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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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Deutſch Land.

Maunheim, 5. Olt. Die Nr. 235 der „Seeblätter“ bringt folgen-
den Artikel!

Den Lügenberichten über Plünderung, Raub und Diebſtahl in den ſoge-
nannten guten Blättern ſind wir Folgendes gegenüber zu halten im Stande,
welches wir dem einem hieſigen Angeſtellten zugekommenen Briefe ſeiner Ange-
hoͤrigen entnehmen, und für deſſen Wahrheit wir einzuſtehen im Stande ſind.

uͤnſtt Haͤus wurde von den Soldaten angezündet; — die Sol-.
daten nahmen Alles, brachen alle Thüren und Käſten auf; uns nahmen ſie ſehr
wiel: ves' Vaters Zilinderuhr, goldene Ringe, filberne Löffel, alle meine Hem-
den, alle weißen Saktücher und noch viele Sachen, meiner Brüder Gewehre
und Piſtolen, kurz alles, was ihnen in die Hände fel, mehr als für 200 fl.
Uns ſelbſt geſchah nichts, der Vater, M . Und Mutter eilten faſt todt nach
Krozingen, Ich mußte die Mutter führen bis nach Oberkrozingen, denn ſie
Fonnte allein nicht mehr laufen ver Schreck; ich ſelbſt ſprengte wieder mit einem
Pferde zurüch nach Staufen, und fand unſer Haus ganz geplündert von den
4 Das Feuer war gelöſcht, aber, wie ſchon geſagt, uns war Alles
geſtohlen.

Mich ſelbſt. hielt man für einen Freiſchärler, und ſchon waren ungefähr
20 Flinten auf mich angelegt, blos der General Hoffmann und v. Gailing
retteten mir noch das Leben, weil ſie mich kannten.

So die badiſchen Brüderſoldaten. Wir ſetzen hiermit im Namen der ba-
diſchen Republikaner dem Giehne'ſchen Klatſchblatt in der Staatsdiener- und
Soldatenkolonie am Landgraben eine Prämie von hundert Gulden aus, wenn
es im Stande iſt, uns eine einzige derartige Plünderungsſcene von Seiten der
Freiſchaaren darzuthun. Kann dieſes die büreaucratiſche Heulerin nicht, ſo möge
ſie ſich den Namen eines niederträchtigen und lügneriſchen Klatſchweibes gefal-
len laſſen.“

*. Maunheim 5. Okt.
lung von „Außerordentlich“-Conſkribirten, welche am letzten Sonntage hier
{tatt finden ſollte, gibt die „Neue deutſche Ztg.“ folgendes Urtheil ab:

Ein unverſchäinterer Eingriff in das freie Bereinigungsrecht iſt mir noch
nicht vorgekommen; aber die Behörden wiſſen, daß ſie für dergleichen Ueber-
geiffe nicht allein nicht geſtraft werden, ſondern daß man ſie oben ganz gern
ſieht. Vielleicht könnte ja eine „Auflehnung gegen die öffentliche Gewalt“ da-
bulch hervorgerufen werden, welche weitere Mepreffivz und Ausnahmsgeſetze
rechtfertigte. Das Beiſpiel Lon Frankfurt und Köln iſt zu lockend, als daß
nicht auch Kleinere die Nachahmung wenigſtens verſuchen follten, Mannhein
in Belagerungszuſtand! welch herxlicher Gedanke! — Wir hoffen indeß, die
Conſeribirten und die ganze Bürgerſchaft werden auf geſetzlichem Wege ihr Recht
zu wahren wiſſen.“

‚T5 Maunheim, 4. Olt. In den nächſten Tagen werden die Kammern
wieder zuſammentreten. Wir hegen die Hoffuung, daß unſere Mitbürger in
Baden noch nicht dexgeſſen haben, was wir ihnen vor Wochen bereits ans Herz
legten — den Petitigusſturm wegen Auflöſung der 2. Kammer und Bexufung
einer konſtituirenden Verſammlung für Baden. Wäre es nöthig, daß wir dem
Bolk aufs Neue wieder ins Gedächtniß riefen, was Alles ſeine, die Sitze im
Ständehauſe großentheils nur noch uſurpirenden, ſogenannten Vertreter
gegen ſeine Freiheit verbrochen? Wie oft ſie ſich des einzig wirklichen Hoch-
verraths, des Berbrechens der beleibigten Majeſtät des Volkes ſchulvig gemaͤcht?
Und wäre der Zuſtand, in dem ſich unſere Preſſe, unſer Vereinsrecht befindet,
dieſer auf längſt veraltete, unzulängliche, ausrangirte Geſetze gegründete Zu-
ſtand nicht allein ſchon hinreichend, die Nothwendigkeit einer frei von allen
reaktionären Einflüſſen gewählten, im Sinne des Volkes zuſammengeſetzten
Landesvertretung darzuthun? — Nein, dem geſunden Sinn unſerer Mitbürger
muß es längſt klar geworden ſein, daß es von einer Ständeverſammlung, die
nur das gehorſame Echo eines Miniſteriuins Bekk-Mathy iſt, von einer Stän-
deverſammlung, die ſelbſt von der alten Reaktionspaxthei geachtete Rechtsformen
unbedenklich mit Füßen zu treten bereit iſt, ſo daß ſie ſogar nur durch eine
ſchwache Majorität verhindert wurde, Criminalgefetze mit rückwirken-
der Kraft zu detretiren, nimmermehr die gewiſſeuhaͤfte Vertretung ſeiner
Reck Haben auch einzelne, längſt aller Scham entfremdete,
ſattſam gebrandmarkte Apoſtaten noch die Stirne, ihren Sitz gegen den offen
ausgeſprochenen Willen ihrer Wähler zu behaupten, ſo wird doͤch die Kaminer




nicht zu troßen wagen. So beeilt Euch denn, Ihr Männex in allen Wahlbe-
zirken Badens, vas Geeignete ins Werk zu ſetzen, damit beim Zuſammentritt
Eurer Vertreter dieſelben aus allen Diſtrikten gleichzeitig die Stimme des Vol-
feg vernehmen, die ſie abruft und eine neue, ihm und den Anfordexungen Der
Zeit gemaͤße Vertretung verlangt! Und das iſt eine der großen Lehren, die
Euch aus den Ereigniffen des verfloſſenen Halbjahrs entgegentreten: Was das
Volt einmal ernſtlich will, das wird ihm gewiß — es muß nur ſeinen Willen
auf die rechte Weife, e& muß ihn recht deutlich gusſprechen!

Mannheim!, 4, Oktöb. Die Oberpoftamtszeitung veröffentlicht einen
angeblich in Struvels Kanzlei vorgefundenen Brief den der von der erſten
Schilderhebung her bekannte republikaniſche Anführer Siegel an Struve geſchrie-
ben haben ſoll, und der jedenfalls intereſſant genug erfunden iſt, um ihn unſern
Leſern wörtlich hier mitzutheilen:

Brief Siegel's an Strupe.

Emmishofen in der Schweiz, 16. September 1848. Lieher Freund! Un-
ſere Angelegenheit nimmt einen guten Fortgang. Schon hat ſich von Konſtanz
und einigen umliegenden Gemeinden ein Unterſtützungsausſchuß gebildet, der
aber außerdem noch politiſche Zwecke verfolgt. In Konſtanz zählt Derfelbe et-
wa 100 Mitglieder, die abwechſelnd in der Stadt und auf unſerm Gebiet Siz-


2 — 2—










zung halten, und woran wir Theil nehmen werden. Es iſt ung auf dieſe Weiſe
feichter, die vorgelegten Fragen zu beantworten, Ddenn bisher fehlte uns die ſo
nothwendige Verbindung. — Wir haben bis jetzt ſo wenig, Unterſtützungoge
erhaͤlten, daß wir Dir in die Centralcaſſe noch nichts ſchicken Fönnen, Der letzte
Auͤfruf wird uns vielleicht mehr Geld verſchaffen und uns möglich machen ci-
nen Theil derſelben Dir zur Berfügung zu ſtellen Was die politiſche Frage
jenſeits des Rheins betxifft, ſo wäre vor Allem nothwendig, * bei eintreten-
dem außerordentlichen Fall die entſchiedenſten Männer Der Linken von Frank-
furt fich mit Dir verbinden, ſei es auf deutſchem, franzöſiſchem oder Schweiʒer-
Boden! Dieſe Männer wären etwa Itzſtein, Brentano, Trützſchler-
Simon, Fröbel :c. Dieſe würden eine proviſoxiſche Regierung bilden für
ſämmtliche Republikaner dieſſeits und jenfeits des Nheins. In Linem ſolchen
beim Antritt, Eurer Regierung erlaſſenen Manifeſte würdet Ihr in kurzen Zügen
Eure Forderungen und Zwecke auseinanderſetzen, hauptſächlich, weil das Geſpenſt
ves Communismus noch Viele beängſtigt und ſchwankend machen würde Ein
ſolches Manifeſt, von Männern ausgegangen, die Vertrauen und einen Namen
haben, würde unſerer Sache eine ſchnelle und entſchiedene Wendung geben und
ganz Deutſchland in Aufruhr Vverſetzen. Die MRatificirung des däniſchen
Waffenſtillſtandes gäbe zu eipem Austritt der entſchiedenen Linken Gelegenheit-
wo nicht, ſo wird ſich baͤld eine andere finden. Dann muß aber die Vorherei-
tung des Ganzen ſchoͤn getroffen ſein. Z3u, dieſem Zwecke wirſt Du gewiß ſchon
it Joͤſtein oder Fröbel — auf welchen ich am meiſten Vertrauen habe — q
Berbindung getreten ſein; denn eine Anzahl von Männern , die ſich zu einer
großen Sache vereinigt haben, hat im Polke mehr Halt und Geltung alg die
Unternehmungen Einzelner, die, ſo gut ſie auch gemeint ſind, ſtets den Vorwurf
der Urfupation tragen müſſen. Schillex ſagt bier ganz richtig: Große für ſich
allein Fanıt wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehr-
furcht und Unterwerfung erzwingen.“ Wenn Ihr auch nicht auf geſetzlichem, ſondern
auf revolutionärem Wege erſtanoͤen wäret, ſo wäre Eure Vereinigung doch geeignet,
Euch'den Schein der geſetzgebenden Kraft, das Recht des Befehls zu gehen. Euren
auf dieſe Weiſe gegebenen Decreten würde ſich wenigſtens ganz Süd⸗Deutſchland
fügen. In den Staͤdten von Nord⸗ und Süddeutſchland, ſowie in Wien, womit man
ebenfallg übereinſtimmen müßte, würden gewiß bedeutende Unruhen entſtehen. Die
Bundestruppen könnten ſich nicht concentriren und ihre Bereinigung könnte leicht
durch Angriffe auf die vereinzelten Corps vereitelt werden. Waͤhrend deſſen wäre
unſeke Aufgabe, den Schwarzwald, Odenwald, Rheinebene in Allaxm zu ſetzen.
Die Hauptpunfte, die wir beſetzen müſſen, wären im Odenwald Eberbach und
Mudaͤu. Hier müßte ſich die aufrüheriſche Bevölkerung fammeln, bei Eberbach
den Neckar uberſchreiten, ſich in das Elſenzihal werfen und über Sinsheim, Eppin-
gen und Bretten gegen Pforzbeim vorbdringen. Um dieſe Bewegung, zu begün-
ſtigen, müſſen: 1) die beiden Eiſenbahnlinien zwiſchen Darmſtadt und Wein-
heim und Mannheim und Heidelberg zerſtört werden, um die Beſatzungen von
(Von Würzburg, Aſchaffenburg und
Mainz hätten wir bei fneller Bewegung nichts zu befürchten) 2) Pforzheim ſelbſt
müßte burch die dortigen Arbeiter die Straße von Ludwigsburg her vertheidigen-
ebeu ſo Kalw die Straße von Stuttgart. Dies wäre jedoch nicht nothwendig,⸗
wenn in Würtemberg ſelbſt ein Aufſtaͤnd vorbereitet wäre. Stuttgart und kude
wigsburg könnten fich dann nicht von ihren Beſatzungen entblößen, 3) Die
Eiſenbahn zwiſchen Heidelberg und Kaxlsruhe muß augenblicklich unfaͤhrbar ge-
maͤcht werden! Dies kann von Mannheim und Karlsrühe aus geſchehen Da-
durch iſt auch die Beſatzung von Braͤchfal (t. Regiment Oragoner) unſchädlich,
und die Verbinvung der Landestruppen zwiſchen Mannheim und Karlsruhe, und
durch die Beſetzung von Pforzheim auch mit Stuttgart geftört, ja unmöglich.
Die repuͤblikaniſche Bevölkerung von Maͤnnheim muß ſich zum Herrn der Stadt
machen, dies kann durch Verhaftung der Hauptofftziexe in einer Nacht geſchehen-
während welcher man die Kaͤnonen der Stadt wegnimmt und,fie gegen die Ca-
ſerne fuͤhrt, und ſogleich gegen das Gebäude das Feuer richtet; die Truppen,
durch plötzlichen Allarm erſchreckt, durch Verhaftung ihrer Offiziere ohne Leitung
und Befehl, könnten auf dieſe Weiſe leicht zur Capitulirung gezwungen werden.
Man würde ſie ohne Waffen aus der Caſerne gehen laffen, und Durch einen
Theil der Republikaner ſodann bewachen (ſie müßten ſich niederlegen), während
dek andere Theil in die Caferne dringt, und Waffen mit Munition, Kleidung
ze. in Beſttz nimmt, Hat ſich die Beſaͤtzung in das Zeughaus geflüchtet, ſo muß
auf gleiche Weiſe verfahren werden. In der gleichen Zeit werden die Hauptbe-
amten, Bürgerineiſter ꝛe. verhaftet, und iſt man Herr der Stadt, ſämmtliche
Thore beſetzt! Jedermann einz, Niemand hinausgelaſſen. Ein Manifeſt ergeht
dann an die Bevölkerung von Rheinbaiern, worin ſie aufgefordert wird, den
fiegreichen Bewohnern von Mannheim zu Hülfe zu eilen. Deßhalb muß auch
ſoßleich Ludwigshafen beſetzt werdeu, um ihren Uebergang zu ſichern. Landau
kaln wegen Metz, woher c6 bedroht iſt, nicht ſich entblößen. Ein gleiches Ma-
nifeſt ergeht an die Republikaner nach Weinheim, Ladenburg und Heidelberg.
Auͤf ſolche Weife können in Mannheim in 1 bis 2 Tagen 10000 Mann ver-
fammelt werden, während welcher Zeit die Bewegung vom Odenwald her gegen


Auf dieſe Weiſe iſt der Hauptzweck im Unterland erreicht, nämlich die
Herrſchaft über die Hauptſtadt des Unterlandes, die Republikaniſirung des Oden-
waldes und die Bekeitſchaft einer ziemlich großen Kriegskraft. Die Bevoͤlke-
rung der Jart (Jaxthaufen 26.) geht im Jarkthale abwärts , bei Jartfeld über
Gundelsheim nach Neckarelz, Mooͤbach, wohin auch die Bevölkerung von Adels-
heim ſich wenden muß. So haben wir alſo Mannheim mit Mosbach als Haupt-
punkté und Sammelptätze, und eine Bewegung gegen Karlsruhe (MPforzheim),
um die dortige Beſatzung im Zaum zu halten.! Mannheim wird nun zum Siß
der Regiexung erklärk, und daͤs Heer, welches ſich gegen Bretten und Pforz
heim in Bewegung geſetzt hat, wird, je nachdem entweder Karlsruhe und
Pforzheim ſchon in Feindeshänden ſind, oder nicht, entweder den Rückmarſch
nach! Mosbach oder Mannheim antreten oder Karlsruhe beſetzen, dber


 
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