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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0997

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184*

$






* — — — — —













— — — —

EGiuladung.
E Die Beſtellungen für das mit dem 1ten Oktober begonnene Vierteljahr

der täglich mit Ausnahme des Montags erſcheinenden
Mannheimer Abendzeitung.

und ihres wöchentlich drei Mal erſcheinendez. Unterhaltungsblattes, der
„Rheiniſchen Blätter“
bitten wir des vollſtändigen Bezuges wegen m Sglich ( bald zu machu, *

Es iſt ſichere Vorſorge getroffen, daß die Leſer der Abendzeitung durch die-
ſelbe fortwährend in umfaſſendex Weife ven den wichtigen Tagesbegebenheten
zuverläſſigen Bericht erhalten. Die MRebaktion wird, wie bisher, unermüdlich
und unerſchütterlich auf die endliche Verwirklichung aller dem Volk und allen
Einzelnen zebührenden Rechte, insbeſonder? auf Durchſetzung ber auf dem Prin-
zip der Volksſouveränität beruhenden freieſten Staatsform und der unerläßlichen
fozialen Reformen hinarbeiten. Entſchiedene Volksfreunde und Volksvereine wer-
den uns dabei kräftigſt Unterſtützen.

Man abonnirt in Mannheim bei der Expedition Lit. M 6 Nro. 3, aus-
wärts bei allen verehrlichen Poſtanſtalten; für Frankreich und überſeeiſche Län-
der bei Hrn. Alexandre in Straßburg, Brandgaſſe Nro. 29. Paris, Notre-
dame de NMazareth, Nro. 28; für England bei Hrn. Elaver und Comp. New-
gate⸗Street, 72 London.

IS 3Zu amtlichen und nichtamtlichen Anzeigen allex Art empftehlt ſich die
Zeitung ihrer ausgedehnten Verbreitung wegen noͤch beſonders.





Deutſch Land.

*Mannheim, Ott. Ein neuer Eingriff in das Verſammlungs-
und Petitionsrecht! In Nummer 234 dieſer Ztg findet ſich von „Betheilig-
ten“ eine Aufforderung an die zur außerordentlichen Conſeription Berufenen,
ſich heute in der hieſigen „Turnhalle“ zu verſammeln, um über den Regie-
rungs-Erlaß, der die außerordentliche Conſexiption anordnet, zu berathen; und
zugleich ſprechen ſich jene „Betheiligte, dahin gus, daß der betreffende Erlaß
gegen das neue Bürgerwehrgeſetz verſtoße. Dieſen Mittag erſchien nun an den
Straßenecken folgende
— mE aH U Naı

Nr. 34,186, In der „Abendzeitung“ vom 39. v. M Nr. 234, iſt eine
Aufforderung an ſämmtliche zur außerordentlichen Conſeription gehörigen
Pflichtigen, ſich heute zur Berathung in der „Turn-Halle“ zu verfammeln,
bekannt gemacht.

Da dieſe Aufforderung ihrem ganzen Inhalte nach offenbar eine Aufteh-
nung gegen die beſtehenden Geſetze enthält, die unter keiner Unterſtellung ge-
duldet werden darf, ſo ſieht man ſich veranlaßt, dieſe Verſammlung, wie
andurch geſchieht, zu verbieten.

Mannheim, den 1, Oktober 1848. Großh. Stadtamt.
Kern.
Alſo die Aufforderung zur Berathung über eines Regierungserlaſſes ent-
hält eine Auflehnung gegen die beſtehenden Geſetze! Die Berathüng foll eine
Berufung auf das im April publizirte Bürgerwehrgeſetz bezweckeu; das im


ſeden Die Berathung konnte eine Petition an die Regierung, eine Petition an
die Stände bezwecken. Das Petitioniren iſt alſo vor dem Stadtamt ein „Auf-
lehnung.“ Da indeß dieſe „Unterſtellungen“ vor uns ihrem ganzen Inhalte nach
offenbar eine „Auflehnung“ gegen den geſunden Menſchenberſtand und gegen
die beſtehenden Geſetze enthalten, ſo ſehen wir uns verauͤlaßt, gegen jenes Ver-


weitere Schritte zu thun.
— Die „„NReform bemerkt bei ihrer Mittheilung, daß Weinheim in


So Etwas hat es unter dem alten Bundestagsregiment nicht gegeben!“

Mannheim. Das Großh. — — * 2 Sept. enthält
folgende Bekanntmachuns:

Leopold, — iſt, mehrfach der Irrthum verbreitet worden, als hätte die
Verſetzung eines Ortes in den Kriegszuſtand an uͤnd für ſich die militäriſche
Beſetzung deſſelben quf Koſten dex Gemeinde zur Folge, und unter dieſer irri-
gen Vorausſetzung fühlten ſich viele ordnungsliebende Gemeinden in den betrof-


geſetzlich war, von der Maßregel hätten ausgenominen werden foͤllen.
Ausnahmen ſind nun aber wegen des nachbarlichen Verhältniſſes und wegen
des Zuſammenhangs ganzer Linien ober Begenden nicht möglich. Erwäßen
nun aber ſolche Orte, in denen keine Ruheſtörungen voxkgmen, daß ihnen die
Verſetzung in den Kriegszuſtand lediglich keinen Nachtheil bringt, ſe werden ſie
Auf die Einquartierungen und auf die Ko-
ſtenzahlung hat die Erklärung in den Kriegszuſtand keinen Einfluß. Die Ein-
quartirung richtet ſich lediglich nach militäriſchen Geſichtspunkten, und der Zweck

Solche


brecheriſchen Thätigkeiten iſt dabei maßgebend, wenn gleich aus dieſem Anlaſſe,
wie dies nicht anders möglich iſt, je nach dem Erforderniß der militäriſchen


Ebenſo macht Letzteres in Beziehung auf die Kloſten der Bequatierung


Die Foͤlgen des Kriegszuſtandes ſind nur gegen ſolche Einzelne gerichtet, welche
Handlungen verüben, die im Allgemeinen oder doch unter den gegenwärtigen

Umſtänden für die öffentliche Sicherheit gefährlich ſind, Dieſe Handlungen ſind
im $ des Geſetzes vom 7. Juni d, J. einzeln aufgefübrt und es iſt beſtimmt,
daß Diejenigen, welche ſich foͤlcher Handlungen ſchuldig machen, auf luxzein
Wege, ohne die ſonſt vorgeſchriebenen Formen verhaftet, und ſo lange der Kriegs-
zuſtand dauert, vom Militär gefangen gehalten werden, vorbehaltlich der wei-
teren Strafe, die ſie durch ihre Handlung nach dem ſpäteren Exkenntniſſe des
ordentlichen Richters verwirkt haben mögen. Die ganze Maßregel belaäſtigt alſo
die friedlichen und geſetzlich geſinnten Buͤrger in keiner Weiſe, ſie ſchützt dieſel-
ben vielmehr gegen das gefährliche Treiben Anderer und ſichert ſie vor den Nach-
theilen, die aus dieſem Treiben für ganze Orte und Bczirke leicht hervorgehen.
Die Bürgermeiſter werden angewieſen, darnach ihre Gemeinden zu belehren,
und denſelben das Geſetz vom 7. Juni d. J. vorzuleſen. Gegeben zu Karle-
ruhe in Unferem Staatsminiſteriim, den 26. September 1848. Leopold.
Duſch. Nebenius. Bekk. C. Hoffmann.



Heiligenberg, cim bad. Seekreiſe) 27. Sept, Geſtern waren
ſaämmtliche Bürgẽrmeiſter'des dieſſeitigen Amtoͤbezirks auf die Amtstanzlei gela-
den, um ſich über das Bauſchſummen-Aceisgeſetz zu belehren. Der wightigere/ge-
heime Grund der Ladung war aber ein anderer; denn als jenes Beſchäft in
Lürze abgethan war, überraſchte der Amtsvorſtand die Bürgermeiſter mit der
Aufforderung, dem Großherzoge den Eid der Treue zu (Hwören.
Die Ueberraſchung erlangte aber keineswegs ihren Zweck. Mehrere Bürgermei-
ſter waren wohl anfänglich in ſchlendrianmäßigem Reſpekt bereit, den Eid zu
leiſten, als jedoch die Bürgermeiſter von F. und B. die Sache näher erörtert
hatten, verweigerten ſaͤmmtliche Bürgermeiſter dieſe Eidesleiſtung. Venn
man ſchon allgemein über das Unrecht und die Nutzloſigkeit politiſcher Eide
überzeugt ſein muß und Niemand ein Recht hat, einen ſolchen abzuzwingen, ſo
erſcheint die Taktloſigkeit des Amtsvorſtandes noch um ſo größer, alg er die
Beeidigung für einen Fürſten in demſelben Augenblicke vornehmen wollte, wo
die republikaniſche Geſinnung der Bürger ſich allenthalben auf's Lebendigſte kund
gibt und an wanchen Orten ſelbſt ein Aufſtand gegen die conſtitutionelle Mo-
narchie erfolgte.
... Müllheim, 30. Sept. So eben Vormittags nach 10 Uhr hat
das zur Aburtheilung über G. Struve zuſammengeſetzte Standgericht Unzu-
ſtändigkeit und Ueberlieferung des Angeſchuldigten an das Ausnahmsgericht in
Freiburg ausgeſprochen. Der Grund zu dieſem Erkenntniß iſt kein anderer alg



der, daß Struve vor (am 25. Sept.) Verkündung des Standrechts verhaftet


fallende Handlung mehr vorgenommen habe. 2
Müllheim, 30. Sept. (S truve vor dem Standrechto E& if
9 Uhr Morgens. Wir treten in den Rathhausſaal, wo Guſtav Struve vor
der ſtandrechtlichen Kommiſſton erſcheinen ſoll. Die Anweſenden ſind meiſtens
großh. heſſiſche Soldaten, zugleich gewahrt man einige badiſchen Dragoner,
Offiziere ſind nur wenige da. Kurz nach 9 Uhr treten die ſtandrechtlichen Rich-
ter ein: die Hofgerichtsräthe v. Bodmann, Lugo und Betzinger (Mitglie-
der des Hofgerichts des Oberrheinkreiſes) und die Hauptleute Diemar Gom
1. großh. heſſ. Regiment) Lichtenauer (Befehlshaber der in Müllheim ſtat-
ionirenden bad. Artilleriebrigade) und Ruppert (vom badiſchen Leibinfanterie-
regiment). Ebenſo der Aktuar Hirſch. Alsbald nachher wird Struve, be '
gleitet von einer heſſiſchen Wache, eingeführt. Er ift in demſelben Saale, in
welchem die „proviſoriſche Regierung“ diktatoriſch geherrſcht hatte. Struve bleibt
an dem Ende des richterlichen Tiſches ſtehen, wo ihm die Feſſeln von einem
der Sache, wie es ſcheint nicht ſehr kundigen Soldaten, mühſam abgenommen
werden. Sie fallen klirrend auf den Boden und die Procedur heginnt. Die
Zahl der Zuhörer mehrt ſich, unter ihnen bemerkt man auch den Reichskom-

miſſär Grafen v. Keller. 4
Der Vorſitzende, Hofgerichtsrath v. Bodmann, erklärt dem Angeſchuldigten
in wenigen Worten, vor welchem Gerichtshof er ſich befinde und trägt dem
Aktuar auf, die betreffenden Geſetze zu verieſen, auf deren Grund das gegen
ihn eingeleitete Verfahren beruhe. Der Aktuar verliest das Geſetz vom 23. d.
M., wodurch die Rheinthalämter von Loͤrrach bis Achern in Kriegszuſtand er= .
klärt werden, ferner das Geſetz vom 24., das Standrecht betreffend, endlichi
die Naͤblikation des Standrechts unter dem 26. durch den kommandirenden 662
neral Hoffmann. Der Vorſttzende gibt dem Angeklagten nun auf, einiße &*
Angaben über ſein Leben mitzutheilen. Dieſer antwortet mit einer überfichtlich
bipgraphiſchen Skizze. Er erklärt darin gelegentlich, von jeher republikaniſchen
Grundſätzen zugetban geweſen zu ſein, und iſt am Schluſſe der Erzählung über
ſein Leben im Begriff, dieſen Gedanken weiter auszuführen, eingeſtehend, daß
er jetzt noch Republikaner ſei und daß er — — In dem Augendblick bemerkt
der Redner, daß Hauptmann Diemar etwas ſeinem Nachbar ins Ohr ſagt,
und hält mit dex Rede ein, fährt aber fort, alg Diemar ſchweigt. Er ſchließt
mit dem Gedanken, daß er in dem Beſtehen von 35 „Fürftenthumeru” ein Un-
glück ſehe. Der Vorſitzende ermahnt ihn, hier nichts zu fagen, was eine neue
Schuld auf ihn werfen könnte und hält ihm hierauf die Anfklagepunke, wegen deren
er bier ſtehe, vor: den ſtarken bewaffneten Einfall zum Umſturz von Thron
und Berfaffung in Deutſchland! Vornahme von Regierungshandlungen , offenen
Aiderftand gegen die gefeßlidhe bewaffnete Macht, „Kafenraub“, „Brand-
ſchatzuns.“ Struve erklaͤrt, die Thatfachen feien notoriſch, er läugne ſie nicht,
das Läugnen widerſpreche auch ſeinem Charakter, nur muͤſſe er in Abrede ſtel-
len, mit einem zablreichen Haufen und bewaffnet ing badilche Ge-
biet eingefallen zu fein. Seine Begleitung fet beim Eindringen in's Laud we-

der zahlreich noch bewaffnet geweſen.

‚ Der Borfißende fragt fodann, was er während ſeiner Flucht und während
ſeiner Transportirung zur Niederdrückung des Aufftandes gethan habe. Struve
erwidert, er ſei ſeit ſeiner Gefangennehmung in Wehr durch fanatiſirte oder



doc aufgeregte Bauern ſo ſehr von der Welt abgeſchloffen geweſen, daß er
weder etwas zur Niederdrückung, noch zur Beförderung des Aufſtandes habe
thun können.





 
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