 107. Sollten nach dem Schluß der gegenwärtigen Verſammlung durch
die fuͤr Deutſchland feſtzuſtellende Verfaſſung Abänderungen Der gegenwärtigen
Berfaffungs-Urkunde nöthig werden, fo mwird der König dicſelben anordnen und
dieſe Anordnungen den Kammern bei ihrer nächſten Verſammlung mittheilen.
Die Kammern werden dann Beſchluß darüber faſſen, ob die vorläufig ange-

Toneten Abänderungen mit der deutſchen Verfaſſung in Uebereinſtimmung
ſtehen. *
Art. 108. Alle den Beſtimmungen der Verfafſungs-Urkunde entgegenſte-

henden geſetzlichen Vorſchriften treten ſofort außer Kraft.
Art 109. Die beſtehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, vis
ſie durch ein Geſetz abgeandext Werden, 72
Mrt. 110. Im Falle eines Krieges 0der Aufruhrs kann durch ein beſon-
deres Geſetz eine zeit- und diſtriktsweiſe Aufhehung der Art. 5. 13. und 26,
der Berfaffungs-Urkunde längſtens bis zur nächſtfolgenden Kammerſitzung aus-
geſprochen wexden. Sind in diefeın Falle die Kammern nicht verfammelt, ſe
fann auf Beſchluß und unter der Verantwortlichkeit des Staats miniſteriums
jene Suspendirung proviſoriſch ausgeſprochen werben. Die Kammern ſind in
diefem Falle ſofort zuſammen zu berufen. *



Deutfchhand.

Darmſtadt, 25. Juli. CN Rh. Volksztg) Traurig und niedergeſchla-
gen faß ich in meinem Zimmer, weil ich keine Beſchäftigung UKD folglich auch
keinen Verdienſt hatte. Ich dachte darüber nach, wie ich, ohne Geldmüttel, mich
und meine Familie ernähren ſollte; da klopfte es plötzlich an meine Thüre und
Troſtes — aber ein Woͤhlgeſinnter, mit einer
auen Kornblume im Knopfloch und eine Menge Mahnzettel in der einen Hand,
mit der andern ſchwengte er ſeine Beteranenmüge und ſagte höflich, grinſend:
„Sie haben die Steuer zu bezahlen vergeſſen.“ — „ Nein““, erwiederte ich-
ich habe ſie leider nicht bezaͤhlen können, und fann auch Ihnen den Gro-
ſchen nicht bezahlen.““ Der Wohlgefinnte mit der Kornblumie zudie hierauf
die Achfel, gab ſeiner Veteranenmütze einen abermaligen Schwung und ents
fernte ſich.

Ich nahm den hinterlaſſenen Mahnzettel auf und las: „Hr — wird hier-
durch gemahnt, die unten bezeichneten Rückſtände, alg direkte Steuern, Betrag
30 fr. — binnen drei Tagen an den unterzeihneten Erheber zu bezahlen,
Geſchieht dieſes nicht, ſo erfolgt, Dhne weitere Mahnung, die Auspfändung. —
Dieſer Mahnzettel Foftet drei Kreuzer.“ —

Alſo habe ich, weil ich arm bin und nicht ſogleich zahlen konnte, ſtatt 30 fr,
33 fr. zu bezahlen. Iſt ferner die anberaumte Friſt abgelaufen, ſo erſcheint
der Mann mit der blauen Koͤrnblume wieder; und hat außerdem noch zwei
Wohlgeſinnte bei ſich; der Wohlwollendſte von ihnen ſchreibt mir ſodann einige
Möbel auf, gibt mir wieder eine kurze Friſt und die Triumvirn ziehen wie-
der ab.

Hieraus erwächſt mir gher, weil ich arm bin, ein abermaliger Verluſt vor
20 fr. Folglich haͤbe ich jetzt⸗ ftatt der erſten 30° fr., 53 fr. 3U entrichten.
Mill e& nun das Geſchick, daß ich dennoch nicht zahlen kann, ſo geht die
Pfaͤndung vor ſich, die Möbel werden haufig verſchleudert und außer dem Ver-
iuſt an meinen nöthdürftigen Möbeln habe ich für die Mühe, die dieſe Herren
hatten, abermals 90 fr. Pfandkoſten zu bezahlen. Alſo außer dem gehabten.
Verluſt, ſtatt 30 Ffr., 1 U3n 41 —

Ich weiß es nur zu gul, daß der Staat ohne Steuern nicht beſtehen kann
und bin ſelbſt der feſten Meinung, daß der Staat ein Recht hat, bei boͤswil-
ſiger Verweigernng, albe Gewalt des Geſetzes zu gebrauchen, ob aber &in lol-
ches Verfahren, da wo wirklich Noth und Mangel herrſcht, gerecht und hu-
man iſt, das überlaſſe ich jedem redlich Geſinnten zu entfheiden. ;

Bedenkt man nun, wie viele Hunderttaufende auf dieſe Weiſe erpreßt und
wieder an Subjecte verſchwendet werden, die bei wenig Arbeit, häufig gar kei-
ner, in der größten Ueppigkeit Ieben, worin eine Maſſe überflüſſiger Beamte,
Abſchreiber und Penſionäre beſoldet ſind, ſo kann man ſich in der That nicht
wundern, wenn der vedliche Geſchäftsmann, der ſein Brod ſo fauer verdienen
muß, ſeinen gerechten Unwillen an den Tag legt. ;

. Ein deutſcher Bürger.
Holland. x
Haag / 29. Juli. Das Handelsblad gibt der Regierung in der Cims»

burger Frage den Rath, lieber der Uebermacht nachzugeben, alg der möglichen
Ausführung des Frankfurter Beſchluſſes ſich mit den Waffen zu widerſetzen.



*) Dieſelben Koſten erwachſen dem armen Taglöhner u. ſ. w. der aur? tt. monatliche
Steuer zu entrichten hat! — *


 
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