- —
— — — —
ʒ— — —
1848.
(Schluß.) .
. Darum, mögen in dem Parlament die Männer der beſten Einſicht ent-
fhieden die große Angelegenheit behandeln. Sie mögen mit aller Schärfe
bes Lichts die Frage beleuchten und fogar, wenn fie glauben, daß das allge-
meine Bewußtſein keine reife Anſicht erkragen könne, dennoch mit den Grund-
ſätzen durchfahren. Ja es thut Noth, das Voͤrurtheil der Maſſe (grober und feiner)
zu 5 und in die kranken Schädel das heilende Licht des Verſtändniſſes
zu gießen.
Der Ruhm Dentſchlands iſt ſeine Wiſſenſchaft; ſeine edelſten Geiſter, ſeine
begabteſten Söhne müſſen ſeufzen unter der Wucht der Bornirtheit, welche ſie
ſelbſt vom atroganten Throne geworfen. Schmachten müſſen ſie, wenn es
ferner möglid) ſein darf, daß wad fie theorethifh überwunden haben,
ſie wieder durch ihre Handlungenaufrecht halten müſſen. — Man
muß von dem Vorurtheil zurückkommen, als fei die Religion eine Nothwendig-
keit /für das gemeine Volt.“ Ich bitte die Gegner, Mirleid mit ſich zu haben
und ſich nicht felbſt ins Antlitz zu ſchlagen, wenn ſie die „heilige Religion“ zum
Volizeimittel herabwürdigen wollen. Laßt euch nicht vom Gottloſen vor Sünde
wider den heiligen Geiſt und — vor Blamage retten!
Wer in unſrer Frage nicht entfchieden iſt, den müſſen wir als einen
Be günſtiger der Heuchelei erklären, oder auch als Freund derſelben,
wenn er mit Bewußtſein die Denkfreiheit untergraben laſſen will. Die Meiſten
Werden freilich ſo laͤcherlich erſcheinen! wie es die Anmaßung und der lachende
Dünkel nicht anders ſein kann, und wir wollen ſie nicht richten, denn ſie wiſſen
nicht was ſie thun. Aber kämpfet, Ihr Geſunden!
Laßt cuch nicht irren, ihr Einſichlsvollen, durch die Einflüſterungen der Be-
dächtigen, die ſich auf die Umſtände'berufen, auf die Gefährlichkeit,) auf die
gegebenen Berhältniffe, Wenn man ihnen dieſe Berufung gelten läßt, ſo
wild die Menſchheit nie eines Gutes theilhaftig werden, denn immer und ewig
wird man ſich quf Umftände berufen können. Ihr eigenes „Schreien nach Be-
hutſamteit und ihr Rufen von Gefährlichkeit“iſt der einzige gefährliche
Uumftand. Sie auch ſind von Ddenen, die das Volk berufen glaubt; ſie kön-
nen das Volk zufrieden machen — ſie ſitzen ja im Parlamente, dem Born der
Weisheit.
* Numerfung: Blifen wir zwar nach Tirol, ſo wagen wir nicht von Volksreife zu
ſprechen. Allein fur ſolche Gegenden iſt das Sprichwort Arznei: Man lernt nur m Waffer
fehtonmsen. Das Prinzıp mug proflamirt werden, wenn gleich es ohne Praxis bleiben wird,
Wo iſt aber dann die Gefährlichkeit?
Deutſchland.
*S* Karlsruhe, 19. Juni. Zum Oberbuͤrgermeiſter unſerer Reſidenz-
ſtadt wurde der Abgeordnete, Hofgerichtsaſſeſſor Lamey, mit S4 Stimmen gẽ-
wählt; der Candidat der republikaniſchen Minorität, Obergerichtsanwalt Ziegür,
erhielt 22 Stimmen.
. E Franfkfurt, 16. Juni. Die Demokratenverſammlung hat in zwei
Tagen ſchon vier Sitzungen gehalten und in dieſen den wichtigſten und weſent-
lichſten Zweck ihrer Zuſammenberufung erreicht. Die Organifation aller Ver-
eine unter einer Oberleitung iſt beſchloſſen. Dieſe Leitung ſoll aus fünf Män-
nern beſtehen; drei wurden in der letzten Sitzung des Kongreſſes gewählt, wel-
chen die Befuͤgniß zuerkannt wurde, in Berlin ſich zwei Mitglieder hinzuzu-
wählen. Daß gerade Berlin zum Sitz dieſer Centralbehörde gewählt wurde,
wird manchem Süddeutſchen auffällig erſcheinen. Frankfurt, der Sitz des deut-
ſchen Parlamentes, die offizielle Stadt Deutſchlands, konnte nicht wegen ihrer
Erinnerungen an die Kaiſexzeit, ſondern wegen ihrer jetzigen poliliſchen Wichtig-
keit, wohl Anſpruch darauf machen, Sitz der demokratiſchen Centraͤlbehörde zu
ſein. Aber die Verſammlung lehnte den Vorſchlag dieſer Stadt, welcher voͤn
Eſſellen gemacht wurde, ab, weil man der Anſicht war, die Centralbehörde
müſſe ſich auf den revolutionärſten Boden in Deutſchland begeben, um im Falle,
daß in Berlin das Königthum nicht nur für Preußen zuſammenſtürzte, gleich
auf das ganze übrige demokratiſche Deutſchland die in Berlin anfangende Be-
wegung überzuleiten. Die Vertheidiger Berlin's fügten ferner hinzu, daß die
Maͤnner, welche an die Spitze der demokratiſchen Bewegung geſtellt werden,
ſein und angemeſſen wirken zu können. Die Wahrheit dieſer Behauptung iſt
nicht zu verkennen, aber trotzdem iſt es zu beklagen, daß die demokratiſche Be-
wegung von Süddeutſchland fortgelenkt iſt. Berlin iſt reich genug an demo-
Nordens zentraliſiren können, aber der durchaus republikaniſche Süden Deutſch-
Bewegungen zu bringen, welche zwar alle aus Einem Gedanken hevorgehen,
aber nicht nach Einem Plane geleitet werden und nach Einem Ziele hinwirken.
Die Anweſenheit einer demokratiſchen Centralbehörde hätte diefem Mangel be-
deutend abgeholfen, und es iſt deßhalb zu wünſchen, daß wenigſtens in Frank-
furt ein Nebenkomite, ein korreſpondirender Ausſchuß von der Demokratenver-
ſammlung hingeſtellt werde, um mit der äußerſten Linken im Parlamente
Augenblicke noch ſenſeits dex Srenze unſeres Vaterlandes leben, eine ununter-
krochene Verbindung zu unterhalten. Denn es iſt nothwendig, daß ganz Deutſch-
and ſich wie Ein Mann an den demolratiſchen Bewegungen betheilige, welche,
Berlin ausgehen werden.
anz Baden
{ala
Die äußere Haltung der Verſammlung ift ſehr befriedigend und bildet ct
nen 444 744 — zu der des Parlamentes, Das ‚@Cfféä‚ mtc;n 4
nicht länger alg 10 Minuten ſprechen, iſt hier nicht nöthig, da *
Verſammlung von einer Rede, welche länger als eine Minute * 4* ligt
wurde, Man hoͤrte hier nicht die ſchönen Phraſen und bilderreichen oden,
durch welche Leuͤte, wie Beckerath, Hanſemann, und felbft ein Robert Blun-
popuͤlär geworden ſind. Jeder begnügt ſich, in lizen ſehe Säßen ſeine
Meinung hinzuſtellen und zu begkünden, und weng Jemand ſich hie vder da
der Verſammlung in Bezug auf die Kütze der Reden ſehr nothwendig, da es
44 — daß 2 84 Mitglieder des Kongreſſes, Arbeiter in blauen
Blouſen oder wenigſtens Vertreter von Arbeiter vexeinen, nicht Zeit un 44
haben, ihren Aufenthalt in Frankfurt über die vorher. beſtimmte Dauer von drei
Tagen auszudehnen. Auch iſt es ganz der Vürde der Verſammlung unange-
meſſen, durch lange Reden und viele Gründe ihr Prinzip, das Prinzip der De-
mokratie und die einzelnen Conſequenzen deſſelben auszuführen und darzulegen;
Durchführbarkeit der demokratiſchen Republik zu beweiſen, und zu dem —
nünftigen Theile redet der demokratiſche Kongreß nicht! Die Mitglieder deſſel-
porgewachſen und in denſelben wurzelnd; man ſieht eð vielen Theilnchmern des
Kongreſſes an, daß ſie ſich beſſer auf Barxikaden, wie auf der Nednertribline
ausnehmen würden. Daneben wird die Verſammlung von ihrem Präſidenten
Julius Fröbel muſterhaft geleitet; er weiß große Strenge und Energie mit gro-
ßerer Humanität zu vereinigen und die gebräuchlichen parlamentaxiſchen Formen
ohne die gebräuchliche Pedanterie anzuwenden. Alle Parteien der Beſſammlung,
denn es gibt auch Parteien in ihr, ſtimmen darin überein, daß Fröbel befon-
Les da der zweite Präſident Bayrhoffer wegen Kränklichkeit und zu ſchwachen
lich iſt. *2f2
„ Öeftern Ahend hat die Linke des Parlamentes ſich einmal wieder gruͤndlich
üchexlich gemacht. Heinrich von Gagern hatte einſeitig die Sitzung, welche am
16. Juni abgehalten werden ſollte, alifgeſchoben. Den Grund diefes auffallen-
den und ungerechtfertigten Benehniens fand man allgemein in Folgendem. Das
Varlament mußte in feiner Sitzung die ſchon ſo lange verſchobene und Vertagte
Trage wegen der Exekutipgewalt zur Sprache und zur Eutſcheidung briugen.
Hiefe wichtige Angelegenheit, welche leicht den Austritt nicht nur der äußer⸗—
ſten Linken nach ſich ziehen konnte, wollte man erſt nach dem Schluß des de-
mokratiſchen Kongreſſes zur Berathung gelangen laͤſſen.! Der Grund braucht
gewiß nicht geſagt zu werden. Die Linke beſchloß in ihrer gewöhnlichen Pri-
vat Sigung im deutſchen Hauſe, welche am 15. Ahends unter VBorfig von Si
mon aus Trier abgehalten wurde, daß ſie ſich allein am andern Morgen zur
beftimmten Stunde in der Paulskirche verfammeln wolle, um dort Sitzung ohne
Vorſitz von Gaͤgern zu halten. Zugleich wollte man dies Vorhaben durdh
Maueranſchläge zur allgemeinen Kenntniß bringen und ſchickte Botſchaft in alle
Abgeordnetenverſammlungen, um zum Beitritt zu dieſem Beſchluſſe aufzufordern.
Die Oeſterreicher, welche in der Sokratesloge verſammelt waren, ließen erklären,
daß ſie, die durch eben angekommene Abgeordnete aus Wien den revolutionären
Stand der Dinge daſelbſt erfahren hätten, zur Linken übergehen und an vdem
eben gefaßten Beſchluß Theit nehmen wollten. Sie Fündigten an, daß ſie an
den Bergthungen der Linken Theil nehmen würden. Ein allgemeiner, begeiſter-
ter Subel begrüßte den Einzug von etwa hundert öſterreichiſchen Abgeordneten.
Man fühlte ſich für kurze Zeit vollſtändig aͤuf revolutionären Boden verſetzt.
Die Heſterreicher erklärten, wie die franzöſiſchen Notabeln im Jahre 1789,
kre Vrivilegien und Sonderintereſſen auf den Altar des gemeinfamen deutſchen
Vaterlandes niederlegen zu wollen; ſie müßten jetzt die Revolution anerkennen,
und entſchlöſſen ſich dazu, die Confequenzen derfelben zu ziehen. Arnold Ruge
ſprach ſich entſchieden und offen für Republik aus, Einẽ Begeiſterung hatte
ſich der ganzen Verſammlung bemächtigt. Da kam ein Brief von Sagern und
die Sache ſchlug auͤf eben ſo traurige, wie lächerliche Weiſe vollſtändig um. Der „edie“
Gagern erklärte, er würde durch den beſchloſſenen Schritt der Linken zur Nie-
derlegung ſeines Amtes veranlaßt werden. Dieſe vaͤterliche Drohung wirkte
auf die Kinder. Unſern guten, edlen Gagern, dieſen für den Augenblick unent-
behrlichen und unerſetzlichen Mann können wir nicht verlieren, klagte man.
Simon aus Trier, der früher unbedingt für die Abhaltung der Sigung geſpro-
Perſon zur Durchſetzung und Ermöglichung der Exekutivgewalt unumgänglich
nothwendig habe. — 2—
Kurzum, man vereinigte ſich, trotz der energiſchen Proteſtationen Schloͤffels
und Anderer, dahin, den eben gefaßten Beſchluß zurückzunehmen.
Dies iſt die Conſequenz der Linken; von der Rechten ein anderes Mal.
E Franffurt, 17. Juni. In dieſem Augenblicke, Morgens 11 Uhr,
wird der Kongreß der Demokraten geſchloſſen. Bie Zentralbehoͤrde, welche in
DBerlin ihren Sig nehmen ſoll, beſteht aus den Bürgern Fröbel, Rau aus
Stuttgart und Hermann Kriege, dem Abgeordneten des demokratiſchen Vereins
gu New-Yorf, Erfagmänner find Bayrhoffer, Schütte, Gerſelbe welcher in
Vien die Arbeiterbeweguugen geleitet hat,) und Annete aus Köln. Bis dieſe
Centralbehorde ſich in Berlin Fonftituirt hat, nimmt die Geſchäfte der demo-
kratiſchen Vereine ein proviſoriſcher Ausſchuß In Frankfurt wahr, dem das
Jecht gegeben iſt, im Falle der Entſcheidung augenblilih einen demokratiſchen
Congreß wieder zu berufen. Mitglieder dieſes Ausſchuſſes ſind Zitz⸗ Mohr,
Bayrboffer, Metternich aus Mainz und Johannes Ronge; Erſatzmännet
Schütte, Ludolf und Eſſellen, Die heantragte Permanenz der Verfammlung
wurde abgelehnt. Morgen erhalten Sie einen genauen Bericht über die ſämmt-
lichen Verhandlungen des Congreſſes.
— — — —
ʒ— — —
1848.
(Schluß.) .
. Darum, mögen in dem Parlament die Männer der beſten Einſicht ent-
fhieden die große Angelegenheit behandeln. Sie mögen mit aller Schärfe
bes Lichts die Frage beleuchten und fogar, wenn fie glauben, daß das allge-
meine Bewußtſein keine reife Anſicht erkragen könne, dennoch mit den Grund-
ſätzen durchfahren. Ja es thut Noth, das Voͤrurtheil der Maſſe (grober und feiner)
zu 5 und in die kranken Schädel das heilende Licht des Verſtändniſſes
zu gießen.
Der Ruhm Dentſchlands iſt ſeine Wiſſenſchaft; ſeine edelſten Geiſter, ſeine
begabteſten Söhne müſſen ſeufzen unter der Wucht der Bornirtheit, welche ſie
ſelbſt vom atroganten Throne geworfen. Schmachten müſſen ſie, wenn es
ferner möglid) ſein darf, daß wad fie theorethifh überwunden haben,
ſie wieder durch ihre Handlungenaufrecht halten müſſen. — Man
muß von dem Vorurtheil zurückkommen, als fei die Religion eine Nothwendig-
keit /für das gemeine Volt.“ Ich bitte die Gegner, Mirleid mit ſich zu haben
und ſich nicht felbſt ins Antlitz zu ſchlagen, wenn ſie die „heilige Religion“ zum
Volizeimittel herabwürdigen wollen. Laßt euch nicht vom Gottloſen vor Sünde
wider den heiligen Geiſt und — vor Blamage retten!
Wer in unſrer Frage nicht entfchieden iſt, den müſſen wir als einen
Be günſtiger der Heuchelei erklären, oder auch als Freund derſelben,
wenn er mit Bewußtſein die Denkfreiheit untergraben laſſen will. Die Meiſten
Werden freilich ſo laͤcherlich erſcheinen! wie es die Anmaßung und der lachende
Dünkel nicht anders ſein kann, und wir wollen ſie nicht richten, denn ſie wiſſen
nicht was ſie thun. Aber kämpfet, Ihr Geſunden!
Laßt cuch nicht irren, ihr Einſichlsvollen, durch die Einflüſterungen der Be-
dächtigen, die ſich auf die Umſtände'berufen, auf die Gefährlichkeit,) auf die
gegebenen Berhältniffe, Wenn man ihnen dieſe Berufung gelten läßt, ſo
wild die Menſchheit nie eines Gutes theilhaftig werden, denn immer und ewig
wird man ſich quf Umftände berufen können. Ihr eigenes „Schreien nach Be-
hutſamteit und ihr Rufen von Gefährlichkeit“iſt der einzige gefährliche
Uumftand. Sie auch ſind von Ddenen, die das Volk berufen glaubt; ſie kön-
nen das Volk zufrieden machen — ſie ſitzen ja im Parlamente, dem Born der
Weisheit.
* Numerfung: Blifen wir zwar nach Tirol, ſo wagen wir nicht von Volksreife zu
ſprechen. Allein fur ſolche Gegenden iſt das Sprichwort Arznei: Man lernt nur m Waffer
fehtonmsen. Das Prinzıp mug proflamirt werden, wenn gleich es ohne Praxis bleiben wird,
Wo iſt aber dann die Gefährlichkeit?
Deutſchland.
*S* Karlsruhe, 19. Juni. Zum Oberbuͤrgermeiſter unſerer Reſidenz-
ſtadt wurde der Abgeordnete, Hofgerichtsaſſeſſor Lamey, mit S4 Stimmen gẽ-
wählt; der Candidat der republikaniſchen Minorität, Obergerichtsanwalt Ziegür,
erhielt 22 Stimmen.
. E Franfkfurt, 16. Juni. Die Demokratenverſammlung hat in zwei
Tagen ſchon vier Sitzungen gehalten und in dieſen den wichtigſten und weſent-
lichſten Zweck ihrer Zuſammenberufung erreicht. Die Organifation aller Ver-
eine unter einer Oberleitung iſt beſchloſſen. Dieſe Leitung ſoll aus fünf Män-
nern beſtehen; drei wurden in der letzten Sitzung des Kongreſſes gewählt, wel-
chen die Befuͤgniß zuerkannt wurde, in Berlin ſich zwei Mitglieder hinzuzu-
wählen. Daß gerade Berlin zum Sitz dieſer Centralbehörde gewählt wurde,
wird manchem Süddeutſchen auffällig erſcheinen. Frankfurt, der Sitz des deut-
ſchen Parlamentes, die offizielle Stadt Deutſchlands, konnte nicht wegen ihrer
Erinnerungen an die Kaiſexzeit, ſondern wegen ihrer jetzigen poliliſchen Wichtig-
keit, wohl Anſpruch darauf machen, Sitz der demokratiſchen Centraͤlbehörde zu
ſein. Aber die Verſammlung lehnte den Vorſchlag dieſer Stadt, welcher voͤn
Eſſellen gemacht wurde, ab, weil man der Anſicht war, die Centralbehörde
müſſe ſich auf den revolutionärſten Boden in Deutſchland begeben, um im Falle,
daß in Berlin das Königthum nicht nur für Preußen zuſammenſtürzte, gleich
auf das ganze übrige demokratiſche Deutſchland die in Berlin anfangende Be-
wegung überzuleiten. Die Vertheidiger Berlin's fügten ferner hinzu, daß die
Maͤnner, welche an die Spitze der demokratiſchen Bewegung geſtellt werden,
ſein und angemeſſen wirken zu können. Die Wahrheit dieſer Behauptung iſt
nicht zu verkennen, aber trotzdem iſt es zu beklagen, daß die demokratiſche Be-
wegung von Süddeutſchland fortgelenkt iſt. Berlin iſt reich genug an demo-
Nordens zentraliſiren können, aber der durchaus republikaniſche Süden Deutſch-
Bewegungen zu bringen, welche zwar alle aus Einem Gedanken hevorgehen,
aber nicht nach Einem Plane geleitet werden und nach Einem Ziele hinwirken.
Die Anweſenheit einer demokratiſchen Centralbehörde hätte diefem Mangel be-
deutend abgeholfen, und es iſt deßhalb zu wünſchen, daß wenigſtens in Frank-
furt ein Nebenkomite, ein korreſpondirender Ausſchuß von der Demokratenver-
ſammlung hingeſtellt werde, um mit der äußerſten Linken im Parlamente
Augenblicke noch ſenſeits dex Srenze unſeres Vaterlandes leben, eine ununter-
krochene Verbindung zu unterhalten. Denn es iſt nothwendig, daß ganz Deutſch-
and ſich wie Ein Mann an den demolratiſchen Bewegungen betheilige, welche,
Berlin ausgehen werden.
anz Baden
{ala
Die äußere Haltung der Verſammlung ift ſehr befriedigend und bildet ct
nen 444 744 — zu der des Parlamentes, Das ‚@Cfféä‚ mtc;n 4
nicht länger alg 10 Minuten ſprechen, iſt hier nicht nöthig, da *
Verſammlung von einer Rede, welche länger als eine Minute * 4* ligt
wurde, Man hoͤrte hier nicht die ſchönen Phraſen und bilderreichen oden,
durch welche Leuͤte, wie Beckerath, Hanſemann, und felbft ein Robert Blun-
popuͤlär geworden ſind. Jeder begnügt ſich, in lizen ſehe Säßen ſeine
Meinung hinzuſtellen und zu begkünden, und weng Jemand ſich hie vder da
der Verſammlung in Bezug auf die Kütze der Reden ſehr nothwendig, da es
44 — daß 2 84 Mitglieder des Kongreſſes, Arbeiter in blauen
Blouſen oder wenigſtens Vertreter von Arbeiter vexeinen, nicht Zeit un 44
haben, ihren Aufenthalt in Frankfurt über die vorher. beſtimmte Dauer von drei
Tagen auszudehnen. Auch iſt es ganz der Vürde der Verſammlung unange-
meſſen, durch lange Reden und viele Gründe ihr Prinzip, das Prinzip der De-
mokratie und die einzelnen Conſequenzen deſſelben auszuführen und darzulegen;
Durchführbarkeit der demokratiſchen Republik zu beweiſen, und zu dem —
nünftigen Theile redet der demokratiſche Kongreß nicht! Die Mitglieder deſſel-
porgewachſen und in denſelben wurzelnd; man ſieht eð vielen Theilnchmern des
Kongreſſes an, daß ſie ſich beſſer auf Barxikaden, wie auf der Nednertribline
ausnehmen würden. Daneben wird die Verſammlung von ihrem Präſidenten
Julius Fröbel muſterhaft geleitet; er weiß große Strenge und Energie mit gro-
ßerer Humanität zu vereinigen und die gebräuchlichen parlamentaxiſchen Formen
ohne die gebräuchliche Pedanterie anzuwenden. Alle Parteien der Beſſammlung,
denn es gibt auch Parteien in ihr, ſtimmen darin überein, daß Fröbel befon-
Les da der zweite Präſident Bayrhoffer wegen Kränklichkeit und zu ſchwachen
lich iſt. *2f2
„ Öeftern Ahend hat die Linke des Parlamentes ſich einmal wieder gruͤndlich
üchexlich gemacht. Heinrich von Gagern hatte einſeitig die Sitzung, welche am
16. Juni abgehalten werden ſollte, alifgeſchoben. Den Grund diefes auffallen-
den und ungerechtfertigten Benehniens fand man allgemein in Folgendem. Das
Varlament mußte in feiner Sitzung die ſchon ſo lange verſchobene und Vertagte
Trage wegen der Exekutipgewalt zur Sprache und zur Eutſcheidung briugen.
Hiefe wichtige Angelegenheit, welche leicht den Austritt nicht nur der äußer⸗—
ſten Linken nach ſich ziehen konnte, wollte man erſt nach dem Schluß des de-
mokratiſchen Kongreſſes zur Berathung gelangen laͤſſen.! Der Grund braucht
gewiß nicht geſagt zu werden. Die Linke beſchloß in ihrer gewöhnlichen Pri-
vat Sigung im deutſchen Hauſe, welche am 15. Ahends unter VBorfig von Si
mon aus Trier abgehalten wurde, daß ſie ſich allein am andern Morgen zur
beftimmten Stunde in der Paulskirche verfammeln wolle, um dort Sitzung ohne
Vorſitz von Gaͤgern zu halten. Zugleich wollte man dies Vorhaben durdh
Maueranſchläge zur allgemeinen Kenntniß bringen und ſchickte Botſchaft in alle
Abgeordnetenverſammlungen, um zum Beitritt zu dieſem Beſchluſſe aufzufordern.
Die Oeſterreicher, welche in der Sokratesloge verſammelt waren, ließen erklären,
daß ſie, die durch eben angekommene Abgeordnete aus Wien den revolutionären
Stand der Dinge daſelbſt erfahren hätten, zur Linken übergehen und an vdem
eben gefaßten Beſchluß Theit nehmen wollten. Sie Fündigten an, daß ſie an
den Bergthungen der Linken Theil nehmen würden. Ein allgemeiner, begeiſter-
ter Subel begrüßte den Einzug von etwa hundert öſterreichiſchen Abgeordneten.
Man fühlte ſich für kurze Zeit vollſtändig aͤuf revolutionären Boden verſetzt.
Die Heſterreicher erklärten, wie die franzöſiſchen Notabeln im Jahre 1789,
kre Vrivilegien und Sonderintereſſen auf den Altar des gemeinfamen deutſchen
Vaterlandes niederlegen zu wollen; ſie müßten jetzt die Revolution anerkennen,
und entſchlöſſen ſich dazu, die Confequenzen derfelben zu ziehen. Arnold Ruge
ſprach ſich entſchieden und offen für Republik aus, Einẽ Begeiſterung hatte
ſich der ganzen Verſammlung bemächtigt. Da kam ein Brief von Sagern und
die Sache ſchlug auͤf eben ſo traurige, wie lächerliche Weiſe vollſtändig um. Der „edie“
Gagern erklärte, er würde durch den beſchloſſenen Schritt der Linken zur Nie-
derlegung ſeines Amtes veranlaßt werden. Dieſe vaͤterliche Drohung wirkte
auf die Kinder. Unſern guten, edlen Gagern, dieſen für den Augenblick unent-
behrlichen und unerſetzlichen Mann können wir nicht verlieren, klagte man.
Simon aus Trier, der früher unbedingt für die Abhaltung der Sigung geſpro-
Perſon zur Durchſetzung und Ermöglichung der Exekutivgewalt unumgänglich
nothwendig habe. — 2—
Kurzum, man vereinigte ſich, trotz der energiſchen Proteſtationen Schloͤffels
und Anderer, dahin, den eben gefaßten Beſchluß zurückzunehmen.
Dies iſt die Conſequenz der Linken; von der Rechten ein anderes Mal.
E Franffurt, 17. Juni. In dieſem Augenblicke, Morgens 11 Uhr,
wird der Kongreß der Demokraten geſchloſſen. Bie Zentralbehoͤrde, welche in
DBerlin ihren Sig nehmen ſoll, beſteht aus den Bürgern Fröbel, Rau aus
Stuttgart und Hermann Kriege, dem Abgeordneten des demokratiſchen Vereins
gu New-Yorf, Erfagmänner find Bayrhoffer, Schütte, Gerſelbe welcher in
Vien die Arbeiterbeweguugen geleitet hat,) und Annete aus Köln. Bis dieſe
Centralbehorde ſich in Berlin Fonftituirt hat, nimmt die Geſchäfte der demo-
kratiſchen Vereine ein proviſoriſcher Ausſchuß In Frankfurt wahr, dem das
Jecht gegeben iſt, im Falle der Entſcheidung augenblilih einen demokratiſchen
Congreß wieder zu berufen. Mitglieder dieſes Ausſchuſſes ſind Zitz⸗ Mohr,
Bayrboffer, Metternich aus Mainz und Johannes Ronge; Erſatzmännet
Schütte, Ludolf und Eſſellen, Die heantragte Permanenz der Verfammlung
wurde abgelehnt. Morgen erhalten Sie einen genauen Bericht über die ſämmt-
lichen Verhandlungen des Congreſſes.