— —
Juſeraie die
/
Deutſchland.
Mannheim, 19. Oct. Unſere Lefer erhalten in nachſtehendem Land-
tagsberichte Kenninif von dex Interpellation, welche der Abgeordnete Brentano
im Namen einer Deputation Mannheimer Bürger über die kürzlich hier vorge-
kommene ſo ſchmachvolle Verlegung des Verſammlungsrechtes an das Miniſte-
rium gerichtet hat. Herr Bekk hat geantwortet und — wer erſtaunt nicht über
die Sprache, die einmal wieder von der Miniſterbank aus geführt wird! Ganz
keck erklärt der Herr Miniſter, daß es ihm gar nicht in den Sinn komme, ein
derartiges Verbot wieder rückgängig zu machen. „Fort mit Euch“, herrſcht er
den verletzten Bürgern entgegen, „maxſchirt Euch auf den Weg der geſetzlichen
Beſchwerde. Wer dergleichen abſcheuliche Angriffe auf die beſtehende Verfaſſung
im Schilbe führt, wie die Mannheimer Bürgerverſammlung, der verbient c&
nicht beſer; wir, ſind jetzt wieder bei, der Hand und unfer wackliger Sig ift
aufs Neue befeſtigt; Fommt nur, wir, wollen Euch ſchon die Zähne weifen.
Conſtituirende Verſammlung, Kammerauflöſung? Wie kann man Dderartige ver-
faſſungswidrige Forderungen ruhig mit anſehen?“ Hört es, Ihr guten „Badener,“
wie der Herr Miniſter Bekt ſprichi; eine conſtituixende Verfammlung iſt eine Ber-
faſſungswidrigkeit; das getraut ſich der Herr ſo in aller Ungenirtheit auszu-
ſprechen, im Angeſichte der deutſchen conſtituirenden Nationalverſaminlung, im
den Handſchuh in's Geſicht zu werfen. Aber, man fühlt ſich jetzt einmal wie-
der ſicher und da braucht maͤn's nicht ſo genau zu nehmen. Nun aber vollends
die ungeheure Lächerlichieit, daß nur die Kegierung die Kammer, nicht aber die
Kammer ſich ſelbſt aufiöſen könne. Das Voͤlk begeht demnach ein Verbrechen,
wenn es der Kammer zumuthet, ſie ſolle durch ihre Autorilät und in Betracht
des verlorenen Vertrauens die Regierung vermögen, ihre Auflöſung zu decreti-
ren! Der Regierung
was ſie für gut findet.
eine Verfaſſungewidrigkeit enthaͤlt. Jeder einzelne Abgeordnete hat zu jeder
aile’ von diefem Rechte Gehrauch, dann iſt die Kammer aufgelöſt und hat gar
nicht nöthig, noch einen förmlichen Beſchluß der Regierung abzuwarten. Wir
möchten doch ſehen, ob man die Kammer hindern kaun, fich ſelbſt in ihrer Ge-
ſammtheit eine ſolche Verbindlichkeit aufzulegen. Daß voͤn' der Regierung nun
noch eine Kammerauflöſung zu exwarten ſei! das wird ſich nun fo ziemlich ein
Jeder nach dieſer Antwort unſeres Herrn Miniſters aus dem Koͤpfe geſchlagen haben.
Es iſt nun am Volke, zur Erreichuug ſeiner Forderungen weiteke Schritte einzu-
ſchlagen und durch Ausübung des Gewichts, das ihm über ſeine Vertreter
zuſteht, trotz aller Lamentatſonen des Herrn Miniſters und der Regierung dennoch
eine Kammerauflöſung zu Stande zu bringen.
* Unfer Bericht üher die betreffende Kammerſitzung hebt beſonders die
kraſſen Bemerkungen Bekk's hervorz er lautet:
„So eben zeigt Brentano eine Petition mehrerer Bürger Mannheims an,
welche ihm wichtig genug erſcheint, um dieſelbe zugleich zuͤr Grundlage einer
Interpellation an den Präſidenten des Miniſteriums des Innern zu Machen.
Dieſelbe bezieht ſich auf das Verbot der auf den 16. dſs. in der Aula zu Mann-
gierung zur Anerkennung des freien Verſammlungsrechtes, zur Beſtrafung der
pflichtvergeſſenen Beamten und vor Allem zur ſchleunigen Aufhebung des ſtadt-
amtlichen Verbots aufzufordern. — Der Sprecher gibt ſofort eine Kritik des
Beſchluſſes der Mannheimer Behörde, welche es für ſtaatsgefährlich und ver-
brecheriſch erklärt, wenn Staatsbürger ihre Wünſche vor dieſes Haus bringen
und zu vorgängiger Berathung ſich verſammeln zu wollen, ein Recht, zu deſſen
Erlangung es der Märztage nicht bedurft hätte, welches ihnen vielmehr ſchon auf
Grund des Geſetzes von 1833 zuſtehe. Er richtet ſofort die Frage an den Mi-
niſter des Innern, ob derſelbe Kenntniß von dem Verfahren der Mannheimer
Behörde erhalten und welche Schritte er zur Wiederherſtellung des verletzten
Aſſoziationsrechts gethan habe. —“
GBekk geſteht zu, von dem betreffenden Verbot allerdings Kenntniß erhal-
ten zu hahen; Schritte, daſſelbe rückgängig zu machen, habe er aber noch nicht
gethan. Der Beſchwerde ſtehe der geſetzliche Weg offen. Verſammlungen, in
plotte, Verbindungen zu Verbrechen ſeien unerlaubt, und ſtrafhar auch die
bloſe Anregung dazu. Solche Sturmpetitivnen könnten nur zu blutigen Con-
flikten führen; man laſſe ſich nicht zwingen und werde ſolche Maſſebewegungen
(wo iſt davon in tem Mannheimer Plakat nur mit einem Worte die Rede?)
nicht dulden. Verhütung ſolcher Vorgänge, Unterdrückung im Beginn ſei
Sache der Staatspolizei und die Behörde habe Recht gethan“
drig ſei eine conftituirende Verſammlung, wodurch die Regierung geradezu bei
„Nur wer das Unglück des Volkes wolle, könne ein ſoiches Verfahren
wünſchen oder ruhig dazu ſehen wollen“ 2c. ꝛe.
„Brentans entgegnete: Das badiſche Volk werde ſich über die neue
Tbeorie von Verbrechen freuen. Wenn es ein Verbrechen fet, eine Petition an
die Kammer, daß ſie die Regierung zur Einberufung einer konſtituirenden Ver-
ſammlung auffordern ſolle, zu berathen, warum bringe man nicht die Sache vor
die Gerichte? Wer werde wohl eine öffentliche Bexathung anordnen, wenn
es ſich um ein Complott handle? Dieſe Erklärung des Miniſters gebe einen
neuen Beweis, daß die Reaktion wieder ihr Haupt erhebe. (Widerſpruch von
der Rechten und der Mitte) Zum Blutvergießen würde es nie gekommen
ſein, wenn die Regierung die Wünſche des Volkes berückſichtigt und nicht ſich
fortwährend geweigert haͤtte, eine Kämmer aufzulöſen, die das Vertrauen des
Volks nicht mehr habe.“ ;
„Bell. Das ſei nux die Anſicht des Abg. Brentano. Die Kammer habe
es nun gehört und das Publikum auch (ſeit wann beruft man ſich am Mini-
ſtertiſch auf die Gallerien?) Weil er kein Vertrauen zu dieſer Kammer mehr
habe, ſage er, das Volk habe keines mehr. Was würde man denn ſagen, wenn
Verſammlungen, die die Aufhebung der Verfaſſung im Sinn des Abfolutigmus
verlangten, geduldet würden? Dagegen würden woͤhl alle diejenigen ſich erheben,
die ſich jetzt über Verletzung des Verſammlungsrechts Beſchwerde führten.
(Von der Linfen: o nein!) 4 *
„Kapp, dem man in gewohnter Weife das Wort abſchneiden möchte, weißt
unter vielfachen Unterbrechuͤngen nach, daß z. B. vor den Thoren Freihurgs
Verſammlungen im ultramontanen Sinne ftattgefunden haͤben, und verlangt,
„Beit, Eine Verſammlung im Schwarzwald von der Art der von Kapp
Vizepräſident Weller, der vermöge einer bis dahin an ihm nicht wahrge-
nommenen prophetiſchen Sehergabe vokaus wiſſen woͤllte, was Kapp ſprechen
werde, und ihm deßhalb gern das Wort abgeſchnitten hätte, fraͤgt nun die
Kammer ob diefe Diskuͤfſion foͤrtgeſetzt oder bis zum Bericht über die Petition ausgeſetzt
werden ſolle, worauf ſich die Mehrheit naͤtürlich für das Letztere erklärt. —“
. I Carlsrunhe, 18. Oci. Sitzung ver IL, Kammer. Vorſitzender: Weller. Regierungs-
kommiſſare: Bekk, Froͤhlich
Lzußer, der [vben] bereits mitgetheilten durch die Mannheimer Petition veranlaßten Ver-
Handfung habe ich.Shnen für hHeute nur Weniges zu berichten, Einige Ammneftiepetitionen
von 2 Bürgern in Schönau, Erbpachtsablöſung betref-
fend, woran Derfelbe eine wohlgegründete Nıge über die Leichtfertigkeit und Theilnahmslo-
figkeit, womit er die Petitionsbertchte In diefer Kammer behandeln {ah, zu knüpfen Gelegen-
heit nahıt. Er ftellte- unter Hinweiſung auf die Wichtigkeit des Petitionsrechts den Antrag,
oaß künftighin die Berichte der Petitioſiskonuntfſton hicht mehr am Schluß der Sitzungen,
und berathen werden ſollen.
gemaß halten zu wollen.
Die heute berathenen 55. 10 — 17 einſchließlich, des Geſetzes über die Verwaltungs-
kehörden haben zum weſenttichen Inhalt die Wahl des Bezirksauͤsſchuffes durch die Bezirks-
Verſammlung aüs ihrer Mitte, die Unzuläffigfkeit des gleichzeitigen Eintritts untereinander
vexwandter Perſonen in den Bezirksausſchuß, den regelmößigen jährlichen Und auſſerordent
lichen Zuſammentritt der Bezirksverſaminlungen und den moͤnatlichen der Bezirks ausſchüſſe,
die Beſtimmungen über Taggelder und Reiſekoſteä der Mitglieder beider Behörden, die Falle
der Ablehnungsbefugniß von Seiten der Gewählten, die Entlaſſung von Ausſchußmtthlte-
dern und eine allgemeine Competenz-⸗Beſtimmung der Hezirks-Verſammlungen.. Die Para-
graphen wurden, zum Theil mit geringfügigen Modiftkationen, nach der von der Commif-
fion vorgeſchlagenen Faſſung angenommen, mit Ausnahnie des S. 16 über Entlaſſung eines
Ausſchußmitgliedes. Diefelbe foll dem Entwuͤrf und vdem Commiſſiongantrag zufolge wegen
Vflichtverſäuimnniß nach Maßgabe der Gemeindeordnung oder im Fall einer eintretenden
Unfähigkeit aus Gründen ver Berwandtfchaft oder S. 6. [Entmündigung, Verbrechen 2C.1,
oder wegen Vergantung von dem Miniſtérium des Innern ausgeſprochen werden; auſſer-
* * die Bezirksvekſammlung mit *, der Stimmen die Ernennung zurückzunehmen be-
ugt ſein.
Brentano heantragte dagegen, daß die Enttaſſung im Fall der Pflichtverfäumntf thetls
vom Bezirksausſchuß ſelbſt theils vom Minifkerium, aber nur auf Antrag des Ausſchuſſes
auszufprechen ſein ſolle. Lauiey wollte den Antrag dahin mödiftzirt wiffen, daß in allen
Sällen das Minifterium, aber immer nur auf Antrag des Ausfehuffes darüber ent-
{cheiden folle, Hiermit erklärte ſich Brentano einverftanden und der $ wurde mit dieſer Ab-
änderung angenommen,
er Antrag von Zunghanns, den AnıwIten die Wahlablehnungsbefugniß gleich den
Staatsdienern und Sechzigjährigen zu ertheilen, wurde, ungeadtet der Hinweifung Brenz
fano’8 auf die überwiegende Wichtigfkeit der Berufspflıchten eines Advokaten namentlich als
Vertheibiger or dem Gefchwornengericht, verworfen ; ebenfu, die Anträge von Hergt und
Schagf, welche für die Herste und Militär die gleiche Befugniß in Anfpruch nehmen.
„ Gegen Schluß der Situng erklärte ſich Bekk bereit, auf die Interpellation Brentano’s
über vie Peterſche Angelegenheit zu antworten. .
Da jevoch die Verhandlung eines Gegenſtandes von ſolcher Bedeutung zu einer Zeit,
wo die Lammer bereits abgefpannt iſt und die bellenden Magen einzelner Mitglieder in
einen mißgünſtigen Ruf nach Schluß nur allzugern einſtimmen, Teicht ungebührlichen Abbruch
erleiden duͤrfte, ſo, beantragte Ehriſt den Aufſchnb der Sache bis zum Beginn der Sißung
von ühermorgen, [20. Oft ] wogegen da der Miniſter nicht umhin konnte, ſich auch damit
einverſtauden zu lcten, ſich weiter kein Unftand erhoh. x *
** Heidelberg, 18. Okt. Die Profanation des Reichsſiegels und die
Verbreitung der Flugblaͤtter auf amtlichem Wege gab dem Abgeordneten Schmidt
aus Schleſien Vexanlaſſung, den Reichsminiſter des Innern in 3 Fragen zu in-
terpelliren. Dex Ritter Anton aber fand für gut, ſich in ungeheure Entrüſtuͤng zn
verſetzen, den Beleidigten zu ſpielen und — keine Antworl zu geben; es wäre
ihm auch wohl ſchwer geweſen, eine andere als eine vollſtändige befahende
zu geben: übrigens bei Gott und in Frankfurt ſind alle Dinge möglich.
Dieſe Reichs-Schmäh-Schriften-Verbreitung ſteht aber nicht vereinzelt da.
Es erfcheinen hier in Heidelberg zwei Amtsblätter, welche außer den amtlichen
und nicht-amtlichen Verkündigungen nebenher etwas in Politik thun. An die
Redaktionen dieſer beiden Blätter, nämlich des Amts- und Verkündigungs-
blatts für Sinsheim, Neckarbiſchofsheim ꝛc. und des Neckarboten, für
Mosbach 2C, kamen vor wenig Tagen dieſelben Flugblätter, aber dieſesmal von
Karlsruhe; bei denſelben befand ſich ein Zettel; Zur ſofortigen unentgeldlichen
Aufnahme in das Amts-Verkündigungs-Blatt. Karlsruhe. Expedition des Mi-
niſterium des Innern. B. Cunleſerliche Handſchrift wahrſcheinlich Bachelin.)
Das Praͤſidium verſprach, es damit in Zukunft dem Antrage