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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 209 - No. 234 (1. September - 30. September)
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m Der Reichsverweſer gegen Herrn von Schmerling.

Waͤhrend man einer Entſcheidung der Nationalverſammlung über den däni-
ſchen Waͤffenſtillſtand mit nächſtem cütgegenſieht, und mit mehr oͤder weniger
Zuverficht deffen Berwerfung ausgeſprochen zu ſehen hofft — oder fürchtet,
ſchleichen einige Diplomaten, das Gerücht nennt Herrn v⸗ Schmerling, Andere
ihn und die Hexren Baſſermann und Mathy (Vfutl) bei den Abyrorbdneten
jerum, als der böſe Feind, der Unkraut unter den Waizen ſät, und ftüſtern
denen, die alles Heil von der Centralgewalt erwarten, zu? Der Reichsver-
weſer werde ſein Amt niederlegen, wenn der Waffenſtiltſtand
nicht genehmigt würde. Wie jämmerlich und erbärmlich dieſe Art Stim-
men zu werben iſt, braucht nicht erſt geſagt zu werden; aber über alles Maß
ſteigt die Niederträchtigkeit, wenn dieſe Erklärung eine Lüge iſt. Der Reichs-

treu geworden, ſich erfrechen ſollte, in irgend welcher Weiſe ſich, gegen den Wil-
len des deutſchen Volkes aufzulehnen und den Zorn deſſelben über ſolchen Ver-
rath herauszufordern, wäre auch der letzte ihres Daſeins und des Daſeins alles
deſſen, dem ſie Werkzeug und Stütze gewefen. *

So liegt die Frage; die Nationalberſammlung wähle zwiſchen ihren Löſun-
gen; ſie entſcheidet über ſich ſelbſt.

78. Sitzung der konſt. Nationalverfamuilung.

(Sohluß.) ‚ .
Präſident verkündigt einen dringlichen Antrag von Simon (von Trier),



mung der Parteien kennen zu lernen. Unter dieſen befand, ſich auch Vogt aus
Gießen, welcher dem Reichsverweſer dieſes Gerücht mittheilte und um eine of-
fene Erklärung über deſſen Grund oder Ungrund bat. Der Reichsverweſer
ermächtigte ihn darauf, das Gerücht für eine „Lüge“ zu erklären, und gab
die Verſicherung, daß er, ſo lange der proviſoriſche Zuſtand daure und ſeine
Koͤxperkräfte es geſtatteten, nicht ven feinem Amte weichen werde und ſich ver-
yflichtet halte, jeden Beſchluß der Nationalverſammlung auszuführen.

ſcheidung, für oder wider, nur keinen Verſuch zur Bermittlung, kein
Nachgeben nach beiden Seiten, und für erſtere eine anſehuliche Majorität.
Wir beeihen uns dieſe (ganz ſicher verbürgte) Nachricht dem deutſchen


chen, nein, im Gegentheil, um bei dieſer Gelegenheit davor zu warnen, ſchö-
Hen Worten, weil es ſchöne Worte ſind, Bertrauen zu ſchenken;
Deutſchland hat ſchöne Worte genug aus fürſtlichem Munde ge-
hört, um vom Vertrauen gründlich gebeilt zu ſein, es mug Tha-
ten ſehen, wenn es jemals wieder vertrauen ſoll, und thut beſſer, auch dann
noch mißtrauiſch zu bleiben — nein, um auf die Schmerlings, die Baffer-
manns, die Mathy's und ihre ſchleichenden Wühlereien aufmerkſam zu
machen, um dieſe Heuchlerbrut, die noch immer nicht die gebührende allſeitige
Verabſcheuung genießt, immer mehr und mehr zu entlarven, und den Schwan-
kenden ein neues Beiſpiel vorzuhalten, wie ſchwankende Geſinnungen und Be-
ſchlüſſe nirgends willkommen ſind, und wie
Mann erwartet und verlangt.

Ueber den Bundestagspräſidenten von Schmerling nächſtens mehr.

P

+ +



Der Tag der Entſcheidung.
(Aus der Reichstagszeitung.)

Heute wird in der Paulskirche über das Schickfal Deuiſchlands, über das
Schickſal Curopa’s entſchieden.

Zeigt ſich die Nationalvexſammlung ſchwach, wird ſie ſich und ihrem Be-
ſchluſſe vom 5. d. M. hinſichtlich des Waffenſtillſtandes mit Baͤnemaͤrk abtruͤn—
nig — dann hat ſie ſich ſelbſt und der von ihr eingeſetzten Centralgewalt das
moraliſche Todesurtheil geſchrieben — dann wird fie keine Hülfe von Oben
noch von Unten vor dem Untergang retien können, der früher oder ſpaͤter allen
denen beſchieden ift, welche zum Vekräther an ihrek eigenen Sache werden. Mit
einem ſolchen Beſchluſſe wäre der Anfang jener krampfhaften Zuckungen und
blutigen Zerwürfniſſe eingetreten, die zwar große NMationen nicht zum Sterben
bringen, die aber ihre Kräfte manchmal auf Fahrhunderte hinaus dergeſtalt auf-
reiben, daß ſie endlich widerſtandlos innerkr oDer äußerer Unterdrückung zur
Beute werden.

Das deutfehe Bolt wird, ez muß ſich gegen einen Beſchluß auflehnen, der,
wenn er in Ausführung gebracht, zu der Schmach vor den Augen Europa's,
die Ermuthigung aller Fuͤrſtengelüſte, aller Reactionsbeſtrebungen, aller Sondere
geſinnung gegen die wahre Einigung und Freiheit Deutfchlands fügt Das
daraus entſteigende Bündniß aber dieſer Letzteren mit einer Majorität in der
Nationalverſammlung und der von ihr abhängigen, wenn auch nur illuſoriſchen,
Centralgewalt würde dem Kampfe des Voͤlkes mit denen, die ſeine Sache ver-
rathen, jenen angedeuteten Charakter eines Vernichtungskrieges aufdruͤcken der,
wie ſein Ausgang auch ſich geſtalten mag, mit völligel Erſchöpfung und deren
wahrſcheinlichen Folgen enden müßte. —, Das Volk aber wird/ wenn man ihm
den Handſchuh alſo hinſchleudert, ſelbſt mit der Ausſicht auf dieſe traurige Al-
ternative, nicht vor ſeiner Aufgabe zurückſchrecken, es wird dem Schim pfe-
den man ihm anthut, mit Gewalt entgegentreten; und es hat ein
heiliges Recht, eine noch heiligere Pflicht dazu, nachdem man e8, nach feiner
ruymreichen Erhebung im Fruͤhjahr, Tropfen um Tropfen den Kelch aller De-
müthigungen hat leeren laſfen. So wird es, wenn nicht alle Zeichen trügen,
wenn in der Nation nicht alle Ehre und Kraft erloſchen, ſo wird es fommen,
* die Nationalverſammlung heute den ſchmachvollen Waffenſtillſtand anerz

ennt. — ;

Verwirft ſie ihn, ſo hat ſie mit ihrer eigenen und Deutſchlands Ehre das
Baterland vor den unheilvollen Erſchuͤtterungen gerettet, Die eine unmitttelbare
Folge j.ner Anerfennung fein würden. Denn nun und nimmermehr wird der
freiheits⸗ und einheitsfeindliche Sonderbündlergeiſt der Camarilla in Heer und
Hof in Preußen es wagen, gegen ſolchen Befchluß ſich aufzulehnen, wo die
ganze gewaltige Demokratie des Deutfchen Voͤlts ihrer ſelbſtherrlichen Vertretung
im Parlament und der von dieſem ernannten vollziehenden. Gewalt zur Seite
ſteht und Gut und Blut für fie einfept, Der Tag, wo jene Camarila, bauend
auf die Einftüſterungen gewiſſer Machthaber des Auslandes, die ſich ſelbſt un-








vom 9. Auguſt in der Sitzung vom 7, D, die volle Anerkennung der Nattonal-
verſammlung auszuſprechen, — die Verſammlung erklärt ſich, mit Augnabme
der Linken und des linken Centrums in ihrer Mehrbeit dagegen, ihm zur Bez
gründung der Dringlichkeit das Wort zu geben. — Man geht zur Abſtimmung!
über S. 14 übex. Es liegt eine gedruckte Ordnung der voͤrgeſchlagenen Fragen
vor, welche nicht weniger als 30 Hauptfragen, deren mehrerẽ wieder 2—4 Un-
terabtheilungen enthalten. Gegen diefelbe ſprechen Plathner, Reichenſperger,
Nauwerk, Müller und Rösler (aus Oels). Nachdem man über die Reihen-
folge der Fragen durch Abſtimmung entſchieden, wurde zunächſt über das erſte
Minoritätsgutachten von Laſſaulr, Lichnowsiy 26.:
Die beſtehenden und die neu ſich bildenden Religionsgeſellſchaften ſind al
ſolche unabhängig von der Staatsgewalt; ſie ordnen und verwalten ihre
Angelegenheiten ſelbſtſtändig.

mit Namensaufruf abgeſtimmt; und dasſelbe mit 357 gegen 99 Stimmen ver-
worfen. Ebenſo die davon nur im Wortlaut verſchiedenen Amendements von
Zachariä und Salzwedell, und das zweite Minoritätsgutachten. Dagegen wird
der Antrag von Kuenzer:

Jede Religionsgeſellſchaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre Angelegen-

heiten ſelbſtſtändig, bleibt aber, wie jede andere Geſellſchaft im Staate,

den Staatsgeſetzen unterworfen, '
angenommen, Ehenſo der Antrag des Verfaſſungsausſchuſſes: ,
; Neue Religionsgeſellſchaften dürfen ſich bilden, einer Anerkennung ihres

Bekenntniſſes durch den Staat bedarf es nicht.

Verworfen wurden zwei Anträge von Pötzl und von Wichertz: bezweckend
den neugebildeten Religionsgeſellſchaften die Genoſſenſchaftsrechte zu ſichern;
desgleichen einer von Schmidt aus Löwenberg: Concordate finden nicht
mehr ſtatt.

Das vierte Minoritätsgutachten: * *

Keine Religionsgeſellſchaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat.

Es beſteht fernerhin keine Staatskirche.
wird angenommen.

Ueber das Amendement von Eſterle und Genoſſen:

Die Pfarrer und Kirchenvorſteher der Gemeinden werden von dieſen ge-

wählt und ernannt, ohne daß es hierzu der Beſtätigung von Seiien des

Staats bedarf.
wird namentlich abgeſtimmt, 320 Stimmen erklären
S. 14 lautet nun folgendermaßen:“ }

Jede Religionsgeſellſchaft Girche) ordnet und verwaltet ihre Angelegen-
heiten ſelbſiſtändig, bleibt aber, wie jede andere Geſellſchaft im Staate,
den Staatsgeſegen unterworfen. — Keine Religionsgeſellſchaft genteht vor
andern Vorrechte durch den Staat, es beſteht keine Staatsfirche, —
Veue Religionsgeſellſchaften dürfen ſich bilden, einer Anerkennung ihres
Bekenntniſſes durch den Staat bedarf es nicht. — Schluß. -

ſich dafür, 134 dagegen.

Deutſch Land.

T1 Mannheim, Sepyt Ueber den obrigkeitlichen Erzeß, welcher
aus gexingfügigſtem Anlaſſe den Tag, an dem der Verleger dieſer Zeitung freis
geſprochen und ſeiner langwierigen Haft entlaſſen wurde, mit Säbeln und Ge-
wehrkolben in die Annalen dieſer Stadt einzeichnete, wird ſeither eine großh.
ſtadtamtliche Unterſuchung geführt. Es ſind bereits mehrere der bruͤtalen
zum Theile blutigen Mißhandlungen, welche ſo vielen ſchulbloſen Einwohnern
widerfuhren, in den Akten aufgeführt und beſonders dargethan, daß ſolche hauptfäch-
lich durch die vom Polizeikommiſſär Hoffmann geführte Mannfchaft, weniger
von kurheſſiſchen Truppen, verübt wurden; das Stadtamt führt daher eine Un-
terſuchung gegen ſeine eignen Leute und müßte ſie auch in anderm Betracht ge-
gen ſich ſelbſt führen, wenn das ſo ginge; denn das geſammte von ihm ver-
anlaßte und vollführte gewaltthätige Einſchreiten gegen den vermeintlichen Fakel-
zug bildet einen Mißbräuch der oͤffentlichen Oewalt, Die etwaige Berletzung
eines Polizeiverbotes, welche verordnungsmäßig mit kleiner Geldbuͤße, höchftens
mit entſprechender Gefängnißſtrafe bedroͤht ift, Fann nimmermehr das ruͤheſtö-
rexiſche Aufbieten der bewaffpeten Macht eniſchuldigen, welches immer leicht Ex-
zeſſe vexanlaßt und hier ſo beklagenswerthe Folgen haite. Das Stadtamt felbft,


in Bewegung ſetzte, wird nicht mit Unterſuchung und Beſtrafung zu verſcho-
nen ſein! Wir wollen ſehen, was hierin geſchieht, was der Miniſter Beff
den Kammern mittheilen kann, daß er nicht unbeſtraft die Sichetheit der
Perſonen und die öffentliche Ruhe und Ordnung durch die Beamten ſelbſt ge-
fährden und ſtören laſſe. Einſtweilen gewärtigen wir in Bälde zu erfahren,
wie das großh. Stadtamt den tollen, blutlüſternen Eifer ſeiner Untergebenen
zur Beſtrafung bringt, und welche Genugthuung die durch dieſelben Beſchädig-

” Bom Mbein, 12. Sept, Die öffentlichen Blätter haben Ihnen
ausführlich die ſchauderhaͤfte Lage geſchildert, ın welcher fich die Stadt Mainz


 
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