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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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*
















*7* Das Ezechenthum und die Revolution.

Eine große deutſche Zeitung, welche der konſtitutionellen Monarchie das
Wort redet, hat behauptet: „Die revoluttonäre Bewegung im Sebruar und
feit dem Februar ſei eine nationale geweſen“ Kein Ausſpruch wird falſcher
fein, als dieſer, obgleich ihm in eintger Bezichung etwas Schein gegeben wer-
den kann; Die Fedrugrrevolution in %rantrszd)‚mar eine Exhebung der arbei-
jenden KMaffen gegen die beſitzenden; Ledru-Nollin und Lonis Blane gahen, ihr
den Augdruck, Die Revolutionen in Deutſchland gingen überall, wo ein blu-
liger Kampf beſtanden werden mußte, vom Proletariat, und inſoweit Parteifüh-
rer hauptfächlich im Spiele warcen, DON ſocjalen Demokraten aus. Italien's
Mufftand gegen Defterreich iſt der Aufſtand eines lange geknechteten Volkes ge-
gen den Palitiſchen Abſolulismus. Polens Zuckung iſt die fortgeſetzte Bewe-
zung der Demofratie gegen den deutſchen und ſlaviſchen Despotismus. Ir-
Jand’s revolutionäxe Erhebung geſchicht zu Gunſten der ſocialen Republik gegen
die ariſtokratiſche Herrſchaft dex Engländer.

So liegen die Sachen im Großen und Allgemeinen. Daß die Völker,
welche ihr Blut mit Aufopferung vergoſſen hatten, pon diplomatenſchlauen,
feloſiſüchtigen Führern betrogen wurden; daß kecke Betrüger die nationale Maske
gebrauchten, um ihre Reaklibngabſichten etwas zu verhüllen; daß ſich eine An-
zahl Menſchen von romantiſchen Redensarten verführen läßt: das beweiſt
Nichts gegen den allgemeinen Ehgrakter der neueſten Revolutjionen. Dieſer
Chaͤrakter iſt weſentlich ein foctaler; überall, wo er unterdrückt wurde, be-
findet er ſich bereits in einer ſolchen Oppoſition, daß ſich die zeitweiligen Ge-
walthaber nur durch den ausgedehnteſten Terrorismus halten können.


Czechenthum! und ſein Verhältniß zur Revolution ſprechen zu können. So


Haß angefallen, daß Mancher nicht weiß, woran er ſich halten ſoh.

Die kzechiſche Bewegung hat zwei Geſichter; das eine ſieht nach vorn, das
andre blickt zurück.
aug dem demokratiſch⸗revolutionären und dem ſtockariſtokrati-


nicht; es kömmt nur in Frage, aus welchen Intereſſen heute die Parteien
handeln. — Als der Sturm der Revolution durch ganz Deutſchland brauste,
alg in Berlin der König vor die bekränzten Leichen der erſchlagenen Märzopfer


zn die kaiſerlichẽ Hofburg ſtürmte und den alten -Sünder Mettekntch ſchaubern
a e alg mmer bffener die Republik ihr Banner entfaltete, da war es
ein großer Theil der Ezechenführer, welche nach „Losreißung von Oeſterreich“
fchrieen, Es waren die Ariſtokraten, die großen Fürſten und Grafen, welche
die Ausbreitung der republikaniſchen Ideen fürchteten und in einem beſondern
Staate „Czechten“ einen ſichern Kuheplatz für ihre ſchönen Vorrechte ſchaffen
wollten. Losreißung von Oeſterreich“, das durch den wiener Wohlfahrtsaus-


len Tönen dazu, mochte er deutſchen oͤder ſlaviſchen Urſprungs ſein. Auf dem
Vorpaͤrlamente der Slaven, das mit großem theatraliſchem Koſtüm mittelalter-
lich glänzend gemacht wurde, glaubten die Magnaten das Heft in die Hände
nehmen zu können. Man weiß, daß Windiſch-Grätz ſelbſt in dem Eom-
plott war, welches die öſterreichiſche Monarchie ſprengen ſollte, um den Czechie
ſchen großen Herren einen Staat ihrer ungeſtoͤrten Vorrechte zu bereiten. Man
weiß aber auch, daß dex Congreß zu Prag dieſe Hoffnungen der mittelalterli-
chen Partei unter dem Jubel der Demokraten von ganz Europa zu Schande
machte und ſich in ſeiner großen Mehrheit zu den Grundſätzen der Volksherr-
ſchaft bekannie. Von jener Zeit her ſchreibt ſich der Umſchlag der chechiſchrariſtokrati
ſchen Agitatoren. Die grauenhafte Bombardirung Prag's war die erſte Folge des
Haſſes, den WindiſchGrätz gegen die czechiſchen Radikalen im Herzen trug;
er, der flaviſche Verſchwörer, vollſtreckte gegen die ſlaviſchen Verſchwörer den
eiſernen Willen der ariſtokratiſchen Kamariſla zu Innsbruck in einer Weiſe,
welche überall den Racheſchrei des Volkes herporrief. Die, welche am heftige
ſſten nach einer Losreißung von Defterreich geſchrieen hatten, dieſelben hielten
jeßt „Dden Beſtand der öſtekreichiſchen Monarchie“ mit Bomben und Kartätſchen
aufrecht. Ihr Intereſſe hatte gewechſelt; alſo wechſelte auch ihre Loſung. —
Sn Deutſchland war unterdeſſen bekanntlich eine „ruhigexe Stimmung” eingetres
iin; die großen Befürchtungen und Hoffnungen, welche Fürſten und Völker von
dem Frankfurter Parlament gehegt, waren nicht wirklich geworden. Die deut-
ſche/Nationalverſammlung“, die auf dem Boden der Revolution erwachſen war,


mit liberalen Formen verkleiden wollte, konnee ſich ohnt viel thatſächliche Auf-
opferung zum Parlament bekennen. In Oeſterreich wuchs folgeweiſe der Muth
der Schwarzgelben immer mehr.
des revalutionaren Sturmes in die Arme der ſlapiſchen Ariſtokratenpartei wer-
fen wollen, um mit ihrer Hülfe die zerfallende Monarchie 3zu retten. Die ho-
hen Herren aus „Ezechien“ hielten die Monarchit damals bereits für verloren
und fuchten in deln allgemeinen Schiffbruch wenigſtens ſich zu retten; ſie gaben
den Kaifer preis. Icht, da ſic die Zeiten geändert haben, da an ein mittel»
aͤlterlichfiaviſches Eidorado nicht mehr zu denken iſt, jetzt ſind die czechiſchen
Reallionäre zu Innsbruck immer noch willkommen. Sie wollen jetzt als ächt-
Schwaͤrzgelbt, als „reine Oeſterreicher“, den Fortbeſtand einer ungetheilten
öſterreichichen, altkaiſerlichen Herrſchaft, in welcher, da die deutſchen Wiener
Revolutionäxe ſind, von einer ſlaviſchen oder auch guttiroliſchen Stadt aus das
ganze Reich auf czechiſche Adelsmanier regiext wird.

Das iſt die eine Seite des Czechenthums.
man Grund hätte, dafür begeiſtert zu ſchwärmen.

Das andere Prinzip der czechiſchen Bewegung iſt der demokratiſch revolu-
tionaͤre Geiſt. Er hat der Losreißung von Oeſterreich im Anfang zugeſtimmt,














weil er in Oeſterreich den metternich'ſchen Stagt ſah und auf die revolutionäre
! In Prag iſt der
Geiſt der czechiſchen Demofratie mit zu Gericht geſeſſen wider den Aoſolutis-
mus deutſcher Höfe und wider die volksverraͤthekiſchen Geſinnungen ſlaviſcher
Barone. In Prag iſt auch die czechiſche Demokratie mit Wunden hedeckt wor-
Seitbem giebt ſie fich in förtgeſetzten Agitationen kund, ſie ſitzt aich im
Reichstag zu Wien. Ueber ihrer, Zukunft hängt der Schleier, der auch über
dem Geſchick der Deutſchen hängt.....

Man muß wohl bedenken, wie verſchiedene Tendenzen unter Einem Namen
arbeiten. Für die Einen ift die Nationalität eine Masfe, um ihre Kaſten-
intereffen dabinter zu verbergen. Wir haben das bei den Czechen geſehen,
wie bei dem polniſchen Adel, wie bei den deutſchpoſener Gutsbeſttzern * *

ür die
Andern, für die Demokraten, muß die Nationalität manchinal zur Maske die-
nen, um einem tief gekuechteten Voͤlke mehr allgemeine Sympathieen und ſomit
mehr Hülfe zu verſchaffen.

Begeiftern wir ung nicht ins Blaue hinein für cin romantiſchgekleidetes
Blicken wir überall nad) den republikaniſchen Par-

maniſche oder ſtäviſche Zunge haben. Die erſten Führer Der Demotratie ſind;
immer human, und nicht national. Nur mit ihnen läßt ſich in gemeinſchoft-
lichem Einverſtändniß gegen die Tirannei der fürſtlichen und geldariſtokratiſchen
Klaſſen handeln. —

+



Deutfoland

} \
LMannheim. Zu Nutz und Frommen aller Derſenigen, welche die Er-
fahrungen der letzten DMonate von der höchſt gefährlichen und entnervenden

Reichskriegsmintſters Peucker ein weiteres kraͤftiges
hartnäckige Uebel. *

Frankfurt, 1. Aug. Bierundzwanzig. Stunden nach der Ernennung
des Miniſters verließ der Erzherzog Fraukfurf und ließ den Miniſter v. Peutks
fer mit dem Miniſter Schmerking mit aller Berantwortung der National Ver-
ſammlung gegenüber, ohne Ynfiruktion, ohne gefeßlich, geregelte Bafts, ohne
Geſchäftẽ? Perſonal, ganz ifolitt zurück. Das Wühlen der demokratiſchen Pextei
hielt diefen Zettpunkt für günftig., Man drohte von mehreren Seiten mit Auf-
ſtänden, nauientlich im badiſchen Oberlande, im Darmſtädtiſchen und Naſſani-
ſchen, endlich auch im Altenburgiſchen. Die Nationalverſammlung hatte ſich
gegen den angeblichen Waffenſtillſtand in Holſtein erklärt, und man konnte je-
den Augenblick Excigniſſen entgegen ſehen, welche außergewoͤhnliche Maßregeln -
auch für die dortigen Zuſtände unverzüglich einzuleiten nöthigen konnten. Die
Regierungen hatten die Central-Gewalt anerkannt, indem ſie durch das Organ
des Bundestages alle Rechte des letzten auf ſelbige feierlich überkragen hatten.
Demnächſt war das Reichs-Miniſterium feſt entſchloſſen, jeden Aufſtand der
Anarchie unverzüglich mit aller Schärfe des Schwerts zu unterdrücken, hierbei
mit Blitzesſchnelle überall auch durch die Ueberraſchung des plötzlichen Erſchei-
nens der geſetzlichen Kraft zu wirken, jede ſich darbietende Gelegenheit zur Aufe
löſung radikaler Vereine zu benutzen und das Odium ſolcher Maßregeln auf
die vom Lande ſelbſt gewählte Eentral-Gewalt, ihrem Programm gemäß, zu
nehmen und dadurch den betreffenden Regierungen abzunehmen. Wie häͤlte
man in einer ſolchen Lage 14 Tage lang ın Paſſivität verharren und darauf
warten können, bis durch langwierige Unterhandlungen das Formale des künf-
tigen Geſchäftsganges geregelt ſein wuͤrde? Es mußte unerläßlich ſcheinen,
wenn man nicht eine ungeheuere Verantwortlichkeit auf ſich nehmen wollte, ohne
Verzug in eine vorläufige Geſchäfts-Verbindung in ganz gleicher Weiſe, wie
dies der Reichs⸗Miniſter des Innern mit den betreffenden Miniſtern des Innern
that, mit den Kriegsminiſterien zu treten. Gleich im Eingange des bekreffen-
den Schreibens iſt alg Moͤtiv angeführt, daß die Communicationen des Erz-
herzogs einige Verzögerungen erleiden Ddürften, und es unerläßlich ſcheine, ohle
Verzuͤg in Geſchäfis-Verbindung zu treten. Es wurde die Bitte ausgeſprochen,
die Truppen für den Fall, daß ſie ausnahmsweiſe bei ganz beſonderen Veran-
laſſungen unmittelbare Ordre von dem Reichs-Kriegs-Miniſterium erhielten,
im Voraus anzuweiſen, ſelbigen ſogleich zu genügen. Dieſe Maßregel war .
unerläßlich, wenn plötzlich ausbrechende Aufſtaͤnde unterdrückt werden follten.
Wie wohlthaͤtig die Schuelligkeit in ſolchen Fällen wirkt, davon haben wir ein
ſchlagendes Beiſpiel hier in der unmittelbarſten Nähe gehabt.

Es brach ein Aufſtand in Wiesbaden aus; die geſammte Bürgerwehr

Mittel gegen jenes


mit 4 Kanonen und etwas Cavallerie dahin. Dieſe Colonne exrſchien urplötz-
lich am folgenden Morgen dafelbjit, die ganze Bürgerwehr wurde entwaffnet,
und Alles rief der Energie dieſer Maßregel, welche bis ins badenſche Oberland
zurückgewirkt hat, Beifall zu. Hätte mau wochenlange Verhandlungen wegen
Entfendung dieſer Truppen nöthig gehabt, ſo war die ganze Maßregel unauss
führbar. Man konnte aber ſehr leicht auch preußiſch rheiniſche oder erfurter
Tiuppen für das nahe Bundes-Gebiet brauchen. Hierzu lam, daß die ſüddent-
ſchen Truppen wenig zuverläſſig ſind, von der republikaniſchen Partei bearbeitet _
und mehr oder weniger gegen alle Maßregeln der Ordnung eingenommen wer-
den. Man durfte daher die Truppen, welche die Central-Gewalt gegen die
Anarchie commeindiren wollte, darüber, daß eine Central⸗Gewalt exiſtire, nicht
in Unkenntniß laſſen, und konnte nicht verlangen, daß die Truppen durch Zei-
tungs-Lectüre die Kunde gewönnen Es mußte dieß offieiell giſchehen/ um jede
Widerſetzlichkeit, wenn ſie zur Unterdxückung von Unordnungen aufgefordert
würden, zu verhüten. Das Ausrücken in Parade mußte als die allein paſſende
Form hierzu angeſehen werden. Ein anderes offiziell gültiges Document, als

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