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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0209

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Die Religivnsbedrückungen in Schleſien.
(Aus G. v. Strude's „Otulſchem Zuſchauer.)

Vor zweihundert Jahren wurden die Proteſtanten in Schleſien bekannt-
lich auf die enipöxendſte Weiſe verfolgt, um ſie zur katholiſchen Kirche zurück-
zubringen. Die Jeſuiten hatten ſich vom Wiener Hofe eine, Abtheilung Lich-
lenſteller Dragoner zur Verfügung ſtellen laſſen, mit denen ſie gewaltſam ihr
Betehrungswert betrieben. Die rohen Kriegsknechte wurden in Haufen von
mehr als 20 Mann in die Häufer der proteſtantiſchen Bürger quartixt und
praͤßten und preßten ſo lange, bis der proteſtantiſche Bürger dieſen Beweis
der Vorzüglichkeii der katholiſchen Kirche alg überzeugend anerkennend, ſeinen
Viele traten deshalb zurück zur katholi-
ſchen Kirche; doch bewaͤhrt die Geſchichte auch viele Beiſpiele der Standhaftig-
teit und der unerſchütterlichen Treué des ſchleſiſchen Volkes für die erkannte
Vaͤhtheit und religiöfe Ueberzeugung. Namentlich zeigten mehrere proteſtanti-
ſche Magiſtrate maͤnnlichen Durh. und Entſchiedenheit gegen . die Berfolger. —
Wenn auch dieſe Gewaltthätigkeiten nicht gar lange Zeit verübt werden konn-
ten, ſo dauerten die Berfolgungen gegen die Proteſtanten doch auf verſchiedene
Weiſe fort, bis Friedrich Il Schleſien eroberte. Durch den Erwerb dieſer
Provinz, deren proteſtantiſche Bewohner Friedrich IL als Retter begrüßten


mächte. Seitdem und weil der große König ſich ſo beſtimmt für die Religions-
freiheit ausgeſprochen und ſie zum Geſetz gemacht, glaubte wohl Niemand mehr
an Religionsderfolgungen in Preußen. Doch ſiehe, unter einem Enkel des
großen Königs kommen ähnliche Verfolgungen vor. Man erließ ein
ſogenanntes Toleranz-Edict, deſſen Freiſinnigkeit von Vielen bewundert und
geprieſen wurde; unterdeſſen aber ſcheut man ſich nicht, dieſes Toleranz-
Ediet denen mit polizeilicher Gewalt und allerlet Mittelchen aufzudringen,




mir die Weiſung ein, daß der „Diſſidentenlehrer“ ſich ferner keines Pfarram-
tes anmaßen ſolle und heute erhält hier in Marienburg der Maniſirat den
Regierungsbefehl, unſere Ehen als Konkubingte zu behandeln, unfere Kinder
umlaufen zu laſſen, wenn wir nicht vor dem Gericht erklären wollen , vaß wir
Der Vorſtand und die Aelteſten in beiden
Gemeinden ſtehen wacker; ſie haben den Beſchluß gefaßt, ich ſoll in den Ge-
meinden pfarramtliche Handlungen auch ferner verrichten. Ich hab’s getban.“
Ich frage nun, ob dieſe Verfolgungen des preußiſchen Kultusminiſteriums
milder ſind nach Maͤßgabe der Zeitverhältniſſe, als die der öſterreichiſchen Re-
gierung und der Jeſuiten vor zweihundert Jahren? Ich frage ferner wie






Verluſte wichtiger Rechte bezahlen wollen. ;

Es iſt kaum zu glauben, welche Religionsverfolgungen geübt werden, da-
rum ſollen Thatſachen folgen, Thatſachen! deren Veröffentlichung in unſern
Zeitungen die Cenſur hindert und dafür ſorgt, daß ſelbſt die Bewohner ei-
ner Stadt nicht erfahren, was innerhalb der Ringmauern Seitens der Po-


Die deutſchkatholiſche Gemeinde in der Stadt Reichenbach, deren Bürger-


‚ u1) Vor vier Wochen ungefaͤhr wurde dem hieſigen Gemeindevorſtande
durch den Magiſtrat aufgegeben, die von unſerm Prediger getrauten, in das
Polizeibereich der Stadt Reichenbach gehörigen Ehepaare ihm nament-
lich anzuzeigen. Die betreffenden Ehepaare wurden vor den Ma-
giſtrat geladen, der ihnen die Eroͤffnung madte, daß ſte ſich Mnerbalb vier


laſſen oder dem Patente vom 30. März v. J. gemäß ihren Austritt vor Ge-
richt aͤnzeigen und durch daſſelbe ihre eheliche Bereinihung vollziehen kaſfen
wollen. — Ohne die Anzeige des hieſigen Vorſtandes zu erholen, wurden zwei
Ehepaare in Peterswalbau vor die Polizeibehoͤrde gerufen, welche ihnen die-
ſeiben Eröffnungen machte mit der Drohung: ſie in einem oder dem andern
Weigerungefallẽ nach Ablauf der ihnen geſetzten Friſt als im Konkubinat Le-
bende von einander zu trennen.“ Die ©emeinde theilt mit, daß die Betrof-
fenen nur der ausgeubten Gewalt weichen werden.

„2) Vor drel Wochen ſtarb einem Mitgliede der Nimptſchen Gemeinde
ſeine gleichfalls chriſtkatholiſche Frau. Im Begriff, den Prediger zur kirch-
iichen Beſtattung derſelben von Reichenbach zu ſich zuholen, wurde es dem-






ierſagt, den Prediger zu berufen. Er ſah ſich dadurch veraulaßt, die Leich
ohne allen Kultus in der Stille zu beſtatten.“

3) Vor einigen Tagen wurde in Nimptſch von dem dortigen Gerichts-
amte, reſp. von dem königlichen Juſtizrath Eujawa, dem lange vor Er-
ſcheinung des Patents von unſerm Prediger getauften Kinde eines chriſt-
katholiſch getrauten Ehepaares, das, zum Austritt aus der Kirche gedrängt,
denſelben protokollmäßig verweigert hatte, ein Vormund beſtellt, der die Vor-


wurde, dafür zu ſorgen, daß das Kind binnen 4 Tagen wiedergetauft werde.
Der Vater ſcheint entſchloſſen, in dem betreffenden Falle nur der äußerſten
Gewalt weichen zu wollen. In Peißersdorf (zur Reichenbacher Gemeinde ge-
hörig) ſollte ein Mitglied unſerexr Gemeinde, von der Polizeibehörde gedrängt,
ſeinen Austritt aus der Kirche erklären und ſein, ſeit Erſcheinung des Patents
getauftes Kind aus ſeiner in einer der anerkannten Kirchen geſchloſſenen Ehe
in die gerichtlichen Liſten eintragen laſſen. Der Mann erklärte, der Polizei-

O Einem Mitgliede in Peterswaldau gegenüber bedauerte der Polizei-
Verweſer, daß deffen vom chriſtkatholiſchen Prediger getauftes Kind noch vor
Erſcheinung des Patents geſtorben und ihm damit die Gelegenheit benoinmen
ſei/ das Patent auf dafſelbe anzuwenden.“

Noch eine Nachricht füge ich hinzu, die mir ſo eben zugegangen, und
welche zeigt, daß man nunmehr auch in den andern Provinzen unferes Landes
gegen ung auf obige Weiſe einſchreitet. Der Prediger der Gemeinden zu
Maͤrienburg und Elbing ſchreibt mir vom 31, v. uͤnter Anderm Folgendes:

Am vergangenen Donnerſtage lief in Elbing bei dem Vorſtande und bei


ſatz der Religionsfreiheit und auch mit dem Erlaͤſſe eines „Toleranz Edietes?
einen läßt? — 2 * * — —

Johannes Nonge.
*) Nach den Inſtruktionen des Minifteriums hätten die 30,000 Deutſchkotholtken in

Preußen zu bezahlen: *





1) Austritt der 30,000 4 3 Thlr. 10 Sor 9:,000 Thlr. — *
2) Eintragen von 1,800 Geburten ä& 2 Tolr. 3,600 „ A
3) * 800 Sterbfälle a 2 Thlr.. 1,60) „ — *
9 1000 Heiraͤthen äa * Thlr. + 5 00 2 * *
Summa 118,200 Thlrt.
Deut ſchland.

Waldkirch im Elzthale. (Freiburger Ztg.) Eine große Noth fheint
über unſere Stadt kommen zu wollen. Einige Faltoren (ſo nennt man jene
Großhaͤndler, welche die Granaten roh ankaufen, verarbeiten laſſen und als-
dann verſchleußen), haben die Arbeiter, die ſie ſeither beſchäftigt Daben,
laſſen, weil der Haudel in dieſem Zweige gegenwaärtig zu ſtoͤcken anfa

Ueber 200
ſind hierdurch brodlos geivorden und gehen großem Elende um ſonm
gen, uls von Seite der Stadt, welche ohnehin von vielen Armen in Anfp
genönumen iſt, nar geriuge Unterfügung zu erwarten ſein duͤrfte. —— —

Auch von Brandunglück wurde unſer Thal in neueſter Zeit heimgeſucht.
Zuerſt wurde in Waldkirch das Haus eines Hafners von den Flammen ver-
zehrt, hierauf iſt die Mühle und Oehle in Buchholz abgebrannt und ein
Bauernhaus in Biederbach, wobei ein Kuabe das Leben verloren hat, ſowie
auch zwei Pferde und einige Ziegen in den Flammen umgekommen ſind.

Oppenau, 17. Febr. Bei dem großen Braudungluͤcke, welches unſere
Stadt in der Nacht vom 8. auf den 9. ‚D. beiroffen hat, ſind 8 Gebäude,
nämlich 6 Wohnhäuſer — darunter ein Wirthshaus — das Oekonomiege-
bäude des Pfarrhauſes, in welchem die Flammen zuerſt ausbraͤchen, und ein
Brennz und Waſchhaus eingeäſchert worden. Brandſtiftung llegt außer allem
Zweifel, doch ſind die Thäter bis jetzt noch nicht überwiefen. Von den Er-
gebniſſen der ſtreug eingeleiteten Unterſuchung iſt natürlich noch nichts bekannt,






dizien unterſtützt wird, wirklich die Urheber zu ſein. — ;
AS Berlin, 17. Febr. Die Abgeordneten Auers wald und Schwerin
proteſtiren in den heſigen Blättern als geweſene Mitglieder der General-Sy-
node im Jahre 1846, gegen einen Artikel in der Allg. Preuß. Staatszeitung.
Jn dieſem wurde behauptet, das durch Kabinetsordre jetzt neu eingefuͤhrie
„Ober-Conſiſtorium“ ſei von jener General-Synode gewunfcht woͤrden! Die
beiden Abgeordneten erklären aber, die General⸗Synode von 1846 habe ein.
Doer Conſiſtorium nur als Ergänzung einer von ihr beantragten Presbyterial-
und Synodal-Verfaſſung gewuͤnſcht. Das Ober⸗Conſiſtoriuln iſt alſe gekom-

nach dem allgemein herrſchenden Urtheite, welches durch nicht uubedeutende Ju-

Die Sammlungen für das ſchleſiſche Elend gehen hier ſteke fort,. E&
wird jetzt eine Lotterie von Damen-Arbeiten dafür veranſtaltet. Nady amtlie
chen Unterſuchungen ſind im Rybniker Kreiſe 20,000 Menſchen für die Mo«
nate Febr., März und April zu ernähren; für die Monate Mai und Zuͤlt




Bei den reichen Beiträgen, welche für Schleſien einlaufen, fehlt es nicht
an ſolchen, welche eine Beiſteuer grundſätzlich verweigern. Sie berufen ſich auf
unſer Budget von 64 Millionen Thaler jaͤhrlich, und verlangen, man folle
von dieſem den Schleſiern Hülfe und ſpaͤler Arbeit ſchaffen. Sie erklären jene
Beiträge für eine neue, wenn auch freiwillige Steuer, die man vom Mitleid
der Bürger ziehe. Der Staat ſölle die Millionen, die man bereits an Steuer
bezahle, ſo verwenden, daß feine Bürger nicht verhungerten. Man ſolle von
den 25,000,000 Tolrn. die des Militär verzehre, 1 Mill. nach Schleſien
ſchicken, und 50,000 Mann vom ſtehenden Heer ihrer Heimath und ihrem
Verdienſt wiedergeben. Andere nennen das „unpraktiſche Ideen“. — —

Berlin, 17. Febr. Die „Berliniſchen Nachrichten / melden: „Vorgeſtern
Nachmittag um 5 Uhr traf hier ein engliſcher Kabinetskourier ein, welcher,
wie man hört, die Erklärung des britiſchen Kabinets nach Wien uͤberbriugi,
daß iede Einmiſchung Seſterreichs in die italieniſchen Angeles
genheiten als eine Kriegserflärung Seitens Großbritanntens
werde angeſehen werden. Der Kourier iſt noch am Abend um 10 Uhr
auf der niederſchleſiſchen Bahn von hier nach Wien abgereift.“ !

Breslan, 13. Febr. Obgleich die Sammlung für die armen Ryb-
niker und Pleſſer in allen Theilen des Vaterlandes ſehr reichlich ausfaͤllt,
ſo iſt doch die Noth ſo außerordentlich und über alle Beſchreibung aroß,
daß ſie durch Privatmildthätigkeit kaum wird zu beheben ſein. Als Curiofum
ſei erwähnt, daß der berüchtigte Spitzbube Schneider heute in der
Breslauer Zeitung mit einem milden Beitrage unterzeichnet ſteht. Er ſchreibt





 
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