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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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No. 268.













[?!] Wiens Fall.

Umſonſt ſträuben wir uns gegen den ſchauervollen Gedanken; wir müſſen
mit blutendem Herzen die Botſchaft unterſchreiben: Wien iſt gefallen. Wir ha-
ben unſere Beſorguiſſe für die heldenmſthige Stadt nicht verborgen, aber wir
konnten bis zum Ießten Augenblicke die Hoffnung nicht perlieren; es fällt ſo
ſchwer, glauben zu ſollen, daß eine That, die mit ſe hinreißender Macht die
Gemüthel der Menſchen einnimmt, unterliegen muß. Und doch iſt es ſo. Der
Donner der Kanonen ſchweigt; es iſt „ruhig“ geworden auf dem geraͤuſchvol-
len Schaͤuplatze. Windiſchgkätz und Jellachich, die „Apoſtel der Humanität“
ſtellen mit ihren Horden in der halbzertrümmerten Stadt „die Ordnung“ wie-
der her und über den Leichenhaufen der Bürger richtet ſich noch einmal auf
der erſchütterte Thron des Kaiſers. Jellachich wird jetzt die übernommene Rolle


Die Camarilla triumphirt und rüſtet ſich geſchäftig zum alten Spiel gegen
das Volk. Ganz Deutſchland wird in Kurzem den Schlag mitfühlen, den
die Freiheit in Wien erhalten hat; es iſt eine Bewegung unterdrückt, die einzig
den Schutz der beſtehenden Verfaſſung bezweckte, die nicht gegen die Verfaſſung,
nur gegen die Reaction gerichtet war. Es iſt das erſte Mal ſeit den März-
tagen, daß die Gegenrevolution einen weitreichenden Sieg über das Volk
davongetragen; bis daͤhin hat ſie ſich nur in einzelnen, hier mehr dort weniger
geglückten Berſuchen geübt; jetzt erſt iſt es ihr gelungen, einen Boden zu eko-
bern, auf dem ſie wieder feſten Fuß zu faſſen! neue Kraͤfte zu ſchoͤpfen im
Stande iſt, der günſtige Erfolg wird ſie kühn machen und zu weiteren Thaten


ſchwebte, bildeten den Wendepunkt einer neuen Phaſe unſerer Revolution; es
waren Tage einer allgemeinen Spannung, Tage, in denen das Volk und die
Fürſten von den gleichen Beſorgniſſen, von den gleichen Hoffnungen nur in ent-


— In Berlin haben die Wirkungen dieſes Zuſtandes bereits angefangen her-
vorzutreten; es iſt unzweifelhaft, Berlin wird jetzt an die Reihe kömmen und
vielleicht das Schickſal Wiens theilen müſſen.
durch das ganze Deutſchland hindurch auf's Neue die Unterdrückung triumphiren,
die Throne der Fürſten ſind dennoch erſchüttert und keine Macht der Erde wird
ſie dem Untergange entreißen. Berfucht es, das kühne Werk, die Revolution zu
üherwältigen! Ihr könnt die Flammen dämpfen, die hie und da in die Höhe
ſchlagen, aber glaubt nicht, daß das die Revolution war. Das war nur ein
ſchwaͤches Aufflackern des gehkimen Brandes, der ſich unſichtbar im Volke fort-
wälzt, der nicht mehr zu löſchen iſt, der mit jedem Tage neue Nahrung an ſich
zieht und je länger, deſto ärger wird.
Trümmern zerſtörter Städte, mit den Leichenhaufen hingemordeter Völker, er
wird eines Tags mit furchtbarer Gewalt hervorbrechen und ſeine Flammen über


jttzt ſo ſein: Aus den Gräbern kommt die Freiheit!,

‚. H+ An fämmtliche Gemeinden Badens!

Mirbürger! Wie ihr aus den Zeitungen werdet erfehen haben, beriefen wir
vor Kurzem eine Bürgerberſammlung, um in derſelben entfchiedene Anträge we-
gen endlicher Auflöfung dex Kammern und Berufung einer conftituirenden Bers
jammlung zu ſtelen. Die Willkür der Beamten verhinderte vas Zuſtande-
kommen jener Bürgerverſammlung.
große Anzahl von Zuſchriften gleichen Zweckes an die 2
fet, ſo daß wir es nicht mehr für zweckmäßig hielten,
folgte thatſächliche Erwiderung auf die von dem
proklamirten Grundfätze zu veranſtalten, ſondern uns mit einer bei der 2. Kam-

Kammer eingelaufen
eine ſonſt jedenfalls er-








bereits unterzeichneten Adreſſe, betr. die Auflöfung der Hammern
und Berufung einer Konſtituirenden zurüchalten, andere Gemeinden
ſogar mit der Ausfertigung ſolcher Adreſſen zuwaͤrten, bis ſie über das von
uns einzuſchlagende Berfahren Kunde haben, ſehen wir uns verpflichtet!, ſämmt-


mer aufzufordern.

„ Wir machen hierbei darauf aufmerkſam; daß dieſe Willenserklärungen des
Volkes jetzt um ſo geeigneter erſcheinen, als eine Partei, deren politiſches Leben
in Unterthänigkeitsadreſfen und öffentlicher wie geheimer Verleumdung der Volks-
partei beſteht, in jüngſter Zeit ſich für ein Vertrauensvotum der IL Kammer,
für eine Galgenfriſt zu Gunſten abgeſtandener und freiheitsfeindlicher In-
ſtitutionen, ſowie endlich für die Anerkennung des Grundſatzes der „Verſtändi-
gung und Unterhandlung“ an den Laden legte.

Mannheim, den 6. Nov. 1848.
Der Kreisausſchuß bad. Volksvereine.

2 Deutſch and.

Vom Bodenſee, im Novbr. Zu Badız, im Fürſtenthum Lichtenſtein,
ſind Volksbewegungeu gusgebrochen. Die Beamten und das Militär wuͤrden
vcriagt, und es ſollen ſich 8 bis 900 Mann Freiſchaaren aus Montafun, Grau-
bünden 26. geſammelt haben, welche einen Einfall nach Vorarlberg beabſichtigen.
Die öſtexreichiſchen Truppen in Bregenz beſetzten ſogleich die Gränze. Weitere
Ereigniſſe haben bis jetzt nicht ſtattgefunden. (Freib. 3.)

Frankfurt, 6. Nov. Heute trat, auf Einladung unferes Senaͤtes die
Neue verfaſſunggebende Verſammlung der aus Stadt und Land erwählten 120
Vertreter des Volkes zuſammen. Bieſe erſte Sigung wurde durch Alterspräſt-
denten, Fr. Schneider, eröffnet, und hierauf zur Wahl des Präſidenten! der



Vicepräſidenten und des Seeretariats geſchritten. Zum Präſidenten wurde er-
wählt Dr. Kugler mit 92; zum erſten Vicepräſidenten Dr, Binding_1. mit 109,
zum zweiten Vicepräſidenten N. Hadermann mit 93 Stimmen. Die Wahl der
vier Schriftführer fiel, der Stimmenmehrheit nach, auf Dr. Renner, Dr.
Sieg. Müller, Dr. Supf und Rütten. — Dr. Reinganum und Dr. jur. Fried-
leben, welche auf den Dorfſchaften und zugleich in der Stadt gewählt ſind, ha-
ben die Wahl für die vereinigten Dorfſchaften angenommen.

t++ Berlin, 4. Nov. Die Zurückweiſung welche die Adreſſe der Natio-
nalverſammlung an den König erfahren, hat Waldeck und andere Abgeordnete
der Linken veraͤnlaßt, in der geſtrigen Nachmittagsſitzung einen Antrag vorzule-
gen auf Ernennung einer Commiſſion von 21 Mitgliedern mit dem Auftrage,
die bedrohliche Lage des Landes in Berathung zu nehmen und darauf bezüg-
liche geeignete Vorſchläge innerhalb der Kompetenz der Nationalverſammlung
zu machen. Der Antrag wurde von der Rechten als nicht dringlich bekämpft
und fiel bei der Abſtimmung mit 274 gegen 114 Stimmen durch, indem die
Centren ſich bemühten, den Anflug von Kühnheit, der ihnen unter dem Drang
der Umſtände in den letzten Tagen begegnet war, raſch wieder wegzuwiſchen.
Die Linke gab darauf folgende Erklärung zu Protokoll:

„Der ſchon vorgeſtern geſtellte Antrag, eine Kommiſſion, die bedrohliche
Lage des Landes betreffend, zu ernennen, um von ihr die Vorſchläge zu erwar-
ten, welche dem ſchwankenden, gefahrvollen Zuſtande, in welchem ſich das Land
befindet, ein Ende machen ſollen, mußte den Unterzeichneten in Folge der von
dem Miniſter des Innern, Herrn Eichmann, gegengezeichneten königl. Botſchaft
von geſtern, als eine dringende Nothwendigkeit erſcheinen.In einem Augen-
blicke der höchſten Spannung wagte Herr Eichmann darin, dem faſt einſtimmigen
Votum der Verſammlung, welche durch die Annahme der Adreſſe die vollſtän-
dige Mißbilligung des bisher befolgten Syſtems ausſprach, mit der Behaup-
tung entgegenzutreten, daß die in der Adreſſe angedeuteten Gerüchte über die
Reaͤktion in keiner Handlung der Regierung ſich beſtätigt fänden. Ein Mini-
ſterium, unter deſſen Obhut die bekannten Armeebefehle entſtanden, das durch ſeine
Erlaſſe auf bureaukratiſchem Wege das Verſammlungs- und Vereinigungsrecht
völlig knechten wollte, und zuletzt noch in ganz ungeſetzlicher Weiſe mit dem
Einſchreiten der Militärgewalt drohte, findet der großen Mehrheit der National-
verſammlung gegenüber die ausgeſprochenen Beſorgniſſe ungegrünDdet I

Es genügt ferner Herrn Eichmann, wenn das neue Miniſterium ſich Anſprüche
auf das Vertrauen des Landes zu erwerben wiſſen werde, während die Natio-
nalverſammlung zu dem Verlangen berechtigt ſein muß, die Leitung der Staats-
regierung in den Händen von Männern zu ſehen, welche ſich bereits das Ver-
trauen des Landes erworben haben, und unmöglich ruhig zuſehen darf, daß
dem Zufall der durch ein noch unbekanntes Verhalten zu begkündenden Anſprüche
auf dieſes Vertrauen die Geſchicke des Landes in einer ſo ſturmbewegten Zeit,


des Syſtems wird in Ausſicht geſtellt, während die Nationalverſammlung und
das Volk entſchieden das Letztere erwarten.“
„Die Unterzeichneten hielten es für ihre heiligſte Pflicht, durch Niederſetzung
der beantragten Commiſſion die Maßregeln aufs Schleunigſte vorzubereiten,
welche gegenwärtig geeignet ſind, die Ruhe des Landes und durch Beendigung
des ſchwankenden, gefahrvollen Zuſtandes zugleich ſeine materielle Wohlfahrt
wieder herbeizuführen. Sie wollen nicht verantwortlich ſein für die Folgen
einer Verſäumniß.
„ Berlin, den 4 November 1818
D'Eſter, Waldeck, Jacoby, Kuhr, Grün, Herhold, Dehnel, Treiber, Arnold
ELebus), Schlippers, Taczarski, Seiba, Lipski, Plath, Raenſch, Krackrügge,
Baczinski, Hoferichter, Dziadeck, Friedrich (Neuſtadt), Iwand, Hausmann



Hähnel, Schulz (Sorau), Schell, Anwandter, Herrmann (Sprottau) Gorzſcholka
Viſſers, Scholz (Bunzlau), Vogt, Elsner, Eichner, Schumann, Otto (Trier),
Schwickerath, Balzer, Klingenberg, Wollſchläge, Duitenne, Meſſerich, Jung, Stef-
fanowitz, Gräff (Trier), Appelt, Müller (Sieg), Schmidt (Eilau), Igel, Zeidler,
Nees, Schön (Züllichau), Baur (Adelnau) Laraͤſſe, Kneip, Borchardt, Ouandt, Zän-


DBehrends, Dierſchke, Brill, Gladbach, Pinnof, Reichenbach Booſt, Lifieekt,
Siebert, Nennſtil, Raffauf, Beiler, Schramm angenfalza), Schramm EStrie-

Die beiden Abgeordneten Berg und Rodbertus, welche als Mitglieder der
letzten kläglichen Deputation erklärt hatten, ſie mißbilligen das Auftreten ihres
Lollegen Jacoby, fangen an darüber bei ihren eigenen politiſchen Freunden in
Mißeredit zu gerathenz dieß beweist einevon 28 Mitgliedern der Partei Berg-Rodber-
tus unterzeichnete Anerkennungsadreſſe an Jacoby, woͤrin ausgeſprochen iſt, daͤß er durch
ſeine Haltung durch ſeine Worte die Würde der Depulation, die Würde der
Verſammlung gewahrt habe. Die beiden Herren Collegen Jakoby's haben ſich
in einer zu widerlichen Weiſe alg Miniſteraſpiranten declarirt, als daß ſie noch
auf Achtung in der Verſammlung oder bei dem Volke Anſpruch machen könnten.

Stuttgart, 7. Nov. (Schw. M.) Wir hören, daß in den letzten Ta-
gen die bayckiſche Regierung ihre Bereitwilligkeit ausgeſprochen habe, zu einer
Verbindung der bayeriſchen und württembergiſchen Eifenbaßnen bei Ulm die
Hand zu bieten, unter der Bedingung, daß auch Baden endlich zur Verbindung
ſeiner Bahnen mit den württembergiſchen ſich herbeilaſſe, da Bayern auf die
nächſte Verbindung ſeines Hauptlandes mit Rheinbayern das höchſte Gewicht
lege. Ebenſo hören wir, daß die Vermeſſungen für eine doppelte Eiſenbahnlinie
nach Baden hin, für eine weſtliche: Stuttgart-Pforzheim über Leonberg, und
eine nördliche: Heilbronn-Wiesloch-Heidelberg vollendet ſeien, und als MNefultat -
die Ausführbarkeit jedoch mit bedeutenderen Koſten als die einfache Verbindung
(wie früher im Plan war, blos über Bretten) ergeben haben. Möge endlich
einmal Hand an die Verbindung Can welche?) gelegt werden!


 
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