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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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** Eine der letzten Zuckungen des Buudestags.




men „Vundestag.“ — Wenn ein heimathloſer, gehetzter Flüchtling auf fremder
Erde, mit dem Bettelſtab in der Hand, all fein Unglück in Einen gräßlichen
Fluch aus tiefſtem Seelengrunde zuſammenpreſſen wollte, ſo nannte er fnirſchend
den Namen „Bundestag“ — Wenn im dumpfen Kerker ein bleicher gefol-
terter Demagog, den die Schauer des Wahnſinnes ſchüttelten, an ſeinen Ketten
zerrte und den irren Kopf durch die Gittexeiſen zwang: ſe kam von feinen
krampfhaft bebenden Lippen, der Name „Bundestag. — — Wie wann
ein Würgengel dahinzieht, wie wann die vermuminten Diener einer geheimniß-
vollen Vehme das Meſſer in die Thürpfoſten eines unglücklichen Opfers bei
Nächten ſtoßen: ſo klingt der Name „Bundestag“.... ;

Sie iſt eine Leiche geworden, dieſe hohe Bundesverſammlung, welche den
freien Gepanken exdroſſelte, welche die Bajonnette ihrer Söldner in die Wage
der Gerechtigkeit legte und mit der Rüſtkammer des Mittelalters In quiſitibn
übte. Es ſteht bei der Leiche Niemand, der weint. Um die Lade, die hinaus-
getragen wird zu den Thoren des Palaſtes in der eſchenheimer Gaſſe, da tönen
nur die Flüche des Volkes, da klagen nur die Klagen ſo manchen Weibes, dem
der Bund den Geliebten im Kerfer vermodern ließ! Durch die Lüfte geht Eine
große Verwünſchung über die alten und neaen Diplomaren, welche die Freiheit
verrathen und verkauft haben.


er eine Leiche. Aber eh’ cr verſchied, hat er im Todeskrampfe, noch in der
letzten Zuckung, eine Schaudthat degangen; er iſt mit fchuldbeladenem Gewiffen





bringen konnte, hat er neue gebracht.
‘ Der Bundestag will die geflüchteten deutfchen Kepublika-
ner, die in der Schweiz umherirren, von Neuem verfolgen und
betzen laſſen. ; - ‘
Er war ein alter, unverbeſſerlicher Sünder, der Bundestag. Mit Haß und
Schrecken hat er geherrſcht. Mit Haß iſt er geſtorben. Ob auch ſeine Glieder
wechſelten der geſpenſtiſche Geiſt der politiſchen Inquiſition waͤr in ihm im-
mer derſelbe; er war wie die Geſellſchaft Jeſu .. Wer in die Thore ſeines
verdammten Hauſes trat, der kam nimmek reinen Herzens heraus; ein ſeelen-
verderbender Hauch hatte ihn getroffen. Die neuen Diplomaten, die ſich an
die alten Tiſche geſetzt haben, ſie ſprachen in den letzen Stunden noch Worte,wie
ſie damals geſprochen wurden/ ais Metternichs knoͤcherne Hand übet Deutſch-
land ruhte. ; . !
Man könnte meinen, die alte metternich'ſche Bundesverſammlung ſei am
dreiundzwanzigſten Februax In einen eiltnen Schlaf verfallen, und vor went-
gen Tagen erſt wieder aufgewacht. Man könnte denken, der Donner des gro-
ßen Gewitters habe nicht an ihre Ohren gedröhnt, und die Sichel der Revo-
lution habe nicht über ihrem Haupte geziſcht. Und doch ſind es die „neuen“
Männer, die geweſenen „Liberalen,“ welche an die Eidgenoſſenſchaft ibre dro-




ner verfolge! Hat denn die hohe Bundesverfammlung gemeint, Siegwart
und der Blutbäni ſeien noch in Luzern, und der alte Landsknecht (ibe immer
noch im Kriegsrath des Sonderbundes? Hat ſie denn gemeint, in Freiburg
Lausten noch die ſchwarzen Vögel, und Bois le Comte ſtreiche durch die Schweiz?
War ſie denn des Glaubens, daß die Zeit da ſei, um die Schweiz zu einem
zweiten Krakau zu machen; und wußte ſie nicht, daß in Wien der Wohl-
fahrtsausſchuß herrſcht?

O noch nie iſt der Schweiz ſolch' ein Schimpf angethan worden, wie der,
welchen ihr die verſtorhene Bundesverſammlung anthat, indem ſie der Eidge-
noſſenſchaft dieſe drohende Note in's Geſicht ſchleuderte! — Die Tagſatzung
beräth eben darüber. Wir Flüchtlinge, die wir ehedem im Kerker, jetzi in der
Verbannung dem Bundestag manch' heißen Fluch weihten: wir haben mit
Freude die muthigen Worte gehört, welche daͤs brave Bafellanb auf der
Tagſatzung dem Abgeſandten des Bundeötages in die Ohren rief.
auch andere Kantone in gleicher Weiſe die Ehre und Freiheit der Schweiz ge-
wahrt haben! Wir hoffen, daß die Tagſatzung der Eidgenoſſenſchaft ihre
Entrüſtung nicht verbürgt, ſondern vor den Augen des Volkes energiſch kund-
gibt. Sie könnte dem Abgeordneten des Bundes folgende Antwort ertheilen:
Die deutſche Nation hat Diejenigen, welche Dich ſchickten, für un-
— fähig und unwürdig erklärt, im Namen des Voͤltes zu handeln.

u Bundes verſammlung iſt gefallen vor dem Willen des Volkes; ſie
1 zerichtein ſeinen Augen und als vexbrecheriſch zum Tode verur-
hei worden — — vom Volke Herichteten, mit den

Fodten haben wir Nicets zu ſchaffen! Gehe heim und fage

dieß Deinen — Diplomaten!“ — 2—
So muß die Tagſatzung ſprechen, wenn ſie nach dem Simne 5i°8 ſſchwei-

zerifchen Voltes gehen will. Spricht ſie in anderem Sinne, ſo verwittnt ,


* +










Joſt bezogen In ganz Baden
Poſtaufſchlag.
— Briefe und Gelder: frei einzufenden.





rath und Landtagskommiſſär Werrm hatte in einer der neueſten Kammerſitzungen
das unbedi; gte „Veto“ der alten Verfaſſung für die Regierung in Anſpruͤch pes
nommen. In dem ganzen Lande erhob ſich darüber ein Sturm des Unwiilens.
Sogar in Wiesbaden, der vielgetreuͤen Reſidenzſtadt, deren vermeinten kleinli-
chen Interſſen der ſeinen Urſprung verläugnende Revolutions-Miniſter ſo trefflich
zu ſchmeicheln verſteht, entſtand in Folge davon ein „demokratiſcher Verein,“
dem ſich eben nicht bloß das, was die Bourgeoiſie alg die beſitzloſen Anhänger
der „rothen Republik“ zu verdächtigen beliebk, anſchloß, ſondern auch der Kern
der Bürgerſchaft und diejenigen, welche es mit der „demokratiſchen Monarchie“
hielten, dabei aber das Wort „demokratiſch“ nicht alg einen bloßen Köder, fon-
dern ernſt und wahr auffaßten.
an die Kammer ab, worin er ſich ernſt, klar und nochdrücklich gegen das abe
ſolute Veto der Regierung verwahrt und den auf Nichtanerkennung deſſelben
gerichteten Antrag Wenkenbach's unterſtützt

Das gibt auf einmal Schrecken in dem miniſteriellen Lager. Werrm reiſte
eiligſt nach Frankfurt, um Hergenhahn zur nächſten Kammerſitzung zu holen.
Hergenhahn, — Reichsminiſter ım spe —lächelte über diefen kleinlichen Sturm
in einem Glaſe Waſſer.“ Er reiſte hierher, um das abfolute Veto zu verthei-
digen. Allein ſeine Getreu n von der Rechten verſicherten ihm, das ſei nicht mög-


Linken hinauszuſchieben und die Prinzipienfrage zu umgehen. Wie gut dies bei


majorität gelungen iſt, beweißt die Sitzung vom 14 Juli, welche mit einein
wenigſtens formellen Sieg des Minifters endigte.

Nun aber galt es, den democratiſchen Berein in Wiesbaden
zu vernichten, von welchem der Miniſter ſchon keck verſichert hatte, er beruhe
auf abſichtlicher Täuſchung des Volkes durch ſeine Führer, und das Volk
werde „nicht eher frei werden, als bis es ſeinen Führern und der freien Preſſe

FeinerLet Gewalt unterſtützt wurde, dazu, für die Bürgerwehr Seneralmarfeh. zu

Kurfremden.) Dann reizt man eine Compagnie durch Verhaftung eines
Pauptmannes vor der Fronte zur Widerfeglichkeit, und in Folge viefer Wider-
ſetzlichkeit einer Compagnie befiehlt die löbliche Polizet die Entwaffnung von
drei Compagnien. Man reizt dadurch abermals zum Widerſtand, giebt aber
dann die Entſcheidung dem Disciplinargerichte der Bürgerwehr anheim, und
als dieſes durch richterlichen Spruch bloͤs die erſte Compagnie für entwaffnet
eeklärt, erkennt das Miniſterium dieſen Spruch nicht an.



8

‘ tungen. Das ECriminalgefaͤnguiß wird erſtürmt.

gerwehr. A





Das iſt genug. Am andern Morgen ſind 3000 Mann Oeſterreicher und
Preußen da, und man ſagt zur Bourgeoiſte: „Seht, das iſt das Werk des demo-
kratiſchen Vereins!“
doch nicht in dem allerentfernteſten Zuſammenhang ſteht.

Die beſchränkte Bourgeoiſie aber, die fehr viel










zige!“ und perfolgt Alles, was jemals „links“
Wuth der ſich gedeckt wiffenden Feigheit.
Das iſt das eonſtitutionelle Regiment in Naſſau!

oder demokratiſch war, mit der

Deut ſch Land.
. I, Mannheim, im Juli. Herr Baſſermann von ſonſt und
lest. Wer erkennt wohl jenen Baſſermann, der einſt in der bad. Kammer

ſich ſo warm des Volksſchulweſens annahm, in dem Baffermann wieder, der in
der Nationalverſammlung zu Frankfurt ſich gegen die Niederſetzung eines be-


erklärt? Aber wahrhaftig, es iſt ein und derfelbe Herr Baſſermann, der täg-


der keinen zweiten anerkennt neben ſich. *

Demſelben Herrn Baſſermann iſt es neulich begegnet, daß er mit 64 Ge-
noſſen in der Vationalverſammlung den Antrag auf Beſchränkung der na-
mentlichen Abſtimmung ftellte. Er bemuͤhte ſich, allerlei triftige Gründe
zur Unterſtützung ſeines Antrags aufzufinden, alg da find: Zeiterſparniß und
Vermeidung von Aufregung und Debatte, die durch das Verlangen nach na-
mentlicher Abſtimmung regelmäßig erregt werde, Cohne Zweifel durch Leute,
welche ungefäyr die gleichen Urſachen haben, wie Hr. B. in gewiſſen Fällen
eine namentliche Abſtimmung zu ſcheuen). — Endlich könne es ja Jedem, der
Luſt trage, freiſtehen, ſein Voium zu Protokoll zu geben.«

Dieſe drei Gründe des Antraͤgſtellers gegen die namentliche Abſtimmung
wurden aber in den Augen der Mehrzahl der Abgeordneten ohne Zweifel durch
ran Sühnar wöberswgeny de ſate. dieſelbe ſpricht: daß nämlich den Wählern durch
ſie das Mittel in die Hand gegeben iſt, ıySre Mandatare zu kontrolliten

lich mag gerade dieſer Grund „für“ der eigentliche, „acheime Srund „wider“


niger als zweckdienlich erſcheinen dürfte, wenn feine Wähler hörcn un lefen,
für und gegen was Alles er ſtimmte und mit Wem. *

2

Das konſtitutionelle Regiment in aſſau.
Wiesbaden, 18 Juli.

Der Miniſter Hergenhahn hat in der heutigen Situng der Kammer ein
Vertrauensvotum erhalten, von welchem ſich nur drei Mitglieder ausgeſchloſſen
haben, — aber dieſes Vertrauensvotam war dictirt durch dreitauſend Bajonette
ſterreichiſcher und preußiſcher Soldaten, ganz abgefehen von den Kanonen, die
ſie mitgebracht hatten, und den brennenden Lunten.

Das Miniſterium Hergenhahn ſchwankte. Sein Werkzeug, der Regierungs-

7 Als nun aber abgeſtimmt ward über die Abſtimmungsfrage, ſtehe, da öeigte —
ſch's, daß der größte Theil der 64 Baſſermann'ſchen Partiſanen von ihrem
Führer abgefallen war, welch Letzterer ſofort Lunte roch und — ſich auf einige
Zeit eklipfixte. Während ſeiner Abweſenheit aber ergab ſich eine fold unge-
euerliche Niederlage für ſeinen YAutrag Der ſelbſt Mittermgier und Zittel zu
Begnern hatte), daß die ganze Verſammlung in ein homeriſches Göttergeläch-
er ausbrach, worin ſelbſt Hr. Staatsrath Mathy mit einſtimmte, der ſich buch-
täblich den Bauch hielt vor Lachen. *




 
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