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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1296

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» k 8 8 —













»Mannheim, 15. Drzbr, Der deutſche Kaiſer, eine Grille — —
Hofrälhe und Profeſſoren und ihres. Nachtrapps, iſt nun don der Verfaſ-
fungs-Comwiſſion in Frankfurt wirklich fabricirt worden. Wir geben unſeren
Leſern den Entwurf, wie er yns eben zugekommen und behalten uns vor, auf
den Gegenſtand noch naͤher einzugehen. Der Entwurf lautet:

' ; Das Reichso berhaupt.

Die Würde wes Reichs⸗Oberhauptes iſt erblich nach dem Rechte der

S, 4: { 7 *
Erſtgeburt, Das Reichs-Oterhaupt führt den Titel „Kaiſer von Deutſch-
Tanbd. u ; — . .

$. 2. Der Sitz der Reichs-Regierung iſt Frankfurt a. M. So oft ſich
der Kaiſer nicht am Sitze der Reichs-Regierung befindet muß einer der Reichs-
Miniſter in ſelner unmitelbaren Umgebung ſein.

Sepaͤrat-Votum: Ich behalte mir vor, die Gründe, wel he für Erfurt
als Sitz der Reichs⸗Negierang ſprechen, hervorzuheben. Beſeler.

2 Der Kaiſer bezieht eine Civilliſte, welche der Reichstag bei jedem
8 ;

— Il ;
S. 4. Der Kaiſer iſt unverletzlich und unverantwortlich. Er übt die ihm
übertragene Gewalt durch verantwortliche von ihm ernannte Reicheminiſter aus.
S, 5. Für die Gültigkeit jeder vom Kaiſer ausgehenden Regierungshand-
wenigſtens eines der Reichsminiſter.
Art. III.
S. 6. Der Kaiſer hat die Regierungs-Gewalt in allen Angelegenheiten


Der Kaiſer ubt vie völkerrechtliche Vertretung des deutſchen Reichs
Er ſtellt die Reichsgeſandten und

S
und der einzelnen deutſchen Stagten aus.


$. 8& Dem Kaiſer ausſchließlich ſteht das Recht des Krieges und Frie-
dens zu.

S. 9. Er ſchließt die Bündniſſe und Verträge mit auswärtigen Mächten
ab ohne Mitwirkung des Reichstages inſoweit dieſe nicht verfaſſungsmäßtg vor-
behalten iſt.

$. 10. Alle nicht rein privatrechtlichen Verträge, welche deutſche Regie-


fer zur Kenntuißnahme, und infowert das Nerchetntereffe dabet betheiligt iſt, gur
Bertretung vorzulegen.

$. 1l. Der Kaifer pat das Recht des Geſetzvorſchlages, er verkündet die
von ihm ſanktionirten Geſetze und erläßt die zur Vollziehung derſelben nöthigeu
Verorbnungen.

S. 12. In Strafſachen, welche zur Zuſtaͤndigkeit des Reichsgerichts g'hö-
ren, hat der Kaiſer vas Recht der Begnadigung, den Fall der Miniſter-Anklage
ausgenommen.

S. 14. Dem Kaiſer liegt die Wahrung des Reichsfriedens ob; er hat die
Verfügung über die bewaffnete Macht; überhaupt ſtehen ihm als Träger der
Regierungsgewalt ricjenigen Rechte und Befugniſſe zu, welche in der Verfaſſung


Fraukfurt, 14. Dezbr. Das abfolute Veto womit der Verfaſ-


zuſtatten beabſichtigte iſt Durdgefallen. Die Nationalverſammlung hat die


trauensvoteten Unterſtaätsſecretär Fallati annahm: Ein Beſchluß des Reichsta-
ges, welcher die Zuſtimmung des Reichsoberhauptes nicht erlaugt hat, varf in
derſelben Sitzung nicht wiederholt werden. Iſt ein Beſchluß vom Reichstag
in drei ordenclichen auf einander folgenden Sigungen und nach abermaliger Er
wägung unverändert gefaßt worden, ſo wird er zum Geſetz auch wenn die


Die Annahme dieſes Antrags erfolgt vermittelſt Stimmzettel mit 274 gegen 187



der Abſtimmung nur noch Dahkmann als Berichterſtatter zum Schluß zu ſpre-
chen, zog aber vor, licber zu leſen. Er erklärte tie Monarchie für das Höchſte
was menſchliche Einxichtungen ſchaffen können, weit höher alg die Republik, in
dem monarchifchen Prinzip aber wieder das abſolute Veto für das Höchſte, und
verlangte es darum für fein Kaiſerlein. Der Krone müßte In Zeiten allgemei-
ner Verwirrung die Möglichkeit einer „rettenden That“ gegeben ſein, wie der
König von Preußen eine ſolche durch Auflöſung der zur Vereinbarung der Ver-
faſſung nach Berlin berufene Verſammlung ausgeübt habe, cfolgen einige An-
griffe auf Letztercn) darum ſei das abſolute Beto abſolut nöthig. Einen Erſas
dafür gebe es nicht, denn alle Vorſchläge, die gemacht worden ſeien ſowie die
beſtehenden Einrichtungen in Amexika, Norwegen 26, gleichviel werth, d. b. gar
nichts werth. Nur die klugen Belgier ſeien diejenigen, welche ein nachahmungs-
werthes Beiſpiel in dieſer Frage gegeben, die keineswegs eine Rechtsfrage oder
eine Goltes-Gnaden-Fraͤge, fondern eine Machtfrage ſei; die Aufgabe der Ver-
ſammlung ſei aber nicht bloß die Freiheit. (daß Gott erbarın!) ſondern auch die


ligen.
; Gagern ſchlug wiederum eine höchſt confuſe Fraaſtellung, worin auch nicht
eine Spuͤr logiſchet Orvnung, vor, die von vielen Seiten ziemlich heftig ange-
griffen wurde; bis endlich Bincke — bekanntlich auch ein ſchwacher Logiker —
ſich auf ſeine Seite ſchlug. Nun ließ Jener erſt über die Eingangsworte zu





2
No. 300.
S. 19 abſtimmen, dann als dies das obige Reſultat gab, darüber, ob er mit
dem dies Suspenfiv-VBotum am weiteſten ausdehnenden, oder am engſten ein-
ſchränkenden Antrag beginnen ſollte, und als die Verſammlung ſich für letzteres
entſchied, folgte die Abſtimmung über die einzelnen Anträge. Wenn darin Einn
und Verſtand iſt, ſo iſt Gagern ein großer Mann. 7
Abgeworfen wurden naͤch und nach der Antrag Trützſchlers: die Reichs-
Regieruhg iſt verpflichtet, vie Reichstagoͤbeſchlüſſe auszuführen; der Antrag von
Lauwerk! Stehen nach Anſicht der Rrichsregicrung einem Reichstags-Beſchluß
Bedenken entgegen, ſo iſt der Reichstag verpflichtet, dieſen Befehluß in noͤchma-
lige Berathung zu ziehen, wird er dann von einer Mehrheit von zwei Drittheilen
der ſtimmberechtigten Mitglieder angenommen, ſo iſt die Reichbregierung ver-
pflichtet, ihn auszuführen; der Antrag von Schulz aus Darmſtadt! nach wel—⸗
chem die Regierung binnen 14 Tagen, und der Antrag von Elauſſen nach
welchem derſelbe binnen 30 Tagen eine nochmalige Berathung und Abſtimmung
verlangen kann, bei der es denn auch wenn ſie mit einfacher Majorität gefaßt
wird verbleiben ſoll, das etwas abgeänderte Minoritäts-Erachten unter IV.;
ferner der Antrag von Heiſterbergk: hat die Reichs-Regierung einem Be-
ſchluß des Reichstags ihre Zuſtimmung verſagt, ſo erlangt dieſer Beſchluß,
wenn er in der nächſten Sitzungs-Periode wiederholt gefaßt wird, ohne weiteres
geſetzliche Gültigkeit mit 269 gegen 195 Stimmen und endlich der Antrag von
Malzahn: Steht nach Anſicht der Reichsregierung der Ausführung eines
Reichstagsbeſchluſſes Bedenken entgegen, ſo kann der Reichstag erſt in der näch-
ſien Sitzungs-Periode einz wiederhöolte Berathung deſſelben eintreten laſſen; wird
es alsdann in beiden Häuſern von zwei Drittel der ſtimmfähigen Mitglieder
beſtätigt, ſo erlangt er volle Gültigkeit, mit 277 gegen 186 Stimmen, worauf
Fallatis Antrag angenommen wurde.

Eine Anzahl Erklaͤrungen wurden dann zu Protokoll gegeben, darunter
eine Verwahrung der äußerſten Rechten gegen die Folge des gefaßten Beſchluſ-
ſes, unterzeichnet von Vincke, Detmold, Radowitz, Flonwell, Gracvell, etlichen
Ultramontanen u. ſ. w., welche beklagen, daß ſich nun kein Fürſt zum Ueber-
nehmen einer ſo tief herabgewürdigten Stellung hecgeben werde, indem nun der
volle Glanz der Majeſtät auf das Oberhaupt nicht ausgegoſſen ſei, u. dal. m.
Die der verworfenen Einleitung zu S. 19 eine andere ſubſtituirenden An-
träge, darunter der erſte Theil des dritten Minoritäts-Erachtens wurde ver-
wokfen, ſo daß der Verfaſſungsausſchuß mit der Entwerfung einer neuen Ein-
leitung beauftragt werden mußte. *

Von den einzelnen Punkten des S. 19 wurken die unter 1. 5 6. 7. und
8. angenommen, alle Berbeſſerungsanträge aber, ſo wie die dazu gehörigen
Minoritäts· Auttäge abgeworfen.

Die Verſammlung fuhr darauf in der zweiten Loſung der Grundrechte
fort. Beſeler aus Schleswig übernahm den Vorſitz und uͤbertraf ſein Vorbild
Gagern weit an barſchem Ton, Handhabang der Klingel, unverſtändlicher
ſchneller Ausſprache und confuſer Frageſtellung, kurz er präſidirte trog coder
wegen?) der eifrigſten Einflüſterungen des Präſidenten noch weit ungcſchickter
alg dieſer. Ohne Discuſſion wurden angenouimen S. 15 (12 alt) Jeder
Deutſche iſt unbeſchränkt in der gemeinſamen zäuslichtn und oͤffentlichen Uebung
ſeiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieſer Freis
heit begangen werden, ſind nach dem Geſetz zu beſtrafen.

S. 16. (13 alt) Durch das religiöſe Bekenntniß wird der Genuß der bür-
gerlichen und ſtagtebürgerlichen Rechte weder bedingt noch beſchraͤnkt. Den
ſtaatsbürgerlichen Pflichten darf daſſelbe keinen Abbruch thun.

S. 17. (14. alt) Jede Religionsgeſellſchaft ordnet und verwaltet ihre
— — ſelbſtſtändig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgeſetzen unier-
worfen. *
Keine Religionsgeſellſchaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat;
es beſteht fernerhin keine Staatskirche. *

Neut Religionsgeſellſchaften dürfen ſich bilden; eine Anerkennung ihres
Bekenntniſſes durch den Staat bedarf es nicht.

$. 18. (erſter Sag von S. 15. alt.) Niemand Toll zu einer kirch-
lichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. _

S. 19. (zweiter abgeänderter Satz von S. 15 alt.) Die Formel des Ei-
des ſoll künftig lauten: „So wahr mie Gott helſe.“ *

S. 20. und 21. (der unveränderte S. 16. alt.) Die bürgerliche Gültigkeit
der Ehe iſt nur von der Vollziehung des Eivilaktes abhängig; die kirchliche
Trauung kann nur nach der Vollziehung des Eivilaktes ſtattfinden. *

Die Religionsverſchiedenheit iſt kein bürgerliches Ehehinderniß.

S. 21. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden ge-
führt.

Noch iſt ein Vorfall zu bemerken, welcher der Tagesordnung voranging
und die Niedrigkeit der Geſinnung, welche ein Theil der Rechten und des rech
ten Centrums offen zum Schau trägt, wieder einmal aufs Glänzendſte zeigt,
ſo daß wahrhaft Ueberwindung eines moraliſchen Eckels dazu gehört, es nieder-
zuſchreiben.

Bekanntlich hatte der Abgeordnete Joſeph vor läugerer Zeit den Juſtizmi-
niſter interpellirt, ob er über die Ermordung und Verſtümmlung mehrer Wiener
Studenten durch die Soldaten Auersperps, von den damals die Zeitungen grau-
ſenerregende Dinge meldeten, Kenntniß genommen habe, u. ſ. w. Heute gleich
nach Eröffnung der Sitzung theilte der Präſident mit, daß ein Schreiben der
Reichsjuſtizminiſters über dieſen Gegenſtand eingegangen. Dieſes enthielt die
Nachricht, daß da es zu ſpät geweſen (?) die Reicho-Commiſſäre mit Inſtrue-
tion über dieſen Punkt zu verſehen, der Miniſter ſich durch den Besollmächtig-
ten Oeſterreichs bei der Centralg walt wit dem öſterreichiſchen Juſtizminiſteriumn
in Verbindung geſetzt und von dieſem Nachricht ethalten habe, vie Waͤhrheit
jener Erzählungen beſtätige ſich nicht. Beigelegt war die Anwort des Miniſters
und eine derſelben beigelegte Erklärung Auersperg's auf die deßfallſige Frage
deſſelbe. * 2 ; *


 
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