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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0145

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C £

























halbjährlich 5 fl., im Ausland erhöht ſich
Inſerate die geſpaltene Zeile in Petitſchrift oder



das Abonnement um den Poſtaufſchlag. 2



*
Deutſchland.

** Karlsruhe, 2. Febr. Die „Deutſche Zeitung« bringt, ohne
Zweifel aus der Feder ihres gewöhnlichen Landtagekorreſpondenten, einen Artis
iel uͤber die Petition der 170 Durlacher, den Brief der 63 Arbeiter und die
darauf erfolgte Eingabe der „Achthundert“ Sie behauptet, Hecker habe in
der Sitzung vom 27. Januar eine Zuſchrift, vangeblich von 63 Arbeitern aus
der Maſchinenfabrik“ als „Beleg“ zu ſeinem Autrag auf Nichtunterſtuͤtzung
der 3 Fabriken verleſen. Dadurch ſei unter den Arbeitern der Maſchinenfabrik
eine, Mißſtimmung entſtanden, ſie hätten „einen Ausſchuß gewählt,“ und ſämint-
liche achthundert Mann“ ſeien in einer Petition bei der Kammer aufgetreten, um
die Namen jener 63 zu erfahren. In der Petition dieſer „Achthundert“ wird
bekanntlich erklärt, ſie könuten es mit ihrem „Ehrgefühl“ nicht vereinbaren,
neben Leuten zu arbeiten, welche gegen ihren Herrn ſprechen, während ſie



in deſſen Dienſten ſtehen und von ihm Brod erhalten. Die, Dıutjhe Ztg.“
bemerki nun: Hecker ſei, wie man vernehine, infofern getäuſcht worden, als
der Brief an ihn nicht von Arbeitern der keßler'ſchen Fabrik, ſondern von ei-
nem Vetein von Handwerksgehilfen ausgehe, an deren Spitze ein junger
Mann ſtehe, der ein mannheſmer Blatt mit Zerrbildern von Landtagsverhand-
lungen bebiene, welche diefes Blatt noch um den Reſt ſeines Rufes drächten
u. I, w.*) Ueber die durlacher Petition iſt geſagt: die durlacher Ardeiter hät-

men der Unterzeichner ausgemittelt wären. Keßler „habe ihnen hiezu 8 Tage
Zeit gegeben“ und ſofort ſeien dieſelben In ihre Vaterſtadt zurückgekehrt, um
fich nach den vermuthlichen Unterzeichnern umzuſehen und ihnen „eine derbe
Lehre über die Beſchaffenheit der Bolfsftimmung‘“ zu geben. Die Durlacher



Hecker, ſagt der Berichterſtatter des ſachkundigen, überzeugungoͤtreuen
Blattes, fei „getäufcht« worden. Fünfte Unwahrheit! Es wurde ihm
niemals mitgetheilt, daß bloß keßlerſche Arbeiter den Brief unterzeichnet haͤt⸗
ten. Er ſelbſt behauptet Das auch nie. Wie mag die „Deutſche Zeitung“
nun von Täuſchen reden? Sie verſchanzt ſich hinter ein mar vernimmt.“
Sitte aller böswilligen Verdachtiger!

Weiter heißt es, der Brief gehe von einem „Verein« von Handwerko-
gehilfen aus. Das iſt die ſechſte Unwahrheit! Er geht nicht von einem
Verein aus, ſondern von Arbeitern als Privatperſonen. Es hat ſich hier al-
lerdings ein Verein von Handwerksgehilfen gebildet, welche ſchreiben, rechnen
und fingen lernen. Möglich, daß Einer oder der Andere davon den Brief
an Hecker unterzeichnet hätte. Folgt daraus, daß er „von dem Berein aus-
geht“? Die Polizei würde vielleicht ſo urtheilen. Nun, ich weiß nicht, ob
ſich die „Deutſche Zeitung‘“ und ibr Correſpondent bereits in dieſer Beziehung
dem Beſtehenden angeſchloſſen haben.

Die durlacher Arbeiter, fährt der Fabrikartikel fort, ſollen nach Kenntniß-
nahme des Briefes verflärt« haben: ſie wollten neben den muthmaßli-
chen Unterzeichnern nicht mehr weiter arbeiten. Hier liegt die ſiebente Unwahr-
htit! Die Werkführer verklärten“ vielmehr am 29. Januar, Samſtags,
valle Durlacher müßten ihre Arbeit liegen laſſen; ſie dürften nicht weiter
arbeiten.“

Zur Ausmittlung der verhaßten Petitions⸗ und Adreſſeſchreiber ſoll ſo-
dann Keßler den Durlachern 8 Tage „Zeit gegeben“ haben. Meit gege-
ben“! Außerordentlich ſchön! Es wurde den Durlachern geſagt, daß ſie bin-
nen 8 Tagen die Namen wiſſen müßten; ſonſt ſeien ſie für immer entlaſ-



Petition ſolle ubrigens „trüben Quellen ihren Urſprung verdanken, u. ſ. w.

Diefe Angaben der „Deutſchen Zeitung“ tragen faſt durchweg ſo ſehr den
Stempel der Verdrehung an ſich, daß man vicht mehr an die Unkundigkeit
ihres Verfaſfers glauben kann, ſondern bloß noch im Zweifel iſt, ob man mehr
die Bosheit oder die Keckheit deſſelben bewundern ſoll.

Das Sachverhältniß iſt folgendes. Dreiundſechzig Arbeiter überreichten
dem Abgeordneien Hecker ein Schreiben, in welchem ſie ihre Anſichten uber
die beſtehenden geſellſchaftlichen Zuſtande mit kurzen Worlen auseinauderſetzten,


afſoziationen“ erflärten, die mit Staatsmittelu unterſtützt „gegen die gro-
ßen Fabrikanten Konkurrenz halten könnten.“ Ueber die Kammerfrage, ob die
drei Fabriken durch eine Garantie des Staates zu ſtützen ſeien, verbreitete ſich
der Brief der Arbeiter weiter nicht. Es war hierüber blos bemerkt, daß die Un-
terzeichner die Meinung baͤtten, „die Fabriken könnten ſich wohl ohne Staats-
Hülfe baltenz die kundigen Männer in der Kammer würden Das jedoch beſor-


der MNaſchinenfabrik“ zu erfennen, und Heder ſagte Das ebenfalls
nicht! — &s iſt daͤher ganz aus der Luft gegriffen, daͤß Hecker den an ihn
gerichteten Brief eiwa als eine Kundgebung der Mehrzahl der Arbeiter, als
einen /Beleg“, beyandelt habt. Er ſagte weder, daß die Dreiundſechzig die
Achthundert repräſentiren, noch auch, daß die Dreiundſechzig ſammt und ſon-
deis aus der Maſchinenfabrik ſeien. Dieſe erſte Beyauptung der „deutſchen
Zeitung“ iſt ſomit eine Unwahrheit.

Burch den Brief der Dreiundſechzig, fährt das Heidelberger Blatt fort,
ſei nun eme v M ißfiimmung« unter den keßler'ſchen Arbeitern entſtanden.
— Das war aber ſo. Die Werkführer der Fabrik, wohl nicht gerade
aus eigenem Antrieb, riefen ihre Leute am nächſten Morgen nach der Kam-
merſitzung zuſammen und ſchilderten ihnen, daß ein ſchändlicher Brief in der
“ Ständeverfammlung verlefen worden ſei, der darauf hinziele, die Arbeiter ih-
res Erwerbes zu berauben! Die Unterzeichner, wurde ſogar geſagt, ſeien
Schurfken und Schufte. Man müſſe ſich von dem Verdaͤcht reinigen, als
mache man mir ihnen gemeinſame Sache. Die wollten die Fabrik ſtürzen und
den Fauulienvaͤtern ihr Brod nehmen. — Eine ſo ſummaxiſche Darſtellung des
Briefes der 63, gewürzt mit Schurken und Schuften, konnte natürlich nicht
verfehlen, die beihörte Menge, weiche nicht wußte, daß Jener Brief für


verſetzen. Die Mißſtimmung war aber lediglich eine Folge der Lügnerifhen
Schilberungen. Es iſt alſo eine Unwahrheit, daß durch den Brief der 63



2

. Die Migftimmung wäre abex wieder verlaufen und hätte keine weiteren
„Folgen gehabt, wenn nidt die— Werkführer aufgefordert hätten, eine Kom-

iffon zu wählen, welche die Namen der Petitions- und Adreffeunterzeichner
qusmitteln folle. Es ift daher unwahr, wenn behauptet wird, die 800 Ar-

_ beiter hätten auf eigenen Antrieb eine Commiſſion gewählt, damit die Namen
der Schaͤudlichen an den Tag kaͤmen. Auf Befehl mußten ſie es thun: jes
dem Störrigen kounte die Entlaſſung drohen!

Es fonen darauf „fämmtlide achthundert Mann⸗ gegen die Durlacher
Petition und die 63 in einer Eingabe aufgetreten ſein. — So ſicher dies nun
allerdings der Abg. Chriſt behauptete, ſo durch und durch erfunden iſt es!
Die Achthundert erhielten durch gedruckte Zettel von der Petition erſt dann


dert waren gar nicht um ihre Zuſtimmung gefragt worden! —
Daͤß ſie vielleicht hintendrein nun unterzeichnen, iſt wohl möglich, Der Fabrikherr
gebietet über ihr Lehen; denn er gebietet über ihre Nahruͤng! Heißt es doch
in der Schrift der 20 denn 860 ſind es nicht! — daß ſie ihr Drod aus
der Habrif erhalten, daß ſie in den -Dienſten! eines „Herrn⸗ ſtehen;
was follen da die diktirten Redensarten, wie „Ehrgefühl«? Daß die S00
nicht gefragt wurden, iſt eine ſtadtkundige Thatſache; wie mag da der Corre-
ſpondent der / Deutſchen Zeitung“ wit den pompoͤſen „ſaͤmmtlichen achthundert
. Mang“ aufrücken? Aber Das war ja ſein Hauptbeweis! Leider freilich ſteckt ges
zade hinter dieſem gar Nichts. Deun er beſteht aus einer — Unwahrheit.

*

ſen. Das heißt im „deutſchen“ Zeitungsſtile: „Zeit gegeben“! Hier liegt
ſomit die achte Unwahrheit! } ‘ —

Die Petition der Durlacher, heißt es endlich, ſoll aus „truͤben Duellen‘
gefloſſen ſein. Der Verfaſſer iſt, wie wir wiſſen, ein ehreuwerther Mann.
Bezeichne doch die „deutſche Zeitung“ die trüben Quetten etwas naͤher. Aber
Das kann ſie nichi. Met einem „ſoll“ müßte ſie die neunte verdächtigende
Unwahrheit ausſprechen. Neun iſt eine ſchöne Zahl. 4
Nun zum Schluß Etwas über die „derbe Lehre.“ Es iſt ganz richtig,
daß die duͤrlacher Faͤbrikarbeiter voll Muth (nicht bloß mißſtimmt) in ihre
Vaͤterſtadt zogen, um ſich an den „Schurken und Schuften“ zu raͤchen. Nar
türlich, ſie wußten Nichts, als Das, daß man ihnen „ihr Brod habe entziehen
wollen.“ Sie waren bethört, aufgeyetzt, ſie waren, um mich eines mathy
ſchen Ausdrucks zu bedienen, übel, ſehr übel berathen. Die Dreiundſechzig,
Die waren beſonnen, ruhig, ſie beriethen ſich in aller Ueberlegung über Das,
was ſie an Hecker mittheiien wollten. Der Abgeordnete Mathy mochte von
ſeinem Standpunkt der Nationalöfonomie aus in der Kammer ſich gegen die
ſohialiſtiſchen Grundſätze des Arbeiterbriefes ausſprechen, er mochte ſogar die
Unterzeichner „Schulmeiſter“ nennen. So viel iſt gewiß, daß ſie nicht verhetzt,
nicht bethört, nicht fanatiſirt waren. Fanatifirt waren ader Die, welche
lärmend und drohend in Durlach umherzogen! fanatiſirt waren die Arbeiter,



welche einen Vertheidiger des Briefes in der Fabrik mit Fuͤßen traten, und


ren beſſer zu berathen! Die repräſentiren keine „Volksſtimmung , ſondern
Leidenſchaft und Bethörung. Die „deutſche Zeitung“ ſollte ſich doch am
Meiſten hüten, das „Knüppelregiment“ als Beweis der guten Volkoͤſtimmung
in's Feld zu führen. Bezeichnet doch das edle Blatt die Lottoſpieler und Ta-
bakraucher ſchon als „Terroriſten“! — — ——E —
Ich, der Schreiber dieſes Artikels, habe die Ehre, jener junge Mann zu
ſein, der für die „Mannheimer Abendzeitung“ die Landtagsberichte liefert, welche
der „Deutſchen Zeitung“ nicht ſo gut gefallen, als die ihrigen. Ich will, ob-
gleich hier vielleicht Zaͤhlen ſprechen koͤnnten, die bekanntlich für den National-




rechten. Die „Deutſche Zeitung“ ſpricht von Zerrbildern, welche dem /Mann-

heimer Blatte“ noch den letzten Reſt von gutem Rufe nähmen. Nun, über

den Tadel der Evolutionsprofeſſoren und aͤngehenden Hofmänner können wir

Radikale uns wohl leicht hinwegſetzen. Der Tadel hat ſeine leicht zu findenden

Ertlaͤrungogründe. — Im Uebkigen habe ich die Ueberzeugung, daß es ein
Zerrbild ift, wenn man die ergreifende Rede Hecker's, die er bei Chriff’s Aufrage
über die 63 hialt, ſo behandelt, wie es der Landtagscorreſpondent des heidel-
berger Blattes thut. Mag diefer Correſpondent es einerſeits für ein Zerrbild
erklären, wenn unſer Bericht Sephismen alg Sophiomen bloßlegt und Ver-
ſonen in ihrer objektiven Jämmerlichkeit darſtellt. Ich danke Übrigens dem
Hern Corteſpondenten für die Notiz, die er über mich gab. Noͤthig war ſie
nicht. Denn ſie betraf bloß eine Perſon, und gar nicht eine Sache Vielleicht
erfolgen aber darauf Maßregeln von Seite des Beftehenden , . wie ich ſie, tros
dem daß ich noch jung bin, ſchon in hinreichender Anzahl habe erfahren müſ-
ſen. Vielleicht ſind dann auch die Leſer dex Zerrbiülder, welche ich bieher lie-
ferte, genöthigt, ſich anderswo umzuſehen. Dann waͤre der Artikel der

weſen. Auf Wiederſehen!

) Aus einem umfaſſenden Artikel eines andern unſerer Correſpondenten

entnehmen wir Folgendes:
„Warum fuͤrchtet Herr Mathy ploͤtzlich für den Ruf des Mannheimer
Blatles, an dem wir ihn noch vor einigen Wochen ſe vertraulich bei ſeinem
Redacteur arbeiten fahen? Was doch nicht einige Anführungszeichen thun,
die einen Landtagsbericht zu Zerrbildern machen und den Ruf eines Blattes
dernichten können, und waͤrum? — weil Hr. Mathy die ungemeine Seelen-
größe beſitzt, um, beleidigt, ſich auf dieſe Weiſe raͤchen zu muͤſſen
Wir feloſt mögen den kleinlichen mit Nichts begründeten, wohl aber durch
die erhöhte und räglich ſteigernd? öffentliche Theilnahme an unſerm Blatte
gründlich widerlegten Ansfall nicht weiter















































 
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