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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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48 halbfährlich 5 fl. im Ausland erhöht fich das Abonnement um den Poſtaufſchlag. X 0. 175.
18 + Inſerate die gefpaltene Zeile in Petitfehrift oder deren Raum vier Kreuzer. — Briefe und Gelder: frei einzuſenden. -








in wi eſchickte Generä ben
ogen ſein wird. Der Feldzugsplan, welchen geſchickte Generäle entworfen haben,
4 von den blinden Truppen des Centralmichels (ieſer — — Aus-
druͤck für die Centren iſt zu vortrefflich, um ihn nicht in die Schriftſprache ein-


Die Partei der alten Diplomatie und der alten Willkürherrſchaft hat ein
Bündniß, ein ſchmähliches Bündniß geſchloſſen mit, den Liberalen, der alten
Schule, welche das enge Maß conſtitutioneller Freiheit, das ihr beſchränkter
Kopf zu faſſen vexmochie, für den letzten Freudenbecher halten, den man dem
nad) Freihelt dürſtenden Volke darbielen könne. Derfelbe Mann, den die Re-
voluͤtionen raſtlos durch Europa trieben, deſſen dixlomatiſche Intriguen in der
Schweiz durch den Sonderbundskrieg, in Varis, Wien und Berlin durch die
Straßenkämpfe vernichtet wurden, der das Buͤndniß zwiſchen Guizot und Met-
ternich zur Unterdrückung der Eidgenoſſenſchaft, dasjenige zwiſchen Rußland, Preuſ-
ſen und Oeſterreich zum Widerſtande gegen die franzöſiſche Republit einzufädeln
ſuchte, der noch zuletzt Fürſten- und Miniſtexcongreſſe gegen das Revolutions-
ſteber alg Mittel aufſtellen wollte, derſelbe Mann, Radowitz leitet jetzt, in
der Paulskirche die Partei der Rechten und ſucht durch ſeine Anhänger dieſelben


ben mußte.
gen, Stenzel und wie alle die Stockpreußen heißen mögen, folgen unbedingt
der Richtfahne, die von Radowitz aufgeſteckt wird, und die Gefühle ſogenann-


Die zweite Hälfte der Reaktionspartei beſteht aus den Liberglen der alten
Es mag eine herbe Enttäuſchung ſein für das deutſche Volk, an die
es in ſeinem naiven Glauben noch immer nicht ſich gewöhnen mag, daß Männer


Welcker die Bahn des Fortſchrittes verlaſſen und den Rückweg betreten haben.
Allein je weiter die Berathungen vorrücken, deſto greller tritt dieſe Wahrbeit
hervor, deſto deutlicher ſprechen die Abſtimmungen, deſto lauter ruft die öffent-
lihe Stimme ein Wort, das ſie bisher nur lisppelte. Es muß weit kommen,


in politiſchen Dingen muß man getilgt haben, bis man zu einer ſolchen Ueber-
zeugung ſich entſchließen kann — unſer Volk hat ſo lange vertraut, daß ihm
die Gewohnheit zur andern Natur geworden. Eine Partei, die ihre Vergan-
genheit verläugnen muß, kann auch nur wünſchen, über ihre Steilung in der
Gegenwart den Schleier der Vergeſſenheit gezogen zu ſehen; — es war Hr.
Baſfſermann, der mit 60 Genoͤſfen den Antrag zur Aufhebung der nament-
lichen Abſtimmung ſtellte. Hr. Baſſermann und Genoſſen wollten nicht mehr
mit ihren Namen einſtehen für das, was ſie durch ihre Abſtimmung kund ga-
ben, ſie wollten der Minorität die letzte Waffe, welche ſie beſitzt, indem ſie mit
ihren Namen ihre unterliegende gute Sache zu decken ſucht, entwinden, um in
ſpätern Zeiten vielleicht ſich mit fremden Federn ſchmücken zu können. Das
Schamgefühl der Unverdorbenheit hat dieſen Plan vereitelt — ſein Urheber ver-
ließ die Sitzung und wagte nicht, ſeinen Antrog zu vertheidigen. Die Liſten
der namentlichen Abſtimmungen freilich richten dieſe Partei; ſie zeigen ſich über-
all Hand in Hand mit der offen ausgeſprochenen Reaftion; hei welcher Frage
es auch ſei, ſtets wird man die Genannten in traulichem Vereine zuſammen
ſtehen ſehen. * *

Wenn die Radowitz'ſche Partei an das Preußenthum, die Franzoſenfreſ-


Fähnlein in der Wühlerei von unten, in den Heckeriaden, in den Lügen und
Verdächtigungen der deutſchen Zeitung die Gründe ſeines Handelns, die Be-
weiſe ſeiner Schlüſſe. Die franzöſiſche Republik iſt ihnen das blutige Haupt


der Hyaͤnenſchrei dex Anarchie und des Communismus, Sie möchten Franklins
Auoͤſpruch: „der Weg der Freiheit geht durch Blut“ ausſtreichen können und
vergeffen, daß auch diesmal auf ihrem Wege durch Paris, Mailand, Wien
und Berlin die Freiheit überall nur blutige Fußſtapfen hinterlaſſen hat. Sie
haben ihren Kopf in den Schooß der Reaktion verborgen, um dieſe Blutſpuren
nicht ſehen zu müſſen, die ewig zu ibrem Gewiſſen ſprechen würden, wie die drei
Blutflecken in dem Tuche der Königstochter. —

Die Liberalen des weißen Saales mit ihren duftenden Redeblumen: Bek-
kerath, Meviſſen, Saucken, Schwerin, die öſterreichiſchen Alt-Liberalen, deren
hoͤchſter Triumph der Sturz Metternichs war, Mbring, Adrian 20., die Pro-
feſſoren und Hofräthe, die Stockbaiern mit ihrem Wittelsbachiſchen Bewußtſein


Aber wo geht der Weg binaus?
* Zu dem Kriege mit Frankreih! ;

So wie für den Fortſchritt der Dinge in Deutſchland das glücklichſte Er-
eigniß ein Krieg mit Nußland ſein müßte, ſo iſt für die Reaktion ein Rettungs-
anfer, der ſeine Wirkung nicht verfehlen könnte, der Krieg mit Frankreich, mit


weiche unſern jetzigen Zuſtand herbeiführten. Zu einem folchen Kriege bereitet
man ſich vor, man zerrt ihn gleichſam mit den Haaren herbei, um, wenn er
entzündet iſt, die Hülfe des Vetters im Norden und mit ihr die alten Zuſtände
herbeizuführen. — ; ;

Man verfolge genau die Verhandlungen in der Paulskirche über dieſen




vortreten gegen jede Annäherung an Frankreich, und man wird den geſchmiede-
ten Plan herausfühlen müffen. Die Anträge auf ein Bündniß mit Franfkreich
auf Anerkennung der franzöſiſchen Repuplik ſchlummern lange unbeachtet, bis
endlich eine Interpellgtion Bogts den intexnationalen Ausſchuß zur Berichter-
ſtattung auffoxdert. Der Bericht wird erſtattet — er kann nur günſtig aus-
fallen, denn die Republik hat mehr gehalten, als man ihr zumurhen konnte.
Bis dahin war alles ſtill geweſen auf der rechten Seite, die hämiſchen Bemer-
kungen Baſſermanns über die unglücklichen Arbeiter von Paris, über die mißs
lungenen Exrperimente der Socialiſten waren in ihre Nichligkeit aufgelöſt wors
den. Aberx nun arbeitet der Ausſchuß für Wehrhaftigkeit, nun brin t man je-
nen Bericht, der ſo ungeheuerliche Beſchlüſſe zur Folge hatte/ nun Ddrängt und
treibt man auf die Erledigung dieſer Sache. Womit aber begründet man das
gehaxniſchte Aufſpringen einer Nation in Waffen? Mit dem Mißtrauen gegen
die franzöſiſche Republik, mit den Exoberungsgelüſten, welche ſie im Herzen trage
mit dem Verlangen nach dem linken Rheinufer/ das jedem Franzoſen angeboren fei!

Aber was Radowitz ſagte, waren wenigſtens Unwahrheiten, wenn nicht
mebr. Freilich benutzten faſt alle Parteien unter Louis Philipps Regierung die


der mit Radowitz in ſo guten Verhältniſſen ſtaͤnd, zu bekämpfen, aber gerade
diejenige Partei, welche im Februar die Republik erſiehen machte, die hat felbft
unter Louis Philipp die Idee der Rheingrenze bekämpft. Die Reforme und
die Demoeratie pacifique waren ihre Organe; — alle Radowitze der Welt
werden in den Spalten dieſer Zeitungen auch nicht ein Wort finden können
von den Erobexungsgelüſten, die der Herzog von Orleans theilte. Und jetzt?
Seit der Revolution? Die franzöſiſchen Zeitungen ſind Parteiblätter, ſic ha-
ben nicht die Kamäleonshaut unferex Journale, die für Alles ein Winkelchen
haben, ſie ſind der Ausdruck der Meinungen derjenigen Partei, welche das
Journal ſtützt. —

Seit der Revolution haben nur zwei Blätter von der Eroberung der Rhein-
gränze geſprochen, die Gazette de France und die Presse. Alle aͤnderen Blät-
ter — möge Hr. v. Radowitz uns der Unwahrheit zeihen, wenn er kann —
alle anderen Blätter haben nicht nur geſchwiegen, ſie haben verſichert, daß fie
mit dem freien Deutſchland nur Freundſchafi, nicht Feindſchaft haͤben koͤnuͤten.
Aber die Gazette de Eranee, das Blatt der alten Legitimiſten, die ihren alten
Heinrich V, als abſoluten König Franfreihs ſehen möchten, das Blatt
der ultramontanen Pfaffenpaxtei, der Jeſuiten, das Blatt der Royaliſten
und der ſtarren Reaktionäre, das nichts gelernt und nichts vergeſſen
hat, ja freilich, die Gazette de Franee, die hat von der Eroberung der Rhein-
gränze, von der Nothwendigkeit eines Krieges gegen Deutſchland gefprochen.


ſiſchem Golde bezahlt iſt, aus der Fedex eines Niederträchtigen, den jeder
chrliche Mann nur verachten muß, die Presse, ja wohl, die hat auch von der
Erobexung der Rheingränze geſprochen. Ruſſiſche Agenten und reacttonäre Le-
gitimiſten, verkaufte Verräther und jeſuitiſche Pfaffen, — das ſind die fauberen
Hülfsvölfer des Hrn. von Radowitz in Frankreih ; — ſie wüuͤſchen Krieg mit
Deutſchland, um dann, wenn die thatkräftige Bevölkerung an den Gränzen
ſchlägt, im Innern ihre Karten miſchen zu fönnen. .
Aber Radowitz behauptet doch, Lamartine ſelbſt habe die Verträge von
1815 für ungültig erklärt und Anſprüche vorbehaͤlten! Er hat durchblicken
laſſen, er werde vielleicht nicht nur in Saͤvoyen, ſondern auch an der Gränze
Compenſation ſuchen. Freilich hat Lamartinẽ die Verträge von 1815 für un-
gültig erklärt, — aber wer hat dieſe Verträge gebrochen? Waren es nicht


Verträge, die man jetzt herporſuchen will, ſind ſie nicht von demſelben Abſolu-
1SmMus, von derſelben Diplomatie durchlöchert woͤrden, welche ſie fchloß? ı La-
martine hat indeſſen die Verträge zwar für ungültig erflärt, ausdrücklich
aber hinzugeſetzt, Frankreich erkenne den faktiſchen Läuderbeſtand voͤllkominen au.
Von dieſer ängſtlichen Anerkennung des thatſächlichen Länderbeltandes, von
dieſer aufrichtigen Geſinnung gegen ihre Nachbarn hat die Republik während
ihres furzen Beftandes pollgültige Beweiſe abgelegt. Die Hand aufs Hers!


Baden faſt ohne Schwertſtreich zu gewinnen? Konnte ſie nicht in Italien den
Augenblick benutzen? Belgien, krotz ſeiner gerühmten Konſtitution, ſich aneig-
nen? Die Republik zog das Schwert nicht, aber wahrlich nicht aus dem
wahrhaft lächerlichen Gruͤnde, weil die proviſoriſche Regierung nicht eine legale
war, ſondern weil ſie nicht wollte. O über dieſen Begriff voͤn Legalität! m*
Namen der polniſchen Sympathien ward der Saal der franzöſiſchen National-
verſammlung geſtürmt — die Republik unterſtützte den Aufſtand. Die Löſung
der ſocialen Frage, ſagt Radowitz, liegt in einem Kriege — die Repuͤblik hat
die SOlacht geſchlagen, aber nicht auf den Fluren Deutfchlands, fondern in
den Mauern ihrer Hauptſtadt, und die Leichen, welche der letzte Kampf nieder-
geſtreckt hat, ſind die Pfänder der Friedensgefinnung unſexer weſtlichen Nachbarn!
Aber kebren wir zurück zur Paulsfirche. Das Mißtrauensvotum gegen
jene große Nation, welche uns ſchon einmal die Freiheit brachte, iſt ertheilt —
man eilt jetzt, die proviſoriſche Eriegserklärung abzugeben. Dies il die Ent-
ſcheidung der Poſener Frage Frankreich hat durch feinen Gefandten in Berlin
erklären laſſen, es betrachte die preußiſche Demarkationslinie als cine neue Thei-
lung Polens und als Kriegsfrage; Lichnowsky drängte heute ſchon darauf, daß
der Ausſchußbericht auf die Tagesordnung geſetzt werde, damit man ohne Zweiz
fel ihn annehme und ſo der Wunſch der Rechten zur Wirklichkeit werde. Man


der Republik in Fraͤnkreich, auf Abſendung eines Geſandten nach Paris wird
man zurückſtelle, wie man heute gethan und das Reichsminiſterium wird haͤn—
deln, wie der Bundestag, der regenerirte, geſtorbene und in ſeinem Schmerling

neu auferſtandene Bundestag yandelte wird in Nichtsthun verharren
und ſich die Hände reiben, wenn die Pläne von Radowitz und Baffermann in
Erfüllung gegangen ſein werden. ' * *

&

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