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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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— —

— HET




















— — —

1848.

Halbfäurith 5 HL im YMusland erböht f












E. Politiſche Meflerionen aus dem Gefängnit.

2. Die Humanität und die Arbeit. * 2
Wir hatten zwei Hauptpartheien in Der menſchlichen Geſellſchaft wie IM


und wie man ſie ſonſt nennen mag, oder die Unfreien, DIE Anhänger der Aus
4 des Herrenthums, die 444 en Egoiſten, Deren Egoismus im AWider-
fpruch zum Wohle Anderer und zu Der CIBgENEN Würde und —— —
teht. Da man das Wort Egoismus ohne Weitere Bezkichnung in der Volks-
ſprache im ſchlechten Sinne zu nehmen gewobtt iſt, 4 wir 8* nicht an-
jtehen, alle Widerfacher der Freihett mu dem Namen Egoiſten zu bezeichnen,
obgleich derſelbe ſtreng genommen eine edle und gute Bedeutung hat.

Bie Huͤmaniſten anerfennen alg Ausgangs- und Zielpunkt ihres Lebens
nur ihr eigenes Ich, und ſuchen dasſelbe, die ganze Summe ihrer indivi-
duellen Fähigkeiten und Kräfte, ım Zuſammenleben wit der Menſchheit und
zum Wohle derſelben zu verwirklichen. Sie ſind die Schaffenden, die Produr-
Jirenden, die Leiſtenden, mit einem Worte die Arbeiter der Menſchheit. Die
Paxis der Humanität iſt die Arbeit. Sie iſt das Medium, wodurch der Ein-
zeimenſch ſein Ich in der Welt verwirklicht und ſeinem wahren, edlen Egoismus
genügt; ſie iſt die Kette, vermittelſt welchex der Einzelne mit dem Volke, mit
der Menfchheit zuſammenhängt, ſie iſt der einzige Inhalt und Zweck des menſch-
lichen Lebens. Der Menſch wird frei durch die ÄArbeit. Nicht nur, daß die
Naturkräfte dadurch überwaͤltigt werden, welche ſonſt die Freiheit des Menſchen
beeinträchtigen, daß der Menfch durch großartige, und überall verbreitete Ver-
kehrsmitiel aufhört, an die Scholle, wo ſeine Wiege ſtand, gebunden zu ſein,
daß durch Wohnung und Kleidung die beengenden. Einflüſſe des Klimas ge-
maßigt und ausgeglichen werden, tauſend andere Bortheile zu verſchweigen:
nein! der größte Vorzug und Nutzen der Arbeit liegt darin, daß der Menſch
durch ſie zum Bewußtſein ſeiner Kraft, ſeiner Würde, ſeiner Selbſtſtändigkeit,
ſeiner Souveränität kommt.

Der Menſch, der arbeiten kann, was auch immex die Art ſeiner Arbeit
ſein mag, braucht keinen Herrn, keine Autorität über ſich anzuerkennen; er ge-
nügt ſelbſt ſeinen Bedürfniſſen; er bedarf keines Schutzes, keiner Protektion,
feiner Gnaͤde. Allerdings iſt in unſern beſtehenden durch und durch ungerech-
sen Verhältniſſen meiſtentheils das Gegentheil der Fall, nemlich, daß die Aır
beiter den abhängigften und unfreieſten Stand bilden, aber dies beweift nicht
die Unwahrheit ves aufgeſtellten Satzes, ſondern nur der beſtehenden Verhält-
niſſe. Durch die dem Woͤhle und dem Bedürfniſſe der Geſammtheit gewidmete
Arbeit wälzt der Menſch die Schuld von ſeinen Schultern ab, mit welcher er
der Menſchheit, die ihn erzogen und gebildet hat, verpflichtet iſt. Er iſt alſo
{n jeder Weiſe unabhängig und ſouverän, daher die Arbeit die Stütze, das
Gruͤndbedingniß der Volkofouvexänität, der Freiheit, der Demokratie iſt. Die
Mrbeit iſt durchaus republikaniſcher Natur, da ſie alle Menſchen, wenigſtens
alle diejenigen, welche dieſes Namens würdig ſind, gleich macht; denn, wie
verſchieben auch die einzelnen Arten der Arbeit ſein mögen, ihre allgemeine Na-
tur ift doch immer dieſelbe, die Unterordnung unter die Zwecke der Geſammt-
yeit. Die Arbeit iſt ſocialiſtiſch, weil Keiner für ſich allein arbeiten kann, ſon-
Ddern nuͤr im Verein und in Wechſelwirkung mit Tauſenden, Millignen ſeiner
Bruͤder. Die Arbeit hat überhaupt alle Eigenſchaften, welche die Kennzeichen
des waͤhren, unverfälſchten Menſchen ſind, ſie iſt, mit Einem Worte geſagt, des
Menſchen innerſte eigenſte Natur.


in den jetzigen Verhältniſſen noch immer einen Stand und nicht das ganze Volk
bildet, duͤrchaus demokraͤtiſch iſt. Die Revolutionen, welche in dieſem Jahre,
wie 1830 und am Schluß des vorigen Jahrhunderts das alte, abgeſtorbene


unfern Tagen in den Straßen von Paris, Wien, Berlin und Prag ihr Leben
fuͤr eine Freiheit geopfert, die erſt, wie es faſt ſcheint, nachgeborene Generatio-
nen beglücten wird. Wie alles Gute, Schöne und Wahre, ſo verdankt auch
die politiſche Freiheit den Arbeitern ihren Urſprung und wird ihnen auch ihre
Voliendung verdanken. Deßhalb muß jeder Freund der Wahrheit und der Frei-
heit eine große Achtung vor dem Staͤnde dex Axbeiter mit ihren zerlumpten
Blufen und ihren ſchwieligen Händen haben; ſie ſind die Bürgſchaften der Zu-
kunft, die Garantien der Freiheit.

Es wird wohl nicht nothwendig ſein zu bemerken, daß mit dem Namen
Arbeiter Jeder bezeichnet iſt, der durch ſeine eigene Thätigkeit Etwas produzirt,
vas dem Ganzen nützt, und der von ſeiner eigenen Arbeit und nicht von der
Lusbeutung Anderer lebt. —


eigene Arbeit durch die beſtehenden Verhältniſſe, wie durch ihr Streben und
ibre Erziehung hingewieſen find, haben bisher die Staaten beherrſcht und herr-
ſchen auch noch darin. Es gehören ihnen dieſelhen Leute an, welche, wie vor-
hin gezeigt worden iſt, ſich felbft, ihr eigenes Ich nicht zum Prinzipe ihres Le-
dens machen, die von Autoritäten abhängig ſind und ihrer, Thätigkeit fremde,
außer ihuͤen liegende Zwecke unterfehieben. Diefe Leute ruhen nicht in ignen


wenſchlichen Gefellſchaft zu ſichern befähigt iſt, oder guf ihr Geld, welches ih-
nen geſtattet, die Arbeit Andexer zu benüßen. Ein Mann, der ſich auf etwas
Anderes, alg auf ſich ſelbſt, ſeine Kraft und ſeine Arbeit verläßt, iſt im höch-
ſten Graͤde unſelbſtſtändig. Aber bei den beſtehenden Verhältniſſen, in welchen
gar viel auf den Kopf geſtellt wird, nennt man gerade ein ſolches Vertrauen
auf Geld und Gut Selbſtſtändigkeit. Solche „ſelbſtſtändige“ Leute, welche ſich
nicht dazu angetrieben fühlen zu produziren, zu arbeiten, zu ſchaffen, waren
bei den disherigen und ſind auch noch bei den beſtehenden ſtaatlichen und ſocta-
len Verhältniſftn am Beſten dazu befähigt, ſich um die allgemeinen Angelegen-















heiten zu kümmern. Sie regieren, während Andere arbeiten; ſie behert-
fchen den Staat, während Andere der menſchlichen Gefellfchaft die-
nenz ſie verzehren, während Andere produziren.
Hierin ſcheint ein Widerſpruch zu liegen, aber er ſteckt mehr in den Ver-
hältniſſen, wie ir den Worten. Er liegt im Vexhältniß des 7eBt beſtehenden
Staates zur Natur des Menſchen. Der Begriff des Staates iſt übereinſtim-
mend mit dem Begriff des Menſchen. Wie es Zweck des vernünftigen Indi-

viduums iſt, ſich ſelbſt zur Vollendung, zur Verwirklichung, die Kräfte und


und Energie, alle ſeine natürlichen und geiſtigen Fähigkeiten in der Weltge-
ſchichte verwirklicht. Wie jeder Menſch, vermoͤge feiner Beſonderheit, feiner
Individualität, auf einen beſondern Kreis von Handlungen und Leiſtungen an-
gewieſen iſt, wodurch er ſich von ſeinen Mitmenſchen unterfheidet, ſo ſoll auch
jeder Staat ein beſonderes Gebiet der Vernunft und Sittlichkeit, welches ihın
das Klima, die Beſchaffenheit des Bodens und die Stammeigenſchaft des an-
gehörenden Volkes Üüberwieſen hat, ausfüllen. Es iſt alſo die Pflicht des
Siaates, aus den Eigenthümlichkeiten ſeines Landes diejenigen Sphären geiſti-
ger und materieller Thätigkeit auszumitteln, zu denen er im Unterſchiede von
andern Staaten beſonbers und vorzüglich befähigt iſt. Dieſe Entwicklung wird
ſehr leicht ſein, da der Inſtinkt des Volkes ſchon hiex die richtigen Bahnen -
einſchlägt. Auf dieſem poſitiven, von der Natur und der Geſchichte gegebenen
Boden nun ſoll der Staat die Eiche der Volkskraft zum Wachſen, Grünen
und Blühen bringen; die verſchiedenen Völker auf der Erde werden ſich gegen-
ſeitig ergänzen, cvenſo wie die Individuen im Volke, und es wird nicht der
kleulſte Theil menſchlicher Kraft verloren gehen. Eine derartige glückliche und
fegensreiche Ergänzuͤng verſchiedener, oft entgegengefeßter Thätigkeiten und D
firebungen fand im Kleinen vor mehr wie zweitanfend Jahren ſchen in den
tlaſſiſchen Staaten Griechenlands ſtatt. *

Der Staat muß, wenn er auf ſolche Weiſe ſeinem Berufe und ſeinem
Begriff nachkommen will, die Organiſation der Arbeit zu feiner Hauptaufgabe
macen. Er muß dahin wirken, daß die möglichſt freie und ſelbſtbeſtimmte
Thätigkeit des Individuums dem Volke wirklich nützt. In dieſem Punkte trifft
alfo das Streben des Einzelmenſchen mit den Aufgaben des Staates zuſannnen.
Ein folcher Staat iſt ein Staat der Arbeiter; er arbeitet und produzirt ſelbſt,
indem er die Arbeit ſeiner Angehörigen organiſirt. —

Der jetzt beſtehende Staal leiſtet gerade das Gegentheil. Er verwirrt, er
unterdrückt, er genießt, er verzehrt nur. Die Arbeit überläßt er rückſichtslos
dem Belieben oder dem Bedürfniß der Privaten; die Kunft, die Wiſſenſchaft,
diefe eigenthümlichſten und zugleich edelſten Produkte des Volksgeiſtes Unter-
drückt erz die ſogenannten maͤteriellen Arbeitex der Hand und der Maſchine be-
trachtet er blos als eine Einkommenquelle. Wir brauchen hiezu keine Beweiſe;
der Zuſtand unſerer Literatur und Kuͤnſt, wie die Verhältniſſe der arbeitenden
Volksklaſſen beweiſen genug. Nicht nur durch ein ungerechtes, die unteren,
arbeitenden Volksklaſſen bedrückendes Steuerſyſtem, ſondern auch durch die
ſtehenden Heere, wodurch die Jugendkraft des Volkes in der ſchönſten, kräf-
tigſien Entwickelung einem Phantom hingeopfert wird, durch die Beamten,
deren mühſelige Arbeit nie zu einem Produͤkt, zu einem Ziele führt, durch die
vernunftwidrige Anhäufung der Güter, die der Staat durch einfache Steuer-
und Erbſchaftsgeſetze leicht heben könnte, und die der Entwickelung der Volks-
kraft bedeutenden Abbruch thut, durch eine ganz fehlerhafte und zweckwidrige
Erziehung, welche den Menſchen an der Erkenntniß ſeines eigenen Ichs an
aller Selbſtachtung und Selbſtſtändigkeit zu verhindern ſucht, und mehr noch,
wie durch alles dieſes, durch die künſtliche Iſolirung und Spaltung der Indi-
viduen und ihrer Intereſſen, bewirkt der beſtehende Staat geraͤde das Entgegen-
geſetzte von dem, was in ſeinem Berufe und in ſeinem Begriff liegt; er unter-
drückt die Volkskraft, die Arbeit, anſtatt derſelben zu einer freien, orgaͤniſchen
Entwickelung zu verhelfen.

Da der Staat alſo das Gegentheil von dem iſt, was er ſein ſoll, ſo {
es leicht zu erklären, daß grade diejenige Menſchenklaſſe, welche ſich am meiz .
ſten voöm Volke ablöst, und am wenigſten für das Gemeinwohl leiſtet, Die
Leitung und Verwaltung des Staates an ſich reißt. Da der Staat egoiſtiſch
iſt, und ſeinen Privatzwecken die Geſammtzwecke der menſchlichen Geſellſchaft
unterordnet, ſo müſſen die Egoiſten am meiſten von ihm begünſtigt und am


Staat, weil er mit ſeiner Arbeit genug zu thun hat.
Sagt man nicht, daß in dieſem Jahre durch die Revolutionen ſich dieſe
Verhältniſſe geändert hätten. Die Ausſchüſſe der Menſchheit, die Egoiſten, die


Zeit, grade ſo, wie auf den Miniſterbänken von geſtern. Man blicke in die
Faulskirche. Die Beamten des alten Regiments, die Generale des D







gegenden, die adligen Gutsbeſitzer, welche ihre Haſen und Rehe höher z !
len erzogen ſind, als ihre Bauern, die Profeſſoren, deren Gehirn von den
Ueberbleibſeln der verrotteten römiſchen Kaiſerzeit oder des pfälziſchen Mittel-
alters ſo voll geſtopft iſt, daß von der neuern Geſchichte und Logik nichts


bröckelnde Staatsruine Deutſchlands wieder ausflicken wollen. Ihre endloſen


feit bei allen wichtigen entſcheidenden Fragen, der Mangel an Würde und
Selbſtachtung, womit ſie ſich herumzanken, beweiſen uns zur Genüge, daß
diefe Leute, welche nie arbeiten, producixen gelernt haben, auch keine Geſetze,
feine neue Staatsformen produciren können. Sie werden dem Volke der Ar-


Welt erarbeiten.


 
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