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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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Sonntag den




1. Oktober.













Inferate die gefpaltene Zeile in Petitſchrift oder



























87. Sitzung der eonſtituirenden Nationalverſammlung.
Donnerſtag, den 28. Sept. 1848. 4
(Reichstagsztg.) *
Jordan aus Berlin berichtet für den Marineausſchuß über die 84*
deſſelben; er ſtellt die Anträge: den Reichsverweſer zu erſuchen, für * *
rineangelegenheiten eine beſondere Centralbehörde zu ernennen, 44 **
verantworllichen Miniſterium und einem UNfker dieſem ſtebenden Admira
legium beſtehen ſoll. (Gelächter für 1 Fregatte und 2 Ranonenboplteb.) 4
v. Schmerling theilt auf die Interpellation Jordans, WEgen ne * 1
der in Hamburg liegenden für die Kriegsflotte beftimmten Schiffe mit, daß
Miniſterium einen ödftetreid)ifxben MNiceadmirak hierher berufen, um mit ihm die
nöthigen Maßregeln zu berathen,
S F{ärt fech damit nicht zufrieden. Y '
es — 4 — dasg Geſeß über das bei Interpellationeg zu beobach-
tende Verfahren dies nur in dem Falle geſtattet, wenn ein Antrag geſtellt

wird.

Darauf ſtellt Berger
Innern: —— —
Nniſt Kenntniß von dem Stande der öſterreichiſchen.

Wahlangelegenheiten?

2)) 2 84 — von vorgekommenen Wahlumtrieben? —

3) Welche Mittel denkt es zur definitiven Bewirkung der rückſtändigen

Wahlen zu ergreifen? *
4) Welche Stellung denkt die Centralgewalt gegenüber den reaktionären
und particulariſtiſchen Beſtrebungen Oeſterreichs einzunehmen, um die
deutſchen Provinzen vor jedem Verſuch, ſie von Deutſchland loszu-
reißen, zu ſchützen?

Reichsjuͤſtizminiſter Mohl gibt Antwort auf die Fragen Marecks vom 26,
und zwar zu 1: der Belagekungszuſtand ſei auf Gxund ves S, 2 des Geſetzes
über die Centralgewalt verfügt worden; ſo wie nach Art. 96 der Bundeskriegs-
verfaſſung, welche die Beſtimmungen über das Martialgeſetz enthält. Veran-
laſſung dazu ſei ein Schreiben des Senats geweſen, die Nationalverſammlung
habe diefe Maͤßregel bereits gut geheißen. Eben dieſer Artikel gebe auch zu?
die Strafbeſtimmungen und die Vorſchriften über das anzuwendende Verfahren,
für beide gelte das Frankfurter Geſetz, welches die Kriegsaxtikel enthält; daſ-
ſelbe gelte vom Standrecht; übrigens ſei kein Fall der Anwendung vorgekommen.

Auf die Frage von Reh uud Genoſſen, was unter Belagerungszuſtand zu
verſtehen, welche Verbote und Gebote er umfaſſe, und was iſt unter Kriegs-
recht zu verſtehen? erwidert derſelbe: Unter Belagerungszuſtand verſteht man
die Gleichſtellung einer Stadt mit einem vom Feinde bedrohten Orte; die da-
rin enthaltenen Verbote und Gebote ſtehen in den an den Straßenecken ange-
ſchlagenen Plakafen. Das Kriegsrecht ſei eine Folge des Belagexungszuſtandes
und beftehe in einem abgekürzten Vexfahren durch ein Kriegsgericht.

Zuͤninermann aus Spandau ſtellt hierauf den Antrag, die Aufhebung des
Belagerungszuſtandes zu beſchliehen und, verlangt über die Dringlichkeit deſſel-
ben namentliche Abſtimmung. (Bravo! Gelächter.)

Präſident verſieht ſich wiedex bei dex Fragſtellung, erſt nach mehreren Zu-
rechtweiſungen fragt er, wie es ſich gehört, nach der Unterſtützung des Antrags
auf namentliche Abſtimmung. Nachdem dieſer unterſtützt worden, ſtellt aber-
malg Präſident die Frage falſch, und erſt nach einer neuen Belehrung durch
Zimmermann aus Stutkgart fragt er, ob die Dringlichkeit anerkannt werde;
dieſe Frage wird mit 285 gegen 110 Stimmen verneint. (Am 24. wurde die
Dringlichkeit des gleichlautenden Antrag von Venedey mit 277 gegen 131 Stim-
men aͤbgelehnt. Die Liebhaberei am Belagerungszuſtand iſt alſo noch im Wachſen.)

Drechsler beantragt den nach S. 35 der Geſchäftsordnung zur Tages-
ordnung unter Beſeitigung der noch vorliegenden Anträge überzugehen.

Präſident will fragen — Zuruf: liegen noch Anträge vor? Präſident:
nur noch ein Antrag von Simon von Trier an den Eentralausſchuß. Der An-
trag Drechslers wird angenommen.

Auf der Tagesordnuͤng ſteht der Artikel vll. der Grundrechte.

Beſeler will in Folge des Schoder'ſchen Antrags die SS. 25, 26, 30
und 33 von der Berathung ausſchließen; Präſident iſt aber der Meinung,
Artikel VII. nicht zu zerreißen; er läßt über Beſelers Antrag abſtimmen und
nur Baſſermann erhebt ſich unter ſchallendem Gelächter bejahend.

Man beginnt demnach mit S. 25, dieſer lautet im Entwurf des Verfaſ-
ſungsausſchuſfes: „Das Eigenthum iſt unverletzlich.“ Dazu hat der volks-
wirthſchftliche Ausſchuß folgende Verbeſſerungs-Anträge geſtellt:

Jeder Deutſche genießt für ſein phyſiſches und geiſtiges Eigenthum und
den geſetzmäßigen Gebrauch deſſelben den Schutz des Staates. Das gei-
ſtige Eigenthum ſteht unter dem ausſchließlichen Schutze der Reichsgeſetz-
gebung.

Jeder Grundeigenthümer kann ſeinen Grundbeſitz unter Lebenden und
von Todes wegen ganz oder theilweiſe veräußern.

Man beſchließt ju discutiren: 7 Redner haben ſich dafür, 4 dagegen ein-



Präſident läßt ihn reden, weil

folgende Fragen an das Reichsminiſterium des


Zuerſt erklärt Reichensperger ſeine Zuſtimmung zu der vom Verfaſ-
ſungsausſchuß vorgeſchlagenen Faſſung, ſo wie gegen den zweiten Satz der Vor-


überhaupt die geſammten Vorſchläge des Verfaſſungsausſchuſſes bevorwortet.
Darauf ſchlägt Präſident vor, die SS. 25 und 26 zufammen zu bera-

then, da mehrere Anträge einzelner Abgeordneter auf eine Vexeinigung beider

Anträge abzielten. Ob die Verſammlung dieſem Vorſchlage beitritt, erfährt


Zuſtimmung zu fragen. 5. 26 lautet im Entwurf:
Eine Enteißnung kann nur aus Rückſichten des gemeinen Beſten, nur









auf Grund eines Geſetzes und nach vorgängiger gerechter Entſchädigung
vorgenommen werden.

Dazu liegen folgende Anträge des volkswirthoͤſchaftlichen Ausſchuſſes vor:

Beſchraͤnkungen des freien Verfügungsrechts über Grund und Boden
durch Enteignuͤng, ſo wie Beſchränkungen in der freien Benutzung des
Grundeigenthums ſind nur im Wege der Geſetzgebung aus Gründen des
gemeinen Wohles zuläſſig. *

Eine zwangsweiſe Enteignung kann nur nach vorgängiger Entſchädi-
gung vorgenommen werden. \ —
Und ein Minoritätsantrag: }

Beſchränkungen des Nechtes, Liegenſchaften zu erwerben und über ſie
zu verfügen, find im Wege der Staatengeſetzzebung aus Gründen des
öffentlichen Wohles zuläſſig.

Die Befugniß zur Erwerbung von Grundbeſitz ſteht auch den morali-
ſchen Perſonen zu. Doch bleibt der Reichsgewalt vorbehalten, wegen
—4 von Grundſtücken zur todten Hand beſondere Beſtimmungen
zu treffen.

v. Salzwedell verlangt Freiheit des Eigenthums und Wegfall allex Be-
ſchränkungen deſſelben; ihm folgen Lette, Langerfeld, Zimmermann aus Span-
Ddow und v. Herrmann, von denen nur der zweite für Theilbarkeit der Güter
ſpricht, während die übrigen dieſelben als ein Mittel der Ausbreitung des Pro-
letariats entgegenzutreten empfehlen. Die Discuſſion wird darauf gefehloffen,
und Beſeler erhält das letzte Wort.

Bel der darauf folgeuͤden Abſtimmung; welche Präſident diesmal der Un-
terſtützungsfrage nicht vbrausſchickt, wird S, 25 nach dem Entwurfe des Ver-
faſſungsausſchuſſes mit dem Zuſatze; das geiſtige Eigenthum ſteht unter dem
Schuße der Reichsgeſetzgebung, ſowie mit dem zweiten Zufaßanirag des volks-
wirthoſchaftlichen Ausfchuffes angenvmmen; ein Amendement Reichenspergers:
Es bleibt den Einzelregierungen überlaſſen, die Durchführung des ausgeſpro-
chenen Grundſatzes der Theilbarkeit alles Grundeigenthums durch Uebergangs-
geſetze zu vermiiteln, wird mit 174 gegen 159 Stimmen ebenfalls angenom-
men. Gelächter links.)

Ueber die Frageſtellung zum S, 26 entſteht eine längere Debatte, dann
verſocht Präſtbent, nachdem er ſich viertelſtundenlang unter dem wiederholten
Ruf nach Vertagung den Kopf zerbrochen, ein paar Frageſtellungen, die ſich
alg nicht anwendbar zeigen, bis es ihm endlich unter Beiſtand des Vicepräſt-
denten v. Herrmann gelingt, eine genügende Frageſtellung auszuarbeiten.

Der FS. 26 wird endlich iv der vom Verfaſſungsausſchuſſe vorgeſchlagenen
Faſſung mit der von Gold beantragten Abänderung, ſtatt: nach vorgängiger
gerechter Entſchädigung — gegen gekechte Ent{häbigung, und mit dem Zuſatz
von Spatz angenoinmen: Beſchrälkungen des Rechis, Liegenſchaften zu erwer
ben und über ſie zu verfügen, ſind im Wege der Strafgeſetzgebung für die
todte Hand, aus Gründen des öffentlichen Wohls zuläſſig.

Der Antrag von Mittermaier und Genoſſen: „Die Abſchätzung bei Zwangs-
abtretungen wehen öffentlichen Nutzens geſchieht durch Geſchworne“ wird abge-
lehnt, und hieraͤuf die Sitzung kurz vor 3 Uhr geſchloſſen.

Tagesordnung für morgen: Berathung des Geſetzes, das Verfahren ge-
gen Mithlieder der Verſammlung bei ſtrafrechtlichen Unterſuchungen und deren
Sicherſtellung betreffend, und die Vorlage des Finanzminiſteriums.

Deut ſchland.

5 Mannbheim, 30. Sept. Der ſchwäbiſche Merkur und nach ihm an-
dere reaktionäre Blätter behaupteten vor einigen Tagen, Hecker ſtehe mit einer
Legion im Elſaß und ſei an dem Struve'ſchen Aufſtand betheiligt. Wir können
aug den verläſſigſten Berichten verſichern, daß er in Southampton am 19. das
Rieſenſchiff Hermann mit ſeinen Freunden Schöninger und Tiedemann und einer
Reiſegeſellſchaft von nahe 200 Perſonen beſtiegen hat.

Maunheim/ 30. Sept. „Iſt kein Attentat da?“ Mit dieſen
Worten beginnt die „neue Zeit“ in ihrex letzten Nummer einen Artikel, worin
ſie darzuſtellen ſucht, wie die jüngſten Ereigniſſe in Frankfurt, wie die zweite
Schilderbebung im badiſchen Oberlande von dex Reaktionspartei angezettelt und
abſichtlich hervorgerufen worden, um die Blicke der Menge von ihrem eigenen
Treiben abzuziehen, um den Vorwand zur Aufbietung ungeheurer Militärmaſſen
und zu neuen reaktionären Maßregeln untex deren Schutz zu erhalten. Wie Lud-
wig Philipp, juſt wann er Frankreichs Ehxe auf das ſchamloſeſte verrathen,
aus der Tiefe ſeines Herzens geſeufzt: „iſt kein Attentat da?“ und im-
mer glücklich Eines gefunden, ſo hätten die Gagern und Conſortes nach voll-
zogenem Verrathe Deutſchlands durch die Genehmigung des Waffenſtillſtandes
von Malmö ſich eifrig nach einem „Attentate“ umgethan und in jenen unglück-
Ereigniſſen das Erwünſchte, nicht nur gefunden, ſondern mühſam ſelbſt

reitet.

Sei nun der Geſichtspunkt, unter welchem die „neue Zeit“ jene in ihrem
Ausgang für die Sache des Volkes ſo verderblichen Begebenheiten auffaßt, rich-
tig oͤder nicht, ſoviel iſt nicht in Abrede zu ſtellen, daß ihre Anſicht durch man-
cherlei verdächtige Thatſachen dedeutend unterſtützt wird. Thatſache iſt, daß man in
Frankfurt dem Bau der Barrikaden, der ſo leicht zu vexhindern geweſen, ruhig
zuſah, daß man ſogar Bürger, die ihn verhindern wollten, von ihrem Begin-
nen labhielt; daß ferner die badiſche Regierung von dem Vorhaben der in das
badiſche Gebiet eingedrungenen Republitaner früh genug unterrichtet war, um
dieſelben wirkſam zurückweiſen, ſie verhindern zu können, den Fuß Über die
Gränze zu ſetzen. Daß nichts dagegen geſchehen, daß man nicht das Mindeſte
gethan, um jenen Ereigniſſen vorzuheugen, erhebt dieß nicht die Wahrſcheinlich-
keil faſt zur Gewißheit, daß man dieſelben, wo nicht durch wohlberechnete Ma
chinationen ſelbſt herbeigefüyrt, doch als einen willkommenen Anlaß, die errun-



 
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