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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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— —
















durch die Poſt bezogen in gauz Saden















— —

Deutſchland.

Mannheim, 10. Nov. Es iſt unmöglich, daß wirflidhe Freiheit
* 4* beſtehe, * lange die Staatggewalt felbft noch das Bolf in verſchie-
dene Theile theilt und dieſen einzelnen Theilten ſelbſt beſondere 4 zuweiſt.
Zwar behauptet die Centralgewalt, bebaupten die einzelnen Megierungen, dem
Grundſatze unſerer Revolution, Gleichyeit, der Bürger im Saaate, Recpnung
tragen zu wollen, allein die täglichen Erfahrungen zeigen uns, wenig exnſt-
lich' diefe Verſicherungen gemeint ſind. Wir heben aus den vielfachen veiſpie-
len, die uns zu Gebote ſtänden, nur das Mißverhältniß hervor, das fortwäh-
** zwiſchen Bürger und Militär erbalten und wo möglich noch gepflegt wird.
Der Soldat, der nur zum Schutze des Volles Waffen Lägt, wird förmlich zum
Diener der Gewalt gemacht; die Ungelegenheiten des Bürgers werden von de-
nen des Soldaten geſchiedenz der Bürger wie der Soldar iſt dadurch gleich-
mäßig beeinträchtigt.

Der Bürger iſt um den Schutz, den er von dem Soldaten zu verlangen
hat, betrogen und der Soldat iſt um den Vortheil ſeiner bürgerlichen Stellung
gebracht. Es muß daher ſowohl dem Bürger wie dem Solvdaten angelegen
ſein, auf Einigung und Verſchmelzung der beiderſeitigen Intereſſen hinzuwirken,


Verhältniſſen eine Belehrung eintreten zu laſſen, iſt nothwendig.

Der Soldat iſt Glied des Volkes und muß mit dem Voͤlke — Die
Freiheiten und Rechte, zu deren Unterdrückung er als Solbat behülflich iſt, ge-
hen ihm als Bürger verloren. Ueberall in allen Theilen des VBaterlanvdes reicht
der Bürger dem Soldaten die Hand und fordert ihn auf zum Einverſtändniß
in der einen großen gemeinſchaftlichen Sache der Freiheit. Und der Soldat
ſollte die dargebotene Bruderhand des Bürgers von ſich ſtoßen, und nur Sol-
dat, nicht Bürger ſein wollen? Wir haben den Aufruf der Berliner Demo-
kraten an die Soldaten ihre Brüder vor einiger Zeit mitgetheilt; wir geben
aus einem gleichen Aufruf der Bürger Wien's folgende Stellen: _

Mit dem Volke ſolltet Ihr Soldaten, unfere Brüder, Euch vereini-
gen. Wir wollen nur die Freihtit, wir wollen ſie für Alle! — Iſt es denn
vöthig, daß Ihr ſo lange dient? Es iſt genug ein, zwei, höchſtens drei
Jahre Soldat zu ſein um den Dienſt kennen zu lernen, ausgenommen im Krieg,
rieg ſollte nur mit auswärtigen Feinden ſtattftnden, denn einheimiſche Strei-
tigkeiten und Erforderniſſe werden am Landtage durch Stimmenmehrheit entſchie-
den). Wozu ſollt Ihr ſo lange dienen, wenn einem das Soldatenleben nicht
gefällt, ſagt es ſelbſt? Warum ſollt Ihr Euexe ſchönſte Lebenszeit, von Gurer
Heimath entfernt, in der Zwangejacke verbleiben? Wir wollen ternerz _ dan
kein Soldat, die ja unſere Brüder ſind, Stockſtreiche bekomme, denn dies
ſchändet den Soldaten.*“) Endlich wollen wir, daß auch Ihr Soldaten, die
Ihr gleichfalls Brüder feid, Euch Euere Offiziere aus Eueren Reihen felbſt wählt,
denn es iſt hillig und gerecht, daß ſich der Menſch den ſelbſt wählt, welchem er
gehorchen ſoll, um ſo mehr, da jeder Intriguant, wenn er nur Fürſt, Graf,
oder Baron heißt, ſein Söhnchen, ſeinen Neffen, ſeinen Enkel von etwa 16 Jahren
zum Offizier empfiehlt, während etı verdienter Unterofftzier oder Wachtmeiſter
20 Jahre lang dient und nicht befördert wird. Warum folltet Ihr auch Euere
Uuteroffiziere Euch nicht ſelbſt wählen? Seid Ihr denn nicht Männer? —
Iſt denn Euer Stand kein Ehrenſtand, daß man Euch wie Knechte betrachtet


zierens, das müſſen die Dinge fein, welche Euch den Weg zur Beförderung
hahnen, aber nicht Titel auf dem Papiere, oder Gnade und Protection, wie es
bioher war. Es müſſen Schulen für Soldatenkinder eingerichtet werden; es
müſſen Invalidenhäuſer für alle ausgedienten und verwundeten Soldaten erbaut
werden, weil das Land diejenigen, die ſich dafür opferten, belohnen muß.
Wir wollen auch, daß die übergroßen Gehalte der höheren Offizieren ver-
ringert und Euch, den gemeinen Soͤldaͤten, Unteroffizieren und Suͤbalternof-
fizieren der Gehalt erhöht werde, denn Gerechtigkeit thut vor Allen Noth. Ihr
ſchitzt das Vaterland mit Euerer Bruſt gegen den Feind, Ihr vertheidigt es;
wofür wollen jene Alles und Ihr ſo wenig haben? Ihr wollt auch ehrbar
und bequemer leben und nach zurückgelegten laͤngen Jahren Eueres anſtrengen-
den Dienſtes, keine, Bettler werden, wie das bis jetzt allzu oft geſchah. Ihr
ſeid ſo gut Bürger wie wir, daruͤm wollen wir, daß Ihr mit uns gleiche
Rechte und Freißeit genießet. Daß Ihr in Friedenszeiten nicht nach Kriegsrecht,
ſondern wie wir gerichtet werdet.

einmal für uns, wie für Euch, die Ihr unſere Brüder und






Luthenlaufen, kein Schlagen mehr ſein,
Alles wollen wir für Euch auf dem Reichstage in der Deputirten-Kaminer thun,
Und wir ſchwören Euch, liebe Brüder, nicht eher zu ruhen, als bis wir das
Alles erreicht haben. —
So wollen wir Euch
obgleich Euch die hinterliſtige Politik bis jetzt zu blinden Werkzeugen eines bar-





feid Bürger, dient der heiligen Sache der bürgerlichen Freiheit.
liebe Brſider und. Mitbürger! vergeßt den Haß, mit dem Euch gegen uns dieje-
uigen erfüllen, die entweder betrogen, oder Feinde der Freiheit, mithin des
Namens /Menſch“ unwürdig ſind. Denn welcher Menſch weiß heute im auf-
geklärten neunzehnten Jahrhundert noch nicht, daß es beſfer iſt mit dem Volke,
alg gegen das Volk zu ſein? — Wer weiß es nicht, daß es beſſer ſei in dem
Frieden zu leben, den, Gott geboten, als Krich zu führen und ſeinen Nächſten
3u morden wofür? weil er frei ſein, weil er Menfch und nicht niedriges

*



*

*} Die Stockprügel ſind guch dem bad. Militär noch in friſchem Andenken; ſie ſind noch
vor wenigen Jahren in Anwendung geweſen.










Thier ſein will? Wer weiß heute nicht, daß, Gott geſagt hat: „Liebe deinen
Nächſten — liebe deinen Druder! und wir, die wir Bruͤder ſind, wollten ung
morden? — Soldaten, liebe Brüder, wir ſind es ja, die Euch nähren und
erhalten! Sobald wir wollen, werdet ihr Hunger ſterben, und Ihr wolltet
gegen uns kämpfen? — Der Kreuzer den Ihr empfangt, jede Eurer Münzen
iſt ja unfer Schweiß, kommt von den Abgaben, die wir zu Euckct Erhaltung
zahlen! — ur gegen den auswärtigen Feind ſoll der Solvat ziehen; — aber
wir ſind nicht Euere Feinde, wir wollen nur Euex und unſer Wohl, denn wir
und Ibr bilden Ein Volk, und dies Volf ſoll frei fein.

Wenn Ihr einſt aus dem Kriege in Euere Heimath kommt, und verwuͤn—
ber und ſchwach, oder als Krüppel — wer wirbd Euch da die Hand reichen?
Wer anders als wir das Voll? Wenn man Eure Gebeine begraben wird,
wer wird es thun? Wer anders als wir das Volk? O liebe Bruͤder, Sol-
daten! hört auf uns, und nicht auf die, welche Euch als Werkzeuge mißbrau-
gen Hlaubt ung, ſo wahr Gott, wir find Euere aufrichtige Brüder, Ver-
trauf uns und liebt uns als Brüder, wie wir Euch Heben, denn das iſt Got-
tes Gebot; wer uns aber trennt umd ſpricht: Morde deinen Bruder! der iſt
des Lebens nicht werth, der iſt in Ewigkeir Drrflucht, der iſt kein Menſch, nich
unſer Bruder, ſondern ein Brudermörder, ein Kain! —

Wien den 12. SIr S48 '

Weinheim, im November. Die Geſchichte unſerer Eiſenbahndemoli-
rung iſt von ſo merkwürdigen Umſtänden begleitet, daß es wohl an ſeinem
Platze iſt, darüber noch manches öffentliche Wort zu reden. Die ganze Bür-
gerſchaft, das ſchnell gezählte Häuflein der „Gutgeſinnten, natürlich nicht mit-
in der gan-
zen Sache beobachtet hat. Das Amt hat ſeine Schuldigkeit nicht gethan und
dafür haben die Bürger zu büßen. Es unterliegt gar Feinem Zweifel, daß das
ganze Errigniß mit all feinen Folgen bei pflichlmäßiger Thätigkeit der Be-
hörden hätte verhütet werden können, denn e& hatten“ſich nicht bloß den gan-
zen Tag hindurch in der Stadt Gerüchte über ein derartiges Vorhaben verbrei-
tet, londern dasſelbe war auch dem Amte gar kein Geheimniß mehr. Wollte
die Behörde den an ſie gelangten Anzeigen Glauben fchenken, oder nicht, ſo
war ſie doch jedenfalls gewarnt und dakum verpflichtet, die nöthigen Vorkehrun-


zu verhindern. Der Herr Amtmann Herterich kannte die Stimmung der Bürger.
Wenn er ſich nach ſeinen eigenen Aeußerungen auf dieſelben nicht verlaffen
zu können glaubte, ſo war es ſeine Pflicht alg Beamter für Requiſition ander-
weitiger Sicherheitsmittel Sorge zu tragen. Der Herr Amtmann aber that
nichts, gar nichts; er ſuchte höchſtens den Schein zuͤ wahren, bewaffnete das
Safino Daß aber das bewaffnete Caln mener vie Rraft, noch den Mutb,
noch vielleicht auch nur oͤte ernne Abjicht haben konnte, bie Siyendahn- zu be-
ſchützen, das war dem Herrn Amtmann im voraus gewiß ſchon klat; darüber
wird er nicht ſtreiten wollen. Die wirkſame Thätigkeit dieſer bewaffneten Maͤcht
hat ſich auch in der That glänzend bewieſen. Denn der Herr Amtmann ſaß
mit ſeinen kriegeriſchen Helden ruhig und gemüthlich im Kaſino beifammen und
wartete, bis draußen die Eiſenbahn zerſtört war. Die Bravour iſt denn, wie's
gewöhnlich geht, hintennach gekommen. Nun aber begann die beiſpiellofe Hetz
jagd der gerichtlichen Uuterſuchung. Verleumdungen, Hausunterſuchungen Arretj-
rungen, Transporte in die hieſigen und guswärtigen Gefängniſſe, waren die
täglichen Scenen, von denen wir heimgeſucht wurden; das Klaͤggeſchrei und
Weinen der Frauen und Kinder um ihre fortgeſchleppten Angehörigen klaͤng er-
bärmlich dazwiſchen. Und zu all dem Jammer kommt noch das menſchenfreund-
liche Benehmen des Herrn Amtmann's, welcher um jeden Preis eine ayſehnliche
Zahl Mitſchuldige herausbringen möchte, mit allerlei un erfuͤchungsrichterlichen
Quälereien die Verhafteten zu beläſtigen ſucht und durch ſtinen unbegrenzten
Dienſteifer den Unglücklichen eine möglichſt lange Dauer ihrer Kerkerleiden in Aus-
ſicht ſtellt. Aber warum ſind wir Weinheimer auch Republiſaner? Man muß
den Republikanern tüchtig zu Leibe rücken; die Republikanct müſſen gezüchtigt
und durch Kriegszuſtand, Vermögensconfiscationen, Gefängnißſtrafe und Nach-
eindrücke“ zu einer guten landesväterlichen Geſinnung zurückzeführt werden. So
denkt der Herr Miniſter Bekk in Karlsruhe und ſo denkt ihm nach der Herr
Amtmann Herterich in Weinheim.
— Karlsruhe, 8. Nov. In der heutigen Siguag der 2, Kammer
wurde unter andern eine Petition von Karlsruher Bürtern um Auflöſung
der Kammer und Einberufung einer conſtit uirenden Verſammluns durch
den Abg. Brentano vorgelegt., Hierauf begannen die Verhandlungen über It
ers Commiſſionsberſcht, die ſehx zahlreichen Petitionen um Wecrung der
Politiſch-Verfolgten betreffend. Der Commiſſions-Intras geht dahin: ;
/ Es wolle die Kammer die vorgelegten Petitionen „um Anrhinnh
ſämmtlicher, politiſcher Verbrechen angeſchuldiſten Leene in 2
in Beziehung auf die Theilnehmer an dem Hecfer[hen Aufſtande, 7
Ausnahme der vorzüglichſten Auſtifter und Leiter deſſelben, ſo **
Derer, die ſich zum zweiten Maie an einem aufrührifchen 44
betheiligt haben, nachdem ſie zuvor im Laufe dieſes 5* **
worden ſind, dem großh. Staatsminiſterim empfehlend M 5* Haht
Der Berichterſtatter legte noch zwei Petitionen aus 4 —
burg vor, welche auch — 4* bei * * ſchen
ligten und namentlich der Frau %. Struve verlangen.
; Dem Commiffions-Antrage gegenüber ſiellt der Abg Kuenzer folgenden
Antrag: —
ie Kammer, indem ſie die Petitionen dem großh.
überweist, erſucht bie Regierung:
1) alle l'läterfud)un%en wegen der bis 21. September — —
des Struve'ſchen Einfalis) verübten politiſchen Vergeh

en niederzuſchlagen; ⏑
2) * — des letzten Aufſtandes auf die vorzüglichſten

Anſtifter und Leiter deſſelben zu beſchränken.“


 
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