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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1282

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durch die Poß bezogen in ganz Baden



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; viertel{ädrlih 2 A, 30 {m Auslaud erhöht fih bas Mbonnement um den Honauffblan, ‚
1 7 Inferate die geſpaltene Zeile In Pettiſchrift oder deren Raum vier Kreuzer, — 2 24 frei einzuſenden.
* Die außerordentliche Conſeription

und das
badiſche Miniſterium Bekk.*)

In dem badiſchen Regierungsblatte Nr. 78 vom 26. November d. I. iſt
eine Verfügung des Miniſteriums Bekk enthalten, wornach das Großherzogl.
Armeekorps daburch ergänzt werden ſoll, daß ſämmtliche Badener, welche feit
dem 1, Januar 1844 bis zum 31. Dezember 1847 einſchließlich das 20ſte Le-
bensjahr zurückgelegt haben, und noch in das Militär eingereiht ſind, ſich un-


findenden auſſerordentlichen Conſcription perſönlich zu erſcheinen.

Zu gleicher Zeit iſt allen dieſen Conſcriptionspflichtigen das Wandern und
Reiſen ins Aus land unterfagt.

Zur rechtlichen Begründung dieſer Maßregel iſt ſich auch das Con-
ſeriptionsgeſetz vom 14. Mai 1825, ſowie auf einen Beſchluß der National-
Verſaminlung über die Vermehrung des deutſchen Armeckorps berufen.

Das Miniſterium Belk verordnet alſo für Baden eine auſſerordentli-
che Conſeription. —

Dieſe Maßregel iſt jedoch durch die beſtehenden Geſetze durchaus nicht
gerechtfertigt und als in die Rechte und Freiheit des Bürgers tief eingreifend,


Nach S. 3 des Conſetißtionsgeſehes vom 14. Mai 1825, darf die auſſer-
ordentliche Conſcription:

a) nur im Falle eines Krieges, und

b) wenn die ordentliche Confeription nicht hinreicht um das

Armeekorps auf den Kriegsfuß zu bringen, ſtattfinden.

Teutſchland lebt gegenwärtig im Frieden und es beſteht kein Krieg.

Man wiyd hierauf waͤhrſcheinlich entgegnen wollen, daß Deutfchland ja
mit Dänemark einen Krieg habe. Dieſe Behauptung iſt jedoch unrichtig.

Deutſchland hat mit Dänemark einen niehrmonaͤtlichen Waffenſtillſtänd ab-
geſchloſſen, und ſind die Friedensunterhandlungen im Gange, die auch ihr Ende




ſchaft, daß eine auſſerordentliche Conſcription nicht erforberlich ift, um das bar
diſche Armeekorps auf den Kriegsfuß zu ſetzen, zumal das Letztere in dem aus-
ärtigen Kriege noch keinen Tropfen Blut verloren hnt. *
Eine aufferordentliche Confeription iſt durch das Geſetz vom Jahr 1825
Hiezu kommt aber weiter daß nach
den unbeſtrittenen Auslegungsregeln jeglichen Rechts, ein altes Geſetz durch
ein neues Geſetz in allen denjenigen Beſtimmungen für aufgehoben gilt,
in welchen ſich dieſe Geſetze widerſprechen.

In Baden iſt nunmehr mit Zuſtimmung der Stände, unterm 1. April —
J. ein Geſetz über die Exrichtung der Bürgerwehr zu Stande gekommen, und
iſt dieſes Geſetz promulgirt, vnd in Kraft Fetreten.

Nach Artikel 3 diefes Geſetzrs ſind alle diejenigen Bürger, bürgerwehr-
pflichtig, welche das 21ſte Lebenejahr zurückgelegt haben und umfaßt in Kriegs-
zeiten das 1. Aufgebot, alle Unperheiratheten und Wittwer ohne Kinder, welche
das 30. Lebensjahr nicht überſchritten haben.

Den Kern der Bürgerwehr bildet daher immerhin die junge Wehrmann-
ſchaft. Entzieht man nun dieſe Mannſchaft der Bürgerwehr und reiht ſie in
das ſtehende Heer ein, ſo iſt dex Erſtern der Lebensnerd abgeſchnitten, und ſo-
mit das ganze neue Geſetz zu Grabe getragen, und das Jnſtitut der Bürger-
wehr vernichtet. — —

Das Conſeriptionsgeſetz vom Jahr 1825 befindet ſich daher mit dieſem
Bürgerwehrgeſetz hinſichtiich der Beſtimmungen über die außerordentliche Con-
feription im offenbarſten Widerſpruch, und muß ſolche daher durch das neue
Bürgerwehrgeſetz für aufgehoben gelten.

Das Miniſterium Bekk beruft ſich zur Rechtfertigung der außerordentlichen


die Vermehrung des Armeckorps. ; .

Dieſer Beſchluß ff jedoch unſeres Wiſſens im Reichsgeſetzblatt zur Zeit
noch nicht publizirt, und da ein Miniſter eines deutſchen Buͤndesſtaates die Be-
fugniß nicht haben kann, anſtatt des Reichsverwefers und des Reichsminiſte-
riums Geſetze zu promulgiren, Geſetze aber ſo lange ſie nicht verfündet ſind,
keine verbindende Kraft haͤben, wie das Reichsgeſetz hierüber vom 27. Septbr.
d. J. in Artikel 3 ſelbſt ſagt, kann der Beſchluͤß der Nationalverſammlung
durch die Verfügung des badiſchen Miniſteriums auf Baden keine Anwendung

Sodann muß man hier berückſichtigen, daß der Beſchluß der National-
verſammlung nur dahin geht, daß die verlangte Verſtärkung der Armee nach
Maßgabe der Bevölkerung auͤf die einzelnen deutfchen Staaten repartirt, zur Aus-
hebung deſignirt — nicht ausgehoͤben werde, und daß diefe ſo deſignirte
Mannſchaft ohne ſie dadurch in ihren bürgerlichen Beſchäftigungen
behindern, in den einzelnen Gemeinden'und Bezirken, foviel als
thunlich in freien Stunden, geübt werden ſollen, damit ſie beim Aus-
* eines Kriegs dem ſtehenden Heere als Volkswehr, einen Anhaltspunkt ge-
ben können.
Ausdrücklich wurde dabei zum Beſchluß erhoben, daß die Errichtung die-
ſer Volksbewaffnung lediglich dazu dienen ſoͤll, das ſtehende Heer mit der Holte-
wehr zu verſchmelzen.

Man ſieht hieraus, daß das badiſche Miniſterium ſich wieder mit Unrecht





*) Die Frage der Bermehrung des ſtehenden Heeres iſt eine gllgemeine deutſche; ein
Freund theilt ung dieſe Erörterung derſelben für Baden mit in ver Zuverſicht, daß ihre
der bohen Wichtigkeit des Gegenſtandes entſprechende Ausführlichkeit die geſammte Preſſe
veranlaſſe, ſich deffelben weiter anzunehmen. Die Red.













auf die Beſchlüſſe der Nationalverſammlung beruht,
liche Conſeription zu rechtfertigen.
Dieſe ſteht mit den Beſchküfſen der Nationalverſammlung,



als mit dem badiſchen Bürgerwehrgefes vom 1. Ayrıl d. J.

Wenn man nun weiter bedenkt , daß daͤs badiſche Armeekorps in gegens
Wärtigen Friepenszeiten ſtärker iſt, als die Matrikel von 1819 fordert, indem
das badiſche Armeekorps mit der Neferve 13,333 Mann zu ſtellen hat, ge-
genwärtig aber 14,915 Mann ſtark iſt, ergiebt ſich, daß von einer Vermehrung
des Armeekorps, um ſolches auf den Kriegsfuß zu ſetzen, keine Rede ſein kaͤnn,
weil die Axmee ſchon über dem Kriegsfuß fteht.

Im März d. J. verhieß die Regierung überall Erleichterung des Volkes,
beſonders Verminderung des ſtehenden Heerck, ja ſelbſt Aufhebung deſſelben
mittels Verſchmelzung mit einer Volkswehr.

Mit dieſer Verſprechung iſt es gegauͤgen wie mit den übrigen.

Man denkt nicht an die-Erfüllung derfelben, wohl aber an ihre Verkeb-
rung in das Gegeniheil.

Wir wollen hier lediglich bei der Anordnung der außerordentlichen Con-
feription ſtehen bleiben, durch welche das ftehende Heer in Bavden auf 27,000
Mann erhöht werden ſoll. —S—

Das widerrechtliche dieſer Maßregel iſt oben gezeigt worden.
Verſuchen wir es, die beinabe uͤnberechenbarkn und harten, tief in das
innerſte Leben einſchneidenden Folgen, in ihren weſentlichſten Punkten anzufüh-
ren und zu beleuchten.

Arbeit iſt Verdienſt, alſo auch Vermögen. Je arbeitſamer und vermögli-
cher daher die Bürger eines Staates, um fo reicher iſt auch der Staat ſelbſt.

Es darf nur der Gewerbemann, der Ackersmann einige Tage im Leben
feiern, wird der baldige Ruin in ſeiner Exiſtenz hereinbrechen.

Dauert dieſe Unthätigkeit gar Wochen oder Monate lang, ſo iſt ſeine Ver-
mögenszerrüttung unabwendbar. *

/ Die beſten Arbeitskräfte beſitt die Jugend mit ihren geſunden Gliedern.
Ihr iſt auch eine größere Thätigkeit in alen Verhältniffen des Lebens eigen und
angemeſſener als dem Alter. ,

Berechnen wir die Verdienſtfähigkeit eines geſunden jungen Mannes täg-
lich nur zu 30 Ffr., und nehmen für das Jahr 300 Arbeitstage an, ſo beſteht
der jährliche Verdienſt dieſes Mannes in 156fl.

Da die Soldaten bekannter Dinge nicht arbeiten, und nichts verdienen,


kleine Baden das ſtehende Heer zu 27,000 Mann angenommen, der Verluſt
an Exwerb, mithin dex jährliche Verluſt an Nationalvermögen auf 4,050,000, fl.
und für eine zweiiährige Budget-Periode auf 8,100,000 {ff,

Unfer Militarhüdget felbft beläuft ſich für 14,000, Mann auf 2*
44 ſl. und komint daher für 27,000 Mann auf mindeſtens 8,000,000 ſl.
zu ſtehen.

Nun iſt es eine bekannte Sache, daß die Soldaten ihre Le-
bensbedürfniſſe mit ihrer Löhnung nicht beſtreiten koͤnnen, ſondern
Jahraus, Jahrein, Geldunterſtüzung von Seiten ihrer Eltern {n
Anſpruch nehmen.

Wir wollen dieſe Unterſtützungen, welche ſich namentlich da-
durch erhöhen werden, daß künftighin, weil die Einſtellungen un-
erlaubt ſind, auch vermöglichere und an feinere Lebensgenüſſe ge-
wöhnte Leute Soldat werden müſſen, per Mann täglich nur auf
3 Kr., per Monat alſo auf 1 fl. 30 fr., und per Jaht auf 18 fl.
Echnen: demnach beträgt dieſe indirekte Soldatenſteuer für 27,000 *
972000 fl.

Mann

Sonach beträgt der Aufwand für das ſtehende Heer in Baden x
für 2 Jahr 17,2072,000 ff.
oder für ein Jahr die Hälfte mit 8,536,000 fl

Baden felbft zählt dagegen 1,200,000 Seelen und 6 Köpfe
milie gerechnet 20,000 Familien.

Unter dieſen 20,000 Familien kann man durchſchnittlich 3000 Familien
alg gänzlich vermögenslos in Anſatz bringen, welche ſelbſt nur von Geldunter-
ſtützungen leben, werigſtens keinen Beitrag zur Staatsſteuer leiſten Können.

Hieraus folgt, vaß die übrigen 17,000 Familien, den Militäraufwand von
fl. 8,536,000 allein beſtreiten müſſen, und beträgt dies durchſchniitlich daher
auf eine Familie berechnet, den enormen Beitrag von fl. 502. 7 Fr.

Rechnet man nun ſogar den Verluſt der Arbeitskräfte gar nicht an, ſon-
dern nur das baare Geld, welches der Bürger für daͤs ſtehende Heer aus
ſeinem Sack bezahlen muß, ſo beläuft ſich da der Aufwand per Jahr
4,486,000 beträgt, per Familie noch 264 fl

Wir fragen nun, wie e& unter ſolchen Verhältniſſen möglich iſt, unſere
Staatsforſm mit ihren Einrichtungen noch beizubehalten. Das Mittel der
Bajonette zu deren Aufrechthaltung iſt gexade geeignet, dieſelbe unabweislich dem
Untergange zuzufühxen, um einer wohlfeilern Negierung Plag zu machen.

Erwägt man ferner, daß das Loos zur Militärpflicht mehr als ein Drit-

auf eine Fa-


lichen Gewerbe ſich und die Ihrigen kaum durchzubringen vermögen, und von
denen ſo mancher in Ausſicht auf beſſere Zeiten und gröbern Verdienſt ver-
ſchuldete Häuſer und Güter übernommen, die hoffnungslos in den jetz ſchon
geöffneten Schlund der Vergantung hineingeriſſen worden, ſo fällt das harte
der ohnehin ungerechten außerordentlichen Conſcription, dieſes bewaffneten Frie-
dens, der ſyſtematiſch alle Kräfte des Landes ausſaugt, und zum Krieg
ſelbſt uutauglich macht, dem Blinden in die Augen..

Wird die Liebe und das Vextrauen zur Regierung wachſen, die Belebung
des Handels und Verkehrs eine erhöhte Gewerbthätigkeit, und reicherer Ver-
dienſt die unausbleibliche Folge dieſer Staatsregel ſein? Gewiß nicht! Alles
fordert als unabweisliches Rettungsmittel für unſere Zuſtände die Nepublik.

! — 6


 
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