halbjährli
—
Deutſchland. ;
7, Mannbeim, 13. Februar. Wir geben heute die Veröffentlichung
eines ürtheils“ &e8 hieſigen großh. Hofgerichis in Sachen des Grafen Hatz-
feld gegen den vormaligen verantwortlichen Rexakteur der Mannh. Abenvztg.,
Fr. Morizg Hähner, in Folge gerichtlichen Zwange.
Auf die im „Urtheil⸗ ihm zugeſprochene Befugniß, vaſſelbe in der,Mann-
heimer Abendzeitung“ veröffentlihen zu duͤrfen, haue der Ankläger, Gref Hetz-
feld, den Aboͤruck des Urtheilsbriefes von uns verlangt; wir lehnten dieß Be-
zehren ab, und Gleiches glaubten wir thun zu müſſen, als der Hr. Graf ſich
an das großh. Hofgericht gewanbt und dicſes uns aufgefordert hatte, binnen
3 Tagen „bei Strafe“ vas „Urtheil“ zu veröffentlichen.
Dieſer Weigerung fuͤgten wir, als das gr. Hofzericht bei 25. fl. Strafe
wiedecholt den Aboruck forderte, die näher begründete Einſprache dei, daß wir
1 forimell zu folcher Veröffentichung nicht verpflichtet ſeien, da die eiwaige Ver-
bindlichkeit ves früheren Rebakieurs und Verlegers die derwalige unter unſerem
ala en Verloge und unſerer Vtraͤntwortlichkeit erſcheinende Mannh. Aboztg.
nicht üeffen könne, und daß wir 2) es mit unſerem Rechisgefühl und unſeren
Rebakliouspflichten nicht zu vereinen wiſſen, ein „Uetheil“ zu veröffentlichen,
welches unter Connivenz des Angeklagteu mit dem Ankläger und namenttich un-
tersdes Erſteren ſtillſchweigendem Verzicht auf den Gebrauch der ihm zugäng⸗—
lichen thatſächlichen und rechtlichen Mitiel, insbeſondere auch ver Vertheivigung
vor dem gr. Hoftzerichte, zu Stande gekoumen ſei und in ſeinem Beſtande außer
dem Berurtheilten andere Perſonen ohne die Möglichkeit rechllicher Genugthuung
ſchcher verietze. Zum Schiuſſe baten wir, daß das großh. Hofgericht auf unſer
Protokoll hin die Sache dem großh. Oberhofgericht zur Entſcheivung überweifen
wolle, falls es unter Verwerfung unſerer Einſprache bei ſeiner bisherigen An-
ſicht verharre.
Unter Nichibtrückſichligung dieſes eventuellen Recurſes und der unter 2) an-
peführten Gruͤnde verfügie hierauf das gr. Hofgerichi:
„1) In Erwägung, Daß nach 5. 11 des Ehrluträafuugsgeſttzes vom 28.
Dez. 1831 dem Beleidigten, gegen welchen eine Eyrenkraͤnkung in öffemlichen
Blaͤttern verübt wurde, das Recht eingeräumt iſt, ſich eben derſelben Dla ter
zur öfſentlichen Verkünduntz des Urtheiis auf Koſten ves Beleivigers zu dediene.
In Ermäyung, daß das Geſetz nicht unterſcheibet, ob der Beleidiger zugleich
Redakırur vver Ergenibünier Ddes fraglichen Blaues iſt eder nichi, ſondern dab
die Verbindlichkeit auf dem Blatie felbſt ruht, und es nur baͤrauf antommt,
ob es noch daſſelbe iſt, als es zur Zeit der Beleidigung war, indem die Abſicht
des Geſetzes dahin gebt, dem Beleidigten auf deiuſelben Wege, auf welchem er
beleidigt wurde, öffenilich Genugthuung zu verſchaffen.“
' „3u Erwägung, daß dieſe Vorausſetzung bei der noch beſtehenden Mann-
heimer Abendzeuung unzweifelhaft vorhauden iſt.“ *
„Nach Anſicht des Preßgeſetzes 5. 10, 11 was die Strafe der verweigerten
Einrückung betrifft.“
„Aus dieſen Gründen wird die von dem dermaligen Redakteur ver Mann-
heimer Abenbzeitung, J. P. Grohe dahier, gegen die diesſeitige Verfügung vom
7, . M No. 15,737 IL Cr. Sen. eryobene Einſprache als ungegruͤnder ver-
worfen und wird bemigemäß dem Redakteur J. P. Grohe aufgegeden, innerhalb
8 Tagzen, bei Bermeivung einer Geloſtrafe von fänfzig Gulden
das Ddieffeitige Urtheil vom 14. Oktober l. J. ſammt Gründen auf Darlegung
ver Eintuͤckungsgebühr von Stiten des Anklägers (vorbehaltlich ſeines Rück-
griffe gegen den Angeklagten Moriz Hähner) in die Manuheimer Abenbzeitung
aufzuneymen.“
Hiernach iſt uns alle weitere Ausſicht auf Erlangung Deſſen, was uns
als Recht erſcheint, denonimen; die öffentliche Meinung aber mag hiernech
bie Sache beurtheilen. Die Red.
D Berlin, 7. Febr. Wenn Sie demuächſt hören werden, daß Berkin
in Flammen aufgeganhen iſt durch Pech und Schwefel vom Himmel, wie einſt
Sodom und.Gomorrha, wundern Sie ſich nicht! Dn hören Sie: die hieſige
allgemeine Kirchenzeitung hat die traurige Pflicht, zu berichten, daß Sonntag
_ den 9 y. Veonaͤts in der Sophienkirche, deren Parochie 40,000 Scelen zählt.
ſeit Menſchengedenken zum erſtenmal der vormittägige Hauptgottesdienſt in Dder
Safriftei abgehalten wuͤrde, ohne Liturgie, ohne Orgel — weıl nur gegen 20
“— Yn waͤs joll nun erft aus den neuen Kirchen werden, die gegenwärtig im
Bau begriffen ſind, „um eibem lebhaft gefühlten Mangel abzuhelfen /? und
zu deyen einer unfere Stadtverordneten 20,000 Thlr. bewilligt haben? Woher
fommit dieſe erſchreckeud anwachſende Unkirchlichteit? Die Schulen können
nicht ihre Quclle fein, denn hier wird mehr Religionsunterricht ertheilt, als
der ganze „weltliche Unterricht zuſammengenommen. Sie erathen ſchon —
die ſchlechte Preffe! Ja, die iſt der nimmer raſtende Maulwurf, der die
Kirchẽ ſchon unterwühlt hat, und jetzt an die Fundamente des Stagts die
vohrende Kralle ſetzi. Es ift hohe Zeit, daß der Bundestag / Preßfreiheit!
gibt, auf daß jenem verbrecheriſchen Wühlen ein Ziel geſteckt wird. *
Nebrigens iſt es nicht ſachgetreu, wenn ich fage, daß unſre Kirchen im
Bau begriffen ſiud. Sie waren es, Wie die übrigen öffeuͤtlichen Bauten ſind
fie ſtill geftellt worden — wegen des geordneten Zuſtandes unſerer Finanzen
Dem großen evangeliſchen Dom, der in der Nähe des königl. Schloſſes in
die Spree gebaut werden ſoll, und deſſen Fundamente bereits liegen, iſt
noch ein weiteres Mißgeſchick zugeſtoßen. Die Fundamente ſind nämlich n
gegen ihr Bedeyken ausgeſprochen, in Betracht der kolaſſalen Steinmaſſen/
welche jene Fundamente tragen ſollen. Allein der Bau iſt demungeachtet auf
höheten Befehl begonnen worden. Jetzt hat ſich bei der Prüfung der Trage
barkeit der Fundawente ergeben, daß ſie bei Auftragung der erforderlichen
Laſt an einzelnen Stellen um mehrere Zoll geſunken ſind. Wird man hier
den Bau fortſetzen können, oder dem Boden die gelegten Fundamente, die
Hunderttauſende gekoſtet haben, ſo überlaſſen? Dieſe Fundamente hat denn
doch ledenfalls die „ſchlechte“ Preſſe nicht unterwühlt! .
Der König hat auf einen Schloßflügel tinen rieſenhaften Thurm bauen
laſſen, der die ganze Stadt beherrſchi. Sein Bau iſt jetzt der Hauptſache
nach vollendet, und mit einer großen Kuppel überwölbt. Was auf dieſe Kup-
pel geſtellt werden ſoll, darüber ſoll man noch uneinig fein. *
Man ſpricht hier viel von neuen Geſetzen, die uns demnächſt bevorfteben
ſollen, zu denen auch ein Geſetz über die zweijährige Periodizität des Landiags
gehören ſoll. Das Jetztere Gerücht hat in ſofern etwas für ſich, als es mit
der Einſt llung der oͤffentlichen Bauten, beſonders der Oſtbahn auf zwei
Jaͤhre hin, haͤrmonirt. Bis dort hofft oder erwartet man vielleicht gı
zufam enberuͤfenen Ständen die erſehnten Bewilligungen von Anleihen, Ob
mman in zwei Jahren übrigens mehr Ausſicht auͤf ſolche Bewilligungen Da-
ben wird/ alg im verfloſſenen Jahre, iſt eine andere Frage. Wenn vit den
zweifeln wir es ſtark. —4—
Das preußiſche Volk und ſeine Abgeordneten müſſen an dieſer Eutwi 2
lung der Herrſchaft des demokratiſchen Prinzips in unſerem Welttheil theilnch-
men. Und follie dieß auch nur in geringem Maße gejchehen, den Standpunkt
vom Sommer 1847 wird man überſchritien haben. Man wird ſich nicht mit
einem bloßen Periodizitäts-Geſetz begnügen, und darauf hin den Beutel des
Volkes öffnen. —
Der Student Julius v. Trojanowski, der am letzten polniſchen
Aufſtand betheiligt war, iſt im Gefäugniß wahnſinnig geworden. Er wurde
daher in die Chaͤrité gebracht und befand ſich unter den dreien, die im ver-
floſſenen Sommer aus dieſer Anſtalt entwiſchten, ſich aber nach 3 Tagen im
Staatsgefängniß wieder ſtellten. Trojanowski wuͤrde wieder in die Charité
gebracht, und es iſt ihm jetzt am 1. Febr. gelungen, zum zweitenmal zu eni-
fommen. In den Rock ſeines Arztes gehült, hat er die Wache getäufcht. Es
iſt der Polizei bis jetzt nicht gelungen ihn wieder zu fangen. 7*
** Aus Sachſen, 5: Febr. (Schluß.) 4
In ſeiuen Predigten iſt bei aller außeren, lehendigen Beredfamkeit kein
Wort geiſtiger Stärkung oder Erhebung wahrzunehmen, nichts als Olauben
$
olles ficglauben müffen, wie das Glauben fo eigenilich Hauptiade d x
gion ſei und alles Heil nur von ihm komme; wie der nichtewuͤrd
m Dr Gefangenſchaft des Glaubens gehalten werden müſſe
Predigten und Privatlectionen. Er iſt übrigens gufrichtis von dieſer Glau-
bensariſtokratie in der Religion durchdrungen der Glaͤuben ift ihm eine allein-
ſeligmachende Kirche und er läßt es ſich manche Mühe und Sorge koſten, auf
daß nur ſeine Zuhörer vom Werthe des Glaubens ergriffen werden. Er be-
begnügt ſich nicht mit der Kanzel, er ſchreitet auch docirend in die Familien
Unverſtändlichkeiten in ihre Gedanken, die von dem heſtändigen Herumhetzen
im Kreislaufe des Glaubens an ſich ſelbſt definitiv irre werden würden, be-
ſäße nicht Großmann eine Leidenſchaft, welche das pulſirende Leben ſeiner ge-
peinigten Glaubensopfer in regſamem Umſchwunge erhält. Er beſitzt naͤmlich
eine danz ſpezielle Malice gegen alle Unkeuſchheit. Wo er ein Beichtkind fin-
det, das einmal unkeuſch geweſen, ſo übergießt er es mit der Kraft und Uns
ermüdlichkeit ſeiner Beredfamkeit, um es zur Reue und zur Standhaftigkeit
gegen eine neue Verſuchung zu bringen; wenn er ein Beichtkind weiß, von dem
nur zu befürchten, es könnte ſpäter einmal jener Suͤnde verfallen, ſo kann auch
dieſes ihm nicht entgehen. Wo Proſa und Bibeleitate nicht mehr ausreichen,
ba greift er zur Parabel und er beſitzt eine ſolche, die er fleißig anwendet.
Ein junger Burſche und ein Mädchen nämlich, gingen einſt zur Stadt; unter-
men, wendet das Mädchen ſich plötzlich zum jungen Burſchen mit den Worten:
nun jetzt bin ich bereit, deinen Wunſch zu erfüllen! Dieſer aber
yand Volks um uns iſt? Das Mädchen aber ſagte zu ihm: ſiehe: hier ſieht
c8 zwar allerhand Voiks, aber unterwegs häͤtte es Gott geſchen und fuͤrchteſt
Du Dich weniger vor Gott als vor dem Volke? — Beſchämt durch dieſe
treffende Einrede, hat der junge Burſche ſeine Tugend gerettet. — Hat nun
wirtlich jenes Maͤdchen den hier gerühmten Erfolg gehabt, ſo iſt nicht zu be-
haupten, daß Großmann mit ſeiner Rede einen Erfolg bei den fungen Burſchen
und Mädchen ſeiner Gemeinde gehabt. Denn wenn deren — mit
demſelben Gegenſtand beſchäftiget werden, deſto vertrauter werden ſie mit ihm;
wenn die Gedanken in dieſer Richtung in Wachſamkeit geſetzt werden, ſo ſchlaͤft
der Körper deßhalb nicht ein, der Koͤrper fängt an, mit den Gedaulen ſelbſt
mit zu denken. *
So hat der junge Prieſter dasjenige recht ordentlich befoͤrdert, was er
verhindern wollte; diefes ſein Lieblingsthema iſt ſchon zur Abendunterhaltung
der ſcherzenden jungen Burſche geworden und begeht einer auch nur eine Ge-
Herrn Paſtor; ja ſie ſind nun ſchon ſoweit im Nachdenken über jenen Gegen-
ftand geubt worden, daß ſie auch darüber nachdenken, wie denn ihr jugendli-
Paſtor dazu komme, von jener Sache etwas zu wiſſen,
‚und felbft fo viel zu wiſſen. Da jedoch, wo ſolche Erzählungen und Varnun-
gen am erſten anzuͤbrinzen, ſchweigt der Prieſter ſein Slaubens» und Sitte
Berufungen auf Bibel und deren Lehren, nach welchen vor Gott Alle gleich
find, fehen wir Raͤngunterſchiede bis übers Grab fortgefegt. . Selbft vor Oott
Erwartungen er zwar ſehr genügeyd aber doch mitunter zu
deſſen eigener Unbequemlichkeit entſpricht, hatte neulich ein Kind verloren. Er-